|
|
|
| Kernthemen | Suchen | Abonnieren | Leserforum |
|
Aus der Neuen Solidarität Nr. 27/2007 |
|
|
|
Der Präsident der mit der LaRouche-Bewegung verbundenen französischen Partei Solidarité et Progrès, Jacques Cheminade, kommentierte am 23. Juni das beim EU-Gipfel ausgehandelte Abkommen, das an die Stelle der gescheiterten EU-Verfassung treten soll.
„Europa, Europa, Europa“, rief General de Gaulle, wenn er diejenigen, die ständig dieses Wort zitierten, ohne dabei zu denken, mit einer Herde junger Ziegen verglich. Heute hat sich Nicolas Sarkozy dieser Herde angeschlossen.
Tatsächlich ist es unserem Präsidenten als Gehilfen von Angela Merkel gelungen, in Brüssel einen Kompromiß über den „Vereinfachten europäischen Vertrag“ zu erreichen. Der Vertrag wird zwar nicht als „Verfassung“ bezeichnet, wie die, die am 29.5.2005 von den Franzosen abgelehnt worden war, aber er enthält die gleichen „institutionellen Neuerungen“: Eine permanente Präsidentschaft des Europäischen Rats für zweieinhalb Jahre, die - wenn auch vorsichtige - Ausweitung der Befugnisse des Europäischen Parlaments, eine begrenzte Zusammensetzung der Kommission, einen neuen Entscheidungsfindungsprozeß für den Ministerrat, Rechtspersönlichkeit für die EU, die bindende Kraft der Charta über die fundamentalen Rechte und die Ausweitung des qualifizierten Mehrheitsvotums. Und der künftige EU-Außenminister wird zwar nicht so genannt werden, sondern nur den Titel „Hoher Repräsentant“ führen, er wird aber die gleichen Aufgaben haben.
Der dritte Teil des Verfassungsvertrages, auf den sich die Ablehnung konzentriert hatte, wurde formell fallengelassen - aber nur in seiner konstitutionellen Form. Tatsächlich ist dieser dritte Teil bereits in den bestehenden Verträgen enthalten und kodifiziert. Diese Texte bleiben gültig, insbesondere das Verbot des produktiven Staatskredits, auch wenn sie nicht zum Verfassungsgrundsatz wurden.
Es gibt nur zwei Neuerungen in dem Vertrag. Auf die eine ist Nicolas Sarkozy sehr stolz: Der Bezug auf „freien und fairen Wettbewerb“ wurde aus den Zielen der EU gestrichen. Aber in der Praxis wird man ihn weiter anwenden, denn er bildet eine der Säulen, auf dem dieses Europa ruht, nachdem ihm seine Seele geraubt wurde: das Gesetz der Märkte.
Die zweite Änderung betrifft die Privilegien, die Großbritannien eingeräumt wurden. London nahm nur, was es wollte, und Paris und Berlin gehorchten. Nun läßt es die anderen auf dem Weg der lähmenden, vom Monetarismus beherrschten Integration voranschreiten. Herr Blair und Herr Brown haben nicht die Absicht, sich die Hände binden zu lassen, sei es durch den Euro, Fragen der inneren Sicherheit oder die Menschenrechtscharta: Was gut ist für den Kontinent, ist noch lange nicht gut für die City.
Außdem will Nikolas Sarkozy auch noch Tony Blair zum ersten Präsidenten Europas mit einer zweieinhalbjährigen Amtszeit machen. Das wäre eine Belohnung für den schlechtesten Schüler der Klasse und bezeugt die wahre Ergebenheit unseres Präsidenten.
Ebenso vielsagend wie die Privilegien, die Großbritannien erhielt, ist die Art und Weise, wie die Verhandlungen geführt wurden - so weit weg von den Augen und Ohren des Volkes, wie möglich. Nur ein kleiner Klüngel europäischer Regierungschefs wußte, in welchem Stadium die Verhandlungen waren, weil das Ergebnis ihrer Arbeit nicht durch eine Volksabstimmung genehmigt, sondern nur vom Parlament ratifiziert werden soll.
Am Ende steht praktisch das gleiche, was am 29. Mai 2005 schon einmal abgelehnt worden war, nur mit einem anderen Etikett und ohne Volksbefragung. Die gegenwärtigen Führer der Mitgliedsstaaten wollen das Risiko vermeiden, daß ihre Vereinbarung erneut von den Bürgern zunichte gemacht wird - was in Frankreich, Deutschland oder den Niederlanden mit Sicherheit der Fall wäre. Der Text soll bis Ende 2007 fertiggestellt sein und dann 2008 durch parlamentarische Prozeduren in den verschiedenen Ländern ratifiziert werden.
Jedenfalls hat man uns das immer wieder gesagt. Wir sollten reagieren, indem wir drei Verpflichtungen eingehen:
1) Wir müssen die Franzosen, die gegen die Verfassung gestimmt haben, fragen, warum sie ein Staatsoberhaupt wählten, das seine Absicht, einen vereinfachten Vertrag mit genau den Vorschriften, die abgelehnt worden waren, vorzulegen, nie verheimlichte. Was ist mit Ihrer kartesischen Logik geschehen?
2) Wir müssen gegen die Ratifizierung des „Mini-Vertrages“ und statt dessen für die Umsetzung eines großen Infrastrukturprojektes für Europa und Eurasien, vom Atlantik bis zum Chinesischen Meer kämpfen, auf der Grundlage großer, langfristiger und niedrig verzinster Kredite, ohne die es nicht möglich wäre, dieses Projekt durchzuführen.
3) Wir müssen den politischen Skandal um BAE Systems nutzen, um die Vorherrschaft der anglo-amerikanischen Finanzoligarchie zu bekämpfen und abzuschaffen und eine Strategie der gegenseitigen Entwicklung und des Friedens an deren Stelle zu setzen.
Das ist die Richtung unseres Handelns. Alles andere wäre eine Ablenkung von den wirklichen Fragen.
Jacques Cheminade
Lesen Sie hierzu bitte auch:
Merkel verspielt Europas Chancen - Neue Solidarität Nr. 27/2007 Vom Atlantik bis zum Chinesischen Meer - Neue Solidarität Nr. 25/2007 Das Spekulanten-Spektakel von Heiligendamm - Neue Solidarität Nr. 24/2007 Woran der G8-Gipfel gemessen werden wird - Neue Solidarität Nr. 23/2007 Kriegsgefahr im Golf wächst - Eurasische Landbrücke statt Krieg! - Neue Solidarität Nr. 22/2007 Frankreich hat eine Schlacht verloren, aber nicht den Krieg - Neue Solidarität Nr. 20/2007 Kein Polizeistaat in Frankreich! - Neue Solidarität Nr. 20/2007 Internetseite von Jacques Cheminade - in französischer Sprache Internetseite der Solidarité et Progrès - in französischer Sprache |
|
| Kernthemen | Suchen | Abonnieren | Leserforum |