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Aus der Neuen Solidarität Nr. 38/2007 |
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Gegen die Regierung in Simbabwe betreiben die Briten eine Politik faktischer Rekolonialisierung, verbrämt mit einer Medienkampagne für „Demokratisierung“ und „Liberalisierung“. Jetzt hat sich eine LYM-Gruppe gebildet, die für eine Lösung der Krise kämpft.
Die Angriffe der Medien auf die Regierung von Simbabwe werden immer schriller, je näher der EU/Afrika-Gipfel im Dezember rückt. Dieser hysterische Journalismus wirft ein Licht auf die strategische Bedeutung des Kampfes um wirkliche Unabhängigkeit und Gerechtigkeit für Afrika in diesen Zeiten der Weltkrise. In vielen Artikeln wird inzwischen die sofortige Verhaftung von Präsident Mugabe gefordert, sobald dieser seinen Fuß auf EU-Gebiet setzen sollte. Andere versteigen sich zu der Forderung, jedem afrikanischen Land, das das in Ungnade gefallene Regime unterstützt, die Entwicklungshilfe zu entziehen, wodurch Millionen von Unschuldigen in Afrika umkommen würden - eine Rekolonisierung im Stile von Cecil Rhodes!
In Simbabwe, dem früheren Rhodesien, hatte das Joch der Kolonialherrschaft die Form einer Privatfirma - der mit königlichen Urkunden ausgestatteten British South Africa Company, die ansonsten nur den Gesetzen des freien Marktes verpflichtet ist. Rhodes selbst verfolgte einst genau die gleiche Politik, nämlich Afrika von Afrikanern zu säubern, um Platz für luxuriöse Urlaubsorte zu machen, in denen nur noch einige schwarze Bedienstete leben dürften.
Der lautstarke Ruf nach Regimewechsel in Simbabwe, der sich hinter Kodewörtern wie „gute Staatsführung“ oder „Rechtsstaatlichkeit“ verbirgt, wird noch eine Schattierung böser, wenn die Eskalation der Gewalt selbst in den Reihen der gefeierten Oppositionspartei MDC in unkontrollierte Anarchie umzuschlagen droht. Die vom IWF Anfang der 90er Jahre betriebene Zerschlagung des Gesundheitswesens hat die Sterblichkeit in Simbabwe in alarmierende Höhen getrieben, wo jedes Jahr allein 170.000 Menschen an Krankheiten in Zusammenhang mit AIDS/HIV sterben. Gleichzeitig haben die erzwungenen staatlichen Subventionskürzungen für die einfachsten Gebrauchsgegenstände dazu geführt, daß inzwischen die vom Ausland kontrollierte Privatwirtschaft die Preise diktiert, so daß die Inflation in die Höhe schießt. Rhodes’ imperiales Erbe lebt weiter.
Der Präsident Südafrikas, Thabo Mbeki, hat sich jüngst in Tansania auf einer Konferenz über die Entwicklung im südlichen Afrika folgendermaßen geäußert:
„Der Kampf gegen Simbabwe ist ein Kampf gegen uns alle. Heute ist es Simbabwe, morgen wird es Südafrika sein, Mosambik, Angola oder irgendein anderes afrikanisches Land. Und jede Regierung, die als stark empfunden wird und sich gegen die Imperialisten wehrt, wird zur Zielscheibe gemacht und geschwächt.“
Die Realität läßt inzwischen selbst die größten Skeptiker oder beharrlichsten Fantasiewelt-Bewohner zu dem Schluß kommen: das heutige globale Finanzsystem kollabiert. Der Fäulnisgeruch, der sich nach dem Aufbrechen der US-Immobilienblase auf der ganzen Welt verbreitete, ist die letzte Mahnung vor dem Bankrott eines Systems, das schon viel zu lange innerlich vor sich hin rottete. Die Auflösung des Bretton-Woods-Systems, seine Ersetzung durch ein globales Spielkasino gleitender Wechselkurse und die spätere verheerende Hochzinspolitik fielen nicht zufällig mit dem Beginn einer Völkermordstrategie gegen die afrikanischen Länder zusammen. Mit Hilfe der „Banker-Arithmetik“ vervielfachten sich die Schulden der Dritten Welt, die dann täglich auf Kosten Tausender Menschenleben bedient werden mußten.
Führer von Entwicklungsländern, die sich gegen die verhängten Auflagen wehrten und forderten, daß ihre Länder erst entwickelt werden müßten, bevor Geld zurückgezahlt werden könne, wurden mit allen verfügbaren Methoden des „Regimewechsels“ behandelt. John Perkins beschreibt in seinem Buch Bekenntnisse eines Economic Hit Man, wie „die Schakale“ losgelassen wurden, wenn wirtschaftliche Druckmittel nichts mehr fruchteten. Die Zielpersonen „ereilte dann ein Unfall“, wie es mit Jaime Roldos aus Ekuador und Omar Torrijos aus Panama der Fall war. Wenn auch die Schakale nichts ausrichten können, ist die nächste Option die Invasion, wie jüngst im Irak geschehen.
