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Neue Solidarität
Nr. 14, 7. April 2010

Wiederaufbau nach dem Kollaps - Deutschlands Potential für das 21. Jahrhundert

Von Helga Zepp-LaRouche

Die folgende Rede hielt Helga Zepp-LaRouche am 20. März als Einleitung der industriepolitischen Konferenz der Bürgerrechtsbewegung Solidarität in Bad Salzuflen. Die Zwischenüberschriften wurden von der Redaktion hinzugefügt.

Ich werde aus aktuellem Anlaß zunächst mal über die Lage in Amerika sprechen, weil diese Entwicklung, die im Augenblick dort stattfindet, die Entwicklung in Deutschland und in ganz Europa maßgeblich beeinflussen wird.

Wir haben im Augenblick einen Phasenwechsel, der darin besteht, daß Präsident Obama wie wild herumrennt, von einem Kongreßabgeordneten und Senator zum anderen, und sie befragt, ob sie etwa die Ideen von LaRouche vertreten. Und zwar geht es darum, daß Obama morgen, am Sonntag [dem 21. März, d. Red.], versuchen wird, das Gesundheitsgesetz durch den Kongreß abstimmen zu lassen, und er hat nicht die nötigen Stimmen dafür.

Nun muß ich dazu sagen, daß in Europa und insbesondere in Deutschland die Idee, um was es sich bei diesem Gesundheitsgesetz handelt, vollkommen mißverstanden ist, weil die Medien so tun, als würde der gutherzige  Präsident Obama endlich versuchen, für 30 Millionen arme Amerikaner, die keine Krankenversicherung haben, eine solche zu besorgen. Aber in Wirklichkeit geht es um etwas ganz anderes.

Es geht darum, daß die Verschuldung der USA eine Dimension angenommen hat, die nicht haltbar ist, und man jetzt versucht, durch brutalste Sparpolitik eine faschistische Politik durchzusetzen. Es geht wirklich nicht um das Gesundheitsgesetz - die sogenannte „Public Option“ ist längst vom Tisch -, sondern es geht eigentlich darum, die Gesamtkosten für die Gesundheit um 30% (!) zu kürzen. Das Vorbild für diese Politik ist eben das britische Modell „NICE“, was wiederum auf dem Tiergarten 4-Gesundheitskonzept beruht, was wir in Deutschland vor 70 Jahren hatten, was priorisiert: bestimmte Kategorien von Personen werden noch behandelt, und ganz junge Kinder und ganz alte Leute eben nicht, und darum geht es. Und was nützt es, wenn man gezwungen wird, unter Strafandrohung eine private Krankenversicherung zu kaufen, aber die Zahl der Krankenhäuser und Praxen und die Versorgung insgesamt um 30% gekürzt wird? Die einzigen Nutznießer sind die Versicherungen und Pharmakonzerne.

Aber ich werde davon gleich noch mehr sprechen.

Obama betrachtet Lyndon LaRouche als das wichtigste Hindernis bei der Durchsetzung dieser Politik. Aber das ist natürlich nicht wahr, sondern  es gibt im Augenblick einen Massenstreik-Prozeß in Amerika, der beispiellos ist. Nachdem die Medien in Europa dies lange Zeit ignoriert haben, ist die Situation so dramatisch zugespitzt, das das nicht mehr geht.

„Legislativer Amoklauf“

Gestern [19. 3.] hat die Süddeutsche Zeitung einen ganz bemerkenswerten Artikel gehabt mit der Überschrift „Legislativer Amoklauf“, wo sie ausführen, daß der amerikanische Präsident zwar das Recht hat, den Befehl für den Abwurf von Atombomben zu geben, aber nicht das Recht, daheim mit derart explosiven Mitteln zu operieren; daß er jetzt versucht, weil er nicht die Stimmen zusammenhat für das Gesundheitsgesetz, über die Hintertreppe praktisch nur über ein Sammelsurium von Zusatzanträgen abzustimmen zu lassen und damit praktisch das Gesetz doch durchzukriegen. Die Süddeutsche Zeitung schreibt dann, daß diese Herangehensweise von Obama eine Bankrotterklärung seiner Politik ist, weil er damit in Washington den politischen Bürgerkrieg hineinbringt und Washington zu einem Bürgerkriegsgebiet macht.

Ebenfalls gestern schrieb Libération, daß es bei diesem Gesundheitsgesetz überhaupt nicht um die Gesundheit geht, sondern daß die Präsidentschaft von Obama auf dem Spiel steht, weil er sich in einem absoluten Dilemma befindet, denn wenn er das Gesetz mit allen Mitteln durchpauken kann, dann wird die Demokratische Partei zerstört, weil die Bevölkerung dieses Gesetz haßt, und wenn er es nicht durchkriegt, dann ist er ab sofort eine frühe lahme Ente.

Es ist sowieso nicht nachzuvollziehen, warum plötzlich diese Eile existiert, weil dieses Gesetz sowieso erst, selbst wenn es durchkäme, 2014 in Kraft treten würde. Es geht also um etwas ganz anderes. Es geht um die Durchsetzung einer faschistischen Sparpolitik. Obama, das haben Sie vielleicht auch hier - trotz der Medien - mitbekommen, hat täglich neue Minusrekorde, was seine Popularität angeht, und spätestens seit dem 2. März, als Kesha Rogers in Texas im 22. Distrikt die Vorwahl gewonnen hat, mit 53% der Stimmen gegen ihre beiden Opponenten, die jeweils nur 20% oder 25% bekommen haben, ist dieser Erdrutsch im Gang, und noch verstärkt, seit mein Ehemann Lyndon LaRouche am 13. März diesen Erdbeben-Webcast gemacht hat, in dem er das sofortige Impeachment-Verfahren gegen Präsident Obama gefordert hat als einem der wesentlichsten Hinderungsgründe, warum die USA nicht auf einen vernünftigen Kurs gebracht werden können. Und das ist eben eine sich sehr schnell verbreitende Information.

