[an error occurred while processing this directive]
Aktuelle Ausgabe Diese Ausgabe Gehe zu ... Kernthemen Suchen Abonnieren Leserforum

Artikel als
=eMail=
weiterleiten

Aus der Neuen Solidarität Nr. 3/2008

Jetzt
Archiv-CD
bestellen!

  Produktive Kreditschöpfung 
  Neues Bretton Woods
  Glass-Steagall
  Physische Wirtschaft
  Kernenergie
  Eurasische Landbrücke
  Transrapid
  Inflation
  Terror - Cui bono?
  Südwestasienkrise
  11. September und danach
  Letzte Woche
  Aktuelle Ausgabe
  Ausgabe Nr. ...
  Heureka!
  Das Beste von Eulenspiegel
  Erziehungs-Reihe
  PC-Spiele & Gewalt 
  Diskussionsforum
  Wirtschaftsgrafiken
  Animierte Grafiken

Die Euro-Lüge: Der Kapitalismus und seine Gesetze

Von Lyndon LaRouche
- zweiter Teil -

Das Buch „Die Euro Lüge … und andere volkswirtschaftliche Märchen“ von Wilhelm Hankel (Signum Verlag, Wien, 248 Seiten, ISBN 978-3-85436-392-7, 19,90 Euro) veranlaßte LaRouche zu diesem Aufsatz, den wir in mehreren Teilen abdrucken.

2. Der Westfälische Friede und der Vorteil der USA

Diese in der Verfassung wurzelnde Besonderheit des amerikanischen Staatssystems, wie sie Präsident Franklin D. Roosevelt verkörperte, definiert die unabdingbare Rolle, welche die Vereinigten Staaten zum Nutzen der ganzen Welt durch eine Rückkehr zu ihrem Rooseveltschen Erbe beisteuern müssen. Der russische Präsident Putin hat dies offenbar verstanden, wie seine beständigen Bemühungen um Zusammenarbeit mit den USA zeigen.

Man sollte sich erinnern, daß die Geburt der modernen, europäischen nationalstaatlichen Republik eine ganz neuartige Errungenschaft war, das Resultat einer breiten Bewegung, die ihren konzentrierten Ausdruck im großen ökumenischen Konzil von Florenz des Jahres 1439 fand. Man sollte sich aber auch erinnern, daß schon damals unmittelbar ein massiver Vorstoß folgte, das Werk dieses ökumenischen Konzils zunichte zu machen, etwa indem die Finanzoligarchie um Venedig den Fall Konstantinopels inszenierte. Dennoch kam es auf der positiven Seite zur Errichtung der ersten modernen Nationalstaaten, Frankreich unter Ludwig XI. und England unter Heinrich VII., womit der von Venedig angeführte Verfallsprozeß aufgehalten und in bedeutenden Teilen sogar umgekehrt wurde.

Seit dem Fall Konstantinopels war die Renaissance auf zweierlei miteinander verwandte Weise bedroht: Erst durch eine mittelalterliche, feudalistische Tradition, mit der die Entfesselung von Religionskriegen gegen die sich bildenden Nationalstaaten zusammenhing, und später durch eine zweite Fraktion, die von Paolo Sarpi angeführte Neue Venezianische Partei. Auf diese Neue Venezianische Partei von Sarpi et al. gehen die modernen Formen des europäischen Irrationalismus zurück, Formen, die in der Übernahme des Modells des mittelalterlichen Irrationalisten Wilhelm von Ockham wurzelten und sich im Laufe des 17. Jahrhunderts zu dem entwickelten, was man heute als anglo-holländischen philosophischen Liberalismus kennt. Die erste Welle großer Religionskriege im neuzeitlichen Europa nach der Renaissance war verbunden mit dem Aufstieg jenes unheilvollen Vorgängers von Adolf Hitler, des spanischen Inquisitors Torquemada, und seiner Vertreibung der Juden aus Spanien 1492. Die zweite Welle äußerte sich darin, daß Paolo Sarpis rivalisierende, venezianische Fraktion zunehmend die Überhand gewann. Diese zweite Welle definierte das Geschehen, mit dem Friedrich Schiller sich mit so brillantem strategischen Verständnis befaßte: den Abfall der Niederlande und den Dreißigjährigen Krieg. Mit der Thronbesteigung Wilhelms von Oranien als brutaler Tyrann Englands verlagerte sich das Zentrum der politischen und finanziellen Macht von Sarpis Neuer Venezianischer Fraktion zum Aufstieg der imperialen Rolle und Macht Englands; die anglo-holländischen Finanzinteressen entfalteten sich zu imperialer Macht.