Wenn man weiß, was bei dem Zusammenbruch des Weltfinanzsystems auf dem Spiel steht, ist es keine Überraschung, mit welcher fanatischen Besessenheit die Oligarchie gegen Simbabwe vorgeht. Ironischerweise hat dort die Wirksamkeit des britisch geschulten Geheimdienstes und die Weigerung der Nachbarländer, britische oder amerikanische Luftwaffenbasen auf ihrem Territorium zu dulden, bisher einen Regimewechsel in dem von Perkins beschriebenen Stil verhindert. Deswegen hat sich die imperiale Mafia auf die genauso erprobte Taktik kultureller Kriegführung verlegt, d.h. die Bevölkerung wird moralisch soweit heruntergezogen, daß sie glaubt, der Sklavenbesitzer sei ihr bester Freund. Im Falle Simbabwes wirkte sich das so aus, daß die Briten eine Politik faktischer Rekolonialisierung unter dem Aushängeschild von „Demokratisierung“ und „Liberalisierung“ verkaufen konnten.
Die üble Komplizenschaft der Regierung Bush-Cheney bei der britischen Vergewaltigung von Simbabwe kommt in erstaunlicher Unverfrorenheit in einem Bericht des US-Außenministeriums zum Ausdruck:
„Um eine größere öffentliche Debatte über die Wiederherstellung guter Staatsführung anzuregen, unterstützen die Vereinigten Staaten Veranstaltungen, auf denen wirtschaftliche und soziale Analysen vorgestellt werden, die die Ausreden der Regierung für ihre gescheiterte Politik entkräften.
Um die demokratischen Elemente weiter zu stärken, unterstützt die US-Regierung die Bemühungen der politischen Opposition, der Medien und der Bürgergesellschaft, demokratischen Raum zu schaffen und zu verteidigen, und hilft solchen Personen, die die Regierung kritisieren.“1
Inzwischen sind mehr als zehn Jahre vergangen, seitdem der britische Premier Blair die Zusage seiner Vorgängerregierungen brach, die Landumverteilung in Simbabwe zu finanzieren (das Lancaster House Agreement von 1979). Die damalige Ministerin für internationale Entwicklung Clare Short schrieb 1997 einen Brief an den Landwirtschaftsminister von Simbabwe, in dem es hieß:
„Ich sollte klarstellen, daß wir es nicht hinnehmen, daß Großbritannien eine besondere Verantwortung zukommt, die Kosten von Grunderwerb in Simbabwe zu tragen. Wir sind eine neue Regierung aus verschiedenen politischen Richtungen ohne Verbindung zu ehemaligen Kolonialinteressen.“
Der Brief endete mit einer Drohung: „Daraus folgt, daß es uns unmöglich ist, ein Programm raschen Landerwerbs zu unterstützen, wie Sie es offenbar anstreben. Ich weiß, daß viele Freunde Simbabwes unsere Sorge um den Schaden teilen, den dies am landwirtschaftlichen Ertrag Simbabwes und den Aussichten für die Investitionsbeschaffung anrichten könnte.“
Die Sanktionen begannen zwei Jahre später, nach den sogenannten „Landbesetzungen“, und ein geschocktes Großbritannien schaute zu, wie sein ehemaliger Vasall imperiale Befehle mißachtete.
Im September 1999 setzte der IWF zunächst sämtliche Finanzhilfen aus, und im Oktober des gleichen Jahres stoppte USAID (die US-Agentur für Internationale Entwicklung) sämtliche Anleihen, Kredite und Garantien für Simbabwe. Im Jahr 2000 wurden alle zuvor genehmigten Anleihen für laufende Projekte eingefroren, aber der entscheidende Schlag sollte erst im Dezember 2001 erfolgen, als der US-Senat ein Gesetz verabschiedete, das sich beschönigend „Gesetz für Demokratie und Wirtschaftserholung von Simbabwe“ nannte. Simbabwe wurde von allen internationalen Kreditanstalten, in denen die USA Mitglied waren, ausgeschlossen, sowie von allen damit verbundenen Unternehmen und Gesellschaften.
Für ein Kind, das in dieser Zeit in Simbabwe aufwuchs, kostete damals ein Brot 100 Simbabwedollar (S$), das noch einige Jahre zuvor weniger als 1 S$ gekostet hatte. Grundlegende Verbrauchsgüter verschwanden aus den Regalen, und die Eltern mußten zu Fuß nach Hause zurücklaufen, da das Benzin ihres Autos ausgegangen war und die Tankstellen leer waren. Stromausfälle häuften sich, und Wassermangel war an der Tagesordnung. Die Lebenserwartung sank, und Banden von Waisenkindern übernahmen die Straßen der Städte. Erst zu diesem Zeitpunkt leitete die Regierung die schnelle Landreform ein, um die gröbsten Mißstände abzustellen, und seither führt sie diesen schweren Kampf.
