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Aus der Neuen Solidarität Nr. 1/2008 |
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Von Kasia Kruczkowski, LaRouche-Jugendbewegung
Gerade in Krisenzeiten ist es oft die junge Generation, die die Verantwortung übernimmt, einen Ausweg aus der Krise zu finden, und sich in revolutionären Bewegungen engagiert. Ein Beispiel dafür ist die Jugendbewegung um Benjamin Franklin, die in Amerika und Europa für die Ideale der Amerikanischen Revolution kämpfte.
Die entscheidende Frage nach der menschlichen Existenz stellt sich meistens die junge Generation: Was macht man mit seinem Leben? Zugegeben: Viele Vertreter der 68er waren mehr damit beschäftigt, den Pessimismus zu erfinden. Aber zurück zur Frage. Liegt der Sinn des Lebens im maximalen Lustgewinn und möglichster Vermeidung alles Unangenehmen, oder ist der Mensch grundsätzlich zu Höherem berufen?
Die meisten wollen etwas Gutes tun - bis ein Teil völlig korrumpiert wird.
Einige fangen an, den „Glauben“, daß es etwas Gutes gibt, zu verlieren, und konzentrieren sich darauf, daß es ihnen zumindest gut geht, damit wenigstens etwas erreicht wird. Anderen genügt dies ihrem Gewissen noch nicht, und sie spenden jeden Monat 10 Euro für Menschen, die in Armut leben, oder unterstützen ein Patenkind in Afrika oder Indien. Es gibt aber noch „revolutionärere“ Vorhaben: nämlich Rockstar oder HipHop-Star zu werden, weil man dann mit den „krassen“ Texten die Welt verändern kann.
Die meisten gelangen gar nicht mehr zu der Frage, was die Ursache der Armut ist - warum es so etwas wie Patenkinder in der Dritten Welt überhaupt gibt (oder die zu Popmusik in Ekstase berauschten Jugendlichen).
Ich denke, daß es zum großen Teil an einem völlig falsch vermittelten Geschichtsverständnis liegt. Man „lernt“, daß positive Richtungswechsel in der Geschichte, wenn sie überhaupt passiert sind, Zufall bzw. glückliche Begebenheiten waren. Die Auseinandersetzung mit der Geschichte konzentriert sich auf das Einprägen von Daten und Ereignissen.
In Deutschland dient der Geschichtsunterricht wohl hauptsächlich dazu, die kulturelle „Herkunft“ und im Selbstverständnis junger Menschen schnell jegliche patriotische Identifizierung zu vermeiden bzw. abzutöten. Ich habe so in der Oberstufe jedes Jahr aufs neue den zweiten Weltkrieg und Nazideutschland auf dem Lernplan gehabt. In keiner dieser Stunden wurde die Frage diskutiert, wie Hitler wirklich an die Macht kam, und wie ein Volk, das Cusanus, Kepler, Leibniz, Lessing, Mendelssohn, Bach, Schiller, Beethoven - also die meisten der größten Humanisten - hervorbrachte, Hitler zulassen konnte?
Behalten Sie dieses Paradox im Hinterkopf, wenn ich sie jetzt durch ein anderes Beispiel führe: Die amerikanische Revolution.
Was fällt einem durchschnittlich oder gar gut gebildeten Menschen zu der amerikanischen Revolution heute gewöhnlich ein? Boston Tea Party: Ein Haufen von Aufständischen, vielleicht motiviert von HipHop-Texten der damaligen Zeit, die den importierten Tee der Briten ins Wasser geworfen haben.
Was lernen wir daraus? Sollen wir die importierten Produkte in die Spree oder in den Rhein werfen, damit wir das Problem der Billiglohnländer loswerden?
Geschichte muß geistig durchlebt werden, d.h. man muß die Entdeckungen, die zur Weiterentwicklung geführt haben, selbst „nachentdecken“, an diesen geistigen Kämpfen also geistig und emotional teilhaben, denn Geschichte ist nichts anderes als ein Kampf um Ideen. Man erfährt anders auch nie, wer man eigentlich ist, wenn man der großen Masse hinterher schwimmt.
Sie können mir gerne widersprechen: „Ich bin doch ein Individuum!“ Und ich werde Ihnen auch zustimmen, denn unsere Gesellschaft ist voll von Individuen. Individuen, die alle dasselbe tun und dasselbe denken. Die öffentliche Meinung schreibt uns vor, in welchem Rahmen wir welche Themen mit welchen Argumenten zu diskutieren haben.
