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Neue Solidarität
Nr. 49, 5. Dezember 2012

Ein neues Paradigma für das Überleben der Zivilisation

Angesichts der angespannten derzeitigen Weltlage veranstaltete das Schiller-Institut eine internationale Konferenz über den Ausweg aus dieser Krise.

Zu diesem Thema veranstaltete das Schiller-Institut am Wochenende des 24.-25. November eine kurzfristig anberaumte, zweitägige internationale Konferenz in Flörsheim, die von etwa 300 Teilnehmern aus 25 Ländern in Europa, Nahost und den USA besucht wurde und Lösungen für die derzeitigen Hauptkrisen diskutierte.

Dabei standen zuerst die sich verschärfenden globalen Spannungen vor allem in der Nahost/Golfregion im Mittelpunkt, die zu einem neuen Weltkrieg eskalieren können, der heutzutage mit dem totalen Einsatz atomarer Waffen einhergehen und die menschliche Zivilisation in einem globalen Feuersturm auslöschen würde; dann widmete sich die Konferenz der wirtschaftlichen Existenzkrise, in die uns die Politik der Globalisierung und der Rettungspakete für das bankrotte Finanzsystem geführt haben, und schließlich der kulturellen Krise, die zum großen Teil verantwortlich ist für das Denken, das die Welt in diese Krisen hineingeführt hat. Gleichzeitig wurden bei der Konferenz Alternativen zu dieser bankrotten Politik präsentiert, insbesondere in Form großer Aufbauprogramme für Afrika und den Nahen Osten und der Perspektiven der Weltraumforschung, wie z.B. das europäisch-russische Marsforschungsprogramm ExoMars.

Die gemeinsamen Ziele der Menschheit

Helga Zepp-LaRouche, die Vorsitzende des Schiller-Instituts, betonte in ihrer Eröffnungsrede die Wichtigkeit der Entwicklung der gesamten Nahost-Region über alle religiösen und ethnischen Konflikte hinweg. Nur die sofortige Perspektive für einen Marshallplan für die gesamte Region von Zentralasien bis zum Persischen Golf und von Afghanistan bis zum Mittelmeer könne eine höhere Ebene der Vernunft etablieren, die ein gemeinsames Überleben und eine Zukunft für alle ermöglicht. Nichts weniger als ein neuer Westfälischer Frieden sei jetzt notwendig. Sie zitierte aus einer Rede des früheren US-Botschafters Chas Freeman, die dieser auf einer Konferenz des Nationalen Rates für die amerikanisch-arabischen Beziehungen gehalten und der Konferenz des Schiller-Instituts als Diskussionsbeitrag zur Verfügung gestellt hatte und in der er - aus amerikanischer Sicht - das völlige Scheitern der Regimewechselpolitik detailliert nachwies.

Man müsse der globalen Kriegsgefahr dadurch begegnen, fuhr Frau Zepp-LaRouche fort, daß man sich auf die gemeinsamen Ziele der Menschheit konzentriert - wie dem Vorschlag des stellvertretenden russischen Premierministers Rogosin für eine gemeinsame russisch-amerikanische Raketenabwehr (Strategische Verteidigung der Erde, SDE) und gegen globale Bedrohungen wie den Einschlag von großen Asteroiden. Frau Zepp-LaRouche forderte weiterhin die Entwicklung und Errichtung wirksamer Frühwarnsysteme gegen Erdbeben, Vulkanausbrüche und extreme Wettersituationen wie jüngst den Jahrhundertsturm Sandy an der US-Ostküste. (Den Wortlaut ihrer Ausführungen finden Sie in dieser Ausgabe.)

Stimmen der Vernunft aus dem Nahen Osten

Der Botschafter der Islamischen Republik Iran in Deutschland, Ali Rheza Sheikh Attar, ging in seinem anschließenden Beitrag auf die Nahost-Region als geographische und kulturelle Verbindung zwischen den drei Kontinenten Asien, Europa und Afrika ein. Von der Zusammenarbeit der Völker und Menschen in dieser Schlüsselregion hänge auch das Wohlergehen aller anderen in diesen drei Kontinenten ab, sagte der Botschafter. Er stellte einige der wichtigsten großen Infrastrukturprojekte des Iran mit grenzüberschreitendem Nutzen vor, wie die Iran-Wasser-Route vom Kaspischen Meer zum Persischen Golf, die Eisenbahnverbindung vom nordöstlichen Iran über die Stadt Maschhad nach Zentralasien und eine Pipeline, die von Tadschikistan kommend durch Afghanistan in den Nordosten Irans mündet. Iran wende erhebliche Mittel auf, um diese Projekte zu verwirklichen.

