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Aus der Neuen Solidarität Nr. 45/2007

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Nein zum Betrug des Europäischen Vertrags!

Der Vorsitzende der französischen Partei Solidarité et Progrès, Jacques Cheminade, gab am 29. Oktober 2007 die folgende Erklärung heraus.

Der vereinfachte europäische Vertrag, der am 18. und 19. Oktober in Lissabon ausgehandelt wurde, ist ein politischer Betrug. Auf dem Wege einer parlamentarischen Ratifizierung sollen die Franzosen (und anderen Europäer) schlucken, was sie mit dem Referendum vom 29. Mai 2005 klar abgelehnt hatten. Somit ist dieser Vertrag nicht nur ein Mittel, jede anders ausgerichtete Politik - z.B. für ein Europa der Vaterländer und der Infrastrukturprojekte - zu blockieren, sondern auch, die nationale Souveränität nach dem Maastrichter Vertrag und dem „Stabilitätspakt“ noch weiter zu schwächen.

Wenn dieser Vertrag angenommen wird, bedeutete das, daß die Politik der Eurasischen Landbrücke praktisch unmöglich wird, denn er bekräftigt das Verbot jeglicher öffentlichen produktiven Kreditvergabe und staatlicher Abgaben oder Anleihen für eine gezielte Politik großer Infrastrukturprojekte. Schon der entsprechende Plan von Jacques Delors scheiterte an der mangelnden Finanzierung. Die Frage heute lautet, ob das reine Geldgeschäft, kurzfristiger Profit und die unsoziale Sparpolitik der Europäischen Zentralbank sich gegen eine Politik der Investitionsgüter und der industriellen Produktion durchsetzen sollen. Wir führen eine politische Kampagne gegen diesen Vertrag - aber nicht nur gegen das, was er vorschreibt, sondern auch für das, was er untersagen will.

Entscheidung von 2005 mit Füßen getreten

Alle Europa-Experten erklären einhellig, daß die meisten Neuerungen aus der Verfassung in den neuen Text übernommen wurden. So meinte der Hauptautor der Verfassung, der frühere französische Präsident Valéry Giscard d’Estaing, der Lissaboner Text enthalte 95% dessen, was schon in der Verfassung stand. Auf Initiative von Bundeskanzlerin Angela Merkel und mit Unterstützung von Präsident Nicolas Sarkozy wurden die Bestimmungen von 2005 in den Text von 2007, den aktuellen Unionsvertrag und den Vertrag von Rom Artikel für Artikel übernommen. Man nennt den 256 Seiten langen neuen Text nur „Reformvertrag“ statt „Verfassung“.

Das Wort „Verfassung“ und seine Symbole werden also beerdigt, europäische Flagge, Hymne oder Euro nicht mehr erwähnt, um glauben zu machen, die Franzosen und andere hätten erreicht, daß das Verfassungsprojekt aufgegeben wurde. Aber der gesamte Inhalt von 2005 mit seinen schlimmsten Bestimmungen bleibt! Hier ein Überblick über die problematischsten Teile des Plans:

Eine nicht zu akzeptierende Methode

Die Methoden, mit denen dieses Monstrum den Bürgern aufgezwungen werden soll, sind ebenso unannehmbar wie sein Inhalt. Der Text wurde von Experten zusammengebraut, fern jeder öffentlichen, seriösen Debatte in der Bevölkerung, und das ausdrücklich unter der Anweisung, sich sehr zu beeilen und alles so zu formulieren, daß man Referenden vermeiden kann. Allein das enthüllt schon die wahre Natur des Vertrags: Es handelt sich um eine Waffe gegen die Bevölkerung und gegen die Nationen. „Das Problem bei der Angelegenheit ist, daß das Vermeiden von Referenden Teil des Prozesses war, der darauf abzielt, den Bürger zu täuschen“, schrieb die portugiesische Tageszeitung Publico ganz offen.

Sarkozy will uns glauben machen, er habe die Gefahren ausgeräumt und sei auf gewisse Besorgnisse der Verfassungsgegner eingegangen. Aber wie wir gesehen haben, kommt der freie und unverfälschte Wettbewerb, nachdem man ihn zur Vordertür herausgewiesen hatte, durch die Hintertür wieder zurück, und die EZB behält nicht nur alle ihre schädlichen Machtbefugnisse, sie werden auch noch gefestigt.

Um die Frage der EZB wird in Frankreich ein Eiertanz vollführt. Als Ségolène Royal (die Sarkozy unterlegene Präsidentschaftskandidatin der Sozialisten) gegen die Politik der EZB protestierte, begonnen François Hollande und andere „Elefanten“ aus der Parteispitze sofort laut zu trompeten. Die Sozialistische Partei redet um den heißen Brei herum und bringt keine kohärente Opposition zustande. Einige aus dem sozialistischen Lager, wie Pierre Mauroy, Pierre Moscovici, Bertrand Delanoé und Bernard Reignant, haben für den Vertrag Stellung bezogen und sich damit auf eine Ebene mit den infamen Kouchners und Jouyets (Überläufer vom sozialistischen Lager zu Sarkozy) begeben. So hieß es auch in einem gemeinsamen Artikel von ihnen am 24. Oktober in Libération: „Die Entscheidung des Präsidenten der Republik, die Verantwortung für die französische Politik zwei Männern anzuvertrauen, die nicht aus seinem politischen Lager kommen, war zweifelsohne wichtig für die Annahme des neuen [Europa]Vertrags am 19. Oktober.“

Was die übrigen Sozialisten betrifft: sie glauben, das wichtigste sei nun, abzuwarten. Sie meinen, Sarkozy werde nach den Kommunalwahlen seine drakonische Sparpolitik beginnen, kurz vor Frankreichs Übernahme der EU-Präsidentschaft am 1. Juli nächsten Jahres. Dann, ja dann werde der Moment kommen, zu mobilisieren - wenn alles zu spät ist.

Bis dahin rufen sie zur Enthaltung auf - außer Jean-Luc Mélanchon, der zwar meine Partei Solidarité et Progrès aus Gründen der Kastenzugehörigkeit nicht mag, der aber in der Frage des Reformvertrags mehr Mut als seine Parteikollegen hat. Der Europaabgeordnete Henri Weber verkörpert die Stimmung dieser amputierten Linken gut, wenn er laut ausruft: „Laßt es uns wie Mitterrand machen!“ - gemeint ist François Mitterrands Aufruf zur Stimmenthaltung bei dem Referendum 1972 zum Eintritt Großbritanniens in die Europäische Gemeinschaft. Das ist sehr bezeichnend, denn es war diese Mitterrandsche Zurückhaltung, die es in Verbindung mit Präsident Pompidous Opportunismus Großbritannien ermöglichte, Europa zu ruinieren, indem es den Kontinent dazu brachte, sich selbstzerstörerische finanzielle Prioritäten zu setzen, während es sich selbst das Vorrecht nahm, dabei nicht mitzumachen.

Es sollte klar sein, daß man zu dieser lichtscheuen Heuchelei „nein“ sagen muß! Dabei ist diese Heuchelei heute noch schlimmer als 1972, weil wir uns mittlerweile in einer existentiellen Krise der Menschheit befinden. Vor allem muß man die Alternative aufzeigen, ohne die das Neinsagen keinen Sinn hat: ein Europa der Vaterländer und der Großprojekte, gegen die erpresserischen Mächte des Finanzfaschismus, ein Europa, in dem nicht das Geld das Sagen hat, sondern eine Politik der Infrastrukturprojekte, der verstärkten Zusammenarbeit und der hohen kulturellen Zielsetzungen. Das hat eine eurasische Dimension, vom Atlantik bis zum Chinesischen Meer, ohne die der europäische Raum nicht vollständig wäre. Um dieses Ziel zu erreichen, muß der Sperriegel von Maastricht gesprengt werden. Wir sagen es, wieder und wieder, wir zeigen, welche Politik des Finanzkrachs Herr werden kann. Ohne sie ist alles andere, auch der Reformvertrag, bedeutungslos.

Jacques Cheminade

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Internetseite von Jacques Cheminade
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Internetseite der Solidarité et Progrès
- in französischer Sprache

 

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