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Aus der Neuen Solidarität Nr. 29/2007

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Krise des Finanzsystems: Der Damm bricht!

Auch die Rating-Agenturen sind nicht mehr in der Lage, die Krise der minderwertigen Hypotheken zu vertuschen. In der letzten Woche stellten sie den Markt der „CDOs“ unter „Beobachtung“. Nun fürchten Marktanalysten, daß das „ganz große Ding“ eintritt.

Nachdem sich im Zusammenhang mit der Krise der beiden Bear-Stearns-Fonds gezeigt hatte, daß viele der sog. „minderwertigen Hypothekenobligationen“ auf dem Markt nur noch 30-50% des Buchwertes erreichen, sehen sich nun die Rating-Agenturen gezwungen, ihre Bewertungen wenigstens teilweise den Realitäten anzupassen. „Angesehene“ Bewertungsagenturen wie S&P, Fitch und Moody’s waren in letzter Zeit wegen ihrer Unterschätzung des Risikos solcher Anleihen, die jetzt teilweise zu 30-50% ihres Nennwertes verkauft werden, stark angegriffen worden. Die Agentur Standard & Poors (S&P) erklärte am 9. Juli, sie werde die Bewertungen von Anleihen im Wert von 12 Milliarden US-Dollar herabstufen. Diese Anleihen sind alle durch „Subprime“-Hypotheken abgesichert. Obwohl die nun herabgestuften Anleihen den vierfachen Wert derer haben, die zuvor schon von S&P abgewertet wurden, bilden sie nur 2,1% der Anleihen im Wert von 565,3 Milliarden Dollar, die im Jahre 2006 von S&P bewertet wurden. Trotzdem stellte S&P die gesamte Klasse von CDO-Anleihen (collateralized debt obligations), mit 612 Unterklassen von hypothekengestützten Anleihen, unter „Beobachtung“.

Die Ankündigung brachte die Märkte ins Schleudern, denn nun sind alle Investoren gezwungen, ihre Bücher entsprechend zu korrigieren. Zwei der größten Verlierer am Markt waren jüngst Lehman Brothers und Bear Stearns, beides Marktführer beim Verkauf solcher Anleihen. CNNMoney berichtete, allein im Monat Oktober seien Hypotheken mit anpaßbaren Zinsen im Wert von 50 Milliarden US-Dollar auf einen höheren Zinssatz umgestellt worden, was für die Schuldner teilweise eine Steigerung ihrer Zahlungen um 30-40% bedeutet. Die Vereinigung der Hypothekenbanken (Mortgage Bankers Association) berichtete in der letzten Woche,  im ersten Halbjahr 2007 seien solche anpaßbare Hypotheken im Wert von 250 Milliarden US-Dollar „hochgeschaltet“ worden, wobei die ganz große Welle noch bevorsteht. „Die Aktion von S&P wird noch viel mehr Leute zwingen, zu Jesus zu kommen“, sagte ein Analyst. „Wenn eine Bewertungsagentur eine ganze Klasse unter Beobachtung stellt, dann zwingt das die Kreditgeber dazu, sich endlich zu bewegen und alles neu zu bewerten.“ Dann fügte er düster hinzu: „Dies könnte einer der Auslöser sein, auf die wir gewartet haben.“

Dementsprechend mehren sich die Warnungen vor Investitionen in diesem Bereich. In einer alarmierenden Erklärung vom 22. Juni rät der Internationale Gewerkschaftsbund ITUC seinen Mitgliedern in 153 Staaten dringend, die Gelder ihrer Rentenfonds aus Hedgefonds und Private Equity Fonds abzuziehen, bevor es zu spät ist. Anhand zahlreicher Beispiele zeigt der ITUC, daß die Gewinne der Rentenkassen aus den Investitionen in diese „Heuschreckenfonds“ nicht höher oder sogar geringer waren als der Gewinn aus gewöhnlichen Anlagen auf den Aktienmärkten - bei Beteiligungsfonds seit einem Jahrzehnt, bei Hedgefonds seit 2005. Der ITUC warnt weiter, die Übernahmen durch private Beteiligungsfonds, für die ein Großteil der von den Rentenkassen der Gewerkschaften investierten Gelder verwendet wird, führten geradewegs in die Katastrophe.

In den letzten beiden Jahren erhöhten auch viele öffentliche Pensionsfonds in den USA ihre Investitionen in Hedgefonds, in hochriskante hypothekengesicherte Wertpapiere (MBS) und in darauf aufbauende Pfandbriefobligationen (Collateralized Debt Obligations, CDOs), mit denen Hedgefonds und Investmentbanken spekulieren. Analysten von Immobilien-Treuhandgesellschaften und Banken warnen, daß die gewaltigen Verluste bei diesen Papieren aus der Immobilienblase (die sich insgesamt auf mehrere hundert Milliarden Dollar belaufen) eine Krise der amerikanischen Rentenkassen nach sich ziehen werden.