Als solche faktisch imperialistische Macht etablierte sich der anglo-holländische Liberalismus durch seine Steuerung des Siebenjährigen Krieges (1756-63) auf dem europäischen Kontinent. Sieben Jahre lang spielten die anglo-holländischen Liberalen die Hauptmächte Kontinentaleuropas gegeneinander aus, und das führte im Frieden von Paris (1763) zum imperialen Triumph der Britischen Ostindiengesellschaft.

Der brutale Lümmel der Ostindiengesellschaft, Lord Shelburne, machte aus den Ergebnissen des Pariser Friedens ein de-facto-Imperium, vor allem durch Werkzeuge wie Jeremy Bentham, der zusammen mit Lord Palmerston den Aufbau und die Macht einer neuen Institution hervorbrachte, die ab 1782 als britisches Außenamt (Foreign Office) bekannt wurde. Dieses wiederum inszenierte und steuerte die Entwicklungen, die am 14. Juli 1789 zur Französische Revolution wurden, deren Initialsteuerung von den britischen Agenten und Feinden Benjamin Franklins und Lafayettes, Philippe Egalité und Jacques Necker8 ausging.

Die europäischen Kräfte, die eine wirksame Opposition gegen diesen Imperialismus erst neuvenezianischer, dann britischer Machart aufbauten, schufen die Grundlagen dessen, was gegen Ende des 18. Jahrhunderts als Amerikanisches System der politischen Ökonomie bekannt wurde.

Dieses Amerikanische System, das im Mittelpunkt der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und Verfassung steht, bringt einen Kerngedanken zum Ausdruck, der den Einfluß des führenden wissenschaftlichen Kopfes gegen Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts widerspiegelt: des Kepler- und Fermat-Anhängers und späteren Schützlings (1672-76) von Jean-Baptiste Colbert, Gottfried Wilhelm Leibniz. Zieht man Leibniz’ prägenden Einfluß auf die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Republik der Vereinigten Staaten in Betracht, so können wir die transatlantische Entwicklung plötzlich im richtigen Licht sehen, um die Überlebensfrage, wie sie sich heute für die europäische Zivilisation stellt, zu verstehen.

Die gesamte neuzeitliche europäische Zivilisation, soweit sie diesen Namen verdient, erwuchs im wesentlichen aus zwei großen religiösen Reformen der politischen und wissenschaftlichen Grundlagen dieser Zivilisation: 1. dem großen ökumenischen Konzil von Florenz 1439 und 2. dem Westfälischen Frieden von 1648. Die erste dieser beiden Revolutionen der Konzeption des modernen Nationalstaats ist hinsichtlich der Quellen auf drei entscheidende von Kardinal Nikolaus von Kues vorgelegte Entwürfe zurückzuführen: De Concordantia Catholica über den modernen souveränen Nationalstaat, die Begründung der modernen Naturwissenschaft durch De Docta Ignorantia und den ökumenischen Entwurf De Pace Fidei, auf dessen Grundlage 1648 der Westfälische Friede erwachsen sollte.

Die ersten wirklichen modernen Nationalstaaten Europas entstanden im 15. Jahrhundert unter Ludwig XI. in Frankreich und Heinrich VII. in England. Berücksichtigt man auch die wichtige Rolle des Kues-Anhängers Leonardo da Vinci, so war der Begründer aller kompetenten, modernen Wissenschaft in Europa jener Johannes Kepler, in dem Albert Einstein den Urheber aller prinzipiellen Entwicklung neuzeitlicher Wissenschaft würdigte. Einstein erklärte ausdrücklich, daß er in der Schuld herausragender Vorgänger wie Kepler und Bernhard Riemann stand.

Leibniz’ historische Rolle in Wissenschaft und Staatskunst ist die eines Nachfolgers von Kepler in der Physik und der Prinzipien des modernen Ökumenismus im Sinne von Kues9 und Jean-Baptiste Colbert - letzterer ein Schützling Kardinal Mazarins, dessen Rolle für den Westfälischen Frieden für die Entwicklung europäischer Staatskunst und Kultur seit dieser Zeit wesentlich war.

Der Westfälische Friede an sich

Das wesentlichste Element des Westfälischen Friedens von 1648 wird heutzutage selten anerkannt, selbst in hochrangigen Historikerkreisen oder in der aktuellen politischen Praxis. Das entscheidende Prinzip dieses Vertrags, ohne das der Friede unmöglich gewesen wäre, war die folgenreiche, doch wenig verstandene Erklärung des übergreifenden Prinzips vom „Nutzen... und Vorteil des anderen“. Das war ein direkter Ausdruck von Cusas Argumentation in De Pace Fidei.

