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Aus der Neuen Solidarität Nr. 25/2008

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Nach Irlands „NEIN” zum EU-Vertrag: Jetzt alle alten EU-Verträge kündigen!

Das Nein der Iren zum Lissaboner Vertrag stürzt Europa in eine Krise, die genutzt werden sollte, um auch die früheren Monster-Verträge von Maastricht und Nizza aus der Welt zu schaffen. An ihre Stelle muß wieder eine Zusammenarbeit souveräner Staaten bei der gemeinsamen und gegenseitigen Entwicklung treten - ein Europa der Vaterländer. Von Helga Zepp-LaRouche.

Die Iren haben den französischen Präsidenten Sarkosy bestätigt, der im November letzten Jahres vermutet hatte, in jedem Land, in dem ein Referendum zum EU-Vertrag abgehalten würde, werde es zu einer Ablehnung kommen. In der erneuten Krise, in die die EU damit gestürzt ist, liegt eine hervorragende Chance für die europäischen Nationen, sich aus dem Korsett aller bestehenden EU-Verträge - von Maastricht bis Nizza - zu befreien und sich für eine europäische Zusammenarbeit souveräner Republiken im Geiste Charles de Gaulles zu entscheiden.

Der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament kündigte noch am Freitag in einer Erklärung an, daß er nunmehr versuchen werde, den Erweiterungsprozeß der EU zu stoppen, was auch die Aufnahme Kroatiens beträfe, und daß er die Staatschefs zwingen wolle, sich vor dem Europaparlament öffentlich zu äußern, welche Art von Europa sie wollten. Dann würde deutlich, daß es einen Bruch in der EU gebe, weil einige Staaten in Wahrheit gar kein Interesse an einer Reform hätten. Selbst einen Zerfall der Union schloß Schultz nicht aus. Seine Idee, daß die integrationsfreudigsten Staaten zum ursprünglichen EU-Verfassungsentwurf zurückkehren könnten und alle anderen EU-Verträge kündigen sollten, ist hingegen weniger erfolgversprechend, denn dieser Entwurf scheiterte schon 2005 an Volksabstimmungen in Frankreich und Holland.

Damit hat sich der Freitag, der 13. Juni, als ein Glückstag für den Erhalt der Demokratie in den europäischen Nationen erwiesen, weil nunmehr der Lissaboner Vertrag, der Europa in eine oligarchische und imperiale Diktatur verwandeln würde, nicht wie geplant am 1.Januar 2009 in Kraft treten kann. Denn das Argument der EU-Befürworter, daß der EU-Reformvertrag notwendig sei, um Europas Rolle in der Welt gegen die USA, ein wiedererstarktes Rußland, China und Indien zu stärken, stimmt so einfach nicht. Der Vertrag würde lediglich dazu führen, die neoliberale Politik zu konsolidieren und damit der britisch-imperialen Freihandelsfraktion und der EU-Bürokratie quasi-diktatorische Befugnisse zu übergeben.

Aber gerade diese neoliberale Freihandelspolitik stürzt seit rund elf Monaten in immer tiefere Krisen. Das sich abzeichnende Desaster von Lehman Brothers, der viertgrößten Wallstreet-Bank, ist nur der jüngste Ausdruck der Finanz- und Bankenkrise, die sich längst in eine Vertrauenskrise des Systems verwandelt hat. Die nicht zuletzt von Megaspekulanten angetriebene Hyperinflation bei Rohstoffen und Nahrungsmitteln bedroht inzwischen den Wohlstand und für fast eine Milliarde Menschen in den Entwicklungsländern sogar das Leben - Hyperinflation wie 1923 in Deutschland, nur dieses Mal eben weltweit.

Die Vorstellungen führender Finanzinstitutionen, diese Krise mit den Mitteln der Globalisierung und einer Weltregierung zu lösen, haben äußerst geringe Erfolgsaussichten. So schlug Timothy Geithner, Präsident der Federal Reserve Bank of New York, in einem Artikel in der Financial Times vom 9. Juni eine noch größere Zentralisierung der Zentralbanken unter der Kontrolle der amerikanischen Federal Reserve vor, ein Vorschlag, dem die Mehrzahl der asiatischen Staaten gar nicht zustimmen kann. Bundeskanzlerin Merkel sprach sich in einem FT-Artikel vom 11. Juni dagegen für die Schaffung einer europäischen Rating-Agentur aus, die sich gegen die Dominanz von Moody’s und Standard & Poor’s behaupten soll. Unglücklicherweise lehnte es Frau Merkel im gleichen Artikel auch ab, sich die Bemerkung von Präsident Köhler zueigen zu machen, der die Finanzmärkte als „Monster“ bezeichnet hatte, oder der Auffassung von Josef Ackermann, der nicht mehr länger an die Selbstheilungskräfte des Marktes glaubt. Frau Merkel verurteilte solche Sichtweisen, weil sie dem Protektionismus „eine offene Flanke” gäben.

