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Aus der Neuen Solidarität Nr. 26/2007 |
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Der Vorsitzende der französischen Partei Solidarité et Progrès, Jacques Cheminade, gab zur zweiten Runde der Wahlen zur Nationalversammlung die folgende Stellungnahme ab.
Die zweite Runde der französischen Parlamentswahl war, ähnlich wie die erste, vor allem durch einen enorm hohen Anteil an Nichtwählern gekennzeichnet: Er stieg nach 39,58% im ersten Wahlgang im zweiten sogar noch auf 40,01%. Man erinnere sich: Bei der vorangegangenen ersten und zweiten Runde der Präsidentschaftswahl lag der Anteil der Nichtwähler nur bei 16,2% bzw. 16%.
Ansonsten hat sich der „blaue Tsunami“ (benannt nach der Parteifarbe) für den „Sarkozysmus“, der nach den Umfragen für die zweite Runde erwartet wurde, in Luft aufgelöst. Tatsächlich lehnten die Wähler in der ersten Runde die Unordnung und Ziellosigkeit der Linken ab, und in der zweiten erteilten sie dem Sarkozysmus liberaler Spielart eine Absage. Daß Sarkozy und Premierminister François Fillon zwischen den beiden Wahlgängen Herrn Guaino nach seinen lyrischen Äußerungen in ein Büro im Elyséepalast einsperrten und „rechte“ Inhalte aufgriffen, die mit den sozialen und nationalen Akzenten der letzten Phase des Präsidentschaftswahlkampfs nicht zusammenpaßten, war zweifellos für viele Wähler aus diesem Lager ein Grund, nicht wählen zu gehen, während interessanterweise genau umgekehrt viele Wähler aus dem anderen Lager, die sich in der ersten Runde nicht beteiligt hatten, in der zweiten für Ségolène Royal stimmten.
Die Niederlage von Alain Juppé in Bordeaux, der unerwartet schwache Sieg von Dominique Perben in Lyons sowie der Erfolg des engeren Kreises von Royal (mit Ausnahme von Vincent Peillon) ist somit der Preis, der für die ersten Maßnahmen der liberalen, unsozialen „Revolution“ Sarkozys gezahlt werden mußte.
Das Ergebnis an sich wird das nicht blockieren - Sarkozys UMP und ihre Verbündeten werden in der Nationalversammlung eine absolute Mehrheit von 343 Mandaten haben -, aber es wird verhindern, daß sie in der öffentlichen Meinung so vorgehen, wie sie es gerne getan hätten. So macht diese Regierung einen schwankenden, amateurhaften Eindruck - sie kündigt an, ihre Dynamik zu erneuern, bevor diese überhaupt begonnen hat -, und das nur wenige Tage, nachdem ihre Hegemonie allgemein „abgesegnet“ worden war.
Und was die Sozialistische Partei angeht: Dort ist der Machtkampf eröffnet. Wir werden uns an dem rücksichtlosen Kampf, in dem vielfach die Positionen geändert werden, nicht beteiligen, aber wir werden uns als Kraft verstehen, die eine für die Opposition geeignete Vision vertritt und Ideen beisteuert. Das ist unser Beitrag zur Definition der Außenpolitik Frankreichs: das Neue Bretton Woods, die Eurasische Landbrücke, der Angriff auf die Finanzoligarchie mit dem BAE-Skandal als Waffe. So kann das Joch der Finanzherrschaft abgeschüttelt werden, und das ist dringend notwendig, wenn man eine Innen- und Europapolitik für wechselseitige wirtschaftliche Entwicklung und soziale Gerechtigkeit anstrebt.
Die etablierten Parteien sind sich selbst und ihrer Kontrolle über das französische Fahrrad zu sicher und treten deshalb die Pedale mit der Nase eng am Lenkrad, ohne zu merken, daß die Straße die ganze Welt ist...! Unsere Aufgabe ist, sie daran zu erinnern, und dafür zu sorgen, daß sie den Kopf heben.
Sonst ist auffällig, daß in der neuen Nationalversammlung immer noch zuwenig Frauen sind - nur 18,5% wurden gewählt, damit liegen wir in Europa noch hinter Lettland - und daß nur eine einzige Frau mit ethnischem Hintergrund gewählt wurde, George Pau-Langevin im 20. Arrondissement in Paris.
Kurz, das Ergebnis hätte schlechter ausfallen können, aber das heißt noch lange nicht, daß es gut war. Es bleibt noch viel Arbeit zu tun, wenn man Frankreich ein politisches Ziel und eine Seele in dem klaren Sinn geben möchte, in dem die Nation gegründet wurde und den General de Gaulle hochhielt - das scheint nun schon so lange her - und den bei den Linken Pierre Mendès-France an einem anderen 18. Juni, am 18. Juni 1954 aufgriff. Das sind unsere Bezugspunkt in den trüben Stunden, in denen wir leben und auf die Gelegenheit für einen Umbruch warten, den wir vorbereiten und den wir nicht versäumen werden.
Lesen Sie hierzu bitte auch:
Vom Atlantik bis zum Chinesischen Meer - Neue Solidarität Nr. 25/2007 Wahlkampf-Endspurt der Solidarité et Progrès - Neue Solidarität Nr. 24/2007 Frankreichs Parlamentswahlen: Ein Weg zum Sieg für die Franzosen - Neue Solidarität Nr. 21/2007 Frankreich hat eine Schlacht verloren, aber nicht den Krieg - Neue Solidarität Nr. 20/2007 Kein Polizeistaat in Frankreich! - Neue Solidarität Nr. 20/2007 Solidarité et Progrès stellt Weichen für Parlamentswahl - Neue Solidarität Nr. 19/2007 Internetseite von Jacques Cheminade - in französischer Sprache Internetseite der Solidarité et Progrès - in französischer Sprache |