Bei einem Internetforum am 25. Juli 2007 hat Lyndon LaRouche auf die Frage eines LYM-Mitglieds aus Harare in Simbabwe folgendes geantwortet:
„Seit dem Beginn der Befreiung Simbabwes von Rhodesien war die Frage: sollte es der dortigen afrikanischen Landbevölkerung gestattet werden, Zugang zu den landwirtschaftlichen Nutzflächen und zum Anbau eigener Produkte zu bekommen? ... Die klare Antwort war: nein...
Simbabwe hat zwar auf dem Papier seine politische Unabhängigkeit erhalten, aber es hat nie das Recht bekommen, seine Unabhängigkeit auszuüben, und durch die britische Kontrolle über die landwirtschaftliche Produktion und andere Bereiche in Simbabwe soll die Regierung und der ganze Staat zerstört werden. Das ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“
Die Lösungen für Afrika sind deutlich sichtbar in LaRouches Kampf für eine Rückkehr zum Erbe Franklin Roosevelts, das der amerikanische Kongreß jederzeit aufgreifen könnte. Im Rahmen einer neuen Weltwirtschaftsordnung, die sich an dem alten Bretton-Woods-System orientiert, ließen sich langfristige Kreditzusagen für den gesamten afrikanischen Kontinent vereinbaren, um große Infrastrukturprojekte wie Eisenbahnnetze, Energie- und Wassersysteme zu finanzieren. Der Umstand, daß in Südafrika jetzt der einzige Hochtemperaturreaktor der Welt für kommerziellen Einsatz entwickelt wird, ist bereits ein Schritt in diese Richtung.
Doch über den wirtschaftlichen Wiederaufbau hinaus muß sich Afrika eine geistige Aufgabenorientierung geben, um für den Kontinent eine Zukunft frei von der oligarchischen Tradition eines Cecil Rhodes zu gestalten. Die Jahrhunderte von Blutvergießen, sinnloser Kriege und Unterdrückung der afrikanischen Völker durch Ausländer und oftmals auch untereinander läßt sich nicht ohne das Entstehen einer eigenen afrikanischen Kulturbewegung überwinden, an der deutlich wird, was Menschsein wirklich heißt. So wie es Bach, Leibniz u.a. im Gefolge der jahrhundertelangen Religionskriege in Europa gelang, die Ideale der italienischen Renaissance wiederaufleben zu lassen, so schickt sich die LaRouche-Jugendbewegung (LYM) in Afrika an, die Saat der Hoffnung für die kommenden Jahrhunderte zu säen.
Genau das wurde am 22. Juli, einem Sonntagnachmittag, in Simbabwe Realität, als eines von mehreren Treffen mit vier weiteren Jugendlichen stattfand, die sich später dazu entschlossen, die LYM zu gründen. Trotz großer Transportprobleme aufgrund des Benzinmangels stand allen ein Lächeln im Gesicht, als die künftigen LaRouche-Kämpfer stolz ihre EIR-Hefte in die Kamera hielten. Sie hatten gerade drei Stunden lang intensiv über Geschichte, Wissenschaft, Wirtschaft und Musik diskutiert.
Im Haus gab es an diesem Abend natürlich wieder keinen Strom, und auch am nächsten Tag fehlten wieder Brot, Milch und Zucker auf dem Frühstückstisch, doch ihr Denken drehte sich um Roosevelts Erbe zum Wiederaufbau Afrikas, um Bachs Motette „Jesu, meine Freude“ und um die Methode, wie Johannes Kepler Anfang des 17. Jahrhunderts das Prinzip der Gravitation entdeckt hatte.
Portia Tarumbwa und Sergej Strid
Anmerkung
1. Aus "Supporting Human Rights and Democracy: The U.S. Record 2006", nachzulesen auf http://www.state.gov/g/drl/rls/shrd/2006/80586.htm.
Lesen Sie hierzu bitte auch: Zeittafel des britischen Kampfes gegen Simbabwe - Neue Solidarität Nr. 38/2007 Britische Militärkonferenz: das Empire wieder aufbauen - Neue Solidarität Nr. 38/2007 Entwicklungsinitiative gegen Destabilisierungskampagnen - Neue Solidarität Nr. 38/2007 Wir begrüßen die LYM in Afrika! - Neue Solidarität Nr. 30-31/2007 Afrikapolitik der US-Regierung will Zerstörung des Sudan - Neue Solidarität Nr. 47-48/2006 Darfur-Krise: ein neues Somalia? - Neue Solidarität Nr. 30/2004 Amerikanisches Friedensdiktat im Sudan - Neue Solidarität Nr. 45/2003 Ein malthusianisches Gespann: Club of Rome und AIDS-Pandemie - Neue Solidarität Nr. 43/2002 |
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