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Aus der Neuen Solidarität Nr. 21/2008 |
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Der Schillersche Funken springt ins Ruhrgebiet - ein Bericht über die Schillerfeier am 9. Mai 2008 in Essen.
Zum 203. Todestag von Friedrich Schiller organisierte das Schiller-Institut zusammen mit der LaRouche-Jugendbewegung eine Feier mit vielen verschiedenen Projekten, die von den Jugendlichen in wochenlanger Arbeit vorbereitet worden waren. Der Chor stimmte den Abend mit Beethovens Bearbeitung von Schillers Gedicht „Ode an die Freude“ ein. Helga Zepp-LaRouche meinte, daß wir allen Grund haben, gerade in dieser Zeit zu den großen Idealen des freiheitsliebenden Schiller zurückzukehren.
Frau Zepp-LaRouche erinnerte an den Zustand unserer heutigen Zeitgenossen und die Gefahr, die von dem vom Bundestag ratifizierten Lissaboner Vertrag ausgeht. Der Einzelne müsse seine Identität an höhere Ideale anknüpfen, damit er moralisch frei wird. Ganz nach dem Leitbild Schillers wagte Frau Zepp-LaRouche einen optimistischen Ausblick angesichts des wachsenden Widerstands gegen den EU-Vertrag und immer größerer Bestürzung über die Hungerrevolten in mittlerweile 40 Ländern. Sie betonte, daß Deutschland nur in einer neuen Weltwirtschaftsordnung zukunftsfähig sein wird, wenn wir uns wieder auf unser klassisches Erbe beziehen und es wiederbeleben, und daß vor allem Jugendliche ihre Identität darin finden sollten. (Die Rede von Frau Helga Zepp-LaRouche finden Sie nebenstehend.)
Anschließend wurde das durch eine der schönsten Szenen in Schillers Dramen untermauert, die „Stauffacher- Szene“ (1. Akt, 2. Szene) aus Wilhelm Tell, in der deutlich wird, woran es meistens liegt, daß Menschen eine Tyrannenherrschaft dulden. Die feierliche Erklärung und Motivation seitens der Ehefrau Stauffachers zeigt eine Souveränität, die es damals im Politischen noch gar nicht gab:
Denn über dir erkennst du keinen Herrn
als nur den Höchsten in der Christenheit!
Wie Frau Zepp-LaRouche zuvor angemerkt hatte, sind es die Dichter, die Ideen prägen, von denen die Politik dann lebt. Nun wurde das Menschenbild der heutigen Zeit direkt dem von Friedrich Schiller gegenüber gestellt. Viele unserer Zeitgenossen drücken an den Infotischen die Haltung aus, daß jeder Mensch käuflich sei und „Dreck am Stecken“ habe, so daß niemand es besser machen könne. An dieser Stelle wurde Schillers Idee des Erhabenen dargelegt und damit das Mittel zur Veränderung aufgezeigt:
„Die Kultur soll den Menschen in Freiheit setzen und ihm dazu behilflich sein, seinen ganzen Begriff zu erfüllen. Sie soll ihn also fähig machen, seinen Willen zu behaupten, denn der Mensch ist das Wesen, welches will.“ (Aus: Vom Erhabenen)
Es ist also die Aufgabe des Einzelnen, an sich entsprechend zu arbeiten und dabei das Eine: wohin der Weg gehen soll, nicht aus den Augen zu verlieren und sich dabei nicht entmutigen lassen:
Es reden und träumen die Menschen viel
Von bessern künftigen Tagen;
Nach einem glücklichen, goldenen Ziel
Sieht man sie rennen und jagen.
Die Welt wird alt und wird wieder jung,
Doch der Mensch hofft immer Verbesserung.
Die Hoffnung führt ihn ins Leben ein,
Sie umflattert den fröhlichen Knaben,
Den Jüngling locket ihr Zauberschein,
Sie wird mit dem Greis nicht begraben;
Denn beschließt er im Grabe den müden Lauf,
Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf.
