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Aus der Neuen Solidarität Nr. 17/2008 |
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Ein Kommentar von Helga Zepp-LaRouche
Mit dem Zusammenbruch des Systems der Globalisierung werden auch die Glaubenssätze ihrer bisherigen Vertreter erschüttert. Wer später nicht zu den Betonköpfen gezählt werden will, der muß jetzt schleunigst umdenken, insbesondere in der Frage der Nahrungsmittel- und der Energiesicherheit.
Nach dem Fall der Mauer, in der Übergangsphase bis zur Einheit Deutschlands am 3. Oktober 1990, bot sich - gewissermaßen direkt vor unseren Augen - eine höchst interessante Fallstudie, wie sich Menschen verhalten, wenn eine als dauerhaft angenommene Glaubensstruktur zerbricht. Einige taten sich leichter, andere schwerer damit, liebgewonnene Axiome des Denkens zu korrigieren, manche haben es bis heute nicht geschafft. Für Menschen, die zu der ersten Kategorie gehörten, die sich mit dem Unvermeidlichen abfanden und sich nach dem neuen Wind richteten, wurde damals der Begriff Wendehals gekürt. Diejenigen, die starr an den Axiomen festhielten, deren Grundlage gerade verschwunden war, nannte man Betonköpfe.
Nun erleben wir in diesen Monaten erneut den Zusammenbruch eines Systems, diesmal des Systems der sogenannten Globalisierung. Und genauso, wie das kommunistische System in der alten Form niemals wiederkehren wird, ebenso wenig wird es eine Erholung oder Stabilisierung innerhalb des Systems der Globalisierung geben. Die Gründe für beide Zusammenbrüche sind bei aller Verschiedenheit doch prinzipiell ähnlich: in beiden Fällen war die Politik auf Axiomen aufgebaut, die zu einer Ideologie gehörten, die an einem bestimmten Punkt in eine Frontalkollision mit der Realität geriet.
Im Falle der gerade scheiternden Globalisierung besteht dieser Zusammenstoß darin, daß das Prinzip der „ungezügelten freien Marktwirtschaft”, wie es Papst Johannes Paul II einmal genannt hat, auf der einen Seite Leuten wie dem Spekulanten John Paulsen im letzten Jahr 3,7 Mrd. $ an persönlichem Profit gebracht hat und Nahrungsmittelkonzerne wie Cargill 86% und Monsanto 100% Profit im ersten Quartal dieses Jahres gemacht haben, während andererseits in fast vierzig Staaten dieser Welt Hungerskatastrophen und –aufstände ausgebrochen sind. Und da die Inflation solange zunehmen wird, bis das gegenwärtige hoffnungslose Finanzsystem durch ein neues ersetzt wird, wird der Hunger immer mehr Menschen bedrohen und die Aufstände werden sich naturgemäß ausweiten.
Zum Glück gibt es eine ganze Reihe von moralischen und kompetenten Personen, die seit langem ein erhebliches Unbehagen über die sicherlich nicht zu übersehende Ungerechtigkeit in der Welt hatten, die sich aber gegenüber dem Zeitgeist nicht durchsetzen konnten. Doch jetzt gibt das Scheitern der gar nicht so freien Marktwirtschaft ihnen den Rückenwind, sich für die notwendigen Korrekturen auszusprechen. Dazu gehören so unterschiedliche Individuen wie der Generalsekretär der FAO, Jacques Diouf, der nicht nur darauf hinwies, daß die Entwicklungshilfe für die Landwirtschaft zwischen 1992 und 2000 um 50 Prozent gekürzt worden ist, sondern auch darauf, daß nur die Entwicklung von Wasserressourcen und Infrastruktur für den Transport das Problem der Nahrungsmittelproduktion in den Entwicklungsländern lösen können. Solange in vielen Fällen 98 % der landwirtschaftlich genutzten Flächen von der Bewässerung durch Regen abhängen und es weder Möglichkeit der Weiterverarbeitung, der Lagerung oder des Transports von Nahrungsmitteln gibt, seien Hungerkatastrophen nicht zu verhindern. Die Entwicklung dieser Infrastruktur müsse deshalb eine Priorität sein.