Dieses Westfälische Prinzip, das das Thema von Kues’ De Pace Fidei als Bezugspunkt aufgreift, läßt sich nicht angemessen verstehen ohne Rückgriff auf die gebräuchliche Bedeutung des klassischen Prinzips der Agape (Nächstenliebe), wie dieser Begriff des klassischen Griechisch von Platon benutzt wird, und später in demselben Sinn von so herausragenden jüdischen Intellektuellen und geistigen Gefährten Philos wie den christlichen Aposteln Johannes und Paulus. Betrachtet man es von diesem Aspekt, so impliziert die Einfügung von Agape als Prämisse des gesamten Vertragswerks von 1648 keinerlei Verneinung des Rechtes auf nationale Souveränität, vielmehr das Gegenteil. Es beinhaltet die Anerkennung des höheren, universellen Prinzips, das alle nationalen Souveräne unter seinem Schutz vereint und bindet. Dieses höhere Prinzip ist das Gemeinsame der gesamten Menschheit, die spezifisch noetische Qualität des menschlichen Geisteslebens und aller diesen Namen verdienenden Naturwissenschaft, der unsterbliche Vermittler dessen, was Rußlands großer Forscher Wernadskij als Noosphäre identifizierte, genannt die menschliche Seele, was das gemeinsame Interesse der gesamten Menschheit über den Zustand der Tiere erhebt.

Jedes Volk reist auf einem anderen Weg, dem seiner speziellen Sprachkultur, zu einem gemeinsamen Ziel der ganzen Menschheit, das im fundamentalen Interesse eines jeden Teils der Menschheit ist. Wenn aber dem Volk, das eigentlich eine eigene Nation bilden sollte, dieses Recht vorenthalten wird, dann wird es, wie im biblischen Bild des Turmbaus zu Babel betont wird, verdummt - so wie heute die „Globalisierung“ die Menschen bestialisiert und auf diese Weise die gesamte Zivilisation ruiniert. Werden diese gerade von mir entwickelten Unterscheidungen nicht verstanden, so würde, wie uns Erfahrungen der Diplomatie aus der letzten Zeit zeigen, die gesamte Menschheit auf das moralische Niveau territorialer Friedensverhandlungen ewig streitender Pavianhorden herabsinken.

Die damit gestellte, wesentliche Frage betrifft den grundlegenden Unterschied zwischen dem Menschen und einem hypothetisch sprachbegabten Tier. Dieser Unterschied liegt im schöpferischen Potential des souveränen, individuellen Geistes eines jeden menschlichen Individuums. Die einzigartige Entdeckung der universellen Gravitation durch Johannes Kepler oder die früher schon vollbrachte Verdopplung des Würfels als reine Konstruktionsaufgabe durch Archytas, den pythagoreischen Freund Platons, veranschaulichen den Unterschied zwischen schöpferischer Geistestätigkeit und bloßem Lernen.

Die Weitergabe der Erfahrung derartiger Entdeckungen über ein spezielles den Sprachkulturen eigenes Potential befähigt ein Volk, von Generation zu Generation voranzuschreiten, was einer Tiergattung völlig unmöglich ist. Dieser Aspekt der Sprachkultur ist bei der Frage nach der Funktion von Entwicklung und Ausübung nationaler Souveränität von entscheidender Wichtigkeit.

Es ist wesentlich, daß dieser Fortschritt innerhalb der nationalen Kulturen zwischen ihnen ausgetauscht wird. Der Nutzen solchen Wissens muß anderen Nationen zugängig gemacht werden, und tatsächlich hängt der Fortschritt der Menschheit als ganzer davon ab, die Steigerung der Fähigkeiten des anderen zu fördern, indem man diese neuen Errungenschaften der Kultur untereinander in dieser Absicht des Vorteils des anderen teilt.

Wie oft gesagt wird, sitzen die Nationen der Menschheit alle in einem Boot, und das vorrangige Ziel einer jeden Nation ist es, daß dieses Boot nicht sinkt.

Alle möglichen schrecklichen oder einfach nur abstoßenden Verhaltensweisen in der Außenpolitik von Nationen sollten uns eine Warnung sein, daß es moralisch keine Entschuldigung dafür gibt, Angewohnheiten aus dem Kampfsport oder ähnlichen Wettkämpfen in die diplomatischen Beziehungen zwischen zivilisierten Nationen hineinzutragen.

