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Neue Solidarität
Nr. 30-31, 24. Juli 2025

Mit einem guten Plan und genug Elan kann man in die Geschichte eingreifen!

Von Helga Zepp-LaRouche

Mit der folgenden Rede eröffnete die Gründerin des Schiller-Instituts am 12. Juli 2025 die zweitägige Berliner Konferenz „Der Mensch ist nicht des Menschen Wolf!“

Sehr verehrte Konferenzteilnehmer, liebe Freunde des Schiller Instituts hier vor Ort und überall in der Welt, von wo Sie auch immer zuschauen mögen, liebe Menschenfreunde!

Wir haben uns hier versammelt, weil wir einen Ausweg aus einer höchst bedrohlichen strategischen Lage aufzeigen und einem weitverbreiteten Pessimismus, ja Fatalismus, entgegenwirken wollen: Man kann nämlich sehr wohl in die Geschichte eingreifen, sofern man einen guten Plan hat und genügend Kräfte für seine Umsetzung mobilisieren kann! Ich möchte deshalb dieses Zitat von Friedrich Schiller aus seiner Schrift über den Abfall der Niederlande unserer Konferenz als Leitmotiv voranstellen:

Dazu ist es aber zunächst erforderlich, daß wir unsere Zeitgenossen aus ihrem Schlafwandel, in den sie insbesondere hier in Deutschland verfallen zu sein scheinen, aufwecken. Die Welt hat sich noch niemals näher an einem Punkt ohne Wiederkehr befunden, an einem potentiellen Endpunkt in der Geschichte, an dem die endgültige Katastrophe eines globalen Nuklearkriegs unvermeidbar wird.

Friedrich Schiller hat sich in vielen seiner Werke den Begriff des „punctum saliens“ benutzt, der in den Dramen und in der Geschichte jeweils den Zeitpunkt beschreibt, an dem alles unaufhaltsam in Bewegung gerät. Im 4. Brief über Don Carlos schreibt er: „Jede Handlung hat ihren punctum saliens, wo sie aus der Möglichkeit in die Wirklichkeit überspringt.“

In Bezug auf die Geschichte können wir diese Punkte ohne Wiederkehr genau bezeichnen – wann es zu Beispiel zu spät war, den Ersten oder Zweiten Weltkrieg noch zu verhindern. In Bezug auf die unmittelbar vor uns liegende Zukunft trüben mannigfaltige Unwägbarkeiten diese Einsicht – wenn sie zur Gewißheit wird, daß es zum Dritten, und diesmal letzten globalen und diesmal nuklearen Krieg kommt, ist es zu spät. Die Menschheit, und damit unsere Geschichte, wird ausgelöscht.

Wir erleben derzeit den Untergang der Weltordnung, wie sie sich nach dem Zweiten Weltkrieg und dann noch einmal in modifizierter Form nach dem Ende des Kalten Krieges herausgebildet hat. Einer der markantesten Meilensteine in dieser Entwicklung war der 15. August 1971, als Präsident Nixon mit der Einführung flexibler Wechselkurse den fatalen Weg des deregulierten Monetarismus beschritt, deren Konsequenzen Lyndon LaRouche in prophetischer Weise prognostizierte: daß es nämlich zu einer neuen Depression, einem neuen Faschismus und einem neuen Weltkrieg führen würde, es sei denn, daß rechtzeitig ein völlig neues Weltwirtschaftssystem geschaffen würde. An genau diesem Punkt stehen wir heute!

Das gebrochene Versprechen von 1990-91

Um zu begreifen, wie es nur 35 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung hierhin kommen konnte, werfen wir einen Blick zurück! Für eine kurze Periode, zwischen dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung, erlebten wir durchaus eine Sternstunde der Menschheit, einen jener seltenen Momente in der Geschichte, in denen die Weichen völlig neu gestellt werden können. Der damalige amerikanische Botschafter in Moskau, Jack Matlock, betonte kürzlich auf einer Konferenz des Schiller Instituts, daß die Sowjetunion schon vor ihrer Auflösung 1991 keine Bedrohung mehr darstellte, es gab also keinen Gegner mehr. Es wäre also absolut möglich gewesen, mit dem Ende des Kalten Krieges eine neue Friedensordnung für das 21. Jahrhundert zu errichten.

