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Aus der Neuen Solidarität Nr. 43/2007

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EADS: Skandal und „Insiesta“

Von Jacques Cheminade

Ein Kommentar des Vorsitzenden der LaRouche-Bewegung in Frankreich zum Skandal um den EADS-Airbus-Konzern.

Der Skandal um das europäische Luft- und Raumfahrtunternehmen EADS, der am 15. Oktober ausbrach, hat mit dem Skandal um die unter Gläubigerschutz gestellte Betreibergesellschaft des Eurotunnels einen wichtigen Aspekt gemeinsam: Wenn man eine Dienstleistung, die eigentlich Aufgabe der Öffentlichkeit ist, einer Kabale privater Interessen überträgt, können die Folgen wirtschaftlich und sozial nur verheerend sein.

Bei EADS sind diese katastrophalen Folgen eine Umstrukturierung mit bis zu 10.000 Entlassungen sowie ein Austausch der Spitze der staatlichen Bank CDC (Caisse des Dépots et des Consignations). Sie ist der große Verlierer in dieser ganzen Angelegenheit, was nun als Rechtfertigung dafür herhalten soll, die gewinnträchtigsten Bereiche der alteingesessenen Staatsbank der privaten Geldwirtschaft auszuhändigen, weil die angeblich „vernünftiger“ sei. So werden die Fehler, die der öffentliche Sektor unter dem Einfluß privater Interessen macht, zum Vorwand für noch mehr Privatisierungen!

Es ist aufschlußreich, sich die verschiedenen Phasen des Skandals noch einmal vor Augen zu führen:

1. Das deutsch-französische Abkommen 1999

Da die Deutschen damals die Einmischung des französischen Staats in die Unternehmensleitung nicht hinnehmen wollten, verlegte sich die französische Regierung darauf, ihrem Freund Jean-Luc Lagardère massive Vorteile zu verschaffen. So legten der französische Staat und Lagardère ihre Aktienanteile von jeweils 15% in der Holding Sogeade zusammen, die im EADS-Vorstand durch einen ihrer Vizepräsidenten vertreten ist - nämlich Jean-Luc Lagardère selbst. Auf diese Weise erhielt Lagardère, der von dem kleinen Unternehmen Matra kam, das Sagen in dem riesigen Staatskonzern Aérospatiale. Dies war die „Mutter“ all der Skandale, die noch folgen sollten.

2. Der Winter der Aktienoptionen: November 2005 bis März 2006

In den ersten Jahren des neuen Jahrtausends genehmigten sich die Manager und Direktoren von EADS Aktienoptionen des Unternehmens. (Das Anrecht, eine bestimmte Zahl von Aktien zu einem gegebenen Preis zu kaufen und sie nach Ablauf einer Frist zum aktuellen Börsenkurs wieder zu verkaufen; die Zahl der Optionen stieg dabei mit der Rangordnung im Konzern.)

Zweimal, im November 2005 und im März 2006, verkauften etwa 1200 Manager ihre Aktienoptionen mit einer gewaltigen Gewinnspanne von insgesamt 90 Mio. Euro, ohne daß sie auch nur einen Cent aus der eigenen Tasche aufwenden mußten.

Zwischen dem 8. und 24. März verkaufte auch der frühere EADS-Vizepräsident Noel Forgeard seine Aktienoptionen. Er machte damit einen Gewinn von 2,5 Mio. Euro für sich persönlich und weiteren 1,2 Mio. Euro, die er seinen Kindern überschrieb, um Steuern zu sparen.

Arnaud Lagardère, Jean-Lucs Erbe, meldete den Behörden am 8. März 2006, daß seine Gruppe die Hälfte ihrer EADS-Aktien, also 7,5% des Unternehmens, verkaufen wollte.

Der Verkauf fand am 4. April statt. Die Ixis Bank, eine Tochter der Sparkasse Caisse d’Epargne, wurde mit der Abwicklung beauftragt und überwies 32,60 Euro je Aktie.

Unmittelbar danach brach die EADS-Aktie ein, bis sie einen Tiefstand von 18 Euro erreichte (heute sind es 22,50 Euro). Die CDC mußte 190 Mio. Euro Verluste tragen, aber die Lagardère-Gruppe machte mehr als 700 Mio. Euro Gewinn. Kurz, indem sie die Aktien erwarb, verschaffte die staatliche CDC dem privaten Anleger Lagardère einen satten Profit!

3. Intervention der Finanzaufsicht 2007

Die französische Finanzaufsicht AMF ließ in dem Fall ermitteln, und die Aussagen der Hauptbeteiligten vor dem Senat und dem Finanzausschuß wurden vom Fernsehsender des Parlaments übertragen. Was vorher nur wenige tausend Eingeweihte wußten, gelangte an die breite Öffentlichkeit: Dem damaligen Finanzminister Thierry Breton wurde vorgeworfen, einen Privatanleger auf Kosten des Steuerzahlers bereichert zu haben.

Die Frage ist die: Wußten Breton und die CDC, daß die EADS-Tochter Airbus, die ihren A350 nicht loswurde, zu doppelt so hohen Kosten von etwa 10 Mrd. Euro den A350 XWB entwickeln mußte? Und wußten sie, daß sich bei der Auslieferung des A380 massive Verspätungen ergaben? Diese beiden Tatsachen, vor allem die letztere, lösten den Absturz der EADS-Aktie zwischen März und Juni 2006 aus.

Thierry Breton bestritt alles. Er behauptete, nicht gewußt zu haben, wie ernst die Lage bei EADS war, und von dem Verkauf von 2,25% Anteilen an die CDC habe er erst aus der Presse erfahren. Das nimmt man ihm nicht ab, vor allem weil er erst kürzlich einer Verurteilung wegen ähnlicher Vorwürfe um seinen früheren Posten beim Chemiekonzern Rhodia nur sehr knapp entgangen war. Dem ist noch hinzuzufügen, daß er während seiner Zeit als Chef der France Télécom zusammen mit Jean-René Fourtou in der sog. Nagra-Affäre wegen widerrechtlicher Absprachen im Zusammenhang mit dem Mobilfunkstandard GSM angeklagt wurde.

Drei Tatsachen im Fall EADS sprechen Bände. Erstens erhielt der Minister am 20. Januar 2006 eine Nachricht der Behörde für Staatsbeteiligungen APE (Agence des Participations de l’Etat) mit der Empfehlung, einen Teil der 15% Staatsanteile an EADS zu verkaufen, weil mit einem Fallen der Aktie zu rechnen sei. Dann sandte Lagardère am 21. Februar 2006 ein vertrauliches Memorandum an das Büro des Premierministers, worin er mitteilt, daß er den Aktienverkauf vorbereitete und daß die CDC einer der potentiellen Käufer war. Was schließlich die CDC betrifft, war damals allen Eingeweihten klar, daß sie die Aktien kaufen würde. Und der heutige Chef der CDC, Augustin de Romanet, war damals stellv. Generalsekretär des Elysée-Palasts und verfolgte die Lage bei EADS sehr genau. Somit ist Bretons Behauptung „Der Staat hat sich nichts zuschulden kommen lassen“, sehr gewagt.

Das ist der Stand der Dinge. Der Fall vergiftet die deutsch-französischen Beziehungen (nicht zuletzt wegen der Rivalitäten zwischen Daimler und Lagardère) und wirft ein schlechtes Licht auf die ganze Luft- und Raumfahrtindustrie.

Wenn dies als Gelegenheit ergriffen wird, die Dinge zu berichtigen und den Staat wieder in seine Verantwortung zu setzen, würden wir das sehr begrüßen.

Leider sieht es nicht danach aus. Der Staat als Mehrheitsinhaber von Sogeade hat Arnaud Lagardère den Vorsitz überlassen. Die „insiesta“ - Inzest zwischen Finanzwelt und Politik während einer strategischen Siesta - geht weiter. Zwar heißt es, Präsident Sarkozy ärgere sich jetzt über den Mann, den er neulich noch „seinen Bruder“ nannte. Aber selbst wenn man eine Spielfigur opfert (Arnaud Lagardère befaßt sich ohnehin viel mehr mit Sport und Medien), wäre im Grundsatz nichts geklärt. Die Finanzoligarchie schweigt und wartet ab. Schließlich soll, wie wir eingangs schon betonten, der von oben angeordnete Fehler der CDC als Vorwand dienen, einen alten Traum der Ultraliberalen zu verwirklichen, nämlich die profitabelsten Geschäftsbereiche der alteingesessenen Staatsbank an sich zu reißen.

Zu denken gibt, daß es ausgerechnet der Figaro war, der den Skandal publik machte: Die Zeitung gehört der Familie Dassault, deren Luftfahrtunternehmen in Konkurrenz zu EADS steht. Das wirft die Frage auf: Wird diese „Siesta der Vernunft“ Monster gebären? Das ist der Boden, auf dem zu dieser späten Stunde der Geschichte die politische Schlacht um die Macht und die öffentlichen Dienste geschlagen wird. Wir werden kämpfen. Die Welt steht vor der unmittelbaren Gefahr eines Finanzzusammenbruchs und eines Krieges im Iran. Es ist höchste Zeit, daß wir wieder angemessen ernsthaft und souverän handeln.

Lesen Sie hierzu bitte auch:
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