Die gegenwärtige wirtschaftliche Zusammenbruchskrise stellt uns nun mit Macht vor die Herausforderung, die diese Beobachtungen beinhalten.

3. Die andauernde Tragödie des Karl Marx

Man kann sagen, und es ist wichtig, das hier und jetzt zu tun, daß Karl Marx im Grunde eine tragische Figur war, von der Sorte, die keine hohe Meinung von Gott hat und sich deswegen irgendein albernes Universum einbildet, statt an das wirkliche Universum zu glauben. Dabei war der unglückliche Karl Marx nicht der einzige, sondern das ist der Kern einer jeden wirklichen Tragödie.

Denn wenn man sich entscheidet, Gott abzulehnen, wer besetzt dann den Posten, den man für vakant erklärt hat - vielleicht der selbsternannte Diktator George W. Bush? In Marx’ Fall war der selbstgewählte Ersatz für Gott sein eigentlicher Auftraggeber, für dessen beherrschenden Einfluß Marx erstaunlich, geradezu hysterisch blind war: der grausige Lord Palmerston vom britischen Außenamt. Ach! Man muß fragen: Aber wer oder was (vielleicht aus der Hölle) steckte hinter Palmerston!? Es ist wie immer in der klassischen Tragödie - aber anders als nach den albernen Meinungen der Romantischen Schule und ihrer Nachfahren -, ob wir uns nun auf das Griechische Theater beziehen oder auf Shakespeare oder Schiller: Es gibt keine wirklich individuellen Tragödien. Meine Frau Helga, eine Expertin in dieser Frage, könnte dazu erklären, wie Schiller in seiner Wallenstein-Trilogie die eigentlichen Geheimnisse der neuzeitlichen Geschichte vor Augen führt. Die Tragödie liegt immer darin, daß eine Gesellschaft blind an ein scheinbares Universum glaubt, das in Wirklichkeit nur ihr eigenes kulturelles Gefängnis ist, und so war es auch bei Karl Marx.

Die tragische Gesellschaft und ihre Mitglieder leben so, wie es Shakespeare im Hamlet oder in Julius Cäsar dargestellt hat: Jeder lebt in der Traumwelt seiner akzeptierten Kultur, während er über die tatsächliche Welt, in der er sich bewegt, nichts weiß. Er irrt herum und hält sich blind an die Regeln des Spiels, das zu spielen er sich gewöhnt hat. Das sind die „Untertanen“ in Shakespeares Tragödie Julius Cäsar.

In der Geschichte der europäischen Zivilisation bestand die Art von Torheit, die geistige Einschränkung, die sich Marx auferlegte, in einer Herrschaft klassischer Sophisterei, wofür willkürliche (sog. „selbstevidente“) Definitionen, Axiome und Postulate wie die des Sophisten Euklid und seines Nachfolgers Claudius Ptolemäus typisch waren. Der Fall des Karl Marx hat besondere Bedeutung für die Einsicht in das, was heute noch im Erbe Deutschlands tragisch ist, wie Professor Hankel schon in seinem Vorwort betont. Dieser erbärmliche Irrtum, wofür das Gemeinsame der Sophisterei von Euklid, Claudius Ptolemäus und ihrer fehlgeleiteten Nachfolger nur typisch ist, erzeugt einen Glauben an ein Universum, das so gar nicht existiert. Die Gewohnheiten, die Anhänger solchen Irrglaubens annehmen, wenn sie ihn praktizieren, werden sie früher oder später ins Verderben führen. Die Wurzel der Tragödie liegt also darin, wie ihr Glauben an ein nichtexistentes Universum sie letztendlich, wie im Fall der typischen US-Präsidentschaftskandidaten heute oder der Führungen der westeuropäischen Länder, sozusagen an der Nase ihrer persönlichen Ängste und Ambitionen auf einen tragischen Kollisionskurs mit der Wirklichkeit der Welt führt.

Dies ist das klassische Prinzip der Tragödie, entgegen allerlei romantischen Obsessionen, etwa in nur allzu typischen Hörsälen im 19. und 20. Jahrhundert.