„Umkehr der Hebelwirkung“

Niemand anderes als die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die Zentralbank der Zentralbanken, gibt nun auch zu, daß die wahnwitzige Blasenwirtschaft, die in den letzten zehn Jahren unter Leuten wie dem langjährigen Federal-Reserve-Chef Alan Greenspan geschaffen wurde, kurz vor dem Platzen steht. In dem am 22. Juni veröffentlichten Jahresbericht der BIZ heißt es: „Die Sorge ist, daß all dies sich umkehren“ und zusammenbrechen könne. Eine „Veränderung im Kreditzyklus“, welche die Anlagewerte international schrumpfen läßt, sei vielleicht schon im Gange. Und in dem Abschnitt „Schlußfolgerung“ schreibt die BIZ ganz offen: „Praktisch niemand hat die Große Depression der 30er Jahre oder die Krisen, die Anfang und Ende der 90er Jahre Japan und Südostasien trafen, vorausgesehen... Immer ging eine Periode nichtinflationären Wachstums voraus, die so überschwenglich war, daß viele Kommentatoren meinten, eine ,neue Ära’ sei gekommen. Zur Zeit des Einbruchs von LTCM 1998“ - der beinahe zum Zusammenbruch des globalen Finanzsystems führte - „stand die Firma vor Preisschocks in verschiedenen Märkten, die fast zehnmal größer waren, als man aufgrund der vorangegangenen Geschichte halbwegs hätte erwarten können.“

Die größte Angst vor einer „Umkehr der finanziellen Hebelwirkung“ und einem Kollaps äußert die BIZ hinsichtlich der fremdfinanzierten Firmenübernahmen. Die hätten durch die Aktivitäten der Beteiligungsfonds in den ersten fünf Monaten bereits den Jahresrekord des Vorjahrs gebrochen. „Die Tatsache, daß Banken jetzt neben Überbrückungskrediten zunehmend noch Überbrückungskapital bereitstellen, um die immer noch wachsende Zahl von Unternehmensfusionen und -übernahmen abzustützen, ist kein gutes Zeichen.“ Durch diese Praktiken drohe der Absturz einer oder mehrerer Großbanken, weil die Banken mehr Kreditrisiko in ihren Büchern hätten, als es den Anschein habe, und weil man nicht wisse, welche Hedgefonds den Banken dieses Risiko abkaufen und ob sie damit fertigwerden können.

Ambrose Evans-Pritchard griff den BIZ-Bericht am 2. Juli im Daily Telegraph auf und schrieb in seinem Kommentar: „Die letzten Monate sehen wie der letzte Aufblas-Höhepunkt eines gewaltigen Kreditballons aus.“ Der Kommentator, der fast täglich vor einem Crash warnt, nennt katastrophale Zahlen zum Wachstum der Kreditblase in diesem Jahr: „Fusionen und Übernahmen weltweit erreichten im ersten Halbjahr 2278 Mrd.$, 50% über dem Vorjahreszeitraum. Unternehmensschulden schossen um 32% auf 1450 Mrd.$. Aufkäufe durch privates Beteiligungskapital erreichten 568,7 Mrd.$, ein Anstieg um 23%. CDO-Schuldenpapiere wuchsen im ersten Quartal um 251 Mrd.$, doppelt so schnell wie die Rekordrate vom letzten Jahr. Fremdfinanzierte Geschäfte laufen mit einem Schulden-zu-Cashflow-Verhältnis von 5,4:1, einem Allzeit-Höchststand.“

Albert Edwards von Dresdner Kleinwort sagte treffend: „Das ist das ganz große Ding. Alle Investmentdepots werden zu Papierschnipseln geschreddert werden.“

Auch in Hongkong äußert man ähnliche Besorgnis. Am 5. Juli warnte der Leiter der Hongkonger Währungsbehörde, Joseph Lam, gerade durch eine Krise des Typs wie der aktuellen um Bear Stearns könne eine Panik im System ausbrechen. In einem Kommentar auf der Internetseite der Behörde schreibt Lam, durch Hedgefonds drohe ein beträchtliches Systemrisiko. Diese werde „am wahrscheinlichsten aus dem Scheitern eines für das System bedeutsamen Hedgefonds erwachsen, der große offene Positionen bei anderen Finanzinstituten hat“.

Genau solche „Krisen des Typs wie der um Bear Stearns“ zeichnen sich bereits ab. Das Wall Street Journal berichtet am 6. Juli, die in Denver ansässige Braddock Financial Corp. habe gemeldet, sie werde ihren Galena Street Fund mit einem Buchwert von $300 Millionen, der hauptsächlich in minderwertige Hypothekenpapiere investiert hatte, schließen und die Auszahlungen suspendieren (d.h. Rückzahlungen an die Investoren, die ihr Geld aus dem Fonds abziehen wollen), bis sie einige ihrer Anlagen verkauft habe.

Das war bereits die zweite Ankündigung eines Hedgefonds innerhalb von zwei Börsentagen, seine Tore für den Abzug von Geld ihrer Investoren zu schließen. Am 3. Juli hatte bereits United Capital Assets Management, ein viel größerer Hedgefonds ($906 Millionen Buchwert), Abzugswünsche seiner Investoren blockiert, nachdem Verluste gemeldet wurden.

Galena hatte seine Investitionen gehebelt, indem es auf „Kurzverkäufe“ setzte (d.h. auf fallenden Wert wettete), so daß bei fallenden Werten der Investitionen die Gewinne aus den „Kurzverkäufen“ steigen würden. Unglücklicherweise gingen die Hebelwirkungen für Galena und seine Investoren in jüngster Zeit nicht allzu gut aus.

Die Financial Times berichtet, daß wahrscheinlich noch mehr Hedgefonds sehr bald die Abhebungen und Entnahmen der Investoren einschränken werden, um dem zwangsweisen Verkauf von nichtliquiden Anlagen zu Ramschpreisen zu entgehen, und ist der Ansicht, das wahre Ausmaß des Problems werde sich erst im September zeigen. Da die meisten Fonds vierteljährliche Abhebungen erlauben, würden viele Fonds ihren Investoren erst zum Ende des Quartals mitteilen, daß sie Beschränkungen erlassen.

alh

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