Was Obama im Augenblick macht - und das ist der Grund, warum die Süddeutsche Zeitung, die ja bekanntermaßen atlantisch orientiert ist, solche Begriffe benutzt -, ist, daß Obama persönlich und sein Stab Kongreßabgeordnete aufsuchen, z.B. Dennis Kucinich, der Kongreßabgeordnete aus Ohio, der ein starker Gegner war, weil dieses Gesetz nicht mehr die „Public Option“ hat, d.h. nicht mehr die Nichtversicherten in eine staatliche Krankenversicherung einbeziehen soll, und hat ihn dann in die Airforce One, also das Präsidentenflugzeug, zitiert und ihn bearbeitet. Und dann kam Kucinich aus dem Flugzeug heraus und erklärte, er werde sofort dem Gesetz zustimmen, weil die Präsidentschaft auf dem Spiel steht. Er hat dann eine Pressekonferenz gegeben, wo er mitgeteilt hat, daß er die Unterstützungsgelder seiner Anhänger zurückgibt, weil sie ihn unterstützt haben, damit er das Gesetz ablehnt.

Wirtschaftskrise und Massenstreik

Was ist der Hintergrund dieser ungewöhnlichen, außergewöhnlichen Situation?

Seit 32 Monaten ist die Systemkrise im vollen Gang. In Amerika haben mindestens fünf Millionen Leute ihre Häuser verloren durch Zwangsversteigerungen. Die reale Arbeitslosigkeit in Amerika ist 30%, also nicht die offiziellen 10%, sondern in Wirklichkeit 30%, wenn man alle Kategorien zusammenzählt. Bei der afroamerikanischen Jugend sind es sogar 70% Arbeitslose. 49 Staaten von 50 sind pleite. Die Gemeinden haben massive Einbrüche an Steueraufkommen. Sie müssen Sozialprogramme streichen. Die Zeltstädte wachsen. Insgesamt wurden seit Beginn der Krise durch die sogenannte Immobilienkrise 23 Billionen Dollar an Geldern in das System gepumpt - 23.000 Milliarden Dollar. Während die Manager sich Milliarden-Boni in die Taschen steckten, sollen jetzt die Gesundheitsausgaben um 30 % gekürzt werden, und die Bevölkerung macht da nicht mehr mit, weil nicht einzusehen ist, daß Rettungspakete durch Steuerzahlergelder in einer Höhe von 23 Billionen Dollar gezahlt werden, während die Kosten auf den Lebensstandard der Bevölkerung abgewälzt werden sollen.

Deshalb haben wir seit August letzten Jahres in Amerika einen Massenstreik-Prozeß. Ein Massenstreik ist nicht etwas, was man ausrufen kann, sondern ein Massenstreik-Prozeß ist der Zustand, der eintritt, wenn die Bevölkerung jegliches Vertrauen in die Regierung verloren hat. Das äußerte sich im August in der Form von sogenannten Town-Meetings, wo täglich 15.000 Leute ihre Kongreßabgeordneten zu Rede stellten.

Das wurde fortgesetzt durch die massiven Wahlniederlagen der Demokraten in Virginia, wo sie den Gouverneursposten verloren, New Jersey, dann der Senatorensitz von Kennedy in Massachusetts, und dann eben, wie gesagt, am 2. März die Wahl von Kesha Rogers, die ihre Kampagne ausdrücklich mit der Forderung des sofortigen Amtsenthebungsverfahren von Präsident Obama machte, und daß das NASA-Programm nicht gestrichen werden darf, was Obama gerade angeordnet hatte.

Warum Impeachment?

Warum fordern Lyndon LaRouche und inzwischen eine ganze Reihe weiterer Leute das Impeachment von Obama?

Die USA stehen vor der Desintegration, und es sollte jedem klar sein, daß das, wenn Amerika abstürzt durch Staatsbankrott und soziales Chaos, nicht ohne Wirkung bleiben würde auf Europa, und natürlich nicht auf den Rest der Welt.

Senator Alan Specter hat gerade in einem Interview gegenüber NBC-TV gesagt, daß die Stimmung in der amerikanischen Bevölkerung vergleichbar sei mit einem Hurrikan, einem Tsunami oder einem Vulkanausbruch. Die Bevölkerung sei wütend, und er hätte persönlich die Furcht, daß Amerika unregierbar würde.

Soeben ist in der März-Ausgabe von Foreign Affairs, dem strategischen Magazin, ein Artikel erschienen von Niall Ferguson, „Empires am Rande des Chaos“, wo er praktisch sagt, daß der imperiale Kollaps der USA viel schneller kommen wird, als viele Historiker sich das vorstellen können, wenn nämlich die Kombination von Haushaltsdefizit und militärischer Überdehnung zusammentreffe; daß so ein Kollaps schon oftmals in der Geschichte eingetreten ist, und was die USA heute beträfe, wäre ein plötzliches katastrophales Versagen und die Möglichkeit abrupter, unerwarteter Kollapse; das sollte die Hauptsorge der Politiker und der Bürger sein. Und das hätte eben massive Implikationen für die amerikanische Außenpolitik, wenn ein Großteil des Haushalts für die Zahlung von Zinsen geleistet wird, daß dann natürlich die Kürzungen im Militärbereich das Naheliegendste sind. Niederlagen am Hindukusch und in Mesopotamien seien schon oftmals die Vorboten von imperialen Zusammenbrüchen gewesen, und er verweist dann auf die Sowjetunion 1989, die eben auch in Afghanistan diese Überdehnung hatte. Niall Ferguson ist übrigens Autor der bewußten Verdrehung, das amerikanische Empire hätte das britische abgelöst.

Das heißt, diese Lage in Amerika hat offensichtlich auch dramatische Implikationen für Europa und die gesamte internationale strategische Situation. Was dadurch verdeutlicht wird, ist, daß das globale Finanzsystem hoffnungslos bankrott ist, jenseits aller Reparaturmöglichkeiten. Das System ist schon kollabiert. Und der einzige Grund, warum man es nicht so sieht, ist, daß die Investoren, die Leute, die über die letzten Jahre in Hochrisikogeschäften spekuliert haben, diese Werte behalten wollen und gewissermaßen hysterisch an dieser Situation festhalten. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, wann dieser Bankrott dieses Systems sichtbar wird.

