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Neue Solidarität
Nr. 39, 23. September 2009

Produziert für die neue Weltwirtschaftsordnung!

Die BüSo interveniert mit dem folgenden Flugblatt in die Diskussion über die Zukunft des Automobilsektors und seiner Unternehmen.

Die Ankündigung der Übernahme Opels durch die Magna-Gruppe ist gekommen, aber es fehlt noch der schriftliche Vertrag - und die bittere Pille dabei ist der von Magna geplante Abbau von 10.000 Arbeitsplätzen, darunter 4000 in Deutschland. Das bedeutet die Ausdünnung von Arbeitsplätzen an allen Produktionsstätten, vermutlich sogar die Schließung einiger Standorte. Dies wollen die Opelaner nicht einfach schlucken, sondern fordern Alternativen, und deshalb findet am 23. September in Antwerpen, einem der von Schließung bedrohten Standorte, ein Zusammentreffen von Betriebsräten aller europäischen Opel-Werke statt. Die Opelaner wollen solidarisch sein, sich nicht gegeneinander ausspielen lassen, sie wollen für ihre Arbeitsplätze kämpfen, und das ist richtig so - aber mit welchen Waffen?

Die entscheidenden Waffen sind aber nicht Arrangements für Kurzarbeit und Abfindungen – die den Abbau nicht aufhalten, sondern nur verlangsamen – sondern neue Ideen. Denn nur mit Ideen wird es überhaupt gelingen, die wichtigste Voraussetzung für ein Überleben der Realwirtschaft in dieser Weltwirtschaftskrise zu schaffen, nämlich die grundsätzliche Reorganisation des Banken- und Kreditwesens, so daß die Produktion wieder angekurbelt werden kann, daß es Vollbeschäftigung gibt, daß die Kaufkraft wächst, daß der Staat die Steuereinnahmen bekommt, die er zur Sicherung des Gemeinwohls braucht.

Die Rolle des Staates ist hier entscheidend, denn nur so wird es zu einer Umorientierung der Banken und zu einem Investitionsrahmen für die Realwirtschaft kommen. Der Staat ist nicht als Geldgeber, wie derzeit für die laufenden Kosten der ungelösten Zukunft von Opel, sondern vielmehr als politischer Faktor gefragt.

Die Fraktion um Wirtschaftsminister Guttenberg, die in der „Planinsolvenz“ die angebliche Lösung für Opel sieht und wie der frühere Berliner Finanzsenator Sarrazin die Meinung vertritt, es gebe noch andere Autos auf dem Markt, deshalb brauche niemand einen Opel, muß politisch zurückgedrängt werden. Es ist außerdem ein Skandal, daß Sarrazins genauso einsparpolitisch orientierte Vorgängerin in Berlin, Annette Fugmann-Heesing, als Beraterin für die Stadt Rüsselsheim in ein Team berufen wurde, das von Gunter Tebbe geleitet wird - der hat für die radikal neoliberale Bertelsmann-Stiftung eine Studie über „Demokratie und Effizienz auf lokaler Ebene“ verfaßt. „Effizienz“ soll hier heißen, daß Kommunen, die wegen der schlechten Lage der bei ihr angesiedelten Unternehmen - wie Opel in Rüsselsheim - drastische Steuereinnahmeverluste und steigende Verschuldung haben, ebenso drastisch bei ihren kommunalen Leistungen einsparen.

Es muß jetzt ein Schlußstrich gegen die weitere Einflußnahme der Finanzspekulanten auf die Geschäftspolitik der Autobranche gezogen werden. Geschieht das nicht, droht zahlreichen Autoproduktionsstandorten das Aus, weil die Spekulanten eigene „Verschlankungspläne“ verfolgen, denen zufolge weltweit nach dem großen „Aussieben“ nur noch fünf oder sechs große Autoproduzenten übrigbleiben sollen, darunter einer in Deutschland. Man muß den Arbeitern, die heute demonstrieren, darüber reinen Wein einschenken und nicht, wie es leider die Politiker und Manager mehrheitlich bisher tun, von angeblichen „Kompromissen mit dem Markt“ reden, die wie im Falle GM letztendlich zum Totalbankrott führen werden.

Die Automobilindustrie als eine der führenden Anwendungsbranchen des Maschinenbaus besitzt das Potential, den Übergang in ein Verkehrssystem zu schaffen, das dem 21. Jahrhundert wirklich angemessen ist. Der wachsende Verkehr in den städtischen Ballungszentren stellt Herausforderungen, die längst nicht mehr mit dem Individualverkehr zu bewältigen sind. Gebraucht werden öffentliche, dicht vernetzte Verkehrssysteme, die rund um die Uhr große Volumen von Passagieren und Gütern transportieren können, ohne daß die Lebensumwelt durch Smog und Lärm belastet wird. Ohnehin setzen die bekannten Reservevorkommen an Erdöl enge Grenzen für eine fortgesetzte Anwendung der Treibstofftechnik auf Benzin- und Dieselbasis im Rahmen der Weltautoproduktion. Die direkte Fertigung von Automobilen, auch von künftigen Elektroautos, wird sich außerdem zunehmend auch in Ländern entwickeln, die bisher Autos aus Deutschland und Europa importierten. Was aber soll die deutsche Autoindustrie statt Autos im bisherigen Umfang herstellen, und wie kann die Beschäftigung in diesem Bereich gesichert und eines Tages sogar wieder ausgebaut werden?

Die Zukunft gehört Systemen auf Magnetantriebsbasis, die nach Umrüstung eines großen Teils der Automobilbranche gefertigt werden können. Auch werden für eine wirkliche Weltentwicklungspolitik, die an die Stelle der Globalisierung treten wird, riesige Mengen von LKWs, Baufahrzeugen, Landmaschinen und Traktoren gebraucht, deren erste Generation in den bisherigen Produktionsländern des Automobilbaus hergestellt werden kann, bis eine stabile Fertigung vor Ort in den Ländern des Entwicklungssektors errichtet ist.

Für die Fertigung einer solchen Vielfalt von Fahrzeugmodellen stellt der deutsche Maschinenbau die beste Grundlage dar, und Opel hat in seiner Firmengeschichte schon die verschiedensten Arten von Fahrzeugen hergestellt. Das Firmenzeichen könnte daher künftig auch auf Magnetzügen, Traktoren und Erntemaschinen, aber auch auf Weltraumfahrzeugen angebracht sein. Damit das möglich wird, müssen sich jedoch die Geschäftspolitik bei Opel und die entwicklungspolitische Strategie der Bundesregierung ändern, so daß ein verläßlicher Rahmen für die Umstellung der Fertigung geschaffen wird. Die Umrüstung auf eine zukunftsorientierte Produktion, wie sie sich jetzt mitten in der tiefsten Krise für den Automobilsektor anbietet, kann Modellcharakter bekommen für andere gefährdete klassische Industriezweige!

Rainer Apel

Lesen Sie hierzu bitte auch:
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