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Neue Solidarität
Nr. 19, 9. Mai 2012

Rußland droht mit Präventivschlag:
Warnschuß gegen NATO-Aufmarsch!

Von Helga Zepp-LaRouche

Auf den gigantischen Aufmarsch westlicher Nuklearstreitkräfte im Süden und Westen des Landes reagierte Rußlands Generalstabschef Makarow mit der offenen Drohung eines Präventivschlags gegen die amerikanischen Raketenabwehrstellungen in Osteuropa. Damit ist eine Demarkationslinie gezogen. Spätestens jetzt, wo es um die Existenz von uns allen geht, brauchen wir eine andere Strategie.

Die Äußerungen des russischen Generalstabschefs Nikolai Makarow während einer Sicherheitstagung der russischen Regierung am 3.-4. Mai in Moskau, den für Osteuropa geplanten Raketenabwehrschild der NATO notfalls durch einen „vorbeugenden Erstschlag“ zu zerstören, sind eine dramatische Warnung an die anglo-amerikanischen Kräfte des Britischen Empires, die meinen, Rußland und China durch eine Serie von Provokationen zur Aufgabe ihrer Souveränität und zur Unterwerfung unter dieses Empire bewegen zu können. Sie sind aber auch eine Warnung an die Völker Europas, sich nicht in die Geiselhaft der Osterweiterungs- und Einkreisungsstrategie der NATO nehmen und damit zur Zielscheibe in einem drohenden Krieg machen zu lassen, der angesichts der Gesamtweltlage der dritte Weltkrieg sein könnte.

General Makarow machte unmißverständlich klar, daß die Entscheidung für einen solchen Präventivschlag nötig werden könne, um der Illusion entgegenzuwirken, daß der Versuch, das strategische Atomwaffenarsenal Rußlands auszuschalten, straffrei bleiben könnte. Die Verhandlungen zwischen Rußland und der NATO seien in einer Sackgasse gelandet, und der Plan der NATO, auf dem bevorstehenden NATO-Gipfel am 20. Mai in Chicago die erste Phase dieses Raketenabwehrsystems zu aktivieren, verdeutliche die Absicht, ungeachtet der russischen Gegenargumente mit der Installation des Schirmes fortzufahren.

Die Konferenzveranstalter demonstrierten den rund 200 Teilnehmern der Konferenz aus 50 Ländern mit Hilfe von Computeranimationen, warum Rußland durch die Plazierung des Raketenabwehrsystems direkt an seiner Grenze seine nukleare Zweitschlagkapazität gefährdet sieht. Die Schlußfolgerung aus dieser Stationierung ist offensichtlich.

Es gibt zudem keine einzige vernünftige Erklärung, warum der Schirm in Polen, Tschechien und Rumänien aufgestellt werden soll, wenn es angeblich um die Abwehr von Raketen aus dem Iran geht, ebenso wenig wie für die Weigerung seitens der USA und der NATO, das Angebot Rußlands für eine gemeinsame Raketenabwehr in Aserbaidschan oder im Süden Rußlands in relativer Nähe zum Iran anzunehmen. Die USA und die NATO haben zudem bisher eine ganze Reihe von russischen Vorschlägen für gemeinsame Verteidigungsstrategien abgelehnt.

Die Androhung eines präventiven Schlages gegen das US-Raketenabwehrsystem in Osteuropa muß zudem in direktem Zusammenhang mit dem gewaltigen Militäraufmarsch der USA, Großbritanniens, Kanadas und weiterer Länder im Golf, im Arabischen Meer, im östlichen Mittelmeer und im Indischen Ozean gesehen werden, der in seinem Umfang in gar keinem Verhältnis zu potentiellen Militäraktionen gegen Syrien und den Iran gesehen werden kann. Rußland ist die einzige den USA ebenbürtige Supermacht, was das strategische Nuklearpotential betrifft, und die russische Militärführung hat genau dieses Selbstverständnis. Die Botschaft lautet deshalb für jeden, der sie hören möchte: Rußland wird auf jede Bedrohung seiner existentiellen Sicherheitsinteressen mit geeigneten Gegenmaßnahmen reagieren, notfalls auch mit einem weiteren patriotischen Krieg - Kapitulation ausgeschlossen.

Die westlichen Ideologen der Empire-Fraktion, die offensichtlich glauben, daß Rußland mit dem Untergang der Sowjetunion seine nachrichtendienstlichen Fähigkeiten verloren habe, leben offensichtlich in der Phantasiewelt.

Die politische und militärische Führung Rußlands hat offensichtlich ihre Schlüsse gezogen aus 22 Jahren einer nur kurzfristig durch die Clinton-Jahre unterbrochenen Politik des „Regimewechsels“ für alle Regierungen, die sich dem anglo-amerikanisch dominierten Empire - sprich: Globalisierung - widersetzen. Der Angriffskrieg gegen Libyen unter Umgehung des Washingtoner Kongresses, die bestialische Ermordung Gaddafis unter der völligen Mißachtung der Genfer Konventionen, die relative Verzögerung der militärischen Operationen gegen Syrien und den Iran aufgrund des Widerstandes vor allem des amerikanischen Militärs - glauben diese Ideologen wirklich, daß Rußland nicht längst verstanden hat, daß das gigantische Militäraufgebot in der Region Teil des gesamtstrategischen Kriegstheaters ist, dessen wirkliche, letztendliche Zielscheiben Rußland, China und ihre Verbündeten sind?

Netanjahus Schachzug

Und nun hat der israelische Premierminister Netanjahu vorgezogene Wahlen für den 4. September angemeldet, damit er, wie die israelischen Medien berichten, freie Bahn hat, um sich in der Periode September-Oktober dem „iranischen Problem“ zu widmen. Der renommierte Kommentator Amnon Abramovich betonte im israelischen Fernsehen, Netanjahu werde in dieser Zeit eine Übergangsregierung anführen, die den Wählern nicht länger verantwortlich sein wird, und dann „wäre er frei für Entscheidungen, die von vielen Israelis nicht mitgetragen würden“. Im selben Zeitraum nähere sich auch der amerikanische Wahlkampf seiner Endphase, und Obama werde „es nicht wagen, Israel zu kritisieren“, so Abramovich. Von Netanjahus Standpunkt aus seien die „Bedingungen fantastisch“. Eine Übergangsregierung dürfe laut Gesetz keine dramatischen Entscheidungen fällen, außer, wie der Verteidigungsminister Barak soeben in einem Interview erklärt habe, unter „außergewöhnlichen Umständen“. Und Barak weiter: „Der Moment der Wahrheit steht bevor.“

Fast das gesamte ehemalige und gegenwärtige sicherheitspolitische Establishment Israels hat sich gegen eine Militäroperation Israels gegen den Iran ausgesprochen. Der amerikanische Generalstabschef Dempsey warnte soeben, die USA sollten sich nicht in eine „thukydische Falle“ locken lassen - also eine Situation, wo die wachsende Angst vor dem Gegner den Krieg unvermeidlich mache. Bekanntermaßen war der Peloponnesische Krieg der Beginn des Untergangs des antiken Griechenlands. Trotzdem bildet die Region des Nahen und Mittleren Ostens ein Pulverfaß, bei dem der kleinste Anlaß, die kleinste Provokation, der kleinste Fehler die große Explosion auslösen kann, und zwar schon jetzt, nicht erst ab September.

Das offensichtliche Problem ist die enorme Konzentration von Kriegsgerät im Persischen Golf, der Arabischen See, im östlichen Mittelmeer, das im Falle eines Krieges in der Region zum Einsatz käme, vor allem die amerikanischen U-Boote der Ohio-Klasse, die in einem Krieg gegen Rußland und China mit strategischen seegestützten Raketen mit nuklearen Sprengköpfen zum Einsatz kämen. Im Falle der militärischen Konfrontation müssen diese militärischen Verbände nicht erst wie im Fall des Irak-Kriegs über Monate hin in Stellung gebracht werden, sondern sie sind schon vor Ort. Wird im Falle eines militärischen Vorfalls der Befehl zum Einsatz der Nuklearwaffen gegeben, dann muß und wird das Militär diesen Befehl umgehend ausführen, mag die militärische Führung auch noch so sehr gegen den Einsatz militärischer Mittel sein. Es wäre vollkommen unrealistisch anzunehmen, daß es im Ernstfall zu einer Verweigerung dieses Befehls, also Meuterei, kommen könnte.

Das Wissen um diesen Umstand, der im tatsächlichen Kriegsfall zum Einsatz des gesamten thermonuklearen Potentials und damit der Auslöschung der menschlichen Gattung führen könnte, ist amerikanischen wie russischen Militärs absolut bewußt. Das ist der Hintergrund für General Makarows vielleicht für einige überraschende Ankündigung eines möglichen Präventivschlages gegen das amerikanische Raketenabwehrsystem in Polen, Tschechien und Rumänien. Und man sollte nicht vergessen, daß sich das Hauptquartier dieses Raketenabwehrsystems im deutschen Ramstein befindet.

Kein „gutes Geschäft“

Der russische Vizepremier und ehemalige Botschafter bei der NATO, Dimitrij Rogosin, warnte schon vor einer Weile, die NATO operiere immer noch nach den Prinzipien des früheren NATO-Generalsekretärs Lord Ismay: „Amerika muß drin sein, Deutschland drunter, und Rußland draußen.“ In der Praxis bedeute dies, daß die Länder, die glauben, sie machten ein gutes Geschäft, einem Irrtum unterlägen. Die Rumänen dächten vielleicht, sie spielten eine wichtige Rolle bei der Raketenabwehr, aber in Wirklichkeit dürfte der rumänische Kommandant der dortigen Basis höchstens deren Vorraum betreten. Das ganze Abkommen des Raketenabwehrsystems bedeutet lediglich, daß die Europäer Geiseln und Zielscheiben für einen Gegenschlag geworden sind, ohne daß sie auch nur Zugang zu den amerikanischen Technologien hätten.

Genau dies ist mit den Erklärungen von General Makarow zumindest einigen in den betroffenen Staaten ins Bewußtsein gelangt. Der stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im polnischen Sejm, Tadeusz Iwinski, erklärte gegenüber Russia Today, die Möglichkeit eines Präventivschlages gegen Polen sei der „größte anzunehmende Unfall“, der GAU. In der Tat.

Bisher haben sich die europäischen Regierungen, einschließlich der deutschen, in keiner Weise von der Einrichtung des amerikanischen Raketenabwehrsystems in Europa distanziert, obwohl kein Zweifel daran bestehen konnte, daß es sich dabei um eine aggressive Einkreisungsstrategie der NATO gegenüber Rußland handelt. Diese Regierungen sorgen sich offensichtlich mehr um ihr Image unter den NATO-Verbündeten und um ihre vermeintlichen wirtschaftlichen Privilegien, die mit dieser Allianz in der Welt der Globalisierung verbunden sind, als um das Leben und Wohlergehen der Bevölkerung, die sie eigentlich vertreten sollen.

Mit den Erklärungen General Makarows über einen möglichen Präventivschlag gegen das Raketenabwehrsystem ist eine rote Linie gezogen. Der nationale Selbstmord kann nicht der Beweis für Bündnistreue sein. Es ist durchaus denkbar, daß einige Regierungschefs, die bisher akkurat auf „Parteilinie“ der NATO-Allianz operiert haben, einfach nicht mitbekommen haben, woran sie beteiligt waren. Spätestens jetzt, wo es um die Existenz von uns allen geht, brauchen wir eine andere Strategie.

Das Angebot der SDE

Rußland hat wiederholt eine Zusammenarbeit bei der strategischen Verteidigung der Erde, der SDE, angeboten. Es gibt reale Gefahren, die die menschliche Gattung als ganze bedrohen, wie zum Beispiel das mögliche Auftreffen von Asteroiden auf unserem Planeten, wie es in der Vergangenheit zur Auslöschung eines Großteils aller Gattungen von Lebewesen geführt hat. Es gibt des weiteren die Gefahr, daß wir aufgrund ideologischer Verblendung nicht rechtzeitig die qualitativ neuen Durchbrüche im Bereich der Entdeckung wissenschaftlicher universeller Prinzipien machen, von denen unsere fortgesetzte Existenz abhängt. Falls wir intelligenter als die Dinosaurier sein wollen, müssen wir uns gemeinsam auf diese Fragen konzentrieren. Sonst werden wir ihr Schicksal teilen.

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