Lage in Europa nicht besser

Wir sitzen in einem Kartenhaus, das jederzeit zusammenstürzen kann. In Europa ist die Situation nicht viel besser. Wenn Sie ’mal die Fülle der Schlagzeilen alleine aus der letzten Woche betrachten, die ungeheuerlich sind für das, was ein normaler Mensch gewohnt war, z.B. „Eurozone in der Zerreiß-Probe“, an Staatspleiten solle man sich besser gewöhnen, die hätte es schon immer gegeben, und es gebe auch ein Leben nach der Staatspleite. Inflation: Wie lernen wir zu leben mit der Inflation?

Natürlich ist der Hauptfokus in den Medien die Krise in Griechenland, wo eine wirkliche Kampagne gemacht wurde, Griechenland hätte über seine Verhältnisse gelebt. Nun stellt sich aber heraus: Als Griechenland der Eurozone beigetreten ist, war es niemand anders als Goldman Sachs, die die Bücher manipuliert und damit den Eintritt Griechenlands überhaupt ermöglicht haben. Jetzt stellt sich heraus, daß es beim Bankrott von Lehman Brothers im September 2008 niemand anderes war als die britische Firma Ernst & Young und Linklaters, die dort die Bücher jedes Quartal um 5 Mrd.$ durch sogenannte Reprokredite in London nach unten geschönt haben, also die Verschuldung nach unten verschönt haben. Wie ich schon vor einem guten Jahr geschrieben habe, als der Madoff-Skandal bekannt wurde, daß nämlich der ehemalige Chef der NASDAQ seine Kunden um 50 Milliarden betrogen hatte: Man kann sagen, daß das gesamte globale Finanzsystem, so wie es existiert, eigentlich ein einziger riesengroßer Madoff-Schwindel ist.

Das ganze System ist bankrott. Es sind nicht nur die sogenannten „PIIGS-Staaten“ - also Pigs, was ja eine Provokation und Beleidigung darstellt, Portugal, Irland, Italien, Griechenland, Spanien - sondern eben auch Großbritannien. Jetzt wird auch dargestellt, daß Großbritannien noch viel bankrotter ist als Griechenland, und natürlich die USA, aber auch Dubai, Pakistan, Irak.

In der Tat ist die Eurozone im Augenblick am Zerbrechen, und der Vertrag von Lissabon ist nur dreieinhalb Monaten nach seiner Unterzeichnung eigentlich schon Makulatur.

Herr Schäuble versucht jetzt, das Problem dadurch zu lösen, indem er sagt: Wir brauchen einen separaten Europäischen Währungsfonds, damit er, über den Stabilitätspakt des Maastrichter Vertrags noch hinausgehend, drakonische Sparmaßnahmen durchsetzen kann. Und dieser EWF soll dann das Recht haben, Mitglieder aus der Eurozone rauszuschmeißen, also Griechenland, Portugal, Spanien, und dann drakonische Maßnahmen bei den anderen durchsetzen.

Das ist natürlich vollkommen falsch, denn wenn wir irgend etwas aus den dreißiger Jahren gelernt haben sollten, dann ist es, daß die Sparpolitik von Brüning absolut in die falsche Richtung führt. Wenn man in einer Depression und Zusammenbruchskrise wie der jetzigen versucht, durch Sparpolitik, durch Kürzungen im Sozialbereich, beim Lohnniveau, bei Investitionen, beim Staatshaushalt zu sparen, dann begibt man sich damit in eine Spirale, die sich immer weiter ohne Boden nach unten öffnet.

Das ist genau das, was in den dreißiger Jahren in die Katastrophe geführt hat.

Frau Merkel sagt jetzt, man müsse den Lissabon-Vertrag „weiterentwickeln“. Das ist also ein Euphemismus für einen neuen Vertrag. Die Franzosen sind da strikt dagegen, weil sie natürlich genau wissen, daß man damit eine Pandora-Büchse öffnen würde. Niemand würde einem neuen Lissabon-Vertrag zustimmen. Wenn in der Abstimmung in Island kürzlich nur 1,6% der Bürger dafür gestimmt haben, daß die isländischen Bürger für die Schulden der isländischen Banken bei Holland und Großbritannien aufkommen sollen, und 93% dagegen gestimmt haben, dann gibt das ungefähr ein Stimmungsbarometer.

Jetzt fordert die französische Regierung und neuerdings auch Frau Merkel eine europäische Wirtschaftsregierung, damit praktisch dann eine einheitliche Wirtschaftpolitik für ganz Europa gemacht werden soll, aber das ist genau dasselbe Problem, damit würde letztlich doch der deutsche Steuerzahler und die wenigen Länder, die noch Überschuß haben, nämlich Holland und Finnland, aber vor allem Dingen Deutschland, der große Zahlmeister, und Jürgen Stark von der EZB versucht die Leute schon darauf einzustimmen und sagt, jetzt müssen wir uns auf zehn harte Jahre einstellen. Herr Axel Weber, der sich um das Amt des neuen EZB-Chefs bemüht, will der SoFFin, d.h. die Bankenrettungsinstitution, permanent machen, damit bei neuen Bankenkrisen dieser SoFFin einschreiten kann. SoFFin hat keine Kontrolle durch den Bundestag, sondern wird gemanagt von Leuten wie Herrn Jörg Asmussen, der die Deregulierung mit in Gang gebracht hat, die überhaupt für die Krise verantwortlich ist. Wir kucken im Augenblick bei all diesen Modellen, die diskutiert werden, nur auf verschiedene Varianten einer Bankendiktatur, die alle nicht funktionieren können und totales soziales Chaos in Europa zur Folge hätten.

Zum Glück haben wir noch eine einzige Institution, die das deutsche Grundgesetz verteidigt, und das ist das Karlsruher Verfassungsgericht, die nämlich im letzen Juni die Abstimmung des deutschen Bundestages über das Gesetz zur Erweiterung und Verstärkung der Rechte des Bundestages als verfassungswidrig bezeichnet hat, weil sie ganz das Gegenteil gemacht haben. Anstatt die Rechte des Bundestages zu stärken, haben sie alle an Brüssel delegiert.

Das ist jetzt eine Situation, wo sehr bald, wahrscheinlich lange vor dem 9. Mai, deutlich werden wird, daß das nicht funktioniert. Deshalb ist es sehr nützlich, noch einmal den Euro und die ganze europäische Währungsunion anzukucken, denn das, was wir jetzt erleben bei diesem Auseinanderfallen, ist der „Fluch der bösen Tat“, die, wie Schiller sagt, „fortzeugend Böses muß gebären“, also, daß eine neue Variante immer schlimmer wird als die nächste.

Die verpaßte Chance von 1989

Sehen wir uns noch einmal an, wie wir überhaupt zu dem Euro gekommen sind.

1989, als die Mauer fiel und die deutsche Wiedervereinigung auf der Tagesordnung stand, war das eine potentielle Sternstunde der Menschheit. Plötzlich war der Kommunismus weg - ohne Panzer. Die Sowjetunion, der Gegner des Westens seit fast 70 Jahren, war plötzlich weg. Man hätte diese Situation nutzen können, um eine wirkliche Friedensordnung für das 21. Jahrhundert in Gang zu setzen.

Das war unser Plan damals. Wir haben vorgeschlagen, daß man die Industrieregionen Frankreichs, Deutschlands, Österreichs, der Tschechoslowakei, durch das sogenannte produktive Dreieck verbindet, durch Investitionen in Hochtechnologien, in den Transrapid, in den Hochtemperaturreaktor, in andere Avantgarde-Technologien, und damit einen Wirtschaftsmotor für die Entwicklung des Ostens in Gang bringt. Das hätte die Situation wirklich vollkommen herumgerissen.

Wir wissen, daß das nicht passiert ist, sondern daß der totale wirtschaftliche Kahlschlag gemacht wurde bei der Privatisierung der staatseigenen Betriebe im Osten. Das war so eine Art Testvorlauf, für das, was die Hedgefonds später weltweit gemacht haben.

Wir haben dann vorgeschlagen, ab 1991, als die Sowjetunion nicht mehr existierte, daß man die Eurasische Landbrücke ausbaut, d.h. daß man im Grunde da anknüpft, wo die Entwicklung vor dem Ersten Weltkrieg aufgehört hat. Daß man nämlich die Industriegebiete Europas mit den Industrie- und Bevölkerungskonzentrationen Asien durch sogenannte Entwicklungskorridore verbindet.

Das wäre damals nicht nur eine wirtschaftliche Perspektive gewesen, sondern eben auch eine Kriegsvermeidungsstrategie, denn wenn alle Völker Europas durch ein höheres wirtschaftliches Interesse gemeinsam miteinander verbunden sind, dann gibt es keinen Grund mehr für Krieg.

Warum ist es nicht passiert? Weil damals Margaret Thatcher ihre Kampagne gegen Deutschland begann, daß das sogenannte Vierte Reich entstünde, und Mitterrand die Aufgabe der deutschen D-Mark verlangt hat, als Bedingung für die französische Zustimmung für die Wiedervereinigung. Und Bush senior hat praktisch gesagt, daß man der Wiedervereinigung Deutschlands nur dann zustimmen wird, wenn Europa sich selbst eindämmt, indem es sich in das Korsett der EU-Struktur einbindet.

Kohl hat damals selbst gesagt, daß ihm vollkommen klar war, daß eine europäische Währungsunion ohne politische Union nicht funktionieren könnte.

Wir haben ein Buch veröffentlicht, Die verpaßte Chance von 1989, wo wir genau dokumentiert haben, was die verschiedenen Schritte waren: die Ermordung von Herrhausen, dem damaligen Chef der Deutschen Bank, die Ermordung von Detlef Rohwedder, was die Bahn frei machte für Birgit Breuel und ihre Treuhand im Osten beim wirtschaftlichen Kahlschlag. Ich will jetzt nicht darauf eingehen - wir haben viel darüber geschrieben.

Wir, d.h. ich und die BüSo, wir haben damals eine Kampagne gegen die Einführung des Euro gemacht, mit dem Argument, daß eine Regierung, die keine Kontrolle über ihre eigene Währung hat, letztlich überhaupt nichts kontrolliert. Genau diesen Zustand erleben wir eben jetzt, und im Grunde kann man sagen: Jetzt ist dieses Paradigma, diese neoliberale Paradigma der letzten 40 Jahre ans Ende gekommen.

Ursachenanalyse notwendig

Nun, das ist kein Grund zur Verzweiflung, sondern es ist ein Grund, daß man das ändert, daß man eine harte klare Analyse macht, eine Ursachenanalyse, warum es zu dieser Krise gekommen ist, und daß man dann die Richtung ändert. Das heißt nicht, daß man sich zehn Jahre an die Verwaltung des Elends, wie Axel Weber das vorschlägt, oder Jürgen Stark, gewöhnt, sondern daß man diese Situation nutzt, um das, was in den letzten 40 Jahren fehlgelaufen ist in allen Bereichen - daß man das korrigiert.

Ich könnte etwas früher ansetzen, in den sechziger Jahren, aber vielleicht sollte man noch einmal die wichtigsten Schritte oder die wichtigsten Stellen markieren, wo diese Fehlentwicklung war.

Die wichtigste war mit Sicherheit die Entscheidung von Richard Nixon 1971, die festen Wechselkurse abzuschaffen, das alte Bretton-Woods-System aufzugeben, die Spekulation durch die Schaffung von Krediten auf sogenannten Offshore-Märkten - Cayman Islands -, zu ermöglichen, die Entwicklung des ganzen Eurodollar-Marktes.

Der nächste Schritt war dann natürlich die internationale Intervention der Trilateralen Kommission, die damals 24 Studien gemacht hat zur kontrollierten Desintegration der Weltwirtschaft. Das hat sich weltweit bemerkbar gemacht.

Eine Auswirkung unter vielen war eben, daß alle diese Mitglieder der Trilateralen Kommission in die Carter-Administration reingegangen sind. Es war damals die Intention von Carter - was ihm weitgehend, zumindest was Deutschland betrifft, gelungen ist -, den Umgang mit Plutonium zu einem weltweiten Tabu zu machen und ein weltweites Moratorium für kerntechnische Neuentwicklungen durchzusetzen.

In derselben Zeit, vor allen Dingen ab 1977, hat diese sogenannte Rote-Armee-Fraktion Schlüsselleute in Deutschland aus dem kerntechnischen Bereich umgebracht. Jürgen Ponto war einer davon, Schleyer und verschiedene andere.

In den achtziger Jahren ging es dann weiter mit dem sogenannten Thatcherismus und Reaganomics, die Entwicklung von Junk-Bonds, feindliche Übernahmen. Richtig los ging es dann 1987, als Alan Greenspan Chef der Federal Reserve wurde und etwas erfand, was bis dahin überhaupt nicht existierte, nämlich die sogenannten „kreativen Finanzinstrumente“, d.h. all die Verbriefungsmärkte, die verschiedenen Instrumente, die eben dann letztlich diesen Giftmüll produziert haben, der heute eben das Problem ist.

In den neunziger Jahren, nachdem die Sowjetunion weg war, wurde noch ein Zahn in diese Richtung zugelegt, d.h. die Globalisierung ohne jede Einschränkung, Auslagerungen in Billigproduktion in Dritte-Welt-Länder und in Europa - also der Maastrichter Vertrag und dann Amsterdam, Nizza, eben bis heute Lissabon, und damit die Umformung von Europa in die europäische Variante dieses globalen Empires der Globalisierung.

Nun, heute sind wir an einen Punkt gekommen, wo wir diese Schritte, die da gemacht worden sind, als falsch erkennen müssen, als Irrweg, und jetzt sind wir vor einer Alternative, daß es eigentlich nur die zwei Möglichkeiten gibt: Wenn wir bei der Aufrechterhaltung dieses Systems bleiben, dann ist ein Absturz ins Chaos, in soziale Revolutionen auch in Europa, in ein finsteres Zeitalter unausweichlich. Und zwar in kürzester Zeit.

Die Alternative: der LaRouche-Plan

Es gibt aber eine Alternative - und das ist der LaRouche-Plan. Das ist die Idee, daß man die vier mächtigsten Nationen der Welt - USA, Rußland, China und Indien - zusammenbringt; daß diese gemeinsam beschließen, daß dieses alte System der Globalisierung hoffnungslos bankrott ist, daß man den sogenannten Giftmüll, der immer noch mit dreistelligen Billionenbeträgen in den Banken sitzt, daß man den abschreibt, daß man einen weltweiten Glass-Steagall-Standard durchsetzt.

Glass-Steagall ist ein Trennbanken-System, was im Grunde so funktionieren würde, daß man sagt: Die öffentlichen Banken, die Geschäftsbanken, die mit der realen Produktion zu tun haben, mit Produktion in Industrie und Landwirtschaft, mit dem Handel, die die Renten der Menschen versorgen müssen, die Löhne, alles was mit physischer Produktion zu tun hat, die müssen für eine gewisse Zeit unter staatlichen Schutz gestellt werden, während die anderen Banken, die sogenannten Investmentbanken, die immer noch Hochrisikoaktionen machen -- mehr denn je! Was haben die denn zu befürchten, denn sie haben in den letzten 32 Monaten ja erfahren: jedesmal, wenn es irgendwo einen Kollaps gibt, dann kommt der Staat und rettet sie! Die Steuerzahler sollen sie dann sanieren, und deshalb sind die noch in höhere Risikogeschäfte gegangen. Damit muß Schluß sein, denn eine Fortsetzung dieses Systems bedeutet den absoluten Kollaps!

Dieses Trennbankensystem müßte Teil werden eines neuen Systems, nicht mehr eines monetären Systems, sondern eines Kreditsystems, wo nationale Banken ausschließlich Kredite zur Verfügung stellen für produktive Investitionen.

Man muß dies verbinden mit multilateralen Abkommen, Handelsabkommen über 50 Jahre oder länger, die praktisch in Betracht ziehen die Unterschiede der partizipierenden Staaten. Wir haben ja Länder mit riesigen Territorien und vielen Rohstoffen, wie Rußland; wir haben Länder, die sehr viele Einwohner haben, wie China mit 1,4 Mrd. Menschen; wir haben kleine Länder wie Lettland, wir haben Länder mit Rohstoffen, mit entwickelter Bevölkerung - alle diese Dinge müssen in diesem multilateralen Abkommen berücksichtigt werden; und die Änderungen, die im Moment in Amerika stattfinden, sind eine Schlacht um diese Politik.

Entweder geht Amerika zurück zu der Tradition von Roosevelt, der Amerika in den dreißiger Jahren genau mit dieser Politik aus der Depression herausgeholt hat, d.h. New Deal, Bretton Woods - oder Amerika kollabiert, und damit ein Großteil der restlichen Welt.

Aufbau in Asien schon im Gang

Daß das nicht nur einfach ein Programm ist, das wir uns ausgedacht haben, sondern was schon sehr weit in der Verwirklichung ist - die LaRouche-Bewegung, die weltweit existiert, wir arbeiten schon seit vierzig Jahren an diesem Konzept. Es gibt in Amerika ganz wichtige Gruppierungen, also Ökonomen von der Stanford-University, in Texas und an anderen Plätzen, die sagen, man muß so vorgehen. Amerika muß dieselbe Politik machen wie Roosevelt; und es gibt in Rußland, in China, in Indien ganz wichtige Institute, die sich mit diesem LaRouche-Plan seit langem auseinandersetzen und der Theorie der physischen Ökonomie, die da dahintersteckt.

Im Oktober waren mein Mann und ich in Rhodos auf der Konferenz des Weltforums Dialog der Zivilisationen und haben diese Ideen dort auch vorgestellt. Drei Tage später fuhr [der russische Premierminister] Putin nach China und hat dort für 500 Mrd. Dollar zwölf umfangreiche Abkommen abgeschlossen: die Entwicklung der Eisenbahn in Rußland, die zum ersten Mal chinesische Direktinvestitionen in Rußland ermöglichen und damit im Grunde genommen den Beginn eines Kreditsystems schon darstellen. Denn China steht vor dem Dilemma, daß wenn Amerika kollabiert, dann kollabiert damit auch seine Exportindustrie, und wenn der Dollar kollabiert, dann kollabieren die Währungsreserven von 2,4 Bio. Dollar, die zum größten Teil in Dollartiteln bestehen.

Dazu kommt eine umfangreiche Kooperation bei der Erschließung von Sibirien, wo die größten Rohstoffvorkommen der Welt sind, unter Permafrostbedingungen, der Ausbau der Beringstraße, der Sibirien mit Alaska verbinden soll, aber auch Raumfahrt und die Entwicklung der Kernenergie in China mit Hilfe von Rußland.

Seitdem, seit Oktober letzten Jahres, gibt es eine Fülle von bilateralen und multilateralen Abkommen zwischen Rußland und China, Rußland und Indien, China und Indien, Korea und Japan - alles in Richtung Kernenergie, in Richtung Raumfahrt, in Richtung Transrapid; all die Dinge, die z.T. in Deutschland entwickelt worden sind und die hier aus politischen Gründen nicht verwirklicht werden können, werden jetzt in Asien gebaut.

Premierminister Putin war gerade in Indien, am 12. März, und hat dort ein Abkommen gemacht, daß Rußland Indien helfen wird, zwölf Kernreaktoren zu bauen, 19 Abkommen insgesamt, u.a. die Serienproduktion eines russischen Reaktortyps, ein gemeinsames Satelliten-Navigationsprogramm und viele andere mehr.

Die Länder Asiens, vor allen Dingen Rußland, China und Indien, haben die Finanzkrise bisher wesentlich besser überstanden als die atlantischen Länder, und sie sind sich natürlich bewußt darüber, daß sie unglaublich große Unausgeglichenheiten haben. Indien z.B. hat 400 Mio. städtisch ausgebildete Menschen, die auf einem technologischen Niveau sind wie in Europa oder Amerika, aber sie haben natürlich auch noch über 600 Mio. Menschen, die extrem arm sind; das gleiche in China - und die Herangehensweise, die diese Länder an diese Problematik allerdings gewählt haben, ist durch Kooperation im Hochtechnologiebereich, um diese Hochtechnologie dann als Wissenschaftsmotor zu benutzen, um die Produktivitätssprünge zu machen, die nur durch eine solche Herangehensweise möglich sind.

Diese Länder versuchen also, unter den Bedingungen der globalen Zusammenbruchskrise das Bestmögliche zu machen. Wir sind allerdings der Meinung, daß das nicht ausreicht, denn wenn man die enorme Armut sieht von Afrika, von Lateinamerika, von großen Teilen Asiens, dann reicht das industrielle Potential, was diese Länder bisher haben, nicht aus, um diese Krise zu lösen. Und deshalb brauchen wir Amerika, wir brauchen Europa, und wir brauchen vor allem Deutschland. Denn Deutschland ist einmal das Volk der Dichter, Denker und Erfinder gewesen, und wir haben noch ein Know-how, das diese Länder dringend, dringend, dringend brauchen und das für uns der einzige Weg ist, aus dieser Krise herauszukommen.

Der Weg aus der Krise

Wie können wir Deutschland in dieser Krise, von diesem Irrweg befreien? Es gibt durchaus kleine, leise Stimmen, die sagen: Vielleicht ist das mit dem Ausstieg aus der Kernenergie doch nicht so eine gute Idee. Bei der Jahrestagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft in Bonn, wo sich 2.000 deutsche Forscher getroffen hatten, haben einige gesagt, man müsse doch neue Kernkraftwerke bauen, weil es ja doch viel besser sei, die alten Kernkraftwerke durch moderne zu ersetzen, die sicherer seien, und dann gab es eine sehr schüchterne Kritik an der Nichthaltbarkeit der erneuerbaren Energien.

Aber wenn man sich die Lage ganz genau ansieht, dann muß man - wir haben dies auf einem Video auf der BüSo-Seite, glaube ich, ganz gut demonstriert - den Kontrast zwischen Asien und Europa und insbesondere Deutschland sehen.

Wir werden bald in eine Lage kommen, wenn wir den Kurswechsel nicht antreten, wo Deutschland eine nuklearfreie Zone des Westens wird, wir werden Stromimportland, und die Schwerpunktverlagerung der gesamten nukleartechnischen internationalen Kooperation wird sich verschieben von der atlantischen Seite auf die pazifische Seite. Und dann ist sowieso für all die Grünen, die sich dann darüber erregen, die Gelegenheit weg, etwas dagegen zu tun. Denn es gibt eigentlich sehr wenig Möglichkeiten, sich über die Sicherheitskonzepte der im Ausland betriebenen Kernkraftwerke zu erregen: Südkorea baut bis zum Jahre 2030 98 Kernkraftwerke, davon achtzig für den Export, 18 für den Binnenmarkt. Sie sind schon dabei, dort eine kerntechnische Universität aufzubauen, für internationale Studenten - vielleicht können wir dann ja die deutschen Studenten dort hinschicken, damit sie da wieder was lernen können.

Wir haben noch einen Bereich, wo wir noch ein bißchen Know-how haben, obwohl ich auch bei der Vorbereitung für diese Tagung wirklich festgestellt habe, daß in all den Bereichen - Hochtemperaturreaktor, Kernspaltung - die qualifizierten Leute aussterben! Es gibt nur noch ganz wenige Leute, die überhaupt ansprechbar sind.

Aber wir haben noch eine Chance, denn wir haben etwas Know-how im Bereich der dritten Generation des European Pressurized Water Reaktor; da gibt es deutsch-französische Vorstudien und auch Angebote von Rußland zur Kooperation. Dann haben wir natürlich das Potential des Hochtemperaturreaktors, was ich wirklich stark priorisiere, weil es einfach ein Konzept ist, bei dem ein GAU (also ein Größter Anzunehmender Unfall) gar nicht auftreten kann, weil nämlich die gefährlichen Abfälle, der Brennstoff, für immer in strahlungssicheren Kugeln eingeschlossen bleiben und damit das Entsorgungsproblem überhaupt keine Rolle spielt.

In Belgien wird gerade eine neue Reaktorforschungsanlage gebaut, die sich mit der Trennung der Isotopen und der Abfallproblematik auf diese Weise beschäftigt.

Aber wir müssen natürlich sehen, daß wir wirklich nicht mehr viel Zeit haben. Ich begrüße es, daß China den Transrapid baut, von Pudong jetzt nicht nur bis in die Innenstadt von Schanghai, sondern darüber hinaus bis nach Hangzhou. Ich begrüße es, daß China den Transrapid in Malaysia bauen wird. Aber ich hätte es eben auch sehr gerne, daß der Transrapid in Deutschland gebaut würde und ein deutscher Exportschlager würde, denn wir haben ihn schließlich hier entwickelt.

Der Zweck dieser Veranstaltung und unserer politischen Intervention in Deutschland ist, das Paradigma zu ersetzen, das die Grundlage der Globalisierung war, und alles, was axiomatisch damit zusammenhängt. Zu einem Zeitpunkt, wo dieses Paradigma ganz klar gescheitert ist, muß man die Krise nutzen für einen dramatischen Kurswechsel.

Nun, wie soll das gehen?

Paradigmenwandel

Damit wir uns aus der richtigen Perspektive mit diesem Problem beschäftigen und aus den Niederungen der täglichen Alltagspolitik erheben, möchte ich, daß wir dies vom Standpunkt von Friedrich Schiller tun und dem Standpunkt der klassischen Tragödie.

D.h., wie würde Friedrich Schiller auf das deutsche Volk kucken, was würde er sehen? Er würde kleingeistige, ängstliche Menschen sehen. Der beliebteste Satz der Deutschen ist: „Man kann ja sowieso nichts machen“ - ein Satz, der im Übrigen unter Zuchthausstrafe gestellt werden sollte, weil er zur politischen Impotenz verurteilt.

Er würde sehen, daß das Volk der Dichter, Denker und Erfinder, das mal eine Perle war im Diadem der Nationen - wenn Sie mal an all die großen Werke denken, die in der klassischen Kunst in Deutschland geschaffen worden sind, an die vielen universellen Prinzipien in der Naturwissenschaft, die in Deutschland von deutschen Denkern entdeckt worden sind und die längst zum Allgemeingut der Menschheit gehören: Deutschland, das Land von Nikolaus von Kues, dem Vater des modernen Nationalstaates und des repräsentativen Systems; Kepler, der die Gravitation entdeckt hat; Leibniz, der im Grunde unglaublich viele Dinge erfunden hat, von denen wir heute zehren; Bach: das wohltemperierte Kompositionsprinzip; Beethoven, den wir heute morgen in einer wunderbaren Darstellung gehört haben; Schiller, das wunderbare Menschenbild von Schiller; die Gedanken von Alexander und Wilhelm von Humboldt; Gauß; Riemann; Einstein; um nur einige zu nennen. Die Raumfahrtpioniere, die später sowohl den USA, als auch Rußland gewissermaßen die Raumfahrt ermöglicht haben. Der Begriff ‚Made in Germany’, der mal Synonym war für Spitzentechnologie, die besten Sozial- und Gesundheitssysteme der Welt.

Das Wissen über diese Tradition in Kultur und Wissenschaft ist heute in den Köpfen der jüngeren Generationen fast verschwunden. Wenn sie heute junge Leute von zwanzig Jahren fragen nach Eduard Mörike, oder nach Mendelssohn, nach Leibniz, dann bekommen Sie vielleicht zur Antwort: „Kekse aus Hannover…?!“ D.h. das Problem ist, daß ein Teil des Paradigmawandels in Deutschland dazu geführt hat, daß die Kultur in Kunst und Wissenschaft nicht mehr dominiert ist von der sokratischen Wahrheitssuche, was die Voraussetzung für jeden Fortschritt ist, sondern von anderen Dingen - von Empirismus, von Sophismus; keine Wahrheit, sondern ‚public relations’-Manipulation. Selbst Journalismus gibt es nicht mehr, sondern Kampagnen werden von PR-Firmen gemacht, die Produkt-Kampagnen machen.

Die statistische Methode wird in allen Wissenschaftsbereichen angewandt, ist aber vollkommen falsch. Warum hat Herr Un-Sinn aus München so viele Prognosen gemacht, die vollkommen falsch waren? Er hat den sogenannten ifo-Geschäftsklima-Index, der eben besagt, man müsse nur 2.000 Geschäftsleute befragen, wie sie sich gerade fühlen, und zieht dann das geometrische Mittel oder algebraische Mittel davon, und das ist dann die Prognose! Das hat mit Wissenschaft überhaupt nichts zu tun.

Utilitarismus: alles ist bestimmt vom Nützlichkeitsdenken. Und schon Leibniz hat am Ende des 17. Jahrhunderts gesagt: Wenn es in der Weltgeschichte jemals zu dem Zeitpunkt kommen würde, wo alle Institutionen vom Utilitarismus bestimmt sind, dann käme es zu einer Weltrevolution; und ich glaube, daß wir genau an diesem Punkt sind.

Nicht klassische Kultur - die Kraft davon haben Sie heute morgen gesehen und gehört - und Dichtung, die die kreativen Fakultäten des Geistes ansprechen, sondern schauen Sie sich die Jugendkultur an: die ganze Bandbreite dessen, was Jugendliche heute auszuhalten haben, von „Deutschland sucht den Superstar“, wo sie Tausende bis Zehntausende von Jugendlichen haben, die nicht etwa die schöne Bel-Canto-Methode erlernen, sondern irgendwelche schrecklichen, mißtönigen Laute von sich geben, nur weil irgend ein degenerierter Popstar dies vor ihnen schon einmal gemacht hat. Dann natürlich Punk, Gothic, was geradezu satanisch ist, Rap - Millionen von jungen Mädchen ruinieren ihr Leben durch Supermodell-Shows. Es ist kein Zufall, auch wenn die Pisa-Studie keine gute Methode ist, daß Deutschland, das einmal wirklich die Spitze der Wissenschaft war, inzwischen in der OECD-Liste auf den viertletzten Platz abgesunken ist, daß viele Schulabgänger nicht mehr beschäftigbar sind.

Anstatt auf Grundlagenforschung und Durchbrüche [in der Wissenschaft] zu setzen, setzen wir auf Irrwege, wie erneuerbare Energien, die nicht wirtschaftlich sind, die uns alle ein Heidengeld kosten, die eine total falsche Grundlage haben; grüne Jobs.

Wenn Frau Merkel sagt, daß Ökologie nicht mehr der Alleinanspruch der Grünen sei, sondern in der Mitte aller Parteien angekommen sei - das war im Kontext, als der [Bundesumweltminister] Herr Röttgen den Vorstoß gemacht hat für eine schwarz-grüne Koalition in NRW - dann hat sie leider recht! Alle Parteien in Deutschland, außer der BüSo, sind grün!

Die These vom antropogenen Klimawandel ist nach dem Skandal mit den E-Mails [bei der East Anglia University in GB] und all den anderen Skandalen, wie den schmelzenden Gletschern im Himalaja, was sich als Lüge herausstellte; überall auf der Welt hat man das aus dem Fenster geschmissen und gesagt, das war Quatsch.

Natürlich gibt es Klimawandel, aber der hat mit ganz anderen Prozessen zu tun, als mit dem CO2-Ausstoß, der mit dem Menschen zusammenhängt. Aber in Deutschland stellt sich die Frau Merkel hin, und der Herr Röttgen, und sagen: jetzt erst recht! Jetzt werden wir in Deutschland Vorreiter sein für die EU-Klimaziele, auch wenn das der sichere Niedergang der deutschen Industrie wäre - und natürlich für die Dritte Welt bedeuten würde, daß das bißchen an Entwicklung, was dort schon erreicht worden ist, wieder zuschanden gemacht würde.

Realitätsschock steht bevor

Ich befürchte, daß wir in Deutschland in diesen Wochen, wahrscheinlich schon vor der Wahl in NRW, einen Schock erleben werden - und zwar ganz plötzlich, ganz unvorbereitet, wo die Leute, die sich so in einem Wattebausch befinden - zwischen Gottschalk und Frau Nebel, zwischen „Deutschland liebt die Volksmusik“ - ich kenne die Titel nicht so genau. Diese Leute werden ganz unsanft aus diesem Wattebausch herausfallen.

Der Zustand ist vor allen Dingen deshalb so, weil die Medienkontrolle in Deutschland so ist, daß wir eigentlich in ganz Deutschland im Tal der Ahnungslosen leben, wie damals Dresden in der DDR. Aber es wird platzen. Die Börsenkultur wird platzen. Was ist es für eine Zumutung, daß man jeden Morgen, jeden Mittag und jeden Abend, wenn man Nachrichten kucken will, sich erstmal Börsenberichte anhören muß, die mit der Realität überhaupt nichts zu tun haben?

Auch wenn all diese Wellen von Social Engineering, so nennt man diese Gehirnwäsche nämlich, stattgefunden haben, bin ich trotzdem optimistisch, daß wenn es uns gelingt in Deutschland eine wirkliche Kraft aufzubauen, die sich an die deutsche Kultur in Wissenschaft und Kunst erinnert, daß das deutsche Volk trotzdem ein Volk ist von enormem Potential.

Neue Identität finden

Man muß eines bedenken, daß alle diese großen Denker, und alle die, die ich vorhin nicht aufzählen konnte, die ja immerhin in deutsch gedacht, geschrieben, gedichtet haben - der Zugriff ist ganz einfach. Wir müssen Dinge nicht erst übersetzen, sondern wir haben es, wir haben Kepler, wir haben Einstein, wir haben all diese Werke im Original, und dann ist eigentlich nur eine Frage: Können wir dieses geistige Potential in unserer Bevölkerung jetzt in dieser Krise mobilisieren? Ich glaube, wir kommen nicht darum herum, den Begriff des Erhabenen von Friedrich Schiller in dieser Situation lebendig zu machen.

Wir müssen einen Zustand erreichen, wo die Leute in der Krise eben nicht mehr ihre Identität finden im Bereich der sinnlichen Erfahrung, im Bereich der materiellen Güter, sondern daß sie ihre Identität verknüpfen mit den universellen Ideen, die eben die Unsterblichkeit der Menschheit beinhalten.

Schiller hat in seinen wunderbaren Schriften über das Erhabene gesagt, wenn der Mensch es schafft, eben nicht mehr nur physisches Individuum zu sein - als physisches Individuum ist er verletzbar, er muß Angst haben um sein Leben, es gibt viele Kräfte, die ihm schaden können -, sondern statt dessen sein Schicksal bindet an die lange Kette der Geschlechter, und wie er in der Universalgeschichte schreibt, ein edles Verlangen empfindet, das Erbe, das ihm so reich von der Vorwelt vermittelt worden ist, um einiges vermehrt an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben, daß dann der Mensch zwar nicht physisch sicher wird, aber moralisch sicher.

Das ist eigentlich eine Eigenschaft, die absolut notwendig ist, d.h. daß man eine innere Unabhängigkeit entwickelt, daß man selber im Grunde seine Identität im Erhabenen ansiedelt.

Wir werden außerdem die Qualität brauchen, die Friedrich der Große bei der Schlacht von Leuthen hatte. Damals war nämlich Friedrich der Große mit der zahlenmäßig überlegenen und gut ausgebildeten österreichischen Armee konfrontiert, und eigentlich hätte er die Schlacht verlieren müssen, aber durch ein doppeltes Flankenmanöver ist es ihm gelungen, den Sieg zu erringen. Das ist ein sehr gutes Beispiel für das Prinzip des Oberkommandierenden, der persönlich die Verantwortung übernimmt für den historischen Ausgang eines Krieges. Das Prinzip der Flanke, daß man etwas tut, was nicht in dem aristotelischen Gegensatzparadigma sich befindet, sondern daß man wie Nikolaus von Kues über die Coincidentia Oppositorum denkt, d.h., daß das Eine eine höhere Qualität hat, als das Viele.

Das Erhabene im Geiste der Bevölkerung wach zu rufen und wirklich diese Krise zu nutzen, um Deutschland wieder mit seiner eigenen Kultur zu verbinden mit den Ideen der Klassik, wie sie existierte zu Zeit von Schiller, Beethoven und der anderen großen Humanisten: das alleine ist es, was uns in die Lage versetzen wird, mit dieser Krise fertig zu werden. Mein Mann hat lange und immer gesagt, wenn es uns nicht gelingt, mindestens einen entscheidenden Teil der Bevölkerung wieder zum klassischen Denken zu gewinnen, zum eