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Aus der Neuen Solidarität Nr. 1/2009

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Ist das ganze Weltfinanzsystem
ein riesiger Madoff-Schwindel?

Von Helga Zepp-LaRouche

Nicht nur der frühere NASDAQ-Chef Madoff arbeitete offenbar mit betrügerischen Methoden, das ganze Weltfinanzsystem ist ein gigantisches „Ponzi-Schema“. Wir brauchen eine Untersuchung nach dem Vorbild der Pecora-Kommission, um diese Machenschaften abzustellen.

Die Unverfrorenheit, mit der die Finanzoligarchie und ihre Freunde in der Politik das Weltfinanzsystem als Selbstbedienungsladen betrachten, während gleichzeitig „Experten“, die bis vor kurzem von der Krise „noch völlig überrascht“ waren, drastische Zunahmen von Firmenpleiten, persönlichen Insolvenzen, Arbeitslosigkeit und Welthunger vorhersagen, ist schon erstaunlich. Die BüSo fordert daher umgehend eine Untersuchungskommission des Bundestags, die nach dem Vorbild der amerikanischen Pecora-Kommission der dreißiger Jahre die Schwindel untersuchen soll, die die größte Finanzkrise in der Geschichte ausgelöst haben. (Sehen Sie hierzu die Videodokumentation auf der Internetseite der BüSo, http://bueso.de/news/pecora-prozess-kann-finanzwelt-aufraumen).

Der Skandal um den Wall-Street-Financier Madoff, der beschuldigt wird, seine Kunden um 50 Milliarden (!) Dollar betrogen zu haben, und dann erstaunlicherweise wegen einer Bürgschaft von zehn Mio. Dollar seines „eigenen“ Geldes unter Hausarrest gestellt wurde, ist offensichtlich nur die Spitze des Eisbergs. Madoff, immerhin der ehemalige Chef der Technologiebörse NASDAQ, folgte dem bewährten Ponzi-Modell: Alte Investoren werden mit den Einlagen neuer Investoren bezahlt - bis die Kette bricht. Wenn Milliarden-Schwindler eine derartige Luxusbehandlung erhalten und die Regierungen allerorten wie selbstverständlich Steuergelder in unbegrenzten Mengen ausgeben, um die Verluste von Banken und Spekulanten auszugleichen, dann verschwindet das Vertrauen des arbeitenden (oder arbeitslosen) Teils der Bevölkerung in diese Regierungen vollends.

Mit dreimonatiger Verspätung gerade rechtzeitig zum Jahresende gab die „Tagesschau“ in ihrer Online-Version in ihrem Jahresrückblick bekannt, Deutschland habe im Herbst drei Wochen lang am Rande des finanziellen GAU gestanden, „ein paar Tage noch, und die Geldautomaten hätten keine Scheine mehr ausgespuckt.“ Die Wahrheit ist, daß nicht Deutschland, sondern das gesamte Weltfinanzsystem absolut und hoffnungslos bankrott ist. Und obwohl die westlichen Regierungen und Zentralbanken laut dem ehemaligen italienischen Finanzminister Siniscalco alleine 2008 rund 3000 Mrd. Euro mit immer neuen Rettungspaketen verpulvert haben - alles Steuergelder versteht sich -, wird die Krise im Finanzsektor immer schlimmer, und die Realwirtschaft stürzt weltweit ab. Drei Billionen - nur um die Proportion zu verdeutlichen -, das ist der doppelte Wert aller Privatisierungen der letzten 30 Jahre weltweit!

Josef Ackermann schlug Mitte Dezember beim sogenannten Konjunktur-Gipfel der Regierung die Schaffung einer „Bad Bank“ vor, weil die deutschen Banken immer noch durch wertlose Wertpapiere in dreistelliger Milliardenhöhe belastet würden. Wenn eine solche Auffanggesellschaft die Giftanlagen übernehmen würde, könne eine Abschreibungswelle (sprich Insolvenz, HZL) der Banken verhindert werden. Ins gleiche Horn stieß der Bundesverband deutscher Banken, der den staatlichen Rettungsfond Soffin aufforderte, die „kritischen Papiere“, die wie „tickende Zeitbomben“ seien, endlich aufzukaufen.

Schon 2003 „Bad Bank“ gefordert

Schon alleine die Dreistigkeit der Forderung, Steuergelder für die verzockten Verluste in solchen Dimensionen auszugeben, ist ungeheuerlich. Aber nun stellt sich heraus, daß Ackermann diesen Vorschlag bereits bei einem früheren Treffen im Kanzleramt gemacht hat, und zwar schon 2003, in Gegenwart von Schröder, Eichel und Clement, des damaligen KfW-Chefs Reich, Top-Bankern und Vertretern der Versicherungsbranche. Die Information über dieses Treffen sickerte an die Medien durch, und am 24.2. 2003 zitierte das Handelsblatt in einem Artikel mit der Überschrift „,Bad Bank’ sorgt für Aufregung“ einen Banker, mit der Bekanntmachung dieses Treffens und des Vorschlags sei der „deutschen Finanzindustrie ein Bärendienst erwiesen worden. Das sei eine massive Rufschädigung... Die Frankfurter Allgmeine Sonntagszeitung hatte berichtet, daß in der Bad Bank zunächst die Kreditrisiken von Dresdener Bank, Commerzbank, und Hypo-Vereinsbank gebündelt werden.“ Es handele sich dabei um rund 7 Mrd. Euro, hieß es weiter in dem Artikel.

Dieser  Artikel und die Aufregung über seine Veröffentlichung machen deutlich, daß allen Beteiligten die Risiken der Casino-Spekulation bewußt waren, und das es etwas zu verbergen gab. Er belegt auch, daß die ganze „Überraschung“ über die Finanzkrise zumindest teilweise geheuchelt ist und die „Verwunderung“ über die Machenschaften der bösen Zweckgesellschaften, von denen man nichts habe ahnen können, entweder auf den medizinisch höchst seltenen Fall von kollektivem Alzheimer schließen läßt, oder aber es wurde schlicht gelogen. Im besagten Artikel wurde jedenfalls berichtet, daß die KfW bereits seit 2000 mit der Auslagerung von Risiken durch das Verschieben auf Zweckgesellschaften, und zwar im Umfang von 28,7 Millionen, beschäftigt war.

Es heißt da weiter: „Bei der Kanzlerrunde, bei der auch KfW-Chef Hans W. Reich teilnahm, wurde nach Informationen des Handelsblatt unter anderem darüber gesprochen, wie die Verbriefung von Bankkrediten über die KfW rasch weiterentwickelt werden kann. Durch die Verbriefung können Kredite an Großanleger verkauft und gleichzeitig die Bankbilanzen entlastet werden. Künftig sollen offenbar mehr Banken in größeren Volumina die KfW-Verbriefungen in Anspruch nehmen.“

Die Bundesregierung setzte dann diverse kreditpolitische Gesetzesnovellierungen durch, darunter die sogenannte „True Sale International“ (TSI), deren ausdrückliches Ziel es war, bei dem gewinnträchtigen Verbriefungsmarkt auf internationaler Ebene mitspielen zu können. Das Kreditwesengesetz wurde 2004 von der rot-grünen Regierung geändert, um damit erstmalig den Verkauf von Krediten an Nicht-Banken, d.h. Hedgefonds, zuzulassen. Damit war der Anschluß an die internationale Konkurrenz geschafft.

Voraus gegangen war dem die Aufhebung des „Glass-Steagall Acts“ in den USA durch Präsident Clinton und seinen Finanzminister Rubin im Jahre 2000. Clinton hatte im September 1998 im Zusammenhang mit der drohenden LTCM-Pleite von der Notwendigkeit einer neuen Finanzarchitektur gesprochen und sich dadurch den Zorn der angloamerikanischen Finanzoligarchie zugezogen, und war daraufhin durch eine ausgeklügelte Kampagne unter Druck gekommen. Das von Präsident Franklin D. Roosevelt 1933 im Rahmen seines New Deal eingeführte Glass-Steagall-Gesetz hatte eine Brandmauer zwischen den Aktivitäten von Investmentbanken und kommerziellen  Banken errichtet, denen es verboten war, zu spekulieren.

Interessant ist, daß am 29. Dezember ausgerechnet im Daily Telegraph, einem der Sprachrohre der City of London, ein Artikel von Liam Halligan erschien, in dem dieser argumentierte, alle die Rettungspakte und sogar Verstaatlichungen der Banken hätten bisher nichts genützt, und nur die rückhaltlose Offenlegung des Umfangs des Giftmülls, dessen Abschreibung und eine juristische Ahndung der Verbrechen der Übeltäter könne das Problem lösen. Und dann, als wichtigstes, müsse der Glass-Steagall Act weltweit wieder eingeführt werden. Offensichtlich befinden sich einige Kreise in der City wirklich in Panik.

Derweil steigt die wunderbare Geldvermehrung für  Finanzoligarchie und Spekulanten auf Kosten der Steuerzahler in immer „schwindligere“ Höhen. Was sich dank dafür bezahlter Rating-Agenturen aus faulen Immobilienkrediten auf wundersame Weise in „Pakete“, Zertifikate, Derivate und hochprofitable „Wertpapiere“ verwandelte, wurde pausenlos restrukturiert, neugebündelt und unter neuem Namen verkauft. Und wenn die Sache in Europa für die Banken schief geht?  Macht nichts, dafür haben wir ja die EZB, die den Banken den Giftmüll liebend gern abnimmt.

So schrieb die FAZ am 26. Dezember in einem Artikel „Das Verbriefungsgeschäft läuft auf Hochtouren“, das Verbriefungsvolumen in Europa werde 2008 auf gut 500 Mrd. Euro ansteigen, und die schon erwähnte „True Sale International“ (TSI) in Deutschland würden einen hohen zweistelligen Milliardenbetrag an Risikotransfervolumen erreichen. Die Banken bezweckten damit, ihre Bilanzen und ihren Eigenkapitalbedarf zu entlasten. Neu hinzugekommen seien aber in diesem Jahr Verbriefungen mit dem Ziel, Pfänder für die Refinanzierungsgeschäfte mit der EZB zu schaffen. Dabei verkauft eine Bank zunächst Kredite an eine eigens dafür gegründete Zweckgesellschaft, diese verbrieft dieses Kreditportefeuille in ein „tranchiertes“ Wertpapier mit gestaffelten Verlustrisiken und Renditen. Dann kauft die Bank der Zweckgesellschaft alle Tranchen wieder ab. Und da es aufgrund der Krise derzeit keine Nachfrage für solche Papiere gibt, hinterlegt die Bank die oberste Tranche in einem Refinanzierungs-Geschäft bei der EZB als Pfand. Allerdings akzeptiert die EZB nur die höchste Tranche als Pfand, und nur dann, wenn eine Rating-Agentur dieser Tranche eine vorgegebene Mindestbonität attestiert hat.

Aber auch das ist kein Problem, wofür hat man schließlich Rating-Agenturen? So hat gerade die zweitgrößte italienische Bank, die „Intesa Sanpaolo“ hypothekarisch gesicherte Wertpapiere im Werte von erst 5,7 und dann 13 Mrd. Euro ausgegeben, die dann von einer Rating-Agentur mit AAA bewertet wurden und in der Folge bei der EZB als Pfand für „frisches“ Geld hinterlegt werden. Und falls es einigen bei diesen Zahlen schwindlig werden sollte und um die Proportion nicht zu verlieren: 13 Mrd. Euro beträgt der jährliche Schuldendienst, den Griechenland für seine Staatsverschuldung von 92% des BIP zahlen muß - ein Umstand, der nicht ohne Zusammenhang mit den seit Wochen stattfindenden Unruhen dort ist.

Laut ihren eigenen Statuten und Aussagen ist die EZB zwar kein „lender of last resort“, eine Aufgabe, die vor dem Maastrichter Vertrag die nationalen Zentralbanken hatten. Aber wenn man sich die Praktiken der EZB in den vergangenen Monaten anschaut, dann kann man sich des Eindrucks nicht verwehren, daß sich die EZB eher als „Mülleimer of last resort“ versteht. Die EZB fungiert derzeit als Kunstschneemaschine für das gigantische Schneeballsystem, bei dem die „players“ die Nutznießer, und die Bevölkerung, die unter dem Zusammenbruch der Realwirtschaft und baldiger Hyperinflation zu leiden hat, die Verlierer sind. Wo ist da eigentlich der qualitative Unterschied zu den Betrügereien von Madoff?

Erschreckender Realitätsverlust

Das erschreckendste an der ganzen Sache ist eigentlich der demonstrierte Realitätsverlust und die schon klinische Inkompetenz der Verantwortlichen, die doch in höchstem Masse unverantwortlich handeln. So stellte der stets gutgelaunte Herr Ackermann kurz vor der Pleite von Lehmann Brothers fest, daß das Gröbste überstanden sei. Und der ehemalige italienische Premierminister Prodi hat schon eine Pinocchio-Nase länger als die Autobahn von Nord- nach Süditalien, wenn er behauptet, niemand habe vorhergesehen, daß es zu einem so raschen und umfassenden Kollaps der Weltwirtschaft kommen würde, und daß protektionistische Maßnahmen zur Depression führten.

Die Anzeichen, daß wir uns mitten in einer Zusammenbruchskrise des gesamten Weltfinanz- und Wirtschaftssystems befinden, sind überwältigend. Trotzdem verhalten sich die Regierungen so, als könnte alles mit einem ordentlichen „Instrumentenkasten“, aus dem sich jedes Land das für es passende Instrument herausnimmt, wieder zusammengeschustert werden. Auftragsrückgänge in Schlüsselindustrien um 30%, Zusammenbruch des Welthandels, eine Vertrauenskrise weltweit? „Kein Problem, das managen wir schon mit unseren Instrumenten!“

Vielleicht hat die Realitätsferne in Berlin etwas mit schlechten Beratern von Bundeskanzlerin Merkel zu tun. Vielleicht damit, daß eine ganze Reihe von ehemaligen Ministern, Bundestagsabgeordneten und Parteipolitikern lukrative Posten bei Lehman Brothers, Citigroup, Merryll Lynch, MP Marketing Partner AG oder der Deutschen Bank übernommen haben.

Vielleicht hat es auch etwas damit zu tun, daß die Deutschen sich um den Preis der friedlichen Revolution von 1989 und der Wiedervereinigung Deutschlands betrogen fühlen, weil sie durch die geopolitische Manipulation des Maastrichter Vertrags, den Verlust der Währungshoheit und der D-Mark, die erzwungene Annahme des Euro und die Verlagerung der Regierung nach Brüssel das Gefühl entwickelt haben, daß man ja ohnehin nichts tun könne und sich besser an die bestehenden Machtverhältnisse anpassen sollte?

Was auch immer die Summe aller Gründe sein mag: Wir brauchen eine an der Pecora-Kommission orientierte Untersuchungskommission des Bundestags, wie es zu diesem Desaster des Finanzkollaps kommen konnte, wer die Schuldigen sind, und wir brauchen die Durchsetzung von klaren Prinzipien der physischen Realwirtschaft, damit es nie mehr zu solchen Fehlentwicklungen kommen kann. Damit das geschieht, muß die BüSo so schnell wie möglich in den Bundestag. Das beste, was die Bürger für ihre eigene Zukunft tun können, ist uns dabei zu helfen.

Und wenn die USA unter der neuen Administration gemeinsam mit Rußland, China und Indien ein Neues Bretton-Woods-System auf die Tagesordnung setzt, dann muß Deutschland zusammen mit den anderen europäischen Nationen Teil dieser neuen Finanz- und Wirtschaftsordnung in der Tradition von Roosevelt werden.

Lesen Sie hierzu bitte auch:
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Stellungnahmen und Reden der BüSo-Vorsitzenden
- Internetseite der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo)

 

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