Karl Marx selbst

So lag der erkennbar tragische Aspekt von Marx' Rolle als Wirtschaftswissenschaftler darin, daß er weitgehend in der Traumwelt von David Urquharts Britischer Bibliothek gefangen war. Er war dort praktisch ein Gefangener einer Phantasiewelt, die Jeremy Bentham, Werkzeug Lord Shelbournes im britischen Außenamt und Pate Palmerstons, für Leichtgläubige wie ihn geschaffen hatte, schon bevor Marx dort eintraf. In seinen Bonner und Berliner Studentenjahren und später in der Welt des Jungen Europa wurde Marx’ geistiges Innenleben so geprägt, daß es praktisch lebenslang vom britischen Außenamt unter Benthams Nachfolger Lord Palmerston beherrscht wurde.

Das war der Kern von Marx’ Tragödie. Sie bestand im wesentlich nicht in dem, was er tat, sondern in dem, was er für die Grundlagen seines Glaubens hielt. Typisch ist: Er fand eine Art Ersatzreligion in Leuten aus der Haileybury-Schule und jenem Duo ausgewiesener Halunken, dem Metternich-Korrespondenten und fanatischen Wissenschaftsfeind G.W. Hegel und dem Carl-Schmitt-Vorläufer Savigny. Nominelle und bekennende „marxistische“ Organisationen haben vieles getan, was gerechtfertigt war; das an sich war nicht tragisch; manchmal waren diese Handlungen notwendig, ja sogar moralisch schön, denn wer es ernst meint, muß manchmal mit den Mitteln handeln, die ihm zur Verfügung stehen - das kann ich aus meiner eigenen Erfahrung eines mehr als 65jährigen aktiven Erwachsenenlebens heraus nachdrücklich bestätigen. Die marxistische Lehre diente als Handlungswegweiser für die Menschen, die in solche Organisationen gerieten, aber dieser Wegweiser hatte zur Welt der Handlungen nur eine symbolische Beziehung. Es gab nominelle Marxisten, die die Ironie dieser Tatsache verstanden und ihn mit der Einsicht verwendeten, was daran an der Wirklichkeit vorbeiging. Daneben gab es die bedauernswerten „Rechtgläubigen“, die das nicht verstanden und daher töricht blindgläubig blieben oder sich voller Haß gegen den Wegweiser wandten, als sie erkannten, daß seine Nützlichkeit nur symbolisch war.

Im Grunde aber war der Marxismus vergleichbar mit dem Glauben der Demokratischen Partei der USA an die vermeintliche Ehrenwertigkeit von Betrügern wie Präsident Andrew Jackson. Schließlich ist es ein Unterschied, ob man mit dem Opfer einer Krankheit zusammenarbeitet, oder ob man sich bewußt anstecken läßt. Die übliche Tragödie bei den Marxisten (die das Unbehagen, das diese Äußerungen bei ihnen hervorrufen werden, verdienen) und besonders bei den sog. „Theoretikern“ lag darin, daß sie sich mehr oder weniger blind der Überzeugung unterwarfen, Marx sei ein „kreativer, unabhängiger Geist“ gewesen, was in Wirklichkeit bloße Legende war.

Einschub: der Mythos Marx

Seit dem Aufstieg der Sowjetunion ist die Frage des „Mythos Karl Marx“ kein Scherz mehr. Die Existenz der Sowjetunion und ihre Wirkung auf die Weltgeschichte werden sich niemals völlig auslöschen lassen. Genausowenig können wir die deutsche Sozialdemokratie als wichtigsten deutschen Vorläufer bei der Übernahme der marxistischen Ideologie verwerfen. Wir dürfen jedoch die äußerst bedeutsame historische Tatsache nicht übersehen, daß Marx schon im doppelten Sinne tot war (als sterblicher Mensch und als politischer Randfaktor seiner Zeit), bis das Werkzeug der Fabian Society, der Friedrich Engels des berüchtigten „Anti-Dühring“, einen synthetischen Marx in übernatürlicher Größe wiedererschuf, nachdem Marx schon zu Lebzeiten aus dem Buch der neueren Geschichte herausgefallen war.

Der Einfluß des noch lebenden Karl Marx war nach der Belagerung von Paris durch das preußische Militär im Sinken begriffen. 1865 wurde Lord Palmerstons persönliches Vermächtnis zunichte gemacht, als US-Präsident Lincoln Palmerstons Marionette, die Südstaaten, besiegte und die USA danach in Mexiko eingriffen, um französische und österreichische Elemente, die Palmerston gegen Präsident Benito Juarez eingesetzt hatte, zu verjagen. Entscheidende Wirkung für Palmerstons Politik hatte auch der Sturz Napoleons III., einer britischen Marionette. Aber da Palmerstons Politik scheiterte und sein Agent Mazzini seinen früheren Schützling zugunsten der Anarchisten fallenließ, brach Marx’ Einfluß auf die Ereignisse seiner Zeit durch die kombinierte Wirkung des Falls der britischen Marionette Napoleon III. und dem Fehlschlag von Marx’ verzweifeltem Abenteuer mit der Pariser Kommune in sich zusammen. Karl Marx starb dann in einem bemitleidenswerten Ruhestand.

Friedrich Engels, Erbe einer britischen Manufaktur für Baumwolle aus Sklavenarbeit, Agent Palmerstons und zeitweise einer der wichtigsten Kontrolleure von Marx, übertünchte Marx’ politischen Leichnam und führte diese Kunstfigur auf die Bühne der politischen Legenden der Neuzeit. Der Schlüssel zum Verständnis der Hintergründe aller dieser Ereignissen und verwandten Entwicklungen seit Lincolns Sieg über Palmerston liegt in der bahnbrechenden Veränderung der moderne Geschichte im Gefolge und als Reaktion auf Lincolns Sieg gegen Palmerstons Schachzug mit den Südstaaten zur Zerstörung der Vereinigten Staaten.10

Den sichtbarsten Beweis für das strategische Genie Lincolns, einem Anhänger von John Quincy Adams, liefert ein Vorfall in Boston während einer Wahlveranstaltung im Präsidentschaftswahlkampf 1860. Der Vorfall und seine Folgen sind zum Verständnis der Mechanismen, die in der gegenwärtigen Weltkrise wirken, von entscheidender historischer Bedeutung.

Lincoln wurde in Boston eine Fangfrage gestellt. Man stellte ihn vor die Wahl, ob er lieber die Einheit des Landes wahren oder die Sklaverei abschaffen wolle. Lincolns Antwort war weise: die Einheit des Landes wahren. Indem er die Einheit schützte, konnte er auch die Sklaverei abschaffen. Wäre er so töricht gewesen zu antworten „die Sklaverei abschaffen“, dann wären die Folgen eine umgehende Auflösung der Union, Fortbestand und Ausweitung der Sklaverei, erweiterter Sklavenimport aus Afrika nach Nordamerika durch die spanische Monarchie und die Spaltung des US-Territoriums in sich ewig bekriegende Tyranneien gewesen.

Lincolns Entscheidung, die in der Antwort auf die Frage in Boston zum Ausdruck kommt, veränderte die Weltgeschichte. Die USA wurden konsolidiert, wie es John Quincy Adams vorgesehen hatte: als kontinentale Republik vom Atlantischen bis zum Pazifischen Ozean und von der kanadischen bis zur mexikanischen Grenze. Man erreichte das durch den Aufbau eines transkontinentalen Eisenbahnnetzes, dem damaligen Äquivalent zur heutigen Magnetschwebetechnik, und indem man eine Flut von Landwirten aus Deutschland und anderen Ländern Europas einlud, sich als Bürger in den USA niederzulassen.

Der durchschlagende Erfolg der USA, den Lincolns entscheidende Führungsqualität in Gang setzte, löste weltweit eine wirtschaftliche und kulturelle Revolution aus, besonders in Süd- und Mittelamerika und Eurasien, was sich in den Bismarckschen Reformen in Deutschland sowie vergleichbaren Entwicklungen in Rußland und in anderen Teilen Europas niederschlug. Schon lange vor 1877 betrachtete man im London von Palmerstons Schüler, dem Prinzen von Wales, die Existenz der Vereinigten Staaten als kontinentale Republik als die größte geopolitische Gefahr, die man beseitigen mußte, indem man die USA unterwanderte und Kriege unter den europäischen Nationen anzettelte. Die beiden sog. Weltkriege des 20. Jahrhunderts, die von London geschürten japanischen Kriege gegen China von 1894 bis 1945 und auch der „Kalte Krieg“ waren typische Ergebnisse dieser imperialen britischen Politik.

Die Maastrichter Verträge, in die unter üblen Kriegsdrohungen Mitterrands und Thatchers die Giftpille des Euro aufgenommen wurde, bildeten auch eine Fortsetzung der strategischen Operationen geopolitisch motivierten Hasses Londons und seiner Marionetten gegen ein System souveräner Nationen auf dem eurasischen Kontinent - seit damals fortgesetzt bis zur Zeit der Regierung Tony Blair und jetzt Gordon Brown.

Der reale Karl Marx der Periode des Amerikanischen Bürgerkrieges und der andere, künstliche Karl Marx aus Londons „Wachsfigurenkabinett“, der im britischen Interesse mit Hilfe von Friedrich Engels erschaffen wurde, sind zwei ganz verschiedene Wesen, jeweils spezifisch für völlig verschiedene Perioden der Weltgeschichte des 19. Jahrhunderts.

Die Macht der Tragödie ist im Fall des wirklichen Karl Marx mit höchster Präzision auf den Punkt gebracht mit seinen albernen Wutausbrüchen gegen seinen wahren Herrn und Meister, Lord Palmerston.

In Wirklichkeit war Palmerston der Eigentümer von Marx’ Seele. Marx war eines von vielen ideologischen Besitztümern, die der Bentham-Nachfolger Palmerston in der Abteilung seines Agenten Mazzini sammelte, darunter das „Junge Europa“ und das „Junge Amerika“, das maßgeblich zur Schaffung der Sklavenhalter-Südstaaten beitrug. Marx gehörte dem Jungen Europa etwa seit dem Zeitpunkt, als er den Hörsaal der Juravorlesungen Savignys betrat und damit in den Dunstkreis Savignys und des Metternich-Agenten G.W. Hegel kam, die die Berliner Universität bis 1832 gemeinsam unter ihrer Kontrolle hatten, Savigny auch noch später. Als ein solches Exemplar des intellektuellen Stalls in Palmerstons ideologisch-strategischem „Zoo“ war Marx irgendwann soweit, direkt Palmerstons korrespondierendem Sekretär des Jungen Europa, Urquhart, Bericht zu erstatten. Urquhart hatte sein Büro in der Britischen Bibliothek, wo auch Marx, der Schüler der Wirtschaftstheorie der Haileybury-Schule, einen Großteil seiner Zeit mit der Pflege seiner geistigen und körperlichen Karbunkel verbrachte.

Trotzdem schrieb der arme, törichte Rußland-Hasser Marx ein Buch, in dem er seinen Meister Palmerston als „russischen Spion“ denunzierte!11 Das ist praktisch die Substanz des tragischen Charakters Karl Marx: daß er im Dienste desselben Palmerston stand, den er als Satan vergötterte, oder sollen wir sagen, er wählte sich die Figur Palmerston als Ersatz für den Geist von Hamlets Vater. Für unsere Zwecke in diesem Bericht ist das eine nützliche Veranschaulichung des richtigen, klassischen Begriffs der Tragödie.

Im Grunde glaubte Marx, daß die Welt der politischen Ökonomie seiner Zeit ein Universum war, das von der Haileybury-Schule der Britischen Ostindiengesellschaft geschaffen war. Wenn Marx ein Phänomen betrachtete, das in der realen Welt auftrat, nahm er deshalb an, die Gesetze von „Ursache und Wirkung“ in dieser Welt lägen in dem liberalem Sophismus, wie ihn Kreaturen wie Quesnay, Mandeville, Adam Smith und David Ricardo lehrten. Er war tragisch in demselben Sinn wie die armen Teufel, die inbrünstig an den astronomischen Schwindel von Claudius Ptolemäus glaubten.

Marx als Ökonom

Die gängige Ansicht, Karl Marx’ Wirtschaftstheorie sei eine Alternative zum Britischen System der politischen Ökonomie, ist im wesentlichen ein Schwindel, auf den Leichtgläubige hereinfallen, die hereinfallen möchten. Das britische System, das man richtigerweise als die Benthamsche Tradition der Haileybury-Schule bezeichnen müßte, unterscheidet sich vom Marxismus nur als Variante ein und derselben Spezies. Marx selbst hat völlig zurecht darauf bestanden, daß der erste Band von Das Kapital eine getreue Kopie der axiomatischen Elemente der Haileybury-Schule von Bentham, Adam Smith u.a. war, wobei die eine Variante sich von der anderen, sogar im Falle des Thomas Malthus, nur in den Details unterschied.12

Alle Varianten derselben Spezies, einschließlich der Physiokraten Quesnay und Turgot, von denen der Plagiator Adam Smith viele Grundannahmen in seinem Buch Vom Reichtum der Nationen übernahm, sind quasi-axiomatische Ableitungen aus den axiomatischen Elementen des systemischen Irrationalismus, den Paolo Sarpis Liberalismus von der mittelalterlichen Lehre des Wilhelm von Ockham übernahm, sowie vom Einfluß des speziellen Irrationalismus von René Descartes, Mandeville und Voltaire und dem neokartesischen Dogma von de Moivre, D'Alembert u.a. Diese wiederum schließen die späteren, noch wilderen Trends hin zum Positivismus des 20. Jahrhunderts mit ein, etwa bei den Utilitaristen und den verrückten Extremen der entsprechenden Sozialtheorie bei so radikalen Anhängern des wissenschaftlich zweifelhaften Bertrand Russell und von Aleister Crowley und H.G. Wells wie Professor Norbert Wiener und John von Neumann.

Insbesondere sind praktisch alle akademisch anerkannten oder verwandten Sozialtheorien für die Wirtschaftswissenschaften, besonders auf dem Gebiet der pseudowissenschaftlichen positivistisch-mathematischen Methode der Wirtschaftsprognose wie der des diskreditierten Myron Scholes, Ableitungen derselben reduktionistischen Intervention in das Gebiet der Sozialtheorie. Einzubeziehen ist hier auch der zerstörerische Einfluß auf die Spätphase sowjetischen Wirtschaftsdenkens durch die radikalpositivistischen Ableger der Strömung der Systemanalyse von Cambridge und des Club von Rome, wie dies sich am Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) im österreichischen Laxenberg äußerte. Unter den Regierungen Andropows und Gorbatschows war Moskau nicht mehr marxistisch, was die realen Elemente des Wirtschaftssystems betraf, sondern über die Cambridge-Schule der Systemanalyse ein Zweig des Britischen Systems. Man hatte nicht nur den Wegweiser verloren, man hätte auch die Anweisungen des alten, einst vertrauten Systems nicht mehr verstanden, selbst wenn man sie wieder ausgegraben hätte.

wird fortgesetzt


Anmerkungen

8. Der erklärte Zweck, für den der britische Einflußagent Orléans („Philippe Egalité“) den Mob für die Belagerung der Bastille am 14. Juli 1789 organisierte und bewaffnete, war die Ernennung des britischen Einflußagenten und Vater der berüchtigten Madame de Staël, Jacques Necker, zum Premierminister Frankreichs. Über seine Frau hatte Necker Verbindungen zu Edward Gibbon, dem Autor des historisch nicht richtigen, aber einflußreichen legendenbildenden Werks Verfall und Untergang des Römischen Reiches. Es war ein wichtiger Einfluß auf Shelburnes Politik, Großbritannien in ein mit dem imperialen Rom der Cäsaren vergleichbares Weltreich zu verwandeln.

9. Nikolaus von Kues, De Pace Fidei (Über den Frieden im Glauben)

10. Einige nicht klar denkende Leute werden diese Sichtweise der Rolle Engels’ bezweifeln. In dieser Hinsicht bedenke man meinen Hinweis auf die Frage an Lincoln in Boston. Palmerstons Absicht hinter der Förderung der Südstaaten war es, die USA zu spalten, während er, wie auch Engels persönlich, den Profit der von Sklaven geernteten Baumwolle einstrich.

11. Aha! Der Besitz verurteilt seinen Eigentümer!

12. In diesen Fragen ist es unerläßlich, die in mancher Hinsicht überlegene Methode von Rosa Luxemburg (Die Akkumulation des Kapitals) mit den untauglichen Definitionen des Imperialismus durch W.I. Lenin und die deutschen Sozialdemokraten vor 1914 zu vergleichen. Der Fall Luxemburg kann mit einigem Gewinn im Licht der späteren Arbeit eines Spezialisten im US-Außenministerium, Herbert Feis, beurteilt werden. Weder die damaligen Sozialdemokraten noch Lenin verstanden das Wesen des mittelalterlichen oder modernen Finanzkapitals, das aber der Bezugspunkt sein muß, wenn man die gegenwärtige globale Zusammenbruchskrise des heutigen Finanzsystems überwinden will.

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Die Euro-Lüge: Der Kapitalismus und seine Gesetze - erster Teil
- Neue Solidarität Nr. 2/2008
"Schaden vom deutschen Volk abwenden!"
- Neue Solidarität Nr. 16-17/2006
"Die Europäische Zentralbank ist hoffnungslos überfordert"
- Neue Solidarität Nr. 31/2005
Europa nicht als Großstaat, sondern als "Republik der Republiken" organisieren
- Neue Solidarität Nr. 22/2005
Schriften von Lyndon H. LaRouche 1981-2006
- Internetseite des Schiller-Instituts
Was Lyndon LaRouche wirklich sagt
- Internetseite der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo)
Internetseite des LaRouche-Aktionskomitees
- in englischer Sprache

 

Aktuelle Ausgabe Diese Ausgabe Kernthemen Suchen Abonnieren Leserforum