Zu den Krisenherden sprachen weiterhin Bassam Tahhan (Syrien), derzeit Professor für arabische Zivilisation in Paris, sowie die Wissenschaftlerin Ghoncheh Tazmini (Iran), derzeit am Institut für Strategische Studien in Lissabon. Beide dokumentierten in ihren Reden die Irrationalität der westlichen Politik insbesondere gegenüber Syrien und dem Iran.

Ein Programm zur Überwindung dieser Konflikte und der wirtschaftlichen Zusammenbruchskrise durch zukunftsweisende, grenzüberschreitende Großprojekte zur Entwicklung der Infrastruktur, insbesondere für den Nahen Osten, Nordafrika, Zentralasien und den europäischen Mittelmeerraum, präsentierte Hussein Askary (Irak, Vorsitzender der Partei EAP in Schweden). Askary forderte statt der derzeitigen Politik der Kriege und der Regimewechsel „einen anderen Krieg, einen Krieg gegen die Wüste“, mit dem Ziel, sie Stück für Stück für die Vegetation zurückzuerobern und nutzbar zu machen, und beschrieb dann eine ganze Reihe von Projekten, die - z.T. schon länger - in den Schubladen liegen und verwirklicht werden könnten. Durch solche Projekte würde den Menschen aller Länder im Wüstengürtel zwischen der nordafrikanischen Atlantikküste und der saudischen Halbinsel bis nach Zentralasien eine konkrete Perspektive zur Verbesserung ihrer Lebensumstände geboten, was das beste Mittel ist gegen die ständige Fortsetzung und Eskalation der derzeitigen Konflikte.

Herausforderung und Chancen im Weltraum

Um einen anderen Raum, den es zu „erobern“ gilt, ging es im anschließenden Konferenzabschnitt, der sich mit der bemannten und unbemannten Raumfahrt befaßte. Die Raumfahrtexperten Didier Schmitt (Paris) und Antonio Güell (Toulouse) zeigten am Beispiel des europäisch-russischen Projekts ExoMars sowie der Anwendung von Satellitentechnologien für die medizinische Versorgung, welche technologischen Zukunftsperspektiven für die Menschheit existieren.

Ein besonderer Höhepunkt, der mit begeistertem Applaus belohnt wurde, war das Konzert am Samstagabend, bei dem ein Trio des Schubert-Zeitgenossen und -Freundes Ignaz Lachner, „Va pensiero“ aus Giuseppe Verdis Oper Nabucco sowie Chorstücke aus Beethovens Oper Fidelio zur Aufführung kamen.

Der frühere französische Präsidentschaftskandidat Jacques Cheminade eröffnete am Sonntagmorgen den zweiten Tag der Konferenz. Er wies auf die zweite große Bedrohung der Existenz der Menschheit hin - die sich beschleunigende Krise des westlichen Finanzsystems, insbesondere des Euro-Raums, mit den bedrohlichen politischen und sozialen Folgen. Er betonte die Notwendigkeit eines neuen Paradigmas der Politik, das die geopolitische Tradition beendet, die sich bis heute in der britisch-imperialen Rolle des Finanzplatzes London bei der Globalisierung und im monetaristischen Design der Politik des Euro findet. Der Versuch, den Euro mit diesen Methoden zu retten, beschleunige nur den Ruin und Zerfall Europas. Es gelte vielmehr, den Weg freizumachen für eine gerechte globale Wirtschaftsordnung, die nicht länger die fiktiven Forderungen der spekulativen Finanziers bedient, sondern endlich dem Menschen und dem wissenschaftlichen und wirtschaftlich-sozialen Fortschritt der Menschheit insgesamt dient. Die Trennung der Bankenfunktionen nach dem amerikanischen Glass-Steagall-Gesetz, das 1999 abgeschafft wurde, muß wieder durchgesetzt werden. Außerdem sind die Schaffung eines Systems von Produktivkrediten für die Realwirtschaft sowie die Ächtung von Kriegen jeder Art unverzichtbare Grundbausteine einer gerechteren Weltordnung.

Mit dieser Botschaft richtete sich im Anschluß auch der per Video zugeschaltete amerikanische Politiker Lyndon LaRouche eindringlich an die Konferenzteilnehmer. Er warnte vor der Gefahr eines thermonuklearen Krieges und sagte, Frieden und Entwicklung, einschließlich der Entwicklung der Wissenschaft, seien nicht einfach eine „Option“, sondern ein absolutes Muß, wenn die Menschheit überhaupt eine Zukunft haben will. (Den Wortlaut seiner Botschaft finden Sie in dieser Ausgabe.)