Lyndon LaRouche hat damals zunächst mit dem Programm des „Produktiven Dreiecks Paris-Berlin Wien“ und dann der Eurasischen Landbrücke die ökonomische Basis für diese Friedensordnung vorgeschlagen. Wir haben uns damals das Recht auf unsere Souveränität erkämpft, die auch im Zwei-Plus-Vier-Vertrag niedergelegt ist, aber wir sind um diese Souveränität betrogen worden, nicht nur in den neuen Bundesländern, sondern als Deutschland insgesamt!

Inzwischen freigegebene amerikanische, russische, deutsche, britische und französische Dokumente, die jetzt im US-Nationalarchiv, Außenministerium, Pentagon, Bibliotheken der Präsidenten und diversen nationalen Archiven und Universitätsbibliotheken einsehbar sind, beweisen nicht eine, sondern eine wahre Flut von Sicherheitsversprechungen gegen eine NATO-Ostausweitung, die gegenüber Gorbatschow und Schewardnadse von Baker, Bush, Genscher, Kohl, Gates, Mitterrand Thatcher, Hurd, Major und Wörner gegeben worden sind.

Diese Dokumente zeigen eindeutig, daß die Versprechen, die NATO um keinen Zentimeter („not one inch“) nach Osten auszuweiten, so zentral waren, daß die russischen Beschwerden, getäuscht geworden zu sein, absolut begründet sind.

Eine entscheidende Schlüsselrolle spielte die Grundsatzrede von Außenminister Hans-Dietrich Genscher, die er am 31. Januar 1990 bei einer Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing hielt. Genscher betonte: „Wir wollen die Einheit nicht zu Lasten Dritter... Sache der NATO ist es, eindeutig zu klären: Was immer im Warschauer Pakt geschieht, eine Ausdehnung des NATO-Territoriums nach Osten, das heißt, näher an die Grenzen der Sowjetunion heran, wird es nicht geben. Diese Sicherheitsgarantien sind für die Sowjetunion und ihr Verhalten bedeutsam.“ Diese Rede Genschers ist bezeichnenderweise aus dem Internet so gut wie verschwunden und man kann sie nur mit einigem technischen Aufwand auffinden.

Die „Tutzing-Formel“ sollte einen ganzen Sturm an wichtigen diplomatischen Gesprächen in den folgenden zehn Tagen in Gang setzen, bis zu dem entscheidenden Treffen zwischen Kohl und Gorbatschow am 10. Februar, bei dem Gorbatschow seine prinzipielle Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung gab.

Wenn man das schiere Volumen dieser Versprechen bedenkt, dann kann kein Zweifel daran bestehen, daß sie die wesentliche Rolle gespielt haben, die damalige russische Führung zu einer doch enormen Großzügigkeit bei der Ermöglichung der deutschen Wiedervereinigung zu veranlassen – nur 45 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs! Umso tiefer hat Rußland offensichtlich die nachfolgende Politik des Westens als ungeheuren Vertrauensbruch gewertet.

Das Motiv für diesen Richtungswechsel lag in der Tatsache, daß sich in den USA die Neokonservativen und ihre Wolfowitz-Doktrin durchsetzten, die die Führungsrolle der USA in einer neuen, unipolaren Weltordnung konsolidieren sollte. Danach behalten sie sich das Recht vor, alleine zu entscheiden, wann und wo sie militärisch eingreifen, einschließlich präventiver Schläge gegen vermeintliche Bedrohungen. Trotz wechselnder Administrationen bestimmte dies als Ausdruck einer permanenten Bürokratie die Politik.

Was folgte, war die Absage an das System des Westfälischen Friedens durch Blair in seiner Rede in Chicago 1999, abgelöst durch die Politik des „Right2Protect“, der „humanitären Interventionskriege“, und schließlich – nach dem 11. September 2001, der von LaRouche prophetisch als kommender „Reichstagsbrand“ am 3. Januar prognostiziert worden war – unter dem Banner des „Kriegs gegen den Terror“, die Interventionskriege in Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien sowie Farbrevolutionen und Regimewechsel, sowie NATO-Ostausweitungen, begleitet von der unilateralen Aufkündigung aller Rüstungskontroll- und Abrüstungsverträge: ABM, INF, Open Sky, KSE.