Ist das nicht so? Dann stellen Sie sich mal auf die Strasse mitten in der Stadt und sagen: „Atomkraft ist gut für die Menschheit!“, „Technologischer Fortschritt ist notwendig, um Vollbeschäftigung zu schaffen“, oder „Musik ist keine Geschmacksache!“ Das sind entweder Tabu-Themen oder welche, die „indiskutabel“ sind, weil die Pro-Argumente „unrealistisch“ seien.
Zurück zur amerikanischen Revolution. Vielen ist nicht bewußt, daß wir Geschichte machen. Benjamin Franklin war es bewußt, oder glauben Sie wirklich, daß er eines Morgens in Philadelphia aufstand und meinte: „Oh Mann, ist das langweilig hier“, oder: „Igitt, der Tee schmeckt aber furchtbar; dagegen muß etwas getan werden! Ich mache heute Geschichte!“ Sie lachen? Viele Menschen denken so. Sie sagen sich, daß sie nichts ändern können. Der Tee schmeckt zwar nicht besonders, aber wenn man Durst hat, ist es immerhin besser, als nur Wasser zu trinken.
Wir besitzen eine Macht, und das ist die Fähigkeit zu denken. Geschichte ist, welche Entscheidungen ganz gewöhnliche Menschen treffen. Und solche Entscheidungen sollten das Resultat der eigenen Auseinandersetzung mit Ideen sein.
Die amerikanische Revolution war in erster Linie kein Unabhängigkeitskrieg.
Was bedeutet Revolution? Was versteht man darunter? Es ist hauptsächlich etwas, was sich in den Köpfen der Menschen abspielt. Meistens ist es zuerst nur eine Hand voll von Köpfen, die den Kampf um die neuen Ideen gegen das vorherrschende Denkmuster und die antrainierten Denkgewohnheiten ausfechten müssen.
Eine solche Idee war die des Nationalstaates. Was wird heute mit der Idee des Nationalstaats verbunden? „Jeder Staat will die Nummer Eins sein, und dies ist die Ursache der vielen Kriegen in der Geschichte, wie auch heute.“ In Wirklichkeit war der Staat eine Errungenschaft, denn das Konzept zerstörte die imperialistische und oligarchische Haltung: Eine Gruppe von Menschen, eine Gemeinde, die dieselbe Sprache spricht, in derselben Kultur und in einem Gebiet lebt, arbeitet zusammen für den Vorteil aller in dieser Gemeinde lebenden Menschen. Hier wurde das Gemeinwohlprinzip geboren, eine Idee, die zurückgeht bis auf Nikolaus von Kues.
Eng verbunden damit ist das Naturrecht von Leibniz: Die regierende Instanz ist dem Gemeinwohl verpflichtet für ihre Bevölkerung und die Nachwelt. Und nur dann ist sie legitim. Das war eine Revolution. Das gab es zuvor nicht! Davor gab es einen König oder einen anderen Adeligen, und alles basierte auf Macht und Willkür, auf der Macht, mit Geld seinen Willen durchzusetzen.
Der erste Nationalstaat war Frankreich 1461 unter Ludwig XI. Er erkannte, daß die Nation nur verteidigt werden kann, wenn sie stark ist, also einen hohen Lebensstandard hat. Soldaten, die hungrig sind, sind schlechte Soldaten. Soldaten, die nicht denken können, sind schlechte Soldaten. Er hatte Recht, und er veränderte die Weltgeschichte. Der zweite Nationalstaat wurde England 1485 unter Henry VII. Man kann die amerikanische Revolution also als Fortführung dieser Entwicklung sehen, etwa 300 Jahre später.
Jetzt überlegen Sie mal, Sie wären zu jener Zeit geboren und aufgewachsen, und Ihr ganzes Leben würde davon beeinflußt, daß der König, der in diesem Riesenschloß wohnt, etwas Besseres sei als Sie und das Recht hätte, über Leben und Tod zu entscheiden und darüber zu bestimmen, was Sie auf dem Feld beackern und wieviel Sie davon behalten dürften. Er hätte das Recht, Sie als Arbeitssklave zu nutzen und Ihnen vorzuschreiben, wie Sie Ihr Leben zu führen haben, weil er es kontrollierte. Was hätten Sie damals als Antwort gegeben, wenn man Sie gefragt hätte, warum das so sei und ob Sie nicht helfen wollten, es zu verändern?
„Sei doch realistisch! Das war schon immer so! Daran kann man nichts ändern! Versuch es erst gar nicht! Wenn du meine Erfahrung hättest, würdest du nicht solche dummen Fragen stellen. Na, weil die da oben mächtig sind, weil sie reich sind, und wer Geld hat, regiert die Welt…“ So etwa wird die Antwort ausgesehen haben.
