Produktive Kreditschöpfung 
  Neues Bretton Woods
  Glass-Steagall
  Physische Wirtschaft
  Kernenergie
  Eurasische Landbrücke
  Transrapid
  Inflation
  Terror - Cui bono?
  Südwestasienkrise
  11. September und danach
  Letzte Woche
  Aktuelle Ausgabe
  Ausgabe Nr. ...
  Heureka!
  Das Beste von Eulenspiegel
  Erziehungs-Reihe
  PC-Spiele & Gewalt 
  Diskussionsforum
  Wirtschaftsgrafiken
  Animierte Grafiken
[an error occurred while processing this directive]
Neue Solidarität
Nr. 21, 26. Mai 2010

Stell Dir vor, Du wachst morgens auf...
Und das globale Finanzsystem ist nicht mehr da!

Von Helga Zepp-LaRouche

Genau so könnte es kommen, denn weder der amerikanische Senat, noch der deutsche Bundestag, noch die G20-Staaten haben bisher irgendetwas getan, um eine solche Gefahr zu unterbinden. Im Gegenteil: Das soeben vom US-Senat verabschiedete Finanzreformgesetz, das dickste Schlupflöcher für die Spekulanten gelassen hat, hat die Instabilität noch um einen Megafaktor verstärkt. Und auch das Durchwinken des 750-Milliarden-„Rettungspakets“ durch den Bundestag beschleunigt die Dynamik zur Desintegration des globalen Finanzsystems - sei es durch einen kettenreaktionsartigen Dominoeffekt, sei es durch globale Hyperinflation.

Einen Vorgeschmack darauf, was jederzeit in noch viel größerem Maßstab passieren könnte, gab der Absturz des Dow Jones am 6. Mai, der innerhalb von 16 Minuten um zehn Prozent (!) fiel, als mal so eben 700 Milliarden Dollar vernichtet wurden, wobei die automatisierten Börsenhandelssysteme offensichtlich auf Autopilot funktionierten. Beim nächsten Mal könnte die dieses Mal noch erfolgte baldige und teilweise Erholung ausbleiben und in der Tat könnte sich das gesamte Weltfinanzsystem über Nacht auflösen. Es braucht nur noch einmal irgendwo auf dem Globus ein gravierender Fehler aufzutreten, und die Welt könnte ins Chaos stürzen.

Nur Stunden, nachdem der amerikanische Senat für die vom Weißen Haus und Topmanagern der Wall Street geforderte Variante der Finanzmarktreform gestimmt hatte, verglich das Nachrichtenmagazin Newsweek dieses Gesetz mit einem Donut: Es hat ein riesiges Loch in der Mitte, welches so kriegsentscheidend für den Erfolg oder Mißerfolg des Gesetzes ist, „daß es sein charakteristisches Merkmal darstellt“!

Newsweek kommentierte damit vor allem die Tatsache, daß der Gesetzeszusatz zur Kontrolle des Derivatehandels, den die demokratische Senatorin Cantwell zur Abstimmung hatte bringen wollen, vom Senats-Mehrheitsführer, Senator Reid, ebenso unterdrückt wurde wie der Gesetzeszusatz, der die Wiedereinführung des Glass-Steagall-Standards zum Inhalt hatte. „Dieses Gesetz ist ein Witz“, zitierte Newsweek Senatorin Cantwell: „Die Kontrolle von Derivaten und Handel mit Devisenswaps ist das Herzstück des ganzen Gesetzes“ - und genau das fehlt.

Als Resultat dieser Abstimmung ist der Derivathandel, den die amerikanische Bevölkerung zu Recht für die Krise verantwortlich macht, nicht nur nicht eingeschränkt worden, vor allem ist der US-Senat in dieser Besetzung vollkommen und endgültig diskreditiert. Denn in der vorausgegangen Debatte hatte eine ganze Reihe von Senatoren, wie Dorgan, Merkley, Mikulski, Harkin und andere flammende Reden geschwungen, in denen sie versprachen, die Gesetzeszusätze der Senatoren Cantwell, McCain, Feingold, Kaufman und Harkin zur Wiedereinführung des Trennbankensystems und von Senatorin Blanche Lincoln zur Kontrolle von Derivaten zu unterstützen.

Aber die Toplobbyisten der führenden Wallstreet-Banken, die jahrzehntelange Erfahrung in der Manipulation des Kongresses haben, erschienen gerade rechtzeitig, um gemeinsam mit dem Weißen Haus dafür zu sorgen, daß sich die genannten Senatoren als Maulhelden entpuppten und schon beim zweiten Wahlgang für die Beendung der Debatte und dann für die Gesetzesvorlage ohne die Zusätze stimmten, die sichergestellt hätten, daß die Hochrisikospekulation wirklich eliminiert worden wäre. Nicht einmal über die verwässerte „Volcker-Regelung“ wurde abgestimmt. Selbst der neue Senator von Massachusetts, Scott Brown, der von der Tea-Party-Bewegung ins Amt gewählt worden war, ließ sich offensichtlich den Schneid abkaufen. Washington-Kenner berichten, daß es noch nie so massive Drohungen, Manipulation und Geldtransfers gegeben habe wie in den Tagen vor der Abstimmung.