In der Tat wird die Kluft zwischen den Vertretern des Freihandels, der letztlich nur den berüchtigten Heuschrecken und Spekulanten aller Art nützt, und den Vertretern einer protektionistischen, am Gemeinwohl orientierten Politik immer deutlicher. Genau hier liegt der Grund, warum nicht nur der EU-Vertrag, sondern auch die sogenannte Doha-Runde der WTO in diesen Tagen scheitert. Auf einem Treffen in New Delhi am 12. Juni verabschiedeten 30 Spitzenvertreter indischer Landwirtschaftsorganisationen eine Resolution, in der sie die WTO-Verträge ablehnen: „Indien soll die WTO verlassen und nicht die Existenzgrundlage von 800 Mio. Landwirten, Adivasis, Dalits und Landfrauen opfern.” Der WTO-Vertrag gewähre nicht den geringsten Schutz für die indische Landwirtschaft, Fischerei und Forstwirtschaft, unterstrich die Resolution.

In den kommenden Wochen und Monaten werden sich die internationale Banken- und Finanzkrise und die hyperinflationäre Explosion zu Tsunamistärke steigern. Der Chor derer, die den systemischen Charakter der Krise zugeben, wird zahlenmäßig und an Lautstärke zunehmen. Ein weiteres Indiz für die vollkommene Gleichschaltung der deutschen Medien ist in diesem Zusammenhang die vollkommene Unterdrückung des Briefes der 14 ehemaligen Spitzenpolitiker vom 22. Mai, in der diese von der Systemkrise gesprochen und die Einberufung einer Notkonferenz auf Staatsebene gefordert hatten, auf der ein neues Finanzsystem definiert werden sollte. Inzwischen hat auch der neue russische Präsident Medwedjew vor den Auswirkungen der Systemkrise auf die Bevölkerung gewarnt.

Das Scheitern des Lissabonner Vertrages muß als Chance begriffen werden, die Frage einer neuen Finanzarchitektur in der Tradition von Roosevelts Bretton Woods auf die Tagesordnung zu setzen. Lyndon LaRouche hat seit langem die konkreten Schritte definiert, die für eine Reorganisation des Weltfinanzsystems notwendig sind. Eine Staatengemeinschaft, zu der auf jeden Fall ein verändertes Amerika, Rußland, China, Indien, sowie andere Nationen wie Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Brasilien, Südafrika usw. gehören müssen, muß sich so schnell wie möglich entschließen, den ohnehin nicht refinanzierbaren finanziellen Giftmüll in vermutlich dreistelliger Billionenhöhe zu entsorgen, zu festen Wechselkursen zurückzukehren und durch Nationalbanken langfristige Kredite mit niedrigen Zinsen für produktive Investitionen in die Realwirtschaft zur Verfügung zu stellen.

Dabei kann Franklin Roosevelts Politik des New Deal das historische Beispiel sein, wie die Nationen individuell und in Kooperation die Depression überwinden und die Wirtschaft wieder in Schwung bringen können. Dahingehend haben sich bereits der frühere Präsident und jetzige Premierminister Putin, der ehemalige argentinische Präsident Kirchner, der italienische Wirtschaftsminister Tremonti und eine große Anzahl wichtiger Persönlichkeiten, die diesbezügliche Aufrufe der Autorin unterzeichnet haben, ausgesprochen.

Der Ausbau der Eurasischen Landbrücke und ihre Weiterführung als Landbrücke über die Beringstraße bis nach Chile, und über Ägypten, Gibraltar und einen Tunnel von Sizilien nach Tunesien bis Südafrika, kann dabei der konkrete Rahmen für eine Rekonstruktion der Weltwirtschaft nach der Reorganisation sein.

Die axiomatische Basis der Globalisierung, die in Wirklichkeit der Versuch ist, die Welt der Dominanz des britischen Empires zu unterwerfen, und des Lissaboner Vertrags, der Teil derselben Politik ist, ist gescheitert. Die italienische Professorin für Anthropologie Ida Magli hat zurecht auf die kantische Grundlage des EU-Vertrags verwiesen. Nicht nur Kant vertrat die Utopie des ewigen Friedens, die davon ausgeht, daß alle Nationen und Völker nach einem gemeinsamen Gesetz geeint werden könnten und durch eine gleiche Geisteskultur vereint wären. Aber schon Friedrich List deckte die fehlerhaften Annahmen von Adam Smith und seiner Freihandelslehre auf, die er auf die ähnliche Vorstellung des Abbé de Saint-Pierre vom ewigen Frieden zurückführte. Aber List warnte auch, daß Adam Smith seine Schriften nur veröffentlicht habe, um die Bevölkerung im Interesse des britischen Empires zu täuschen.

Die Vielfalt der Nationen und ihre unterschiedlichen Kulturen und Interessen bedeuten eine Vielfalt, die wir nicht glattbügeln, sondern über die wir uns freuen sollten. Sie bedeuten im Kusanischen Sinn eine Vielheit in der Einheit. Die Einheit soll nicht durch supranationale Strukturen geschaffen werden, sondern indem gleichberechtigte, souveräne Republiken sich für die gemeinsamen Ziele der Menschheit einsetzen, wie es Dr. Edward Teller einmal genannt hat. Wir können und sollen in Europa zusammenarbeiten, aber in einem Europa der souveränen Vaterländer.

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