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Aus der Neuen Solidarität Nr. 22/2007 |
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Von Helga Zepp-LaRouche
Wie ABCNews.com am 22. Mai berichtete, hat Präsident Bush die CIA beauftragt, verdeckte Operationen gegen den Iran auszuführen, die einen Sturz der Regierung zum Ziel haben sollen. Der Auftrag schließt Propagandakampagnen zur Desinformation, Manipulation der iranischen Währung, Rekrutierung von Regimekritikern und internationale Finanztransaktionen mit ein. Federführend für diese Operation, die einer Kriegserklärung gleichkommt, soll Elliot Abrams sein, der 1991 wegen Informationsverweigerung gegenüber dem Kongreß in der Iran-Contra-Affaire verurteilt und später von Präsident Bush senior begnadigt worden ist.
Gleichzeitig durchquerten zwei amerikanische Flugzeugträger mit ihren Begleitschiffen und insgesamt 17.000 Marinesoldaten die Strasse von Hormus, ohne daß der Iran vorher darüber informiert worden wäre. Im Irak bereiten Aufständische immer mehr Hinterhalte vor, mit dem Ziel, möglichst blutige Massaker gegen amerikanische und irakische Soldaten zu inszenieren, um die öffentliche Meinung in den USA gegen eine Fortsetzung des Krieges zu beeinflussen; eine Kalkulation, die sehr leicht zum Bumerang werden und den Vorwand für Militärschläge gegen den Iran liefern könnte. Das Pulverfaß steht bereit: es fehlt nur noch das sprichwörtliche Streichholz, das gezündet werden muß, und die Welt gleitet ab in einen globalen asymmetrischen Krieg.
Der amerikanische Blogger und Japanexperte Steve Clemons berichtet auf seiner Webseite The Washington Note, Vizepräsident Cheney sei angeblich dabei, Präsident Bushs Politik, nur auf Regimewechsel durch verdeckte Operationen und Diplomatie zu setzen, zu umgehen und doch die Voraussetzungen für einen Militärschlag gegen den Iran zu schaffen. Wenn sich diese Information bestätigt, könnte sich die Frage eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Cheney plötzlich dramatisch zuspitzen.
An einer anderen Front, aber nicht ohne inneren Zusammenhang mit den Entwicklungen im Golf, verkündete der russische Erste Stellvertretende Premierminister, Sergei Iwanow, auf einer Pressekonferenz, daß Moskau ein Moratorium über den CFE-Vertrag (Vertrag über die Reduzierung der konventionellen Truppen in Europa) verhängt habe. Diese Entscheidung ist vor allem eine Reaktion auf die Provokation des Westens, quasi direkt an der russischen Grenze US-Raketenabwehrsysteme zu installieren. Denn in Rußland glaubt niemand die seltsame Begründung, diese Systeme seien gerade in Polen und Tschechien nötig, um Raketen aus Nordkorea und dem Iran abzuwehren. Sehr wohl aber sieht man die Gefahr, daß diese Raketensilos sehr leicht umgerüstet und mit atomaren Raketen bestückt werden können, deren Flugzeit bis Moskau dann drei Minuten dauerte.
Aus diesem Grund hat Präsident Putin den Vergleich zur Stationierung der Pershing II im Jahre 1983 in Deutschland gezogen. Ungeachtet dessen testeten die USA am Freitag das System, das in Osteuropa aufgestellt werden soll, mit einer in Alaska abgeschossenen Rakete, die kurze Zeit später durch eine von Kalifornien aufsteigenden Abwehrrakete zerstört werden sollte. Es sollte also niemanden wundern, wenn der Chef des US- Kanada-Instituts, Rogow, warnte, die strategische Partnerschaft zwischen Washington und Moskau sei gescheitert und man stehe vor einem neuen Kalten Krieg.
Iwanow erklärte auf der genannten Pressekonferenz weiter, Rußland werde keine ausländischen Beobachter mehr auf seinem Territorium zulassen, ausländischen Regierungen Truppenbewegungen nicht mehr ankündigen und Anfang Juli um Moskau herum ein Luftabwehrsystem auf der Basis modernster S-400-Boden-Luft-Raketen installieren. Moskau droht mit der völligen Aufkündigung des CFE-Vertrages, falls die NATO-Mitgliedstaaten ihn nicht selber ratifizieren.
Im Westen findet seit Monaten eine koordinierte, eskalierende Kampagne gegen Präsident Putin statt, an der sich neokonservative Politiker, Medien, NGOs und Denkfabriken beteiligen. Putin wird dabei als Diktator verunglimpft, der Journalisten ermorden ließe, die Demokratie in Rußland abschaffe etc. etc. In Wirklichkeit sind die Beteiligten dieser Kampagne aber über etwas ganz anderes erregt: nämlich die Tatsache, daß Putin damit begonnen hat, die russischen Interessen zu schützen, nachdem diese in den 90er Jahren vom Jelzin-Klan an westliche und östliche Oligarchen verscherbelt, das Volkseigentum zu Ausverkaufspreisen an westliche Konzerne verkauft und die berüchtigten Oligarchen über Nacht zu Milliardären wurden.
Es ist nun eingetreten, was vorher absehbar war: Die Osterweiterung der NATO hat die Sicherheit für ihre Mitgliedsstaaten nicht erhöht, sondern im Gegenteil unnötigerweise verschlechtert. Die systematische Ausgrenzung Rußlands bei gleichzeitiger Expansion der NATO in den Bereich des früheren Warschauer Paktes und der Einrichtung von Militärbasen in Zentralasien sowie Luftstützpunkten und Depots der amerikanischen Streitkräfte in Rumänien und Bulgarien wird von Moskau als das gesehen, was es ist: als Eindämmungs- und Einkreisungsstrategie, deren Angriffsziel letztendlich die Integrität des russischen Territoriums selber ist.
Während die Bevölkerung nicht nur in Osteuropa, sondern auch in Rußland nach 1989-91 große Erwartungen an den Westen hatte, hat die Erfahrung der 90er Jahre dazu geführt, daß die Stimmung sehr weitgehend umgeschlagen ist. Heute unterstützen circa 80 Prozent der Russen Präsident Putin. Und seit spätestens 2004 wird die EU keineswegs mehr als das harmlosere Vehikel für die Osterweiterung des Westens, sondern als Ausdruck der gleichen imperialen Politik gesehen. Dafür war nicht nur die Haltung der EU bezüglich der verschiedenen „farbigen Revolutionen” verantwortlich, sondern die ganze dahinterstehende Doktrin der humanitären Intervention und begrenzten Souveränität solcher EU-Ideologen wie Robert Cooper und seiner Theorie des „neuen liberalen Imperialismus”. Nicht nur die strategische Partnerschaft zwischen den USA und Rußland ist gescheitert, auch im Verhältnis Rußland-EU ist sehr viel Porzellan zerbrochen worden.
Um so bedauerlicher ist es, daß Bundeskanzlerin Merkel es bisher nicht verstanden hat, das Vermächtnis, das Gerhard Schröder ihr in Bezug auf das deutsch-russische Verhältnis hinterlassen hat, zu bewahren. Anstatt die deutsche EU-Präsidentschaft zu nutzen, um der Politik der EU deutsche Konturen zu verleihen, wurde sie in Sachen EU päpstlicher als der Papst. In Berlin heißt es nicht: „Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik”, sondern: „Brüssel umreißt die Ziele in der Außen- und Innenpolitik Deutschlands.”
Leider läßt die Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Merkel zum bevorstehenden G8-Gipfel wenig Hoffnung, daß man dort wirklich „Lösungen für die großen Herausforderungen der Menschheit” zustande bringen wird, wie sie angekündigt hat. Denn das wäre zuerst einmal die Garantie des Weltfriedens, was ohne eine Veränderung der Zusammensetzung der Regierung in Washington nicht möglich sein wird, und es wäre zweitens die Überwindung des drohenden Systemkrachs durch ein neues Finanzsystem, ein neues Bretton Woods - und nicht durch eine „größere Liberalisierung des Welthandels”, den „Abbau protektionistischer Hindernisse”, die „Bekämpfung von Produktfälschung und Piraterie” und „besseren Klimaschutz“. Die Globalisierung wird auch durch die besten PR-Tricks kein menschliches Gesicht erhalten, sondern sie muß abgeschafft und durch die Kooperation zwischen souveränen, am Gemeinwohl orientierten Staaten ersetzt werden.
So, wie die Konstellation der Kräfte in der Welt nun einmal ist, wird die nötige Initiative für die großen Herausforderungen der Menschheit weder von der EU noch von der G-8 kommen, die die EU plus Japan plus die USA plus Rußland beinhaltet. Eine Lösung wird nur möglich sein, wenn sich die vier stärksten Nationen, Rußland, China, Indien und ein verändertes Amerika auf der Basis der Tradition von Franklin Roosevelt auf eine neue, gerechte Weltwirtschaftsordnung einigen. Ein erster Schritt in dieser Richtung wurde von Rußland mit der jüngsten Konferenz über den Ausbau der Beringstraße als einem wesentlichen Teil der Eurasischen Landbrücke gemacht.
Eine Politik im deutschen Interesse muß sich auf diese programmatische Perspektive konzentrieren und vorbereiten, auch wenn sich dies im Augenblick noch schwer vorstellen läßt. Aber die mangelnde Realisierbarkeit der Agenda, die Frau Merkel in ihrer Regierungserklärung vorgestellt hat, wird sehr bald offensichtlich sein. Und für diese bald kommende Situation brauchen wir eine politische Perspektive, die auf die Partnerschaft mit dem wirklichen Amerika der Amerikanischen Revolution, Lincolns und Franklin Roosevelts gerichtet ist und das positive Verhältnis zwischen Deutschland und Rußland in der Tradition der Zusammenarbeit der Preußischen Reformer mit Rußland im Krieg gegen Napoleon, Bismarcks und in neuerer Zeit Schröders und Putins verteidigt und ausbaut. Derzeit ist die BüSo die einzige Partei, die eine solche Politik vertritt.
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