Während die US-Administrationen kein Problem mit Jelzin hatten, der sich bereitwillig der Schocktherapie des IWF gefügt hatte und damit zuließ, daß sich die industriellen Kapazitäten Rußlands von 1991-94 auf nur noch 30% reduzierten, stand Putins Anstrengung, den Status Rußlands als Weltmacht wiederherzustellen, der Vorstellung einer unipolaren Weltordnung entgegen. Der Maidan-Putsch von 2014, bei dem die Rolle von Victoria Nuland unvergeßlich bleibt, war der ernsthafte Beginn eines Stellvertreterkrieges der NATO gegen Rußland. Das Geständnis von Angela Merkel und François Hollande, das Minsker Abkommen habe nur dazu gedient, die ukrainischen Streitkräfte auf NATO-Niveau auszubilden, hat maßgeblich zu dem inzwischen totalen Vertrauensverlust beigetragen.

Eskalation in Richtung Weltkrieg

Westliche Militärexperten haben darauf hingewiesen, daß das relativ geringe russische Truppenaufgebot im Februar 2022 beweist, daß Putin keineswegs die ganze Ukraine angreifen wollte, sondern der russischsprachigen Bevölkerung in der Ostukraine zu Hilfe kommen wollte. Am 31. März dieses Jahres veröffentlichte die New York Times einen 13.000 Worte langen Artikel, in dem das Ergebnis einer einjährigen, auf 300 Interviews basierenden Untersuchung präsentiert wurde, die dokumentiert, daß die USA den Ukrainekrieg seit spätestens Mitte April 2022 direkt aus der Clay-Kaserne in Wiesbaden kommandierten, also praktisch zeitgleich mit der Intervention Boris Johnsons in Kiew, mit der er die in Istanbul zwischen Rußland und der Ukraine erreichte diplomatische Lösung sabotierte.

Während das offizielle Narrativ vom „unprovozierten Angriffskrieg“ bis heute der Glaubenssatz ist, mit dem selbst NATO-kritische Politiker ihre Reden meinen einleiten zu müssen, ist das volle Engagement der NATO in diesem Konflikt überwältigend dokumentierbar. David Ignatius, das berüchtigte Sprachrohr der permanenten Bürokratie in den USA, verriet schon 2022 in einer Reihe von Artikeln in der Washington Post, woher die Überzeugung der Politiker stammt, die ungeachtet aller Evidenz auf dem Schlachtfeld und in der Wirtschaft unaufhörlich wiederholen, daß „Rußland ruiniert“ werde oder daß, wie Bundeskanzler Merz sagt, „Putin verlieren“ müsse. Dahinter verbirgt sich der Glaube, daß die in der Ukraine erfolgte erneute Revolution in der Kriegsführung, bei der die Kombination des Grabenkriegs des Erstens Weltkriegs mit den „modernsten Waffen des 21. Jahrhunderts“, nämlich der Anwendung von KI beim Ausspionieren des Gegners, diesen Schachmatt setze. Alex Karp, der Hauptgeschäftsführer von Palantir, sieht das so:

Und Generalstabschef Gen. Mark Milley war Ende 2022 der Auffassung:

Wir sind mit der NATO in ein Militärbündnis eingebunden, in dem das Überleben Deutschlands keine Priorität hat. Am 20. November 2024 erklärte Admiral Thomas Buchanan vom US STRATCOM in Washington bei einer Veranstaltung des Center for Strategic and International Studies (CSIS) mit dem Titel „Report Launch: Project Atom 2024“, daß die USA zu einem nuklearen Schlagabtausch bereit wären, wenn die globale Führungsrolle der USA auf dem Spiel stünde. Sein einziger Vorbehalt war, daß die USA darauf achten sollten, genügend Atomwaffen übrig zu behalten, um die Hegemonie der USA danach aufrechtzuerhalten.

Die Äußerungen von Admiral Buchanan waren kein Ausrutscher, sie waren gedeckt durch die Nuclear Posture Review (NPR) 2022, mit der Präsident Biden (oder wer auch immer die Führung in den letzten Jahren der Biden-Administration innehatte) sich die Möglichkeit eines präventiven Atomwaffeneinsatzes vorbehält, falls „vitale Interessen“ der USA oder ihrer Verbündeten bedroht sind – wobei aber namhafte Experten wie Ted Postol ebenso wie Teilnehmer an NATO-Manövern darauf hinweisen, daß das Überleben Deutschlands im Ernstfall keinerlei Berücksichtigung findet.

Ansonsten ist Buchanans Ansicht, taktische Nuklearkriege könnten stattfinden und gewonnen werden, reine Phantasie, Postol hat überzeugend dargelegt, warum ein solcher „begrenzter“ Einsatz zum Einsatz aller nuklearen Waffen führt. Im übrigen hat Putin nur einen Tag nach Buchanans Vortrag mit dem Einsatz der ersten Oreschnik-Hyperschallrakete in Dnipro demonstriert, daß Rußland über eine nichtnukleare Waffe verfügt, die mit kinetischer Energie allein durch ihre hohe Geschwindigkeit (bis zu Mach 10-11) eine Nuklearwaffen vergleichbare Wirkung erzeugt, gegen die es aber kein Abwehrsystem gibt, während sich die Prognosen von Karp und Milley zu diesem Zeitpunkt auf dem Schlachtfeld nicht bewahrheitet hatten.

Es ist unfaßbar: Nur 80 Jahre nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus in Deutschland und dem Ende des Zweiten Weltkrieges, und dem damals unter dem Eindruck der Trümmerfelder durchaus ernstgemeinten „Nie wieder!“ soll dieses Land wieder auf allen Ebenen der Gesellschaft „kriegstüchtig“ gemacht werden. Und das Erschreckendste daran ist, daß ein Großteil der deutschen Gesellschaft anscheinend entweder die von den Mainstream-Medien verbreiteten Narrative über die Gründe dafür übernimmt oder sich als paralysiert empfindet. Mit dem EU-Programm „Rearm Europe“ und der sogenannten „Verteidigungs- und Resilienz-Klausel“ (auch „Sicherheits- und Verteidigungsausnahmen“ genannt) – also einer Art Ermächtigungsgesetz – befinden wir uns inzwischen auf dem Weg einer Aufrüstungsspirale, die eine unbegrenzte Kreditaufnahme für Verteidigungsausgaben erlaubt.

Dabei werden die existentiellen Interessen des deutschen Volkes, von dem Schaden abzuwenden eigentlich alle Regierungsmitglieder in einem Amtseid geschworen haben, vollkommen auf dem Altar der transatlantischen Unterwürfigkeit geopfert.

Die Bedeutung der BRICS

Der Zweck dieser Konferenz ist es, einen Ausweg aus dieser Sackgasse zu zeigen. Wir müssen rechtzeitig eine neue globale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur auf die Tagesordnung setzen, die die Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen aller Staaten auf diesem Planeten berücksichtigt. Und dies ist absolut möglich, denn die geopolitische Sichtweise, daß man unbedingt einen Feind braucht, hat längst eine Alternative gefunden. Der Versuch der Errichtung einer unipolaren Weltordnung hat seit geraumer Zeit einen gewaltigen Rückschlag erfahren, denn die Nationen des Globalen Südens waren nach der Erfahrung von 500 Jahre Kolonialzeit keineswegs bereit, sich der unipolaren Weltordnung zu unterwerfen. Die Erfahrung der gegen viele Staaten verhängten unilateralen Sanktionen, die Instrumentalisierung des Dollars als Waffe, die als unfair empfundenen Kredit- und Handelsbedingungen und vieles mehr trug dazu bei, den Geist von Bandung, einem Meilenstein in der Geschichte der Blockfreien Bewegung, zu aktivieren.

Der in der Geschichte beispiellose wirtschaftliche Aufstieg Chinas, das in rund 40 Jahren 850 Millionen seiner Bürger aus der Armut befreite und bis Ende 2021 die extreme Armut eliminierte, was als beispiellos in der Geschichte der globalen Armutsbekämpfung gilt, sowie der kometenhafte Aufstieg Chinas in Wissenschaft und Technologie, der es laut dem australischen Thinktank ASPI zum Weltführer in 57 von 63 Spitzentechnologien gemacht hat, hat es zwar in den Augen der anglo-amerikanischen Neokons zur primären Bedrohung gemacht, hat sich aber für die Staaten des Globalen Südens als wahrer Segen erwiesen. Seit Präsident Xi Jinping 2013 die Neue Seidenstraße (BRI) zur offiziellen Politik Chinas erklärt hat – und damit ein Programm, das eine große Affinität mit unserer Eurasischen Landbrücke von 1991 hatte und das sich immer mehr unserem Programm der Weltlandbrücke von 2014 annähert –, arbeitet China inzwischen mit fast 150 Nationen bei der BRI zusammen. Dieses hatte 2023 ein Handelsvolumen mit den Ländern des Globalen Südens von ca. 2,5 Billionen Euro, und selbst das ist nur ein Bruchteil des Potentials der begonnen Projekte.

Die BRICS, zu denen inzwischen zehn Mitgliedstaaten und zehn Partner und damit über die Hälfte der Menschheit gehören, beendeten soeben ihren Jahresgipfel in Rio, und alle Redner, von denen auch viele aus Gaststaaten stammten, drückten enthusiastisch und fest entschlossen ihre Intention aus, ein gerechtes Wirtschaftssystem zu bauen, das allen teilnehmenden Nationen die Perspektive bietet, die Armut endgültig zu überwinden, die Wirtschaft aufzubauen, Gesundheits- und Erziehungssysteme zu entwickeln, am wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt der Menschheit arbeitsteilig und gleichberechtigt teilzunehmen. Die BRICS verstehen sich explizit nicht als Alternative zur NATO und überhaupt nicht als Block, sie sind zur Kooperation mit allen Staaten der Welt bereit. Präsident Trump irrt, wenn er behauptet, die BRICS seien gegründet worden, um den USA zu schaden – sie sind gegründet worden, um die Unterentwicklung der Globalen Mehrheit zu überwinden!

Glauben Sie kein Wort, das Sie in den westlichen Medien über die BRICS lesen! Angeblich sind sie uneins, und Xi und Putin nahmen nicht teil, weil das Momentum verloren sei.

Das Gegenteil ist richtig: Zwar sind alle BRICS-Staaten enormem Druck ausgesetzt, zwar reagieren sie auf diesen Druck sehr verschieden, aber der Trend zu einer neuen Epoche der Menschheit ist unaufhaltsam. Die Nationen des Globalen Südens sind entschlossen, ihr Recht auf eine gleichberechtigte wirtschaftliche Entwicklung zu verwirklichen, nicht länger Rohstofflieferanten zu sein, sondern die Wertschöpfungskette in ihren eigenen Ländern aufzubauen, Industrie und Landwirtschaft zu entwickeln und in naher Zukunft Staaten mit einem mittleren Einkommen zu werden.

Das Schiller-Institut hat für diese Konferenz einen ersten Entwurf einer Studie erarbeitet, wie Europa gemeinsam mit China und weiteren BRICS-Staaten vor allem die Staaten Afrikas und Südwestasiens durch Joint Ventures bei diesem Aufbau unterstützen kann. Dabei haben wir uns zunächst auf die drei Schlüsselländer Deutschland, Frankreich und Italien fokussiert – andere Staaten werden folgen –, um aufzuzeigen, daß eine solche Kooperation nicht nur Afrika und dem Nahen Osten hilft, sondern daß diese Joint Ventures zugleich das Zugpferd für die Überwindung der tiefen wirtschaftlichen Krise werden können, in der sich die Wirtschaft Europas derzeit befindet. Anstatt Billionen von Euro in die Aufrüstung zu stecken, was einer Vernichtung von produktiven Kapazitäten vom Standpunkt der Realwirtschaft darstellt, sollten wir gemeinsam mit China in die Bereiche investieren, die immer am Anfang einer erfolgreichen Industrialisierung standen: flächendeckende Energieproduktion und -verteilung, grundlegende kontinentale Infrastruktur und darüber hinaus Investitionen in einige „Gamechanger-Projekte“ wie den Grand Ethiopean Renaissance-Staudamm, einem Vorzeigemodell für Afrika-Europa-China-Kooperation, das zwei der dringendsten Fragen adressiert: Wasser und Elektrizität. Weiterhin das Transaqua-Projekt, das Wasserregulierung, Wasserkraft, Transport und agro-industrielle Entwicklungsprojekte für zwölf Staaten im Herzen Afrikas ermöglicht, und schließlich das Grand Inga Hydroelectric Projekt, das mehr als ein Drittel der derzeit in ganz Afrika produzierten Elektrizität erzeugen wird.

Die europäischen Staaten verfügen trotz Wirtschaftskrise immer noch über das wissenschaftliche und technologische Know-how, das in Afrika dringend gebraucht wird. Europa gewinnt wachsende Absatzmärkte von reicher werdenden Kunden und löst die Flüchtlingskrise auf die einzig humane Weise, indem es gute Argumente dafür schafft, daß vor allem junge Menschen in ihren Nationen bleiben, um mitzuhelfen, diese aufzubauen, statt im Mittelmeer zu ertrinken oder in Lagern zu vegetieren, die Papst Franziskus als KZs bezeichnet hat.

Für Südwestasien schlagen wir den Oasenplan vor – angefangen mit Kanälen zwischen dem Mittelmeer, dem Roten und dem Toten Meer und der Entsalzung von großen Mengen Meereswasser für die Bewässerung der Wüsten, und schließlich der Begrünung und der wirtschaftlichen Entwicklung von ganz Südwestasien in der Tradition der alten Seidenstraße als Zentrum zwischen Asien, Afrika und Europa. Auch hier kann die Kooperation zwischen China und anderen BRICS-Staaten mit Europa und den Staaten der Region den Auftrag von Papst Paul VI. „Der neue Namen für Frieden heißt Entwicklung“ – Papst Leo spricht ebenfalls von „Entwicklung als Waffe“ – für eine dauerhafte Befriedung der Region umsetzen.

Das Schiller-Institut sieht in unserer heutigen Konferenz den Auftakt einer Kampagne in ganz Europa, Afrika und Asien, um dieses Programm von Joint Ventures als Motor für die Überwindung der Wirtschaftskrise und als Friedensperspektive zu realisieren. Und ich freue mich besonders, daß wir dazu die Kooperation mit der chinesischen Academy of Contemporary China and World Studies (ACCWS) gewonnen haben, deren Vizepräsident Daqi Fan uns noch in einer Videobotschaft zu uns sprechen wird.

Schillers punctum saliens

Diese Art der Kooperation für die Lösung der drängendsten Probleme der Menschheit entspricht zugleich der nötigen Geisteshaltung, die wir brauchen, um eine neue, globale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur auf die Tagesordnung zu setzen, die die Interessen eines jeden Staates auf der Erde berücksichtigen muß. Nur wenn wir ein solches neues Paradigma in den internationalen Beziehungen verwirklichen, können wir den Konsequenzen des weitestgehenden Zusammenbruchs des internationalen Rechts und des Völkerrechts durch die Tolerierung des Genozids in Gaza und der jüngsten Angriffe auf den Iran – nämlich dem allgemeinen Absturz in die Anarchie –, entkommen.

Wir sind an einem wirklichen punctum saliens in der Geschichte angekommen, aber nichts läge Schiller ferner, als diesen Begriff fatalistisch zu verstehen, ganz im Gegenteil. Schon sehr früh, in den Philosophischen Briefen „Julius an Raphael“, schreibt er 1786: „Es gibt einen gewissen punctum saliens der Vernunft, wo alle Begriffe sich umkehren, wo die Seele über die Daten der Sinne hinaus fliegt...“ Es ist der Moment des Umschlags von der Furcht zur Freiheit.

Ich, und vermutlich viele andere Menschen, haben sich oft gefragt, wie kann das deutsche Volk, das so viele herausragende Dichter, Denker und Erfinder hervorgebracht hat, sich so seiner Souveränität berauben lassen? Schiller hat mit seinem Begriff des „Erhabenen“ den Ausweg gezeigt. In Vom Erhabenen (1793) schreibt er: „Es gibt einen kritischen Punkt, wo die Macht der Natur den Geist gerade so weit bedrängt, daß er sich mit einem plötzlichen Schwung in die Sphäre der Freiheit rettet.“ Dieser Moment ist der punctum saliens, in dem sich der Mensch aus der lähmenden Furcht zur moralischen Selbstbehauptung durchringt.

Sein ganzes Lebenswerk hindurch rang Schiller mit dieser Frage des Erhabenen, wie der Mensch durch die ästhetische Erziehung größer handeln lernt, als es ihm durch die Umstände möglich zu sein scheint. In einem Brief an Goethe schreibt er am 7. Januar 1795: „Es gibt in jeder Kunst ein punctum saliens, wo sich das Mechanische in das Freie verwandelt, und dieser Punkt muß vom Genie gefunden werden.“ Und in Anmut und Würde sagt er, daß der Mensch dort Würde zeigt, wo er im Konflikt zwischen Pflicht und Neigung den entscheidenden Augenblick der Selbstbeherrschung findet. Der punctum saliens ist der revolutionäre Augenblick in der Geschichte, in der wir unsere Humanität verwirklichen.

Wir werden also alles tun, um unserem Namensgeber alle Ehre zu erweisen und uns des schönen Bildes als würdig zu erweisen, das er von den Menschen hatte! Ich möchte mit ein paar Zeilen aus seinem Fragment Deutsche Größe schließen:

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