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Angesichts einer befürchteten neuen Krise fordern immer mehr Ökonomen die Zerschlagung der Finanz-Supermärkte und die Rückkehr zu Glass-Steagall.
Das Weltfinanzsystem marschiert derzeit auf seinen völligen Zusammenbruch zu, er könnte uns noch im Juni oder im Juli mit voller Wucht treffen. Das genaue Datum eines solchen Krachs kann niemand vorhersagen, doch man kann davon ausgehen, daß die maßgeblichen Regierungen noch im Sommer definitiv damit konfrontiert sein werden, daß ihre Politik seit Beginn der laufenden Phase der Krise im Sommer 2007 vollkommen gescheitert ist und der Kurs radikal geändert werden muß. Diese Realität ist entscheidend geprägt von dem Massenstreikprozeß, der überall auf der Welt, allem voran in den Vereinigten Staaten, zunehmend die Bevölkerung erfaßt. Er äußert sich in der Wut über die räuberischen Aktivitäten der großen Finanzinteressen und über das völlige Versagen der politischen Führung, die nicht im Interesse der großen Mehrheit der unter der Krise leidenden Bürger handelt.
Dieser dynamische Prozeß, nicht politisches Geplänkel, bestimmt die verfügbaren politischen Optionen. So ist unabhängig vom Resultat der laufenden Beratungen im Vermittlungsausschuß des US-Kongresses über die Endfassung des „Finanzreformgesetzes“ festzustellen: Wenn die USA und andere Länder nicht zum Glass-Steagall-Standard oder einem vergleichbaren System streng regulierter Geschäftsbanken zurückkehren und eine Konkurssanierung des hoffnungslos bankrotten Finanzsystems erzwingen, dann werden die USA und andere westliche Nationen einen existenzbedrohenden Zusammenbruch erleben und die gesamte Welt mit in den Abgrund reißen. Diese grundsätzliche Entscheidung wird sehr bald die Aufmerksamkeit jedes ernsthaften Menschen auf sich ziehen, ob er jetzt schon darauf vorbereitet ist oder nicht. In diesem Sommer kommen die Tage der Abrechnung.
Lyndon LaRouche ist nicht allein mit seiner Einschätzung, daß eine Juni/Juli-Krisenperiode bereits begonnen hat und daß eine radikale Änderung der Politik und in unserem Verhalten notwendig ist.
Der frühere US-Präsident Bill Clinton schockierte im April die Wallstreet, als er in einem Interview mit George Stephanopoulos vom Sender ABC-TV im landesweiten Fernsehen zugab, er habe während seiner Amtszeit die Gefahr der Derivate unterschätzt und sei von seinen Finanzministern Larry Summers und Robert Rubin schlecht beraten worden. Und kurz nachdem er in dieser Weise die Derivate als Hauptursache des globalen Systemrisikos verurteilt hatte, unterstützte Clinton im Vorwahlkampf für die Senatswahl in seinem Heimatstaat Arkansas aktiv die amtierende Senatorin Blanche Lincoln.
London und die Wallstreet wollten Lincolns Wiederwahl verhindern, weil sie sich in einem entscheidenden Punkt gegen sie gestellt hat: Lincolns Derivatgesetz, das in das Finanzreformgesetz („Dodd-Gesetz“) aufgenommen wurde, soll die Geschäftsbanken zwingen, ihre Derivathandelsabteilungen auszulagern (obwohl Sen. Dodd sein möglichstes tat, um die Bestimmungen zu verwässern).
Der Milliardär, Hedgefonds-Manager und Drogenlegalisierer George Soros kanalisierte gewaltige Summen in die Wahlkampfkasse ihres Gegenkandidaten Bill Halter, was allgemein als Versuch der Wallstreet gewertet wurde, Lincoln und ihr Derivategesetz loszuwerden. Clintons erfolgreiche Intervention war motiviert durch seine Einsicht, daß das strategisch wichtige Derivathandelsverbot in dem Gesetz erhalten bleiben muß. Hätte Lincoln die Wahl verloren, wäre es der Wallstreet ein leichtes gewesen, bei den laufenden Verhandlungen des Vermittlungsausschusses die Streichung der Passage aus dem Gesetz zu erreichen. Nun ist der Ausgang offen.
Ein weiterer Bruch mit der opportunistischen Tradition des „mit dem Strom schwimmen“ war, daß die Präsidenten von drei der zwölf regionalen Federal-Reserve-Banken - Thomas Hoenig aus Kansas City, Richard Fisher aus Dallas (Texas) und James Bullard aus St. Louis (Missouri) - Lincoln öffentlich unterstützten. Fisher und Hoenig befürworteten am 10. Juni in Briefen an Lincoln ihr Derivateverbot und „die Wiederherstellung von Glass-Steagall-artigen Gesetzen zur Abtrennung von hochriskanten, oft zu sehr kreditfinanzierten Aktivitäten der Investmentbanken vom System der Geschäftsbanken“.