Projekte für Afrika

Auch die weiteren Sprecher der Konferenz am Sonntag stellten die Notwendigkeit von Entwicklung als einzige Alternative zur Lösung der strategischen Krise ins Zentrum ihrer Reden. Aiman Rsheed, Ingenieur aus Kairo, präsentierte das bahnbrechende Infrastrukturgroßprojekt „Africa Pass“, dessen Grundidee es ist, ausgehend von Sidi Barrani an der westägyptischen Mittelmeerküste Entwicklungskorridore nach Mogadischu/Somalia und Burundi/Zentralafrika sowie entlang der Mittelmeerküste nach Spanien und über das Rote Meer nach Saudi-Arabien zu schaffen, die einen erheblichen Teil der Warenströme aufnehmen könnten, die jetzt um das Kap der Guten Hoffnung transportiert werden. Entlang diesem Entwicklungskorridor sollen Siedlungsgebiete entstehen, die den größten Teil des zu erwartenden Bevölkerungszuwachses der kommenden Jahrzehnte - mindestens 200 Millionen Menschen - aufnehmen können. Entlang dieses Korridors sollen nicht nur Eisenbahn-, Straßen- und Kommunikationslinien entstehen, sondern auch ein Kanal, der Wasser aus dem wasserreichen Hochland im Osten des Kongo nach Norden in die Kattarasenke leitet, die zu schaffenden neuen Städte mit Wasser und elektrischem Strom versorgt und insbesondere in der Region um die Kattarasenke intensive Landwirtschaft ermöglicht.

Anschließend sprach der äthiopische Generalkonsul in Frankfurt, Mulugeta Zewdie Michael, über die Bedeutung des „Millenium-Damm“-Projekts, das die Kapazität haben wird, 6000 MW Strom zu erzeugen, für Äthiopien und die Region. Das Programm ist auch von Bedeutung für die stromabwärts liegenden Staaten, Sudan und Ägypten, um den regelmäßigen Überschwemmungen ein Ende zu setzen und eine Verschlammung der dortigen Stauseen zu vermeiden.

Michael Billington, Asienberater LaRouches, der auch eine Grußbotschaft des früheren IWF-Direktors für Japan, Daisuke Kotegawa, verlas, ging auf die historische Entwicklung Asiens vom Standpunkt der Eurasischen Landbrücke ein und beschrieb, wie die imperialen Kräfte (insbesondere Venedig und Großbritannien) seit Jahrhunderten versuchen, den wirtschaftlichen und kulturellen Austausch zwischen Europa und Asien, in dem sie eine Bedrohung ihrer imperialen Vorherrschaft sehen, durch politische Manipulationen und Kriege zu verhindern.

Europa braucht nationale Währungen

Der nächste Abschnitt der Konferenz befaßte sich mit dem Scheitern des Euro und den verheerenden sozialen Konsequenzen der EU-Politik. Redner aus Italien, Griechenland und Spanien sowie aus Deutschland berichteten über die sozialen Verheerungen, die die „Euro-Rettungspolitik“ der EU anrichtet, und begründeten, warum aus der Sicht ihres Landes die Rückkehr zur nationalen Währung notwendig ist. Zu diesem Thema sprachen Lorella Presotto von der italienischen Confederazione Civica Nazionale, Prof. Wilhelm Hankel, einer der Hauptkläger gegen den Euro, den EFSF und den ESM vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, Prof. Theodore Katsavenas, Ökonom und Autor eines neuen Bestsellers über die Rückkehr Griechenlands zur Drachme, und George Tsobanoglou von der Universität der Ägäis und der Internationalen Vereinigung der Soziologen aus Griechenland sowie der Journalist Daniel Estulin aus Spanien. Auch eine Grußbotschaft von Alfheidur Ingadottir, Abgeordnete im isländischen Nationalparlament, die sich für eine strikte Bankentrennung einsetzt, wurde verlesen.

Eine Diskussionsrunde zur Notwendigkeit einer kulturellen Renaissance, die von klassischen Musikpräsentationen begleitet wurde, beschloß die Konferenz. Liliana Gorini, Vorsitzende der MoviSol in Italien, Odile Mojon von der Solidarité et Progrès aus Frankreich sowie Katarzyna Kruczkowski und Stefan Tolksdorf von der Bürgerrechtsbewegung Solidarität in Deutschland diskutierten mit Helga Zepp-LaRouche über die Frage, wie die Welt aus ihrer jeweiligen Sicht in zehn Jahren aussehen sollte. Insbesondere Gorinis Beitrag, in dem sie anhand von Beispielen zeigte, wie die Jugendkultur geradezu zu einem Kult der Dummheit herabgesunken ist, den man anprangern und ersetzen müsse durch eine klassische Kultur, die die Menschen dazu bewegt, ihre kreativen Fähigkeiten zu entwickeln und anzuwenden, provozierte intensive Diskussionen - und Nachdenken, gerade unter den jüngeren Konferenzteilnehmern.

(In den kommenden Ausgaben werden wir die zahlreichen Konferenzbeiträge ausführlich dokumentieren.)

rap/alh