Es ist kein leerer, schmeichelnder Wahn,
Erzeugt im Gehirne des Toren.
Im Herzen kündet es laut sich an:
Zu was Besserm sind wir geboren;
Und was die innere Stimme spricht,
Das täuscht die hoffende Seele nicht.
Mit der Erziehung dieses Empfindungsvermögens fuhr der nächste Beitrag - die heutige Welt betrachtend - leidenschaftlich fort und machte auf der Grundlage des 6., 7. und 8. Briefes aus Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen deutlich, daß die „Ausbildung des Empfindungsvermögens… das dringendere Bedürfnis der Zeit“ ist.
Die Bedeutung der Universalgeschichte und der Unterschied zwischen dem philosophischen Geist zum Brotgelehrten aus Schillers Rede an seine Geschichtsstudenten in Jena wurde ebenfalls einem strengen Vergleich mit der heutigen Zeit (mit begleitenden Beispielen) unterzogen, und das Axiom, man brauche doch erst mehr Informationen, bevor man was tun könne, wurde dabei polemisch auseinander genommen und mit Schillers Aufruf an seine Studenten abgeschlossen:
„Unser menschliches Jahrhundert herbeizuführen haben sich - ohne es zu wissen oder zu erzielen - alle vorhergehenden Zeitalter angestrengt. Unser sind alle Schätze, welche Fleiß und Genie, Vernunft und Erfahrung im langen Alter der Welt endlich heimgebracht haben. Aus der Geschichte erst werden Sie lernen, einen Wert auf die Güter zu legen, denen Gewohnheit und unangefochtener Besitz so gern unsre Dankbarkeit rauben: kostbare teure Güter, an denen das Blut der Besten und Edelsten klebt, die durch die schwere Arbeit so vieler Generationen haben errungen werden müssen! Und welcher unter Ihnen, bei dem sich ein heller Geist mit einem empfindenden Herzen gattet, könnte dieser hohen Verpflichtung eingedenk sein, ohne daß sich ein stiller Wunsch in ihm regte, an das kommende Geschlecht die Schuld zu entrichten, die er dem vergangenen nicht mehr abtragen kann?
Ein edles Verlangen muß in uns entglühen, zu dem reichen
Vermächtnis von Wahrheit, Sittlichkeit und Freiheit, das wir von der Vorwelt
überkamen und reich vermehrt an die Folgewelt wieder abgeben müssen, auch aus
unsern Mitteln einen Beitrag zu legen und an dieser unvergänglichen Kette, die
durch alle Menschengeschlechter sich windet, unser fliehendes Dasein zu
befestigen. Wie verschieden auch die Bestimmung sei, die in der bürgerlichen
Gesellschaft Sie erwartet - etwas dazu steuern können Sie alle! Jedem Verdienst
ist eine Bahn zur Unsterblichkeit aufgetan, zu der wahren Unsterblichkeit,
meine ich, wo die Tat lebt und weiter eilt, wenn auch der Name ihres Urhebers
hinter ihr zurückbleiben sollte.
(Aus: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?)
Daß es heutzutage möglich ist, junge Menschen für Poesie zu begeistern, wurde sehr schön deutlich bei der sehr gelungene Rezitation der Worte des Wahns.
Einer der Höhepunkte des Abends war allerdings das Gedicht „Sehnsucht“, das zuerst von Helga Zepp-LaRouche atemberaubend rezitiert wurde und anschließend durch die gesungene Version Schuberts viele zu Tränen rührte.
Ach, aus dieses Tales Gründen,
Die der kalte Nebel drückt,
Könnt' ich doch den Ausgang finden,
Ach, wie fühlt' ich mich beglückt!
Dort erblick' ich schöne Hügel,
Ewig jung und ewig grün!
Hätt' ich Schwingen, hätt' ich Flügel,
Nach den Hügeln zög' ich hin.
Harmonieen hör' ich klingen,
Töne süßer Himmelsruh,
Und die leichten Winde bringen
Mir der Düfte Balsam zu.