Wie konnte nun die Idee entstehen und sich verbreiten, daß wir gleichwertig vor Gott sind? Nun ja, eigentlich brauche ich Sie als Europäer gar nicht zu fragen, weil Europa dieses Denken bis heute nicht überwunden hat. Sie glauben das etwa nicht? Dann stellen Sie die obige Frage Menschen heute auf der Straße! Sie bekommen dieselben Antworten, vielleicht etwas sophistischer ausgeklügelt. Wir haben zwar keine herrschenden Könige oder Adlige mehr - zumindest in Deutschland -, vor denen wir öffentlich den Knicks machen und es als Ehre ansehen, so einen Taugenichts zu treffen. Doch unterwerfen wir uns trotzdem. Vor was oder wem? Vor der Autorität. Vor der öffentlichen Meinung. Psychologisch ist das dasselbe. In dieser Gesellschaft ist das Revolutionärste, was man machen kann, selbstständig zu denken.
Nun, ist es Glück oder Zufall, daß die Idee des Nationalstaats durchgesetzt wurde, wenn es schon keine notgedrungene Weiterentwicklung war? Ist es Zufall, daß ein Sozialsystem aufgebaut wurde? Oder daß die Sklaverei abgeschafft wurde, zumindest in einigen Teilen der Welt? Ist das nicht ein Zufall, daß Amerika sich von der Herrschaft des britischen Imperiums losreißen konnte? Und nur weil Benjamin Franklin eines Morgens in Philadelphia aufwachte und ihm langweilig war oder ihm der Tee nicht schmeckte? Sicher nicht. Ich möchte ihn und seine Jugendbewegung - sein internationales Netzwerk - als Beispiel nehmen, um eine Antwort darauf zu finden.
Man kennt Benjamin Franklin vielleicht als Erfinder des Blitzableiters und des Doppelfernglases. Oder als Prometheus des 18. Jahrhunderts (in der griechischen Mythologie wird Zeus symbolisiert durch den Blitz, und in Aischylos’ Tragödie wurde Zeus von Prometheus bezwungen). Ein berühmt gewordener Spruch über Franklin lautet: „Er entriß dem Himmel den Blitz, dem Tyrannen das Szepter.“
1706 in Boston als 10. Sohn eines Seifen- und Kerzenmachers geboren, arbeitete Franklin zuerst beim Bruder in der Druckerei. Mit 26 Jahren ging er nach Philadelphia und arbeitete auch dort im Druckereigewerbe. Er machte sich schnell einen Namen in der Verlegerwelt; seine erfolgreichste Veröffentlichung war der jährliche Poor Richard’s Almanc. Seine Popularität reichte bis nach Europa, nur die Bibel war bekannter. Sein Leben ist Zeugnis eines Mannes, der immer darauf aus war, Gutes zu tun für die Allgemeinheit.
Er sagte dazu selbst, daß er von einem Buch, das er als Elfjähriger gelesen hatte, stark geprägt wurde - „Essay to do good” (Aufsatz über Gute Werke) von Cotton Mather. Mather war der führende Organisator der Kolonien vor Franklin, er war einer der drei großen Säulen der internationalen Verschwörung, die der Herrschaft des „Empires“ ein Ende bereiten und eine Welt von souveränen Nationalstaaten errichten wollte. Das waren die Kreise um Cotton Mather in Boston, um Jonathan Swift in London und Dublin und um Gottfried Wilhelm Leibniz in Hannover und Berlin.
Mather hatte die Werke von August Hermann Francke, einem Gefährten von Leibniz, der Professor in der Uni Halle war (nach dem 30jährigen Krieg eines der Zentren der Wissenschaft), studiert. Francke hatte die deutsche Emigration nach Pennsylvania organisiert und Waisenhäuser als Bildungseinrichtungen aufgebaut. Zweifellos hat Francke (der bis zu Leibniz’ Tod in engem Kontakt mit ihm stand) Mather sowie das Konzept des Gemeinwohls beeinflußt.