EIR erfuhr von einem gutinformierten Nachrichtendienstexperten, daß es „bei der Fed und sogar im Finanzministerium eine beträchtliche Zahl von Leuten gibt, die für eine Rückkehr zu Glass-Steagall sind“. Wenn bei den Verhandlungen zwischen Senat und Repräsentantenhaus im Vermittlungsausschuß kein Finanzreformgesetz „mit Biß“ herauskomme, „dann könnte die Gegenreaktion überwältigend sein“ und „Glass-Steagall könnte schneller eingeführt werden, als die meisten für möglich halten“. Die Regierung Obama und die Führungen der Demokraten und der Republikaner sähen nicht die „warnenden Anzeichen einer Französischen Revolution“ - sprich das, was Lyndon LaRouche als „Massenstreik“ bezeichnet.
Die jüngsten öffentlichen Angriffe auf Banken, die „zu groß zum Scheitern“ sind, mögen teilweise von der Furcht getrieben sein, daß die Wallstreet und London im Vermittlungsausschuß ihren Willen durchsetzen und Lincolns Derivateverbot sowie eine ernsthafte Erwägung der Rückkehr zu Glass-Steagall verhindern können. Aber einige vernünftigere Ökonomen machen sich auch schon gefaßt auf eine weitere schwere Finanzkrise, die bald eintreten dürfte.
Genau in diesem Sinne äußerte sich der frühere Chefökonom des IWF, Simon Johnson, in zwei Artikeln, die von Roubini Global Economics verbreitet wurden. Am 7. Juni berichtete Johnson ausführlich über eine Rede des Chefs der Federal-Reserve-Bank von Dallas, Fisher, an der Southwestern Graduate School of Banking. Fisher erklärte dort, die „zum Scheitern zu großen“ Institute müßten zerschlagen werden, sonst könnten noch so viele Vorschriften nichts bewirken. Er sagte u.a.:
„Die Aufsichtsbehörden machen bisher um diese größeren Institute einen Bogen. Trotz der Schäden, die sie angerichtet haben, hat man den gescheiterten Banken erlaubt, mit Unterstützung der Regierung weiterzumachen. Es sollte niemanden überraschen, daß sich diese Branche leider zu immer größeren Banken hin entwickelt und die finanziellen Ressourcen in immer weniger Händen konzentriert sind... Infolge dieser Politik der öffentlichen Hand wurden die großen Banken unzerstörbar. Große Banken, die hohe Risiken eingingen und untragbare Verluste machten, erhielten staatliche Unterstützung - weil sie ,zum Scheitern zu groß’ sind...
Das System ist nicht nur einseitig auf Größe, sondern auch auf hohe Risiken ausgerichtet... Wir wissen aus unserer Intuition und unserer Erfahrung, daß man es nicht zulassen wird, daß irgendein Finanzinstitut, das als ,zu groß zum Scheitern’ gilt, im herkömmlichen Sinne untergeht. Wenn ein solches Institut in Schwierigkeiten gerät, werden seine Gläubiger im Namen der Marktstabilität geschützt. Das Problem der ,zum Scheitern zu Großen’ wird noch verschärft, wenn Zentralbank und Bankenaufsicht es für zu riskant halten, die Aktionäre von Großbanken pleite gehen zu lassen, und diesen Schutz auch noch auf einfache Aktionäre ausweiten.“
Fisher sieht nur ein Mittel: Diese großen Institute müssen zerschlagen werden.
Im zweiten Artikel vom 10. Juni warnt Johnson, die Wallstreet wolle den Lincoln-Zusatz gegen den Derivatehandel aus dem Gesetzentwurf weghaben, und Präsident Obama und sein Team - angeführt von Wirtschaftsberater Larry Summers, der schon als Finanzminister der Regierung Clinton für die Aufhebung von Glass-Steagall verantwortlich zeichnete - marschierten im Takt der Megabanken. Er schreibt: „Wir werden in den kommenden Wochen eine Menge erfahren, nicht bloß über die künftige Stabilität unseres Finanzsystems, sondern auch darüber, wo unser Präsident wirklich steht.“
Wo Präsident Obama wirklich steht, das hat Lyndon LaRouche schon oft erklärt: Der Präsident sei eine britische Marionette und werde alles tun, um die Existenz des britischen Systems der Offshore-Finanzpiraterie zu erhalten und die Macht des Apparats der britischen Krone zu verteidigen. Und deshalb hätten die Vereinigten Staaten keine Überlebenschance, solange Barack Obama im Amt bleibe. Man müsse ihn mit den durch die Verfassung verfügbaren Mitteln zum Rücktritt zwingen, bevor uns der Juni-Juli-Kollaps trifft.
Der Ökonom Nouriel Roubini äußerte sich am 18. Mai in einem Interview mit TruthOut sogar noch offener als sein Kollege Johnson und reagierte damit indirekt auf LaRouches Forderung nach einer sofortigen Wiederinkraftsetzung von Glass-Steagall als unvermeidlichem ersten Schritt gegen die drohende Zerstörung. Roubini sagte:
„Wenn Banken zu groß sind, um sie scheitern zu lassen, dann werden höhere Kapitalreserven und eine Insolvenzverwaltung nicht ausreichen. Wenn sie zu groß zum Scheitern sind, dann sind sie einfach zu groß und sollten geteilt werden.
Wenn sie zu groß sind, um zu scheitern, dann werden sie auch zu groß, um sie zu retten, zu groß, um sie mit Hilfsgeldern zu stützen, und zu groß, um sie zu managen. Kein Vorstandschef kann die Aktivitäten Tausender Banker und Händler überwachen. Das ist die eine Dimension. Wir müssen mehr tun können als mit der Volcker-Regel, die im wesentlichen ein ,Glass-Steagall light’ ist. Wir müssen den Weg konsequent zuende gehen und Beschränkungen der Art einführen, wie sie unter Glass-Steagall zwischen Geschäftsbanken und Investmentbanken bestanden.“
Auf die Frage, warum er die Volcker-Regel kritisiere, antwortete Roubini: „Die Volcker-Regel geht in die richtige Richtung, aber das Modell des Finanz-Supermarktes - wo man innerhalb eines Instituts unter einem Dach Geschäftsbanking, Investmentbanking, Wertpapieremission, Marktmacher und -handel, Eigenhandel, Hedgefondsgeschäft, Aktienhandel, Vermögensverwaltung und Versicherungen findet - dieses Modell war meiner Meinung nach eine Katastrophe. Die Institute werden zu groß zum Scheitern und zu groß zum Managen.
Es schafft auch massive Interessenkonflikte. Wenn man sich die Verfahren gegen Goldman Sachs und Morgan Stanley betrachtet, bleibt da - einmal davon abgesehen, ob Betrug oder illegale Aktivitäten eine Rolle spielten, das müssen die Gerichte entscheiden - immer noch ein fundamentaler Interessenkonflikt. Diese Institute sind bei allen Geschäften immer auf beiden Seiten. Das ist ein inhärenter Interessenkonflikt, der sich durch ,chinesische Mauern’ [Trennung der Geschäftsfelder innerhalb eines Instituts] nicht ausräumen läßt.“
Diese Äußerungen einiger führender Ökonomen sind nützlich, und sie zeigen die Wirkung von LaRouches langjährigen Vorhersagen über den bevorstehenden Systemkollaps und die Maßnahmen, die notwendig sind, um ein neues finsteres Zeitalter zu verhindern, angefangen mit der Wiedereinführung von Glass-Steagall. Aber entschieden wird dieser Kampf auf einem anderen Schlachtfeld, und das ist von der Dynamik des wachsenden Massenstreiks bestimmt.
Ein klarer Beleg für diesen Faktor des Massenstreiks war die Debatte der Kandidaten zur Kongreßvorwahl der Demokratischen Partei in Massachusetts am 13. Juni (wir berichteten), wo die LaRouche-Demokratin Rachel Brown ihren Gegenkandidaten, den Vorsitzenden des Finanzdienstleistungsausschusses Barney Frank, persönlich zur Rede stellte und ihm vorwarf, er sabotiere die Wiederinkraftsetzung von Glass-Steagall. Unter „normalen“ Umständen hätte sich Frank niemals auf eine Debatte mit Brown eingelassen, erst recht nicht, nachdem sie ihn im vorigen Sommer bei einer Bürgerversammlung wegen seiner Unterstützung für Obamas menschenfeindliche Gesundheitsreform angeprangert hatte. Nun aber hat Frank Angst, daß ihn die Wähler nach dreißig Jahren wie schon so manch anderen amtierenden Abgeordneten nach Hause schicken könnten, weil sie wütend sind über die verräterische Washingtoner Politik und weil sie in Brown eine ernstzunehmende Alternative sehen.
Jeffrey Steinberg