Praktisch bedeutet all dies, daß Glaubwürdigkeit und Einfluß von Lyndon LaRouche und seinem politischen Aktionskomitee nie größer waren; sie werden inzwischen als die einzige Kraft angesehen, die nicht diskreditiert ist, denn sie hatten vor der Abstimmung eine landesweite Mobilisierung für die Verabschiedung des Glass-Steagall-Gesetzes und die Ablösung der Kasinowirtschaft durch ein Kreditsystem in Gang gesetzt. Diese Mobilisierung wird nun angesichts des kläglichen Verhaltens des Senats weitergehen, und Senatoren und Kongreßabgeordnete werden in der bevorstehenden Sitzungspause die für sie äußerst unerfreuliche Aufgabe haben, ihren wütenden Wählern zu erklären, warum sie wiederum vor der Wall Street kapituliert haben.

Respekt löste hingegen in relevanten Washingtoner Kreisen der entschlossene Schritt der deutschen Regierung und der BaFin aus, ungedeckte Leerverkäufe von Aktien und Staatsanleihen, sowie ungedeckte Credit Default Swaps (CDS), also Kreditausfallversicherungen ohne reale Grundlage, zu verbieten. Die Nachricht über diese Maßnahme löste bei einigen hartgesottenen Bankern zunächst eine minutenlange Schockstarre aus, weil sie niemals geglaubt hätten, daß ausgerechnet Deutschland unilateral so handeln würde, um zumindest in diesem Punkt zu verhindern, daß der deutsche Steuerzahler für die Folgen dieser Leerverkäufe aufkommen muß. Inzwischen gibt es Bestrebungen in Österreich, Belgien, Holland, der Schweiz und der Tschechischen Republik, diesem Beispiel zu folgen.

Ganz offensichtlich reagierte die deutschen Regierung mit dieser Maßnahme als eine Art Retourkutsche auf den massiven Druck, der von Obama, Brown, Sarkozy und Barroso auf Bundeskanzlerin Merkel ausgeübt worden war, nach langem Widerstand doch dem 750-Milliarden-Euro-Rettungspaket zuzustimmen. Die genannten Herrschaften stapften damit in den Fußstapfen von Thatcher, Mitterrand und Bush, die seinerzeit Kanzler Kohl unter Druck gesetzt hatten, wider besseres Wissen der Europäischen Währungsunion, dem Euro, als Preis für deren Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung zuzustimmen.

Die österreichische Tageszeitung Die Presse sprach von einem „währungspolitischen Staatsstreich“, bei dem die europäischen Staatschefs und Finanzminister nichts geringeres als eine „waschechte Währungsreform“ beschlossen hätten, die den Euro in eine inflationsanfällige Weichwährung verwandelt und eine Kollektivhaftung für alle EU-Mitglieder ermöglicht hätten. Mit dem nun stattfindenden Ankauf von Staatsanleihen von Pleitestaaten habe die EZB jegliche Glaubwürdigkeit eingebüßt

Das gleiche kann man getrost über Bundestag und Bundesrat sagen, die am Freitag den deutschen Anteil am Rettungspaket von rund 150 Mrd. Euro abnickten, obwohl der Euro, völlig unbeeindruckt von dem Megapaket, vom Montag bis Donnerstag von 1,30 bis zeitweise auf 1,22 Dollar abgerutscht war. Die Kombination von Mega-Rettungspaket, massiver Lockerung der Geldpolitik durch die EZB bei gleichzeitiger brutaler Sparpolitik und europäischer Schuldenbremse bedeutet eine unselige Verknüpfung von Hyperinflation in der Tradition von 1923 mit der Sparpolitik Brünings vom Anfang der dreißiger Jahre.

Die Tagesthemen berichteten dann noch am selben Abend, wer wirklich von dem höchst wahrscheinlich verfassungswidrigen Paket profitiert: nicht die griechische Bevölkerung, die den Gürtel enger schnallen soll, sondern u.a. der reichste Banker Griechenlands, Spiro Latsis, dessen Eurobank 12 Mrd. griechische Staatsanleihen hält und auf dessen Luxusyacht EU-Kommissionschef Barroso schon mehrfach Urlaub machen durfte.

Dabei ist das gleiche Problem zutage getreten wie schon bei früheren Abstimmungen, sei es bei der letzten Gesundheitsreform (sagte selbst Friedrich Merz) oder beim Lissabonner Vertrag, den die Abgeordneten nachweislich gar nicht gelesen hatten: daß die Abgeordneten so gut wie keine Ahnung haben, worüber sie überhaupt abstimmen. Immerhin gab Frau Merkel jetzt zu, daß es für sie und Politiker im Allgemeinen schwer sei, die komplexen Vorgänge an den Finanzmärkten zu durchschauen, und uneigennützige Berater seien in der Finanzbranche nur schwer zu finden. Man kann es auch deutlicher sagen: Die Vertreter der Finanzinteressen lügen wie gedruckt. (Auch eine interessante Redensart übrigens.)

Dabei setzen sie auf das kurze Gedächtnis der Leute, so wie gerade Larry Summers, der die von der Wall Street gutgeheißene verwässerte US-Finanzreform mit den Worten begrüßte, wenn dieses Gesetz früher in Kraft gewesen wäre, hätte es die Krise nie gegeben! Ausgerechnet Summers, der 1999 den Glass-Steagall-Standard selbst abgeschafft hat! Ähnlich doppelzüngig muten allerdings die echauffierten Reden der Grünen und der SPD im Bundestag an, denn was der starrgesichtige Gabriel offenbar vergessen hat, ist die Tatsache, daß es die rot-grüne Koalition war, die 2004 die Deregulierung der Finanzmärkte und die „True Sale International“ in Deutschland eingeführt hat.

Weder das 750-Milliarden-Paket noch die von der EU beabsichtigten Spar- und Kontrollmaßnahmen werden die Eskalation der Systemkrise beenden - im Gegenteil, sie verschärfen die Lage. Nur wenn es eine wirkliche Reorganisation des Weltfinanzsystems gibt und das Problem bei der Wurzel gepackt wird, kann die Systemkrise überwunden werden.

Nur die sofortige Einführung eines globalen Trennbankensystems, bei dem die Geschäftsbanken geschützt und in der Lage sind, Kredite für Industrie, Landwirtschaft und Handel zur Verfügung zu stellen, und in denen die Lebensersparnisse der Menschen sicher aufgehoben sind, stellt einen wirklichen Ausweg dar. Wer dann noch im Hochrisikobereich zocken will, soll das dann auf eigene Verantwortung tun und nicht länger auf das Geld der Steuerzahler rechnen können, wenn er sich verzockt hat.

Die von Alan Greenspan seit 1987 eingeführten „kreativen Finanzinstrumente“, also der gesamte Bereich von Derivatkrediten und Verbriefungen, werden für eine gut finanzierte Realwirtschaft ebenso wenig gebraucht wie Währungsspekulationen, die durch feste Wechselkurse unmöglich gemacht werden müssen. Das gegenwärtige hoffnungslos bankrotte monetäre System muß durch ein Kreditsystem ersetzt werden, bei dem langfristige multilaterale Abkommen zwischen souveränen Staaten auf zwei oder mehr Generationen abgeschlossen werden, bei denen in zukunftsorientierte Projekte - wie Infrastruktur, inhärent sichere Kernenergie wie Hochtemperaturreaktor und Kernfusion, bemannte Raumfahrt und andere Avantgardetechnologien - investiert wird, die die Produktivität der Wirtschaft steigern und zu einer produktiven Vollbeschäftigung führen.

Den im Bundestag vertretenen Parteien ist der gegenwärtige Zustand der Wirtschaftskrise offensichtlich zu komplex, keine einzige lehnte das Paket grundsätzlich ab. Unterstützen Sie die BüSo, die einzige Partei, die die Krise seit langem prognostiziert hat, die heute weiß, wie man sie überwindet, und die den Mut hat, das Kind beim Namen zu nennen.

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Nein zum neuen Versailles-Diktat! EU als Bundesstaat ist verfassungswidrig!
- Neue Solidarität Nr. 20/2010
US-Senat für Trennbankensystem - wann folgt Europa diesem Beispiel?
- Neue Solidarität Nr. 19/2010
Griechenland? Der Euro ist gescheitert - aber es gibt ein Leben nach dem Euro!
- Neue Solidarität Nr. 18/2010
Goldman-Sachs-Skandal löst weltweit finanzielle und politische Erdbeben aus
- Neue Solidarität Nr. 17/2010
Auch in Deutschland: Goldman Sachs muß untersucht werden!
- Neue Solidarität Nr. 17/2010
Die zweifelhafte „Rettung“ Griechenlands
- Neue Solidarität Nr. 14/2010
Konkurssanierung für die Banken statt EWF/IWF-Spardiktatur für Europa!
- Neue Solidarität Nr. 11/2010
Wie hält sie es mit der Kasino-Wirtschaft?
- Neue Solidarität Nr. Nr. 10/2010
Glass-Steagall-Standard für Europa: Währungsspekulationen verbieten!
Neue Solidarität Nr. 9/2010
Ist das ganze Weltfinanzsystem ein riesiger Madoff-Schwindel?
- Neue Solidarität Nr. 1-2/2009
Stellungnahmen und Reden der BüSo-Vorsitzenden 
- Internetseite der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo)