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Aus der Neuen Solidarität Nr. 50/2007 |
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Weil sie sich von ihren Beraterbanken zu Spekulationen auf den Finanzmärkten hinreißen ließen, droht nun auch vielen Kommunen in Deutschland eine finanzielle Katastrophe.
Angesichts der rasanten Zusammenbrüche auf den Finanzmärkten, von denen auch bisher als „Triple A“ (AAA) bewertete internationale und deutsche Banken sowie Landesbanken betroffen sind, ist es dringend erforderlich, über die Verflechtung der kommunalen und Landesfinanzen mit großen, international tätigen Banken einen Überblick zu gewinnen. Neben der BaFin müssen die verantwortlichen Aufsichtsbehörden der Bundesländer in den Finanz- und Innenministerien eine genaue Bestandsaufnahme erstellen, um eine „Brandmauer“ zum Schutz des Gemeinwohls, wie es Helga Zepp-LaRouche im Oktober 2007 forderte, errichten zu können. Ansonsten droht ein unkontrollierter Strudel des Finanzkollapses die grundlegende Infrastruktur und Daseinsfürsorge Deutschlands zu erfassen.
So warnte die Bundesbank in ihrem gerade erschienen Bericht vor den Gefahren für die international tätigen deutschen Banken, auch wenn sie betonte, diese seien „bisher“ verhältnismäßig gut über die Runden gekommen. Regional tätige Institute seien dagegen weniger gefährdet, so die Bundesbank. Das gilt offenbar nicht unbedingt für eine ganze Reihe von Landesbanken und auch sicher nicht mehr für viele, längst international tätige große Sparkassen.
Vor allem große Kommunen betreiben ihre Finanz- und Derivatgeschäfte mittlerweile mit Geschäftsbanken wie der Deutschen Bank, Commerzbank, Hypobank, aber auch mit internationalen Banken wie ABN Amro, JP Morgan oder Societé Générale. So bezeichnet die Stadt München die letzteren Institute als für ihr Derivat-Finanzmanagement wichtige Geschäftsbanken. München listet auch z.B. zum Zeck der Besicherung von Derivatgeschäften Credit Suisse, Morgan Stanley, Goldman Sachs und Merrill Lynch auf. Selbst kleinere Kommunen werden nun - z.B. durch die deutsche Sparkassenakademie - dazu überredet, sich im Derivatmanagement zu beteiligen.
Dabei wird in völlig abwegiger Weise suggeriert, es sei für einen Stadtkämmerer einer mittleren oder Kleinstadt möglich, sich eine „eigenständige Zinsmeinung“ zu bilden und auf dieser Grundlage dann Derivatgeschäfte einzugehen! Das dient wohl eher der Absicherung der interessierten Geldinstitute, die sich dann darauf berufen können, ihre Klienten hätten schließlich gewußt, worauf sie sich einlassen. Und was beim „hochprofessionellen Management“ der Banken so herauskommt, sehen wir ja.
In zunehmenden Maß sind die - meist hochverschuldeten - Städte in den letzten Jahren ins Derivatkarussell mit eingebunden worden. Zehn deutsche Großstädte betreiben mittlerweile ein „hochprofessionelles Schuldenmanagement“ mit Swaps, Optionen und allem, was dazu gehört. Zwei von fünf deutschen Kommunen bedienen sich solcher Derivate, vor allem, um ihre Zinszahlungen zu senken. Ende 2005 hatte der Schuldenstand der Städte und Gemeinden rund 108 Mrd. € betragen - vor allem wegen der wegbrechenden Gewerbesteuereinnahmen und erhöhter Sozialkosten für Hartz IV. Bislang wurden dabei durchaus einige Einsparungen erzielt, aber spätestens seit Mitte diesen Jahres gelten völlig andere Spielregeln. Die Banken leihen sich selbst untereinander nichts mehr, Zinsraten geraten durcheinander, das ganze System ist aus dem Lot.
Wie Kommunen ins internationale Finanzkarussell verstrickt sind, wurde dieses Jahr bei den sog. „Spread Ladder Swaps“ deutlich. Mit diesen war auf die Differenz zwischen höheren Zinsen für langfristige Kommunalkrediten und günstigeren kurzfristigen Laufzeiten gewettet worden, ohne daß das mögliche Zinsrisiko von vornherein begrenzt wurde. Damit verwandelte sich z.B. ein Plus bei der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH von 67.000 Euro in ein Minus von 2 Mio. Euro. Der Gesamtschaden aus insgesamt neun Verträgen ergab 4,1 Mio. Euro, wovon drei Viertel der Verluste aus zwei Verträgen mit der Deutschen Bank stammten. Die WVV hatte die Bank als Ratgeber für ihr Schuldenmanagement mit einem „billigen Beratervertrag“ engagiert. Der Negativsaldo der Stadt Hagen erhöhte sich bereits im Frühjahr diesen Jahres auf mehr als 45 Mio. Euro aus Zinstauschgeschäften. In Dortmund war die Bestürzung in diesem Sommer groß, als aus einem scheinbar harmlosen Zinssicherungsgeschäft über Nacht ein Verlust für die Stadtkasse von 6,2 Mio. Euro entstand, da die Differenz zwischen langfristigen Zinsen für einen 20 Millionen Euro Kredit und kurzfristigen Zinsen in einem Zinstauschgeschäft sich anders entwickelte als erwartet. Die Verlustgefahr war „theoretisch unbegrenzt“.
Mindestens 40 Mandanten, darunter auch zahlreiche mittelständische Unternehmer, erwogen laut Presseberichten bereits Ende August den Gang vors Gericht gegen die Deutsche Bank, Commerzbank und HypoVereinsbank. Die entsprechenden Anwälte schätzen den Schaden bei deutschen Kommunen und kommunalen Unternehmen allein durch Produkte der Deutschen Bank auf über 1Mrd. Euro. In Pennsylvania mußte übrigens der Schulbezirk Reading im US-Bundesstaat Pennsylvania Anfang des Jahres 230.000 $ an die Deutsche Bank zahlen, nachdem er sich in einem Zins-Swap-Geschäft verspekuliert hatte. Übrigens berät u.a. J.P. Morgan in London deutsche Kommunen bei der Restrukturierung fehlgeschlagener Derivatgeschäfte.
Aber selbst dort, wo alle möglichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden, bleibt das Problem, daß Banken schlichtweg ausfallen können, wenn das gesamte Liquiditätsgefüge zum Erliegen kommt, wie dies gegenwärtig z.B. auch im Bereich der Pfandbrieffinanzierung gerade geschieht. Da hilft es auch nichts, wenn die Landeshauptstadt München in ihrem ausgefeilten Schuldenmanagementbericht von 2006 verkündet, die von ihr abgeschlossenen Derivate enthielten keine Marktliquiditätsrisiken. Auch sie muß einräumen, daß jede Bank, mit der die Kommune ein Derivat abschließt, grundsätzlich ein Partner mit Risiko ist.
Die deutschen Kommunen dürfen sich deshalb nicht noch weiter ins globale Finanzkarussell verstricken. Auch darf der gegenwärtige Vormarsch der Kaufmännischen Buchführung (Doppik) in den Kommunen nicht dazu benutzt werden, genaue Verkaufswerte für das gesamte, noch verbliebene kommunale Eigentum zu ermitteln, um auf dieser Grundlage dann ein ausgiebiges „Asset-Management“ zu betreiben. Die Städte müssen jetzt im eigenen Interesse und dem ihrer Bürger aktiv daran mitarbeiten, um die Rahmenbedingungen zu verändern, genau wie eine wachsende Zahl von Kommunen gerade LaRouches HBPA-Gesetzesvorlage zum Schutz der Eigenheimbesitzer und Banken in den USA unterstützt.
Das heißt im Fall der Kommunen vor allem auch, vom Staat die Anschubfinanzierung produktiver und langfristiger Infrastrukturvorhaben im Stile eines „New Deal“ zu verlangen, um wieder produktive Arbeitsplätze im großen Stil, und damit eine Erhöhung des Steueraufkommens zu erreichen.
Elke Fimmen,
stellv. Bundesvorsitzende der Bürgerrechtsbewegung Solidarität
Lesen Sie hierzu bitte auch: Anatomie eines Finanz-Tsunamis - Neue Solidarität Nr. 42/2007 BüSo macht Finanzspekulation zum Thema im Bundestag - Neue Solidarität Nr. 47/1997 Stellungnahmen und Reden der BüSo-Vorsitzenden - Internetseite der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo) |
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