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Von Helga Zepp-LaRouche
EU-Kommissionspräsident Barroso droht mit einer „absehbaren Apokalypse“, Bürgerkriegen und Militärputschen in mehreren Staaten Europas, wenn die bereitgestellten Mittel für weitere Rettungspakete nicht erhöht würden. Das genaue Gegenteil ist richtig: Gerade wenn die europäischen Regierungen weiterhin den Lebensstandard der ärmeren Teile der Bevölkerung brutal kürzen, nur um verzockte Banken zu sanieren, droht ein neuer 17. Juni - oder ein neues 1989.
Ausgerechnet der EU-Kommissionspräsident, Jose Manuel Barroso, der bekanntlich gerne auf der Jacht des reichsten Griechen Spiro Latsis Urlaub macht und dann Rettungspakete für dessen Pleitebank organisiert, droht den europäischen Nationen mit einer „absehbaren Apokalypse“, Bürgerkriegen und Militärputschen in mehreren Staaten, wenn die bereitgestellten Mittel für weitere Rettungspakete nicht erhöht werden und die Bürger weiterhin ihre gewohnten sozialen Leistungen einfordern. Die ungeheuerliche Provokation äußerte Barroso bei einem Treffen mit Gewerkschaftsführern in Brüssel vor einer Woche.
Das genaue Gegenteil ist richtig: Wenn sich die europäischen Regierungen weiterhin dem EU-Diktat unterwerfen und weiterhin auf inflationäre Weise die Staatschulden vermehren, nur um verzockte Banken zu sanieren, und gleichzeitig den Lebensstandard der armen oder nicht wohlhabenden Teile der Bevölkerung brutal kürzen, dann droht allerdings sehr bald eine Apokalypse, und zwar möglicherweise schon um den 1. Juli herum, wenn u.a. die europäischen Banken 442 Milliarden Euro refinanzieren müssen, oder Griechenland ein neues und Spanien sein erstes Rettungspaket anfordert.
Daß die derzeitigen Regierungen Europas offensichtlich nichts, aber auch gar nichts aus der Geschichte gelernt haben, dafür haben sie bei dem soeben abgehaltenen EU-Gipfel erneut den Beweis geliefert. Denn in „bester“ Tradition der Brüningschen Sparpolitik der dreißiger Jahre, die allerdings zu Faschismus und Militärdiktatur geführt hat, beschlossen sie außer „verschärftem Sparen“ recht wenig, was bereits als eine „Germanisierung“ empfunden wurde, weil niemand so sehr auf eine Überwachung der Haushalte dränge, wie die deutsche Regierung. Also Brüning für alle!
Weit davon entfernt, das Problem an der Wurzel anzupacken und entweder eine strikte Reregulierung der Banken wie in Deutschland vor 1992 oder ein Trennbankensystem zu beschließen, scheiterten selbst die völlig unwirksamen Forderungen nach einer Bankenabgabe und einer Finanztransaktionssteuer erwartungsgemäß am Widerstand Großbritanniens, Tschechiens und Schwedens. Im Abschlußdokument wird davon gesprochen, eine Finanztransaktionsteuer „erforschen und entwickeln“ zu wollen. Merkels Antwort auf die Frage, wer denn diese Steuer erforschen solle: „Natürlich die G20 oder der IWF - ich weiß es nicht.“
Die Prognose, daß bei dem G20-Gipfel in Toronto Ende Juni also wieder nichts herauskommen wird, ist daher nicht besonders mutig. Solange Obama als treuer Diener der Wall Street im Amt ist, und solange die Regierungen Kontinentaleuropas ihre Blindheit gegenüber der Rolle Großbritanniens beibehalten, ist der baldige Absturz gewiß. Es ist unfaßbar, aber Kanada will für diesen Gipfel 1,1 Milliarden Dollar ausgeben, u.a. einen künstlichen See anlegen, vier Millionen für einen Sicherheitszaun und insgesamt 933 Millionen für Sicherheitsmaßnahmen für diesen „vergoldeten Gipfel“ ausgeben, wie der Toronto Star schreibt.
Wie absolut unverantwortlich dieses Nichthandeln ist - sei es nun aus Feigheit, Inkompetenz oder Korruption gespeist, oder einer Kombination von allen dreien -, wird noch einmal durch den Monatsbericht der EZB vom Donnerstag unterstrichen. Danach drohte Anfang Mai ein Total-Zusammenbruch, der sogar die Pleite der US-Investmentbank Lehmann Brothers am 15. September 2008 in den Schatten gestellt hätte. Die Reaktion auf diesen drohenden Tsunami war dann das 750 Milliarden-Rettungspaket, mit dem die deutsche Regierung überrumpelt wurde, und das folgende Aufkaufen toxischer Staatsanleihen durch die EZB.
EU-Wettbewerbskommissar Almunia warnte jetzt in einem Interview mit der FAZ vor neuen Bankenturbulenzen, bei denen die Regierungen erneut eingreifen müßten, allen voran im Falle Griechenlands und Spaniens, und die EZB werde weitere Staatsanleihen der südlichen Staaten von einigen hundert Milliarden Euro aufkaufen müssen. Die europäischen Banken müßten bis 2012 rund 2 Billionen Euro refinanzieren. Auch wenn dies enorme Eingeständnisse sind, die Wahrheit ist viel dramatischer: Wir sitzen auf einem Vulkan, der ganz kurz vor seinem Ausbruch steht.
Einzelne, zu wenige, mutige Stimmen erheben sich gegen den verderblichen Trend, so die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Margot Käßmann, die die Kirchen zum Widerstand gegen die Kürzungen des Elterngelds für Hartz-4-Empfänger aufrief. Gesine Schwan traf sehr wohl die Stimmung in der Bevölkerung, als sie anläßlich einer Gedenkstunde für den 17. Juni 1953 die Parallele zu heute zog und darauf hinwies, daß die Bevölkerung von einem Gefühl der Ohnmächtigkeit und Ungerechtigkeit ergriffen sei. Die Kritik, die Arnold Vaatz, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion, an Frau Schwans Rede übte, in der er den Knüppel des politisch korrekten Verhaltens schwang, daß ein solcher Vergleich absolut nicht zulässig sei, ist leider nur allzu typisch für die Verstocktheit des Denkens in Deutschland heute. Unser Land geht kaputt, und all die politisch Korrekten tragen die Mitschuld.
Ist dieser Vergleich wirklich so weit hergeholt, wenn Barroso von Apokalypse und Bürgerkrieg redet, wenn beim dritten „Europäischen Polizeitraining“ in Lehnin 320 Polizisten aus 16 EU-Staaten „Aufstandsbekämpfung“ unterhalb offener Kriegsführung trainieren, und generell versucht wird, die in Deutschland verfassungsrechtlich gebotene Trennung von Militär und Polizei durch die Schaffung einer deutschen Gendarmerie mit einem „hybriden Status“ zwischen Militär und Polizei zu unterlaufen? Außerdem hat die EU seit längerem Landkarten erstellt, in denen europaweit die Regionen und Stadtteile aufgeführt sind, in denen soziale Brennpunkte erwartet werden.
Frau Merkel beklagte sich vor kurzem, der Platz für einen ehrlichen Berater zu Fragen des Finanzsystems sei noch zu vergeben. Dem soll abgeholfen werden.
Das Hauptproblem besteht in einem unerbittlichen Krieg, den die moderne Form des Britischen Empires, heute repräsentiert in den Finanzinteressen der City of London und seiner Unterabteilung, der Wall Street, gegen die souveränen Nationalstaaten führt, als die einzigen Instanzen, die vor allem in Krisenzeiten das Gemeinwohl verteidigen können.
Etwa zeitgleich mit dem Angriff auf das Glass-Steagall-Gesetz, den 1984 die Investmentbank J.P. Morgan, die diesem Empire absolut zuzurechnen ist, und deren damaliger Direktor Alan Greenspan in einem Pamphlet vorbereiteten, plante der britische Baron Cockfield die Unterwerfung des europäischen Kontinents unter die supranationale und letztlich britisch kontrollierte Europäische Währungsunion. In seinem „Weißpapier“ mit dem Titel „1992“ umriß er den Plan für den Prozeß, der zu den EU-Verträgen vom Maastrichter bis zum Lissaboner Vertrag führte, ebenso wie zur Aufhebung von rund 80 Gesetzen und Vorschriften im deutschen Bankenwesen seit 1992, die dann das unregulierte Operieren der Heuschrecken und Megaspekulanten ermöglichten.
Der Euro ist keine Erfindung von irgend jemandem in Kontinentaleuropa, sondern von diesem Baron Cockfield, von 1979-82 Staatsminister im Finanzministerium in der Thatcher-Regierung und später Vizepräsident der EU-Kommission unter Jacques Delors. Baron Cockfield gilt sogar als der „Vater von Maastricht“.
„Kohls Mädchen“ sollte am besten einmal Helmut Kohl fragen, ob er sich noch an Thatchers „Viertes-Reich-Kampagne“ gegen ihn und die deutsche Wiedervereinigung erinnert, und an Mitterrands Drohungen gegen Deutschland in dieser Zeit. Kohl hat damals oft gesagt, er wisse, daß die europäische Währungsunion ohne politische Einheit nicht funktionieren könne; Deutschland wurde schlicht und einfach erpreßt und überrumpelt, die D-Mark aufzugeben und dem ungeliebten Euro zuzustimmen. Das Versprechen, daß der Euro so stabil sein würde wie die D-Mark, war ein Witz. Und daß Deutschland damit der Zahlmeister für ganz Europa werden würde, das stand nicht in der Gebrauchsanweisung dieser Mogelpackung.
Von Margaret Thatcher stammt auch der heute entsetzlich inflationär angewandte Satz, diese und jene Politik sei „alternativlos“. Das behauptet auch Merkel immer wieder, und das behaupten auch die vier Ratgeber, darunter der Oxford-Professor Clemens Fuest, Chef des Wissenschaftlichen Beirats beim Finanzministerium, und Professor Unsinn vom IFO-Institut, mit ihren „Zehn Regeln zur Rettung des Euro“, einem Sammelsurium aus dem Horrorkabinett des Monetarismus.
Es gibt eine sehr einfache Alternative: Wir müssen aufhören, vollkommen wertlosen Giftmüll in Banken mit Steuergeldern zu refinanzieren. Da es nicht realistisch ist, die rund 80 Gesetze und Vorschriften, die seit 1992 abgeschafft wurden, in der dramatischen Kürze der Zeit wieder einzuführen, brauchen wir die sofortige Einrichtung eines Trennbankensystems. Der Staat muß die Geschäftsbanken mit Kreditlinien versehen, damit diese Kredite an Industrie, Landwirtschaft, Handel und andere Bereiche des Gemeinwohls weitergeben können. Wenn die Investmentbanken sich verzocken, sollen sie selber für den Schaden aufkommen, und nicht der Steuerzahler.
Wenn wir verhindern wollen, daß sich diese Krise kurzfristig zur schwersten Krise der Menschheit in unserer Geschichte entwickelt, dann brauchen wir jetzt einen radikalen Wechsel. Wir müssen aufhören, uns unsere Gesetze von britischen Anwaltskanzleien und Consulting-Firmen machen zu lassen. Wir müssen zu den Prinzipien zurückkehren, die die Grundlage Deutschlands als Industrienation und sozialem Gemeinwesen dargestellt haben. Wir brauchen eine Wachstumspolitik, Investitionen in Infrastruktur, wissenschaftlichen und technischen Fortschritt auf höchster Ebene.
Deshalb müssen Parteien, zu deren Usus es gehört, ihre Politiker in einer Drehtür-Politik vom Finanzsektor in höchste Ämter und wieder zurück zu befördern, abgewählt werden.
Und wir können es nicht wollen, daß Frau Schwan recht behält mit ihrem Vergleich zu 1953, denn dieses Datum steht für eine Tragödie in der deutschen Geschichte.
Lassen wir lieber ein anderes Datum lebendig werden, und zwar das von 1989! Wir sind das Volk!
Die Finanzinstitutionen sind die Honeckers von heute.
Wir sind das Volk!