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Aus der Neuen Solidarität Nr. 3/2009 |
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Während die Regierungen noch versuchen, die bankrotten Banken mit Geldspritzen am Leben zu erhalten, wächst die Zahl derer, die eine Trennung des „Giftmülls“ von den normalen Bankaktivitäten sowie Untersuchungen der Vorgänge fordern, die die Katastrophe herbeigeführt haben.
Wenn die Regierungen - darunter auch die deutsche - weiterhin versuchen, alle Banken und Hedgefonds zu sanieren und alle privaten Finanzforderungen durch immer größere Summen von Steuergeldern zu honorieren, dann ist der noch dramatischere Kollaps der Realwirtschaft, eine Explosion der Hyperinflation in baldiger Zukunft und ein Absturz in ein finsteres Zeitalter gewiß. Die europäischen Nationen, und vor allem Deutschland, müssen eine ordentliche Konkursreorganisation unterstützen, die sich an der amerikanischen Konkursgesetzgebung orientiert. Die öffentlichen und kommerziellen Banken und die bei ihnen angelegten Guthaben müssen geschützt werden, während die Finanzinstitutionen und Anleger, die im mehr spekulativen Bereich engagiert sind, Verluste hinnehmen müssen, auch wenn ihnen das nicht gefällt.
Daß Berlin sich noch nicht zu dieser Erkenntnis durchringen konnte, wird an der jüngsten „Teilverstaatlichung“ der Commerzbank sichtbar, bei der die Regierung für zehn Milliarden Steuergelder aus dem Finanzmarkt-Stabilisierungsfonds SoFFin 25% der Commerzbank übernimmt, damit deren Übernahme der Dresdener Bank, die ihrerseits noch auf Giftpapieren in Milliardenhöhe sitzt, wie geplant durchgeführt werden kann. Zusätzlich will die Allianz ihre bisherige Tochter Dresdener mit einer stillen Einlage von 750 Millionen „aufhübschen“, so Der Spiegel, und verbriefte Wertpapiere der Dresdener für 1,1 Milliarden übernehmen und dafür zwei Milliarden bezahlen. Schon Ende 2008 hatte die Commerzbank Zusagen der SoFFin von 8.2 Milliarden und Kreditgarantien von 15 Milliarden erhalten - alles aus Steuergeldern, versteht sich.
Inzwischen sollen eine ganze Reihe weiterer Banken Anträge für solche Gelder gestellt haben. Trotzdem verschlechtert sich die Lage immer mehr, der Interbankmarkt stagniert, die Kreditversorgung des Mittelstandes schrumpft, der Kollaps der Realwirtschaft eskaliert, Exporte und Aufträge brechen ein.
Offensichtlich sind die „Instrumente“ aus dem tollen Instrumentenkasten, von dem Frau Merkel gesprochen hat, all die Rettungspakete, Stabilisierungsfonds und Konjunkturprogramme, völlig unwirksam.
Auf den Punkt brachten es hingegen der italienische Finanzminister Tremonti und der ehemalige französische Premierminister Rocard auf dem zweitägigen Kolloquium „Neue Welt, Neuer Kapitalismus“, das gerade in Paris stattgefunden hat und an dem u. a. Präsident Sarkozy, Merkel und Tony Blair teilgenommen haben. Tremonti verlangte die Trennung von gesunden Aktivitäten der Banken vom „Giftmüll“. Er verglich die Finanzkrise erneut mit einem Video-Spiel, bei dem sich einem immer neue Monster entgegenstellen, das größte - die Derivatkrise - aber noch bevorstehe. Die ausstehenden Derivatschulden betrügen 12,5 mal das gesamte GDP der Welt und müßten deshalb auf fünfzig Jahre eingefroren werden. Es sei unmöglich, diese ganzen faulen Privatschulden durch öffentliche Gelder zu finanzieren, wichtiger sei es, die Familien und Firmen zu retten. Auch für das Problem der Steuerparadiese hatte er eine Lösung, nämlich, daß die Beweispflicht für den Aufenthalt nicht beim Staat, sondern bei den Bürgern liegen solle. Und auch Michel Rocard sprach sich auf dem Kolloquium angesichts der Höhe der ausstehenden Schulden des Systems für eine ordentliche Konkursreorganisation aus.
Bundeskanzlerin Merkel hingegen scheint den Ernst der Lage immer noch nicht begriffen zu haben. Auch wenn es für sie, die noch im Januar 2007 betonte, mit ihr werde es keine „Staatsorgie von Reregulierung der Hedgefonds“ geben, ein Fortschritt ist, daß sie in ihrer Rede versicherte, sie werde in Zukunft nicht erlauben, daß die Akteure der Finanzmärkte die Politiker davon abhalten könnten, Regeln auf diesen Märkten durchzusetzen, so zeigt doch ihre Formulierung „in dem Moment, wo alles wieder besser läuft“, daß sie die Dimension der Krise immer noch völlig unterschätzt.
Wenn weiterhin der Versuch gemacht werden sollte, den Giftmüll im System in Billiardenhöhe (!) durch Steuergelder zu finanzieren, wird die Zusammenbruchskrise ihren Lauf nehmen, und Deutschland als Industrienation und vielleicht überhaupt als Nation nicht überleben.
In Großbritannien, dem internationalen Hauptquartier der Hedgefonds, einem Land mit einem Haushaltsdefizit von über 8% für 2009 und einem kollabierenden Pfund, hat die Bank von England die Zinsrate soeben auf das niedrigste Niveau seit 300 Jahren gesetzt, und wie der Daily Telegraph berichtet, erwägt Finanzminister Darling einen Notplan, um mehr Geld zu drucken. Die Bank von England soll einfach mehr Geld drucken, sogenanntes „quantitative easing“. George Osborne, der Schatten-Finanzminister der Tories, kommentierte: „Die einfache Tatsache, daß das Finanzministerium über die Möglichkeit spekuliert, mehr Geld zu drucken, zeigt, daß Gordon Brown Großbritannien an den Rand des Bankrotts geführt hat. Einfach mehr Geld zu drucken, ist der letzte Ausweg verzweifelter Regierungen, wenn alles andere fehlgeschlagen ist. Es ist nicht ausgeschlossen als letzte Maßnahme, um die Deflation zu bekämpfen, aber am Ende des Geld-Druckens besteht das Risiko, daß die Inflation außer Kontrolle gerät, und damit all die wirtschaftlichen Probleme, die die Inflation mit sich bringt.“
In ihrer Rede in Paris sagte Frau Merkel, es gäbe eben keinen anderen Weg, die Krise zu bekämpfen, als Schuldenberge aufzuhäufen. Im nächsten Satz betont sie, im Rahmen des Maastrichter Vertrages bleiben zu wollen. Das eine ist so katastrophal und unausführbar wie das andere.
Um so dringender ist die Berufung einer Untersuchungskommission, die an dem historischen Modell der Pecora-Kommission aus den USA der dreißiger Jahre orientiert ist, wie ich dies letzte Woche gefordert habe. Denn die Tatsache, daß die Förderung der Institution, die eigens für den Einstieg Deutschlands in den internationalen Verbriefungsmarkt geschaffen wurde - die True Sale International (TSI) -, 2005 in den Koalitionsvertrag der Großen Koalition aufgenommen wurde, dämpft natürlich die Hoffnung, daß die Regierung freiwillig zugibt, daß sie damit einen gigantischen Fehler gemacht hat. Auch wenn man sich die Gründer und Gesellschafter der TSI anschaut, zu denen Commerzbank, Deutsche Bank, Dresdener Bank, DZ Bank, HVB Group, KfW, Bayrische Landesbank, Citigroup, DekaBank, Eurohypo, HSH Nordbank, Landesbank Hessen- Thüringen und West LB gehören, dann wird die Verflechtung von Regierungspolitik und Finanzinstitutionen deutlich.
Aber mit der neuen US-Administration könnte sich der Wind schnell in diese Richtung drehen. Immerhin veröffentlichte die New York Times am 6. Januar einen Artikel von Ron Chernow mit der Überschrift „Wo ist unser Ferdinand Pecora?“, in dem Obama aufgefordert wird, eine breit angelegte Untersuchung über den Zusammenbruch der Finanzmärkte in Gang zu setzen und wie Pecora die Voraussetzung für die Behebung der Mißbräuche durch entsprechende Gesetze zu schaffen. Präsident Roosevelt hatte Pecora anschließend zum Vorstandsmitglied der Aufsichtsbehörde SEC gemacht. Chernow, der mit seinem Artikel auf den Appell von LaRouche reagiert, der inzwischen in mehreren Landtagen und im Kongreß debattiert wird, schrieb: „Die so sehr von unserer Finanzelite enttäuschte Bevölkerung sucht verzweifelt nach Antworten. Der neugewählte Kongreß hat nun die Chance bekommen, die Nation Schritt für Schritt durch all die Machenschaften hindurchzuführen, die zu dem derzeitigen Debakel geführt haben, um geeignete Gesetze zu verabschieden, die eine Wiederholung verhindern können.“
Pecora-Kommissionen werden heute in jedem westlichen Land benötigt, denn überall haben die Kreditaufsichtsbehörden von der BaFin bis zur SEC völlig versagt. Unter den Augen dieser Institutionen machten Firmen wie Worldcom, Enron, Parmalat, Madoff und der gerade entdeckte Joseph Forte ihre Geschäfte. In den USA gab es bereits erste Anhörungen des Ausschusses für Finanzdienstleistungen zu diesem Thema und über die Notwendigkeit des Umbaus dieser Behörden.
Zu den Folgewirkungen der Öffnung der Finanzmärkte für die Machenschaften des Raubtierkapitalismus gehört zweifellos auch der letztlich tragische Selbstmord des Unternehmers Adolf Merckle, dem einerseits von denen, die ihn kannten, die charakterlichen Eigenschaften eines für das Gemeinwohl sorgenden Mittelständlers nachgesagt werden, der aber offenbar den Versuchungen der Spekulation mit hohem Risiko nicht widerstehen konnte. Auch bleiben etliche Fragen über ein mögliches Zusammenspiel von Banken, Konkurrenten, Medienkampagnen und scheinheiligen Politikern.
Wenn Deutschland überleben soll, brauchen wir sofortige Maßnahmen, um die öffentlichen und kommerziellen Banken zu schützen, während die im Spekulationsgeschäft agierenden Banken die faulen Wertpapiere abschreiben und zur Not die Konsequenzen tragen müssen. Industrie, Landwirtschaft und öffentliche Versorgungsbetriebe müssen geschützt werden, und wir müssen zu der Art von Industriebanken zurückkehren, wie sie vor dem Paradigmawandel der Globalisierung normal waren. Die Rettungspakete für den Giftmüll von Spekulanten, die sich im großen Stil verzockt haben, müssen augenblicklich aufhören.
Dies ist eine Existenzfrage für die Nationen dieser Welt. Wenn diese skandalöse und ruinöse Politik nicht korrigiert wird, wird es bald nur noch „gescheiterte Staaten“ geben.
Lesen Sie hierzu bitte auch: Ist das ganze Weltfinanzsystem ein riesiger Madoff-Schwindel? - Neue Solidarität Nr. 1-2/2009 Deflation heute: Hyperinflation morgen! Weltweite Vertrauenskrise weitet sich aus - Neue Solidarität Nr. 52/2008 Finanzsystem in Auflösungspanik - Neue Solidarität Nr. 51/2008 „Soviel Geld gibt es im ganzen Universum nicht“ - Neue Solidarität Nr. 50/2008 Die Parasiten nicht länger tolerieren! - Neue Solidarität Nr. 48/2008 Der Monetarismus ist tot: Begrabt ihn, bevor er uns begräbt - Neue Solidarität Nr. 47/2008 Flucht in den Korporatismus? - Neue Solidarität Nr. 45/2008 Stellungnahmen und Reden der BüSo-Vorsitzenden - Internetseite der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo) |
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