So geprägt, war Franklin immer darauf bedacht, die Gesellschaft zu verbessern. Er entwickelte das Konzept von Leihbibliotheken und hob damit die Allgemeinbildung der Amerikaner erheblich an. Sein Verdienst als Wissenschaftler, insbesondere durch die Beschäftigung mit der Elektrizität, ist bemerkenswert, aber er wurde vor allem in der Politik unsterblich für die Menschheit. Er war Repräsentant für Pennsylvania, später für Georgia, New Jersey und Massachusetts und Sprecher für die Rechte der Amerikaner in London (1764-1775). 1775 kehrte er nach Pennsylvania zurück, war Kongreßabgeordneter und saß in dem Komitee, das die Unabhängigkeitserklärung konzipierte. 1776-1779 leitete er als Diplomat in Frankreich Verhandlungen, die schließlich zur Allianz mit Frankreich führten. Kurz nachdem die Verfassung unterzeichnet war, starb er 1790 mit 84 Jahren in Pennsylvania. Ein langer Kampf lag hinter ihm.
Bereits 1753 wollte er die Kolonien mit seinem Unionsplan von Albany zum Zusammenschluß bewegen. Aber obwohl diese Union der britischen Krone unterstellt gewesen wäre, hatten die Royalisten Angst, daß jemand eine unabhängige Nation anstreben könnte. Franklin konnte auch nicht im eigenen Land ausreichend Kräfte für eine starke vereinte Front mobilisieren. Seine Generation war in ihrer Untertanen-Mentalität gefangen. Man war zwar aufgebracht über die harten britischen Maßnahmen und die ständig steigenden Steuern, aber man könne halt nichts machen, man müsse sich damit abfinden, man sei zu sehr mit sich selbst beschäftigt, man habe genug eigene Probleme, war die weit verbreitete Haltung.
Über die Stimmung in den Kolonien in der Zeit 1774-1787 gibt es zwei unterschiedliche Darstellungen von Zeitgenossen, die sich scheinbar widersprechen: John Adams und andere berichten, die Revolution gegen die britische Monarchie und ihre Willkürherrschaft habe sich in den Herzen und Köpfen der Menschen vollzogen, lange bevor der erste Schuß gefallen sei. Andererseits ist unbestreitbar, daß nur ein sehr kleiner Teil der Menschen bereit war, ihr Leben völlig umzukrempeln und sich offen einer revolutionären Bewegung anzuschließen. Dieser kleine Teil in Amerika selbst, der die eigentliche treibende Kraft der amerikanischen Revolution war, war Franklins Jugendbewegung, die sich für den Kampf dieser Ideen einsetzte.
„Wer grundlegende Freiheiten aufgibt, um etwas Sicherheit zu gewinnen, verdient weder Freiheit noch Sicherheit“, war Benjamin Franklins Überzeugung.
Ich gehe nur auf die wichtigsten Mitglieder seiner Bewegung kurz ein, weil jeder einzelne mindestens ein gutes Buch beanspruchen würde.
Alexander Hamilton (zur Zeit der Unabhängigkeitserklärung 21 Jahre alt) befand sich ab 1774 in einem Zustand „permanenter Mobilisierung“. Er widerlegte in scharfen Pamphleten und Artikeln die Propaganda-Argumente der Royalisten gegen die Arbeit des Kongresses. Er schrieb immer neue Briefe und Artikel, um zu verhindern, daß die Demoralisierung der Kämpfer in Washingtons Heer und in der Bevölkerung um sich griff. Was ihn besonders auszeichnete, war der Kampf für die Verfassung und für das amerikanische System der politischen Ökonomie. Er argumentierte mit dem Naturrecht und der menschlichen Freiheit gegen die imperiale britische Politik (die man heute Globalisierung nennt), mit der die Kolonien rückständig gehalten und ausgebeutet wurden.
Auch John Quincy Adams (9 Jahre alt zur Zeit der Unabhängigkeitserklärung), Sohn des zweiten Präsidenten John Adams, gehörte zu der revolutionären Jugend. Er war zwar zu jung, um im Unabhängigkeitskrieg mitzukämpfen, aber er beteiligte sich früh an der geistigen Auseinandersetzung und verfaßte 1787 (mit 20 Jahren) eine wichtige Unterstützungsschrift für die Verfassung. Er wollte besonders die philosophischen Prinzipien verstehen, der eine Republik, die sich die Entwicklung des einzelnen zum Ziel setzt, folgen muß. Sein Vater nahm ihn Ende der 70er Jahre mit nach Frankreich, wo er von dem Diplomatenkollegen seines Vaters, Benjamin Franklin, mitgeprägt wurde. John Quincy Adams übernahm sein erstes diplomatisches Amt als Privatsekretär des amerikanischen Gesandten 1781 in Rußland - mit 14 Jahren. Später war er Außenminister und sechster Präsident seines jungen Landes. Er setzte auf die Prinzipien souveräner Nationalstaaten. In seiner Amtszeit machten die USA wichtige Fortschritte in Infrastrukturentwicklung, Wissenschaft und Forschung.
Doch Franklin rekrutierte auch im Ausland; z.B. den irischen Revolutionär Mathew Carey (16 Jahre alt zur Zeit der amerikanischen Revolution) und den Franzosen Marie Joseph Marquis de Lafayette (19 Jahre). Carey war wegen Verleumdung der britischen Krone aus Irland ausgewiesen worden, nachdem er sich für Jonathan Swifts Vorschlag, in Irland Manufakturen zu gründen, eingesetzt hatte. In Frankreich lernte er Franklin kennen und emigrierte nach Amerika, wo er als Verleger insbesondere Hamiltons Wirtschaftstheorie unterstützte und verbreitete.
Lafayette kam 1777 als 20jähriger nach Amerika und trat als Freiwilliger in die amerikanische Armee ein. Später kehrte er nach Frankreich zurück, weil er dort das amerikanische Experiment zum Aufbau einer Republik wiederholen wollte. Doch er wurde von den Briten mit dem Jakobinerterror ausmanövriert. Andere führende Leute der Jugendbewegung waren: James Madison (25 Jahre), der mit Hamilton zusammen die amerikanische Verfassung entwarf und der vierte Präsident der USA wurde, James Monroe (18 Jahre), der als fünfter Präsident Hamiltons Nationalbankpolitik und das amerikanische System der politischen Ökonomie wieder einführte und für seine Außenpolitik (die „Monroe-Doktrin“ der Prinzipiengemeinschaft souveräner Nationalstaaten) bekannt wurde. Den europäischen Mächten sollte die weitere Erwerbung amerikanischer Kolonialgebiete und die Einmischung in die innere Angelegenheiten amerikanischer Staaten verwehrt sein.
Schließlich wäre da noch John Marshall (21 Jahre) zu nennen, der später als Chief Justice (Vorsitzender Richter des Obersten Bundesgerichtes von 1801-1836) mit seinen Grundsatzentscheidungen die Möglichkeiten der Regierung stärkte, für das Gemeinwohl zu arbeiten.
Was hat das alles mit Europa zu tun? Mehr als Sie glauben! Denn, wie ich schon anfangs sagte, sind Revolutionen die Überwindung alter Denksysteme bzw. -gewohnheiten durch neue Ideen bzw. die Wiederentdeckung alter Ideen, die vergessen zu sein schienen. Diese Ideen kamen aus Europa. Die amerikanische Revolution war vor allem eine Verschwörung der Kreise um Leibniz. Leibniz lebte zwar nicht mehr, aber werfen wir einen Blick auf das damalige Europa. Nach Leibniz’ Tod wurde sein gesamtes Werk in Staub gelegt und seine Ideen ins Lächerliche gezogen.
Trotzdem blieben die Ideen lebendig und wurden weitergetragen bis zur Gründung des ersten souveränen Nationalstaats - den USA.
Viele wollen nicht verstehen, daß gerade in solchen düsteren Zeiten großartige Ideen, die die Weltgeschichte veränderten, emporsteigen. Nehmen wir doch nur das Beispiel des 30jährigen Kriegs: Dieser Religionskrieg wütete in Europa ja nicht nur 30 Jahre, sondern schon viel länger.
Stellen Sie sich doch das mal vor. Das sind Menschen, die über viele Generationen nichts anderes kannten als Krieg. Hungersnöte, Soldaten, die selbst durch das eigene Land zogen und aus Hunger, Wut, Rache oder Haß sich alles nahmen, was sie wollten oder einfach im Blutrausch ein Gemetzel nach dem anderen lieferten. Aberglaube, Hexenverfolgung und -verbrennungen, regelmäßige Ausbrüche von Seuchen wie die Pest charakterisierten das Mittelalter. Es zeigt wirklich nichts von den verherrlichenden Phantasien der romantischen und „modernen“ Romanschreiber oder Komponisten.
Trotzdem gab es Menschen wie Johannes Kepler, Christian Huyghens oder Rembrandt, die geistig das Licht nicht ausmachten, und trotzdem konnte der Westfälische Friede entstehen, der erstmals überhaupt das Prinzip der Nächstenliebe, der Vergebung und des Handelns zum Wohl des anderen, in den politischen Mittelpunkt rückte.
Daß das Erbe von Leibniz trotz der Intrigen und Verleumdungen nach seinem Tod weitergetragen bzw. wieder lebendig wurde, haben wir Abraham Kästner und den Mitgliedern seines Netzwerks, wie Lessing und Mendelssohn, zu verdanken.
Und jetzt kommt Ben Franklin ins Spiel:
Als Franklin 1766 nach Deutschland kam, waren die Leibniz-Anhänger in der Defensive, und seine Werke standen unter der Kontrolle Georgs III, des neuen Königs von England, der von der Geheimorganisation des Hellfire Clubs, der regelrechte Haß-Orgien gegen Leibniz feierte, beeinflußt wurde. Schon allein seinen Namen zu erwähnen, scheint im damaligen England ein Verstoß gegen die guten Sitten gewesen zu sein. Man muß verstehen, daß der Kampf um die Freigabe seiner Werke und der um die Befreiung der amerikanischen Kolonien das gleiche Unternehmen war.
Die Zusammenarbeit zwischen Franklin und Kästners Kreisen ab 1745 umfaßte wissenschaftliche, philosophische und politische Themen. 1753 ermöglichte Kästner Christlob Mylius eine Amerikareise, damit dieser Franklin besuchen konnte. Als Geschenk für Franklin gab Kästner Mylius Keplers Werk „Weltharmonik” und ein geschriebenes Gedicht mit. Mylius, ein Vetter von Lessing, der Lessing in Berlin aufgenommen und unterstützt hatte, kam allerdings nie in Amerika an; er starb unter ungeklärten Umständen auf dem Weg dorthin während eines Aufenthaltes in London.
Franklin stieß jedoch 1766 mitten in dieses republikanische Ferment, als er sich während seiner Deutschland-Reise mit Freiherr Gerlach Adolph von Münchhausen und seinen Mitarbeitern Abraham Kästner und Rudolf Erich Raspe traf. Nur kurz zur Person Raspe: Man kennt ihn vielleicht als Autor des Werks „Die Abenteuer des Baron von Münchhausen”. Zusammen mit Kästner veröffentlichte er viele der verborgenen Leibniz-Manuskripte, die die Oligarchie in der königlichen Bibliothek in Hannover weggesperrt hatte. Münchhausen hatte ihm Zugang zu diesen Schriften verschafft, indem er ihm dort eine Anstellung besorgte.
Bei dem Treffen mit Franklin ging es also um nichts geringeres als Leibniz und seine Idee der Gründung einer Nation auf der Grundlage von Leben, Freiheit und dem Streben nach Glückseligkeit. Die verlorenen Seelen, die immer noch glauben, daß John Locke der geistige Vater der Revolution war, sollten sich den Ausschnitt über die Toleranz aus dem Brief von Locke an Leibniz lesen:
„Bürgerliche Interessen nenne ich Leben, Freiheit, Gesundheit, Schmerzlosigkeit des Körpers und den Besitz äußerer Dinge wie Geld, Ländereien, Häuser, Einrichtungsgegenstände und dergleichen. Es ist die Pflicht der staatlichen Obrigkeit, durch die unparteiische Ausführung von Gesetzen, die für alle gleich sind, allgemein dem ganzen Volke und jedem ihrer Untertanen im besonderen den gerechten Besitz dieser Dinge, die zu seinem Leben gehören, zu sichern…“
In einem Fragment aus den „Entwürfen zu einem Buch über die Naturwissenschaft“ zeigt Leibniz dagegen, daß der eigentliche Zweck des naturwissenschaftlichen Forscherdrangs die Liebe zum Schöpfer, Glückseligkeit und die Vervollkommnung des Geistes ist:
„Jede Wissenschaft ist nicht eitler Neugierde wegen und nicht, um mit ihr zu prahlen, sondern zum Zwecke des Handels zu erstreben. Wir handeln aber, um Glückseligkeit (felicitas) zu gewinnen oder den Zustand des immerwährenden Frohseins (laetitia), und dies wahre Frohsein ist die Vervollkommnung unseres Bewußtseins (sensus). Ein jedes Ding hält man für um so vollkommener, je freier es seiner Natur nach ist, d.h. je größer seine Macht über die umgebenden Dinge ist, und je weniger es selbst von äußeren Dingen hinnehmen muß (patitur). Da nun des Geistes eigenste Kraft der Verstand (intellectus) ist, so folgt, daß wir um so glücklicher sein werden, je klarere Erkenntnis (comprehensiones) wir von den Dingen besitzen und je mehr wir unserer eigenen Natur gemäß, d.h. der Vernunft (ratio) nach handeln. Je richtiger wir nämlich denken, desto freier werden wir sein und desto unabhängiger von den Einwirkungen (passiones), die uns von den umgebenden Körpern aufgeprägt werden.“
Und jetzt legen Sie mal das Geschichts-Beiheftchen des Spiegel beiseite und werfen Sie einen Blick auf die Präambel der Unabhängigkeitserklärung von 1776:
„Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, daß alle Menschen gleich erschaffen wurden, daß sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt wurden, worunter Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit sind. Daß zur Versicherung dieser Rechte Regierungen unter den Menschen eingeführt worden sind, welche ihre gerechte Gewalt von der Einwilligung der Regierten herleiten; daß sobald eine Regierungsform diesen Endzwecken verderblich wird, es das Recht des Volkes ist, sie zu verändern oder abzuschaffen, und eine neue Regierung einzusetzen, die auf solche Grundsätze gegründet, und deren Macht und Gewalt solchergestalt gebildet wird, als ihnen zur Erhaltung ihrer Sicherheit und Glückseligkeit am schicklichsten zu sein dünket.
Zwar gebietet Klugheit, daß von langer Zeit her eingeführte Regierungen nicht um leichter und vergänglicher Ursachen willen verändert werden sollen; und demnach hat die Erfahrung von jeher gezeigt, daß Menschen, so lang das Übel noch zu ertragen ist, lieber leiden und dulden wollen, als sich durch Umstoßung solcher Regierungsformen, zu denen sie gewöhnt sind, selbst Recht und Hülfe verschaffen. Wenn aber eine lange Reihe von Mißhandlungen und gewaltsamen Eingriffen auf einen und eben den Gegenstand unablässig gerichtet, einen Anschlag an den Tag legt, sie unter unumschränkte Herrschaft zu bringen, so ist es ihr Recht, ja ihre Pflicht, solche Regierung abzuwerfen, und sich für ihre künftige Sicherheit neue Gewähren zu verschaffen. „
Es ist Franklin und damit dem humanistischen Netzwerk aus Europa zu verdanken, das sich die leibnizianische Formulierung „Streben nach Glückseligkeit“ über die Locke-Variante des Strebens nach Besitz durchsetzte.
Zu den deutschen Mitverschwörern gehörte auch Christian Gottfried Körner, dessen Haus in Dresden einer der republikanischen Dreh- und Angelpunkte war. Sein enger Freund Friedrich Schiller schrieb dort 1785 den Don Carlos. Franklins traf aber nicht nur in Deutschland auf Humanisten. Ende der 70er Jahre kam er in Frankreich in der von Colbert 1666 in Paris gegründeten „Akademie der Wissenschaften“ mit allen französischen Republikanern in Kontakt: Gaspard Monge (Gründer der Ecole Polytechnique) und Lazard Carnot (23 Jahre), den Schöpfer des französischen Revolutionsheeres. Auch Ignaz von Born, Bergbauminister und Freund Mozarts, traf Franklin 1778 in Paris.
Die nächste Generation wurde von der amerikanischen Revolution inspiriert. Schiller habe ich bereits erwähnt. Er war zur Zeit der amerikanischen Revolution 17 Jahre alt, studierte in der Militärakademie Karlsschule und erlebte, wie Fürsten ihre Landeskinder als Kanonenfutter an die britische Armee verkauften, was er in seinen Dramen verarbeitete. Mit seinen Ausführungen über einen Patrioten in seiner Schrift „Die Schaubühne als moralische Anstalt betrachtet” könnte er Franklin gemeint haben:
„Er wirft einen Blick durch das Menschengeschlecht, vergleicht Völker mit Völkern, Jahrhunderte mit Jahrhunderten und findet, wie sklavisch die größere Masse des Volks an Ketten des Vorurteils und der Meinung gefangen liegt, die seiner Glückseligkeit ewig entgegenarbeiten - daß die reinern Strahlen der Wahrheit nur wenige einzelne Köpfe beleuchten, welche den kleinen Gewinn vielleicht mit dem Aufwand eines ganzen Lebens erkauften.“
Ein enger Freund Schillers war Wilhelm von Humboldt (9 Jahre alt zur Zeit der amerikanischen Revolution). Auch dessen zwei Jahre jüngerer Bruder Alexander war später wie Heinrich Heine eng verbunden mit den Mendelssohn-Netzwerk. Alexander öffnete amerikanischen Wissenschaftlern wie Alexander Dallas Bache (Franklins Enkel), Professor für Naturgeschichte und Chemie, mit Empfehlungsschreiben alle Türen zu den humanistischen Kreisen in Deutschland und Frankreich, als dieser ihn 1837 in Berlin aufsuchte, um das Erziehungswesen in Europa zu studieren.
Der Ökonom Friedrich List (5 Jahre), der den Zollverein gründete, widmete sich sehr stark dem Aufbau von Netzwerken für Infrastruktur, die durch viele Freunde wie Lafayette, J.Q. Adams, Alexander von Humboldt, Heinrich Heine unterstützt wurden. List wurde wegen seiner Kritik an der königlichen Hoheit zur Zwangsarbeit verurteilt und floh 1825 nach Amerika, wo er bis 1833 blieb. Auch Ludwig van Beethoven (6 Jahre zur Zeit der Unabhängigkeitserklärung) gehörte zu den begeisterten Anhängern der Amerikanischen Revolution, was sich auch in seiner einzigen Oper Fidelio zeigt.
Trotz der stärksten Bemühungen, die Idee eines souveränen Nationalstaats in Europa zu ersticken, wurde sie durch diese Persönlichkeiten weitergetragen. Seitdem wurde noch mehr getan, um diese Ideen auszurotten - oder haben sie etwa irgend über diese genannten Leute in diesem Zusammenhang in der Schule gehört, oder im Fernsehen gesehen?
Eine solche Persönlichkeit ist heute Lyndon LaRouche, der zusammen mit seinem von ihm gegründeten internationalen Netzwerk für diese Ideen kämpft. Die Jugend ist hierbei entscheidend, weil sie die wichtigste Kraft verkörpert: revolutionäre Ideen und die emotionale Leidenschaft, diese in die Tat umzusetzen, wie wir bei den jungen Leuten der Franklin-Bewegung sehen konnten.
Die Geschichte zeigt uns, daß plötzliche Veränderungen einer vorherrschenden Kultur, ob zum Guten oder zum Schlechten, meistens durch den Einfluß von Jugendbewegungen geschehen. Ein US-Senator fragte LaRouche einmal, wie er geschafft habe, eine Jugendbewegung aufzubauen, was heutzutage doch keiner politischen Partei richtig gelinge. Seine Antwort lautete:
„Wir sind heute eine Gesellschaft voller Lügen, aber wir sind immer noch eine christliche Gesellschaft, in der einige überzeugt sind, daß der Mensch das Abbild des Schöpfers ist und Wahrheit finden kann. Die von mir geschaffene Jugendbewegung dreht sich um das Prinzip der Wahrheitssuche - mit Durchbrüchen wie Carl Gauß’ Angriff auf die Empiristen. Indem die jungen Menschen diese und ähnliche Ideen durcharbeiten, entdecken sie, was in ihnen selbst wahr ist und was ihnen keiner nehmen kann. Sie entwickeln dabei eine andere Auffassung ihrer selbst.“
Wie Heine schon richtig sagte: „Revolutionen entstehen dann, wenn die Obrigkeit nicht mehr kann und die Bevölkerung nicht mehr will.“ Daß die Obrigkeit nicht mehr kann in dieser Zeit eines völlig in sich zusammenfallenden Finanzsystems und angesichts der sturen Verleugnung der Realität, wird immer offensichtlicher. Wir stellen nur sicher, daß die Richtung in ein neues System eingeschlagen wird, damit die amerikanische Revolution endlich nach Europa zurückgebracht wird.
Quellennachweis
1) Friedrich Schiller, Die Schaubühne als moralische Anstalt betrachtet.
2) Ben Franklin, Autobiographie.
3) David Shavin, „Leibniz to Franklin on Happiness”, und Edward Spannaus, „Leibniz, Halle, and The American Revolution”, beide Artikel erschienen in: Fidelio, Spring 2003.
4) Beethoven, Briefe, Gespräche, Erinnerungen, Ullstein & Co., 1870.
5) John Locke, Brief über Toleranz.
6) Leibniz, Fragment aus den „Entwürfen zu einem Buch über die Naturwissenschaft“, Wolfgang Engelhardt: G.W. Leibniz - Schöpferische Vernunft.
7) Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika, deutsche Übersetzung bei www.wikipedia.de.
Lesen Sie hierzu bitte auch: In der „besten aller möglichen Welten” ist der Bürger nicht ohnmächtig! - Neue Solidarität Nr. 23/2007 Moses Mendelssohn gab Deutschland seine Seele - Neue Solidarität Nr. 13/2007 Gegen den Kulturkampf des "Kongresses für Kulturfaschismus"! - Neue Solidarität Nr. 29/2004 Wie Deutschland seine Seele wiederfinden kann! - Neue Solidarität Nr. 32/2004 Wo ist unsere Kultur geblieben? - Neue Solidarität online |
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