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Aus der Neuen Solidarität Nr. 49/2007

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Berlin - eine Stadt braucht eine Identität

In der Bundeshauptstadt entsteht eine neue Mauer zwischen arm und reich, die viel gefährlicher zu werden droht als die alte Demarkationslinie. Das Konzept der BüSo vom Berliner Wahlkampf 2006 „Jugend will eine Zukunft - Neue Industrie für unsere Hauptstadt“ weist nach wie vor den Weg aus der Krise.

Eine neue Teilung bedroht die Hauptstadt Deutschlands. In den 18 Jahren seit dem Fall der Mauer entwickelte Berlin sich in zwei Richtungen. Die neue Trennlinie teilt aber nicht Ost und West sondern arm und reich -  eine Mauer, die weniger offensichtlich ist, deren Folgen aber weit gefährlicher sind. 

Während die Regierung sich für den angeblichen Wirtschaftsaufschwung lobt und sich das durch steigende Diäten zu vergüten weiß, und während Wowereit seine Partys feiert, werden ganze Stadtteile sich selbst überlassen. Nicht nur in Wedding und Neukölln sondern auch in Hellersdorf und Marzahn erreicht die Arbeitslosigkeit teilweise bis zu 25%. Bis zu 70% der Jugendlichen benötigen staatliche Zuschüsse zur Existenzsicherung. Die Zahl der Privatinsolvenzen ist auf  Rekordniveau geklettert, und um jede offene Stelle bewerben sich 17 Arbeitslose.

Weder die Bundesregierung noch der Berliner Senat haben irgendein Konzept, um hier Abhilfe zu schaffen. Stattdessen schafft man im Namen der Berliner Luft Umweltzonen, die die Existenz vieler kleiner Unternehmen wie Handwerksbetriebe bedrohen, wenn nicht sogar vernichten. Das Ganze findet statt bei Energiepreisen auf Rekordniveau und einer immer teurer werdenden Lebenshaltung im allgemeinen. Für die Masse der Bevölkerung ist die Preissteigerung schon wesentlich höher als die offizielle Inflationsrate. Das sind die Dinge, die das Klima in dieser Stadt wirklich vergiften. Eine komplett degenerierte „Elite“ führt gegenüber der Masse der Bevölkerung ein parasitäres Dasein.

„Stimmt schon. Aber leider kann man da doch nichts machen,“ werden sich wohl einige Leser denken. Wenn das die einzigen Dinge wären, die die Welt bestimmen, könnte das auch tatsächlich so sein. Denn es sind genau diese dekadenten „Eliten“, die von der Weltgeschichte mit einer schönen Regelmäßigkeit überholt werden.

Im Jahr 2006 führte die BüSo in Berlin einen Wahlkampf mit dem Wahlspruch „Jugend will eine Zukunft – Neue Industrie für unsere Hauptstadt.“ Wenn Berlin und Deutschland eine Zukunft haben sollen, müssen bestimmte falsche Denkweisen, die mit dem Wertewandel der 68er zusammenhängen, überwunden werden. Dazu gehören Sparpolitik (besser: Austerität), Technologiefeindlichkeit, die als Dienstleistungsgesellschaft getarnte Zerschlagung von ganzen Industriezweigen sowie Lohndumping, 1€-Jobs, Zeitarbeit und andere Formen moderner Sklaverei, die im Namen der „unumkehrbaren“ Globalisierung angepriesen werden.

In einer wohlhabenden, sich entwickelnden Gesellschaft soll und muß der Mensch und seine Arbeit teuer sein. Alles andere ist ein Rückfall in Sklaverei und Leibeigenschaft. Ein Industriearbeiter, der nach Tariflohn bezahlt wird, ist normalerweise in der Lage, sich und seine Familie mit einem bescheidenen Wohlstand zu finanzieren. Servicejobs können nie im Leben das Rückgrat einer modernen Volkswirtschaft darstellen.

Daher besteht der einzig gangbare Weg darin, die Sparpolitik zu beenden und zu investieren, bis produktive Vollbeschäftigung erreicht ist. So wird in Unternehmen und den privaten Haushalten die Grundlage geschaffen, um die völlig zerrütteten Staatsfinanzen wieder in Ordnung zu bringen.1 Möglichkeiten für sinnvolle Investitionen, die auch bei besserer Finanzlage getätigt würden, gibt es genug im Bereich der grundlegenden Infrastruktur sowie im Hochtechnologiebereich. Ein kluger Staatsmann wird aber einsehen, daß diese Investitionen gerade in Zeiten finanzieller Schieflage gebraucht werden, um überhaupt eine Aussicht zu haben, das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht wieder herzustellen.2

Soviel zum Grundkurs Volkswirtschaftslehre. Viel spannender sind die unglaublichen Chancen, die sich in Berlin und Deutschland mit der Entwicklung Eurasiens auftun.

Während die vom grünen Zeitgeist angefressenen Hirne uns etwas von Überproduktion weismachen wollen, lebt tatsächlich ein Großteil der Menschheit in bitterer Armut. In Asien, Südamerika und Afrika fehlt es für die Masse der Bevölkerung fast überall am Nötigsten, ist die Infrastruktur völlig mangelhaft. Das einzig Gute ist, daß weltweit das geradezu kriminelle System der Globalisierung abgelehnt wird. Besonders in vielen Ländern Asiens setzt sich die Erkennntnis durch, daß Wohlstand und Entwicklung nur durch große Infrastrukturprojekte zu erreichen sind. So baut China neue Kernkraftwerke und zig Tausende Kilometer neuer Eisenbahnstrecken. Rußland will seine östlichen Provinzen entwickeln und sogar die Beringstraße untertunneln, um Amerika und Asien miteinander zu verbinden.

Diese gewaltige, das 21. Jahrhundert bestimmende Dynamik zu übersehen, wäre einer der fatalsten Fehler, den man heute begehen kann. Denn gerade hier kündigen sich für Berlin und das Umland ungeahnte Chancen an. Ein Blick auf die drei Hauptkorridore der eurasischen Landbrücke zeigt, daß Berlin der Ort ist, der direkten Zugang zu allen diesen Korridoren hat und sich somit an einer zentralen Drehscheibe der neuen eurasischen Landbrücke befindet. Eine in die Tiefe gehende, die ganze Bevölkerung erreichende Entwicklung dieser Korridore, die Eurasien wie große Arterien verbinden, stellt ganz neue Anforderungen in puncto Energie, Rohstoffe und Technologie. Neue synthetische Treibstoffe auf Wasserstoffbasis werden Öl als Energieträger verdrängen. Öffentliche Massentransportsysteme für Güter und Personen müssen in einem großen Umfang bereitgestellt werden, um aus Millionen-Slums moderne Metropolen und funktionierende Gemeinwesen zu machen. Dass die Menschheit diese gigantische Aufbauleistung erbringen wird, ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Die Frage ist nur: Wird das in der nahen Zukunft geschehen, und wird in 20 oder 50 Jahren Armut ein Thema im Geschichtsunterricht sein? Wird Deutschland seinen Beitrag leisten und so seine Stellung in der Welt als Volk der Dichter, Denker und Ingenieure sichern? Oder werden wir zusehen wie wir im Vertrauen auf die „Unumkehrbarkeit“ der Globalisierung weiter verarmen und verblöden, bis nur noch Gipsköpfe zurückbleiben, um dann in 200 Jahren das Brandenburger Tor und die Goldelse in der Mongolei in neuem Glanz zu sehen, so wie wir das alte Rom und Babylon bei uns auf der Museumsinsel wiederfinden?

Es liegt ganz am persönlichen Beitrag, den jeder einzelne leistet, um dieses eigentlich ganz schöne Land wieder zur Vernunft zu bringen. Dieser Aufruf gilt natürlich insbesondere allen jungen Lesern und denen, die es gerne wieder werden möchten.


Anmerkungen

1.  Die rekordverdächtigen Steuereinnahmen im Bund und in Berlin beweisen bei genauerem Hinsehen nur, daß die Steuerpolitik kein Rezept weiß, außer von der Substanz zu leben. Mit jeder Runde von Sparen und Steuern-Erhöhen schneidet man sich weiter ins eigene Fleisch.

2. Das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz von 1967 verpflichtet den Staat sogar dazu, das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht, bestehend aus Vollbeschäftigung, außenwirtschaftlichem Gleichgewicht, Preisstabilität und einem angemessenen Wachstum, zu gewährleisten. Die rechtlichen Voraussetzungen dazu sind im gleichen Gesetz sowie im GG Art. 20 und 115 gegeben. Dummerweise besteht der versammelte Sachverstand, der die Bundesregierung in diesen Dingen berät, aus einem Haufen von Erbsenzählern, die nicht dazu in der Lage sind, diese einfachen Zusammenhänge zu begreifen.

 

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