Goldne Früchte seh' ich glühen,
Winkend zwischen dunkelm Laub,
Und die Blumen, die dort blühen,
Werden keines Winters Raub.
Ach, wie schön muß sich's ergehen
Dort im ew'gen Sonnenschein!
Und die Luft auf jenen Höhen -
O, wie labend muß sie sein!
Doch mir wehrt des Stromes Toben,
Der ergrimmt dazwischen braust;
Seine Wellen sind gehoben,
Daß die Seele mir ergraust.
Einen Nachen seh' ich schwanken,
Aber, ach! der Fährmann fehlt.
Frisch hinein und ohne Wanken!
Seine Segel sind beseelt.
Du muß glauben, du mußt wagen,
Denn die Götter leihn kein Pfand;
Nur ein Wunder kann dich tragen
In das schöne Wunderland.
Der letzte Beitrag nahm sich die Schaubühne als moralische Anstalt betrachtet sowie ein Fragment mit den Titel Deutsche Größe vor, um Schillers deutsche Identität der heutigen provozierend gegenüber zu stellen und die Notwendigkeit, Weltbürger und deutscher Staatsbürger zu werden, zu unterstreichen. So stellte Schiller damals die Frage, ob der Deutsche „sich noch fühlen” darf nach einem verlorenen Krieg, und er gab folgende Antwort:
„Ja er darf’s! Er geht unglücklich aus dem Kampf, aber das, was seinen Wert ausmacht, hat er nicht verloren. Deutsches Reich und deutsche Nation sind zweierlei Dinge. Die Majestät des Deutschen ruhte nie auf dem Haupt seiner Fürsten. Abgesondert von dem Politischen hat der Deutsche sich einen eigenen Wert gegründet, und wenn auch das Imperium unterginge, so bliebe die deutsche Würde unangefochten…
Sie ist eine sittliche
Größe, sie wohnt in der Kultur und im Charakter der Nation, der von ihren
politischen Schicksalen unabhängig ist. - Dieses Reich blüht in Deutschland, es
ist im vollen Wachsen, und mitten unter den gotischen Ruinen einer alten
barbarischen Verfassung bildet sich das Lebendige aus. Der Deutsche wohnt in
einem alten sturzdrohenden Haus, aber ein strebendes Geschlecht wohnt in dem
alten Gebäude, und der Deutsche selbst ist ein edler Bewohner und indem das
politische Reich wankt, hat sich das geistige immer fester und vollkommener gebildet.“
(Aus: Deutsche Größe, ein Fragment)
Ein Politiker, der nicht so groß von seinem Volk denkt, hat in seinem Amt nichts verloren oder sollte sehr schnell erwachsen werden.
Sehr erfreulich war die Tatsache, daß unter den jungen Teilnehmern auch Schweden und Franzosen waren, die sich trotz der Herausforderung der Sprachbarriere die Gelegenheit, mit den Ideen eines solchen Universalgeistes wie Friedrich Schiller zu ringen, nicht entgehen lassen wollten. Das war hoffentlich eine zusätzliche Motivation für die Gäste, diesen Werken selbst Zeit zu widmen. Das Publikum war so offensichtlich berührt von diesem Kulturoptimismus und dem ungewohnten Patriotismus, daß die erhebende Stimmung später noch zu spontanen Chorstücken führte, bis man mit der deutschen Nationalhymne endete.
Aber es gibt keinen Grund, traurig zu sein, wenn Sie dieses Schillerfest verpaßt haben, denn in den nächsten Wochen finden Schillerfeiern in Dresden, Berlin und Bonn statt. Fragen Sie im jeweiligen Regionalbüro nach!
Kasia Kruczkowski
Lesen Sie hierzu bitte auch: Deutschland braucht die Ideen Schillers, um zukunftsfähig zu werden! - Neue Solidarität Nr. 21/2008 Nun kommt die Schillerzeit! Feier zu Schillers 248. Geburtstag in Frankfurt - Neue Solidarität Nr. 47/2007 Schiller lebt! - Internetseite des Schiller-Instituts |
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