In diesen Tagen äußern sich auch eine ganze Reihe von Personen, deren Politik in der Vergangenheit zwar mit dazu beigetragen hat, die derzeitige Krise zu verursachen, die aber unter dem Schock des Ausmaßes der Katastrophe, die vielen Millionen und vielleicht Milliarden von Menschen das Leben zu kosten droht, sich jetzt doch für Crashprogramme in der Nahrungsmittelproduktion einsetzen: die sogenannten Wendehälse.
Jean Ziegler, der Sonderberichterstatter der UN für das Recht auf Nahrung, hat absolut Recht, wenn er sagt, daß die Verwendung von Nahrungsmitteln für Biotreibstoffe ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist. Und für wie naiv halten uns eigentlich jene, die nun behaupten, es sei absolut nicht vorhersehbar gewesen, daß die Verwendung potentieller Lebensmittel zur Treibstoffproduktion die Preise so in die Höhe treiben würde? Die Kampagne von Prinz Charles, Al Gore & Co, den angeblich vom Menschen ausgelösten Klimawandel mit der Verwendung von Nahrungsmitteln für die Äthanolproduktion zu bekämpfen, basiert auf einem bewußten wissenschaftlichen Schwindel und finanziellen Betrug, bei dem der Hungertod von Millionen von Menschen bewußt in Kauf genommen wurde.
Goebbels würde vor Neid erblassen, wenn er sehen könnte, mit welcher Unverfrorenheit heute von gewissen Neumalthusianern Lügen über die Ursachen der Nahrungsmittelknappheit in Umlauf gesetzt werden. In Wahrheit ist es die Ideologie der Globalisierung und ihrer Forderung nach „Billigproduktion” in den Ländern der „Dritten und Vierten Welt“, die an der Katastrophe Schuld hat. Denn die Produktion ist in diesen Ländern nur „billig”, weil die Menschen arm sind. Die WTO und die EU-Kommission haben aufgrund ihrer finanzkapitalfreundlichen und produktionsfeindlichen Politik Richtlinien erlassen, die zur Folge hatten, daß in Europa und den USA hochproduktive landwirtschaftliche Kapazitäten abgebaut wurden und Entwicklungsländer, in denen Nahrungsmittelknappheit herrschte, ermuntert wurden, ihre billigen Nahrungsmittel nach Europa und in die USA zu exportieren.
Eine Folge dieser Politik ist es unter anderem, daß wir in vielen Ländern dieser Welt keine Nahrungsmittelsicherheit mehr haben, was sich besonders jetzt als großes Problem erweist, da eine Reihe von Staaten völlig zu Recht Exportrestriktionen für Nahrungsmittel erlassen, um ihre eigene Bevölkerung zu schützen. In Deutschland z.B. wurden die Landwirte seit langem dazu gezwungen, weit unterhalb des Paritätspreises zu produzieren, Flächen stillzulegen, etc. Das hat u.a. dazu geführt, daß viele Familienbetriebe nicht mehr existieren oder die Kinder der Bauern sich anderen Berufen zugewandt haben, weil der Betrieb nicht mehr genügend abwirft, um eine Familie zu ernähren. Die Landwirte können ein Lied von der landwirtschaftsfeindlichen Politik der WTO und der EU singen.
Wenn aber nun Bundeskanzlerin Merkel anläßlich der Eröffnung der BTL-Anlagen der Choren Industries GmbH in Freiberg völlig zurückweist, daß der Biotreibstoff irgend etwas mit der Hungerkatastrophe zu tun haben könnte, sondern die „sehr unzureichende Agrarpolitik der Entwicklungsländer” und „nicht ausreichend prognostizierte Ernährungsgewohnheiten in den sich entwickelnden Ländern” dafür verantwortlich seien, dann ist dies an Zynismus kaum noch zu überbieten. Schuld sei nach Frau Merkel, daß die Inder plötzlich eine „zweite Mahlzeit” wollten: „Man ißt zweimal am Tage!” Und wenn ein Drittel der Inder das plötzlich täten, dann wären das schon genausoviel Menschen, wie in der EU leben, und wenn dann auch noch 100 Millionen Chinesen anfingen, Milch zu trinken...
Unglücklicherweise hat sich Frau Merkel mit diesen abscheulichen Bemerkungen in die lange Reihe von Neumalthusianern eingereiht, die wie z.B. Lester Brown wissentlich oder unwissentlich die Lüge verbreiten, Indien und China seien Schuld an der Nahrungsmittelknappheit, um damit die Wahrheit zu verschleiern, daß nämlich die Nahrungsmittelkartelle und Spekulanten den Markt seit Jahrzehnten so manipulieren, daß sie die größtmögliche Profite machen können, und das Weltbank, IWF, WTO und die EU darauf angelegt waren, dafür die Rahmenbedingungen zu liefern.
Eines ist jedenfalls gewiß: in den kommenden Monaten wird die Frage der ausreichenden und sich am Gemeinwohl der Weltbevölkerung orientierenden landwirtschaftlichen Produktion eine Überlebensfrage der Menschheit sein, und es wird sich im öffentlichen Bewußtsein festsetzen, daß die Befürworter von Biotreibstoff tatsächlich Genozid propagieren. Das alte falsche Axiom von Globalisierung, Billigproduktion, Biotreibstoff etc. wird auf dem Abfallhaufen der Geschichte landen müssen - meinethalben auch in einer Biotonne.
Für die Energiesicherheit wird das gleiche wie für die Nahrungsmittelsicherheit gelten. Es ist seit langem klar, daß die Vorkommen von fossilen Energieträgern in absehbarer Zeit erschöpft oder deren Förderung so teuer werden wird, daß auf andere Energien ausgewichen werden muß. Ein Alarmsignal in dieser Richtung sind Berichte, daß sich die Foerdermengen in Rußland zu reduzieren beginnen. Die sogenannten erneuerbaren Energiequellen haben eine viel zu geringe Energieflußdichte, als sie die jetzt lebenden sechseinhalb und bald mehr Milliarden Menschen ernähren könnten. Und deshalb wird auch dieses Axiom der Globalisierung ersetzt werden müssen. Auch in Deutschland wie in Dutzenden von anderen Staaten muß es eine Renaissance der Kernenergie geben und endlich die inhärent sichere Technologie des in Jülich entwickelten Hochtemperaturreaktors verwirklicht werden.
Wenn Frau Merkel in der Geschichte nicht später einen Platz neben Betonköpfen wie Erich Honecker finden will, dann soll sie sich dringend andere Berater zulegen - nicht nur in Modefragen, sondern auch in anderen.
Lesen Sie hierzu bitte auch: Weltweite Hungerkatastrophe! Biotreibstoffe sofort stoppen! - Neue Solidarität Nr. 16/2008 Ausrichtung auf den Countdown: Wollen wir wirklich den Dritten Weltkrieg? - Neue Solidarität Nr. 15/2008 Britisches Empire destabilisiert die Welt - Deshalb: Neues Bretton Woods jetzt! - Neue Solidarität Nr. 14/2008 NEIN zum europäischen Empire! EU-Militarisierung muß gestoppt werden! - Neue Solidarität Nr. 12-13/2008 Die Globalisierung ist gescheitert! Widerstand gegen EU-Vertrag wächst! - Neue Solidarität Nr. 11/2008 EU-Vertrag soll Demokratie abschaffen! Volksentscheid über den Lissaboner Vertrag! - Neue Solidarität Nr. 9/2008 Stellungnahmen und Reden der BüSo-Vorsitzenden - Internetseite der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo) |
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