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Neue Solidarität
Nr. 24, 16. Juni 2010

Banker zeigen sich unbelehrbar:
Deutschland muß raus aus dem Euro!

Ein Schönheitsfehler des Euro-Rettungspakets ist, daß die Länder, die es in Anspruch nehmen, nicht länger zu den Garantoren gehören können. Am Schluß bleibt nur noch Deutschland übrig als der große Zahlmeister. Wenn die Existenz Deutschlands und die Mitgliedschaft in der Eurozone unvereinbar sind, dann muß Deutschland aus dem Euro und den EU-Verträgen austreten.

Die gegenwärtige Lage kann man nur als einen Krieg bezeichnen, in dem Banker und Finanziers aller Art die Bereicherungsorgie der Spekulanten auf Kosten der Lebensgrundlagen von vielen Millionen Menschen in Deutschland und Milliarden in der ganzen Welt mit Zähnen und Klauen verteidigen - auch wenn als Preis die Demokratie und jegliche Form von gesellschaftlichem Frieden auf der Strecke zu bleiben drohen. Nichts fürchten die Zocker mehr als die international wachsende Debatte um die Einführung eines globalen Glass-Steagall-Standards, der glücklicherweise von einer wachsenden Anzahl von Bankiers der alten Schule des Industrie-Banking unterstützt wird.

Die Banker, inkompetenten oder korrupten Politiker und fahrlässigen Aufsichtsbeamten, die die Welt wiederholt durch ihre Deregulierung der Finanzmärkte an den Rand des totalen Absturzes gebracht haben, weigern sich hysterisch, ihr kriminelles Verhalten zu ändern. Und da sie das bestimmende Element in internationalen Institutionen wie IWF, EZB oder Weltbank sind, kann es für Deutschland und alle anderen Nationen, die überleben wollen, nur einen Ausweg geben: nämlich sofort aus diesen Institutionen auszutreten und augenblicklich die Souveränität über die eigene Währung und Wirtschaftspolitik wiederzuerlangen.

Symptomatisch ist die Linie des Internationalen Branchenverbands IFF, einer globalen Lobby der 375 führenden Banken, deren Vorsitzender Josef Ackermann ist. Deren Vertreter sprachen sich beim soeben stattgefunden Treffen in Wien gegen jegliche Reregulierung des Bankenwesens aus. Dabei logen sie, daß sich die Balken bogen. So wurde behauptet, die in der Diskussion befindlichen Reregulierungen gefährdeten zehn Millionen Jobs in den USA und fünf Millionen in Europa. Peter Sand, Chef von Standard Chartered PLC, behauptete sogar, der Preis für ein stabileres Bankensystem müsse auf jeden Fall von der Realwirtschaft gezahlt werden. Genau das Gegenteil ist richtig.

Während die Spatzen schon das Scheitern des 750 Milliarden-Euro-Rettungspakets von den Dächern pfeifen und der „Präsident“ der EU, Van Rompuy, schon davon spricht, daß für die Rettung des Euro mehr als die 750 Milliarden angesetzt werden müssen - Citigroup spricht bereits von 2.000 Milliarden -, bleibt EZB-Chef Trichet lernresistent. Offenbar fühlte sich die EZB wegen der weltweiten Debatte um Glass-Steagall bemüßigt, in ihrem jüngsten Financial Stability Review ein ganzes Kapitel über dieses Thema einzufügen mit der Überschrift: „Glass Steagall Revisited“. Darin wird das Trennbankensystem mit der Begründung abgelehnt, dies sei nicht in der Tradition Europas, wo es schon immer Universalbanken gegeben habe, und außerdem könnte eine solche Trennung das Funktionieren der Märkte stören.

Gleichzeitig mußte Trichet aber zugeben, daß das globale Finanzsystem bereits am 6. Mai wieder einmal wegen „globaler Pertubationen“ am Rande der Kernschmelze war, und man deshalb nicht nur das Rettungspaket habe beschließen, sondern auch die Entscheidung treffen müssen, die (toxischen) Staatsanleihen der (Pleite-)Staaten der Eurozone aufzukaufen. Mit anderen Worten: Trichet verteidigt immer noch das „Recht“ der Investmentbanken, durch den ungehinderten Zugriff auf die Einlagen der Geschäftsbanken die Verluste der Zocker auch in Zukunft auf die Schultern der Steuerzahler abzuwälzen!

Die Financial Times Deutschland spricht von Informationen, daß sich die Länder der Eurozone bereits auf die „Spanienpleite“ vorbereitet hätten, der Interbankenhandel in Südeuropa praktisch zum Erliegen gekommen und ein „Ende der Misere nicht abzusehen“ sei. Als Hilfe für den Geldmarkt setze die EZB den Kauf von Staatsanleihen fort und leihe den Banken jeweils Ende Juli, August und September für drei Monate „soviel Geld wie sie möchten“. Helikopter-Trichet versucht offensichtlich, Reichsbankchef Havenstein von 1923 zu imitieren!

Die Tatsache, daß europäische Bankaktien seit dem 20. April im Schnitt um 22% an Wert verloren haben, reflektiert die Erwartung der Anleger, daß es zu der von vielen Analysten antizipierten Restrukturierung der Schulden von Griechenland, Irland, Italien, Spanien und Portugal kommen wird, und dann könnten die Banken noch einmal einen „Haarschnitt“ von mindestens 900 Milliarden erwarten. Laut BIZ haben die europäischen Banken alleine bei Griechenland, Portugal, Spanien und Italien 2,285 Billionen Euro an Außenständen!

Interessanterweise macht sich der Fondsmanager Bosomworth von Pimco, einem der größten Anleihekäufer der Welt, darüber lustig, daß die EU jetzt ausgerechnet eine Zweckgesellschaft gründet, um den Rettungsschirm der EU zu verwalten, also genau so ein Vehikel, wie es die Banken geschaffen hatten, um Schulden außerhalb ihrer Bilanzen aufzunehmen - eines der vielen „kreativen Finanzinstrumente“, die die Krise erst herbeigeführt hatten. Ein nicht so kleiner Schönheitsfehler ist auch, daß die Länder, die diese Zweckgesellschaft in Anspruch nehmen, nicht länger zu den Garantoren gehören können.

Sechzehn kleine Negerlein ... und am Schluß, da war es nur noch eins, dann bleibt Deutschland übrig als der große Zahlmeister. Die Wirtschaftswoche berichtet über eine bereits stattfindende „Flucht in die D-Mark“: Anleger würden deutsche Staatsanleihen kaufen, weil sie einen baldigen Kollaps des Eurosystems erwarten, und auf geringste Verluste in Deutschland hofften.

Von „Verrückten an der Macht“ spricht Paul Krugman in Bezug auf die europäischen Regierungen. Deren Sparprogramme seien „eine sehr große Dummheit“ und ein „Rezept für ein Desaster“. Man kann ihm in diesem Punkt nur Recht geben: Sparpolitik in dieser Lage zerstört nur weitere Kapazitäten und setzt eine Spirale in Gang, die sich nach unten ohne Boden öffnet. In der Tat ist diese Kombination von inflationärer Geldausschüttung à la Weimar 1923 in Verbindung mit Brüningscher Sparpolitik der helle Wahnsinn. Seit drei Jahren torkeln die Finanzminister, Zentralbanker und Finanzinstitutionen von einem Abgrund zum Rand der nächsten Kernschmelze und weiter zum nächsten Abgrund, und benutzen dabei Instrumentarien, die sich längst verselbständigt haben, die aber den Giftmüll perpetuieren.

Was droht, und zwar sehr kurzfristig noch in diesem Monat oder dem nächsten, ist ein kettenreaktionsartiger Kollaps des gesamten Weltfinanzsystems, der durch eine ganze Reihe von „Unfällen“ ausgelöst werden könnte - sei es durch ein auf Autopilot laufendes, automatisiertes Börsenhandelssystem, wie am 6. Mai, als der Dow Jones in zehn Minuten um 16% abstürzte, sei es durch einen Flächenbrand von Staatspleiten, sei es durch neue Kerviels, Maddoffs oder Blankfeins, von denen es ganze Heere gibt und die durchaus als „transnationale Organisierte Kriminalität“ zusammenarbeiten, wie der UN-Drogenbekämpfer Antonio Maria Costa es nennt.

Die Lösung: Trennbankensystem!

Es gibt eine Lösung, und zwar genau das, was Franklin Roosevelt als Reaktion auf den Crash von 1929 in den USA eingeführt hat: Ein globaler Glass-Steagall-Standard muß die Kredite an die Geschäftsbanken unter staatlichen Schutz stellen, damit Industrie, Landwirtschaft und Handel sowie Löhne, Sparguthaben, Renten und andere Bereiche des Gemeinwohls gesichert werden können.

Wenn man in Deutschland dieses Thema aufbringt, bekommt man meist die Antwort, es sei nicht möglich, in Deutschland ein Trennbankensystem zu errichten - entweder von Leuten wie Trichet, die einfach das jetzige System beibehalten wollen, oder von gutmeinenden Leuten, die meinen, daß die Menschen hier nicht verstehen, was das ist, weil es in Europa immer nur ein Universalbanksystem gegeben habe. Entweder aber weiß Trichet es nicht, oder wahrscheinlicher, er begeht eine bewußte Täuschung. Denn es gab in Deutschland bis 1992 eine Fülle von Gesetzen und Vorschriften über all die Dinge, die die Banken nicht tun durften. Diese wurden von den Behörden rigoros kontrolliert, und bei Verstößen gab es strenge Bestrafungen. Von 1992 bis 2005 wurden unter der Aegide der EU-Kommission nacheinander über 80 dieser Gesetze und Vorschriften von der jeweiligen Regierung außer Kraft gesetzt.

Unter „normalen“ Bedingungen würde es vermutlich ausreichen, diese Gesetze und Vorschriften wieder zu beschließen, um wieder zu einem funktionierenden Finanzsystem zu kommen. Wir stehen aber vor einem kettenreaktionsartigen Kollaps und haben keine Zeit für langwierige Abstimmungen und Wahlprozeduren!

Die beste Chance, Deutschland als demokratische Republik und sozialstaatliche Industrienation zu retten, besteht deshalb darin, ein Trennbankensystem vorzubereiten. Die wahrscheinlichste Chance für seine Realisierung wird sich in dem Moment bieten, wenn es in den USA zur Wiedereinführung des Glass-Steagall-Gesetzes kommt, wofür es derzeit eine breite Mobilisierung der Bevölkerung durch das politische Aktionskomitee der LaRouche- Bewegung gibt. Im US-Senat gibt es mehrere Gesetzesvorlagen für den Glass-Steagall-Standard, und der Druck auf die Senatoren, von denen ein Drittel - sowie alle Kongreßabgeordneten - sich im November zur Wiederwahl stellen müssen, ist gigantisch.

Was wir in Deutschland dann tun müssen, ist relativ einfach: Wir müssen den gesamten Giftmüll, auf dem die Banken sitzen, streichen. Die Geschäftsbanken müssen unter staatlichen Schutz gestellt werden, um ihren Kollaps zu verhindern, und dann müssen sie mit umfangreichen staatlichen Krediten ausgestattet werden, die allerdings ausschließlich für Investitionen in den Wiederaufbau der Realwirtschaft und vor allem langfristige Projekte in die Infrastruktur gegeben werden dürfen. Auf diese Weise kann es zu einer weiteren Stimulierung der restlichen Wirtschaft kommen.

Dabei ist es kriegsentscheidend und „systemrelevant“, daß wir in Deutschland den kostbarsten Teil unserer Wirtschaft, den Maschinenbausektor, bei dem wir schon zu viele Kapazitäten und Traditionsfirmen verloren haben, retten. Anstatt wertvolle Kapazitäten z.B. im Autosektor zu schließen, müssen wir diese umrüsten und für andere dringend gebrauchte Projekte einsetzen. So sehr China der Transrapid zu gönnen ist, um so unverantwortlicher ist es, daß er in Deutschland nicht gebaut und damit auch nicht zum Exportschlager werden kann! Für den Ausbau des Transrapid in München waren die 2-3 Milliarden angeblich nicht aufzutreiben, aber für verzockte Verluste der Banken konnte der deutsche Steuerzahler inzwischen schon einige Hunderte von Milliarden blechen!

Wenn Deutschland seine wissenschaftliche und technische Basis im Hochtechnologiebreich verliert, verliert es seine Wirtschaft und alle sozialen Errungenschaften, wie man derzeit an den Kommunen sehen kann. Wenn die Existenz Deutschlands und die Mitgliedschaft in der Eurozone unvereinbar sind, dann muß Deutschland aus dem Euro und den EU-Verträgen austreten.

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