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Aus der Neuen Solidarität Nr. 50/2007 |
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Der Wertverfall des US-Dollars trifft ganz besonders arme Länder, die vom Export ihrer Agrarerzeugnisse leben, weil diese auf dem Weltmarkt in Dollar gehandelt werden. Ein treffendes Beispiel ist Baumwolle.
In Westafrika sank der Preis, den Baumwollproduzenten für ihre Ausfuhren erhalten, innerhalb kurzer Zeit um 9%. Baumwolle erbringt zwischen fünf und neun Prozent des Bruttoinlandsproduktes der Erzeugerländer in Westafrika, einige Regionen der Sahelzone sind vollkommen vom Baumwollexport abhängig. Der Verband der Baumwollerzeuger im Senegal warnt, der Absturz der Branche könne eine Völkerwanderung auslösen. Viele junge Westafrikaner werden versuchen, nach Übersee auszuwandern. Die Bauern sind verzweifelt, Spinnereien und Vermarktungsunternehmen machten in den letzten zwei Ernteperioden massive Verluste. Schon vor der Krise mußte die Bevölkerung in den armen Baumwollregionen mit einem Dollar am Tag auskommen. Unter diesen Umständen kann ein Sinken des Dollarwertes Familien die Nahrungsmittelversorgung für einen ganzen Monat kosten.
Auch Europa bekommt die Folgen zu spüren. In Frankreich warnen Flugzeugbauer, der Dollarsturz könne sie zwingen, ihre Produktion in „Billig-Dollar-Bereiche“ zu verlagern. Der Leitartikel im Pariser Figaro vom 4. Dezember trug den Titel „Die Dollarfalle“; darin heißt es, wer sich in Europa über den Dollarfall freue, der unterliege einem tragischen Irrtum.
Die Lage der amerikanischen Citigroup, einer der größten Bankengruppen der Welt, wurde in letzter Zeit so verzweifelt, daß sie sich Ende November gezwungen sah, 7,5 Mrd.$ an Krediten aus dem Staatsfonds ADIA (Abu Dhabi Investment Authority) des Emirats Abu Dhabi aufzunehmen, um weggebrochenes Kapital zu ersetzen. Sie muß ADIA für die verschiedenen Teilkredite bis Vertragsende (zwischen März 2010 und September 2011) jährlich 11% Zinsen zahlen, mehr als bei Ramschanleihen.
Die Finanzexpertin Meredith Whitney von der Investmentbank CIBC World Markets, deren Äußerungen Anfang November bereits den Rücktritt von Citigroup-Chef Charles Prince ausgelöst hatten, äußerte sich kritisch über die Investition der ADIA. „Diese 7,5 Mrd. $ sind bei weitem nicht genug Geld“, sagte sie dem Londoner Telegraph.
Das ganze Finanzsystem ist am Ende, doch man fragt sich, wer hier kopfloser ist: die Citigroup, weil sie 7,5 Mrd. $ zu 11% Zinsen aufnimmt, oder die Direktoren des Fonds aus Abu Dhabi, wenn sie denken, Citigroup könne das tatsächlich bezahlen.
Am 27. November leitete der chinesisches Staatspräsident Hu Jintao ein Treffen des Politbüros des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas (KPC), bei dem eine stärkere makroökonomische Regulierung ab 2008 für ein stabiles und sicheres Wirtschaftswachstum auf der Tagesordnung stand. Wie die Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, sieht man die größten Probleme der chinesischen Wirtschaft in der chronischen Inflation und „Überhitzung“ (meist eine höfliche Umschreibung für Spekulation). Die Staatsführung will das Wohlergehen der breiten Bevölkerung, besonders der Armen, gezielt fördern. Präsident Hu benutzt hier den chinesischen Begriff min sheng, der sich als „Wohlergehen des Volkes“ oder auch als „Gemeinwohl“ übersetzen läßt. Es handelt sich um das dritte der drei berühmten „Prinzipien des Volkes“ von Sun Jatsen: Nationalismus, Demokratie (Republikanismus) und Gemeinwohl (wobei Abraham Lincolns Formel „vom Volk, durch das Volk und für das Volk“ als Vorbild diente).
Wenige Tage zuvor hatte Hu einen nationalen Kongreß von Vertretern nichtkommunistischer Parteien, Unabhängiger sowie Industrie- und Handelskammern geleitet, wo über die Verbesserung der Wirtschaftslage diskutiert wurde. Die Regierung in Beijing will demnächst noch eine „hochrangige zentrale Wirtschaftskonferenz“ abhalten, der Termin steht noch nicht fest.
Es war die zweite Konferenz des Politbüros innerhalb weniger Monate, die sich mit dringenden Wirtschaftsfragen befaßte. Schon auf einer Konferenz im Juli wurden makroökonomische Ziele gesetzt, aber der Preisanstieg hielt in den folgenden Monaten an, weil viel „heißes Geld“ aus dem finanziell unsicher gewordenen Westen nach China strömt. Die chinesische Zentralbank warnt in ihrem jüngsten Bericht vor Gefahren des zu raschen Wachstums: „China steht hinsichtlich der Liquidität immer noch vor einer schwerwiegenden Situation.“ Als Beispiele werden Investitionen in städtische Anlagen (ein Anstieg von 26,9% in diesem Jahr) sowie die weitere Aufblähung der Devisenreserven (mehr als 1430 Mrd. $) genannt.
Würde China den Forderungen Londons und Washingtons nach einer Neubewertung der Währung nachgeben, würde sogar noch mehr „heißes Geld“ einfließen, was katastrophale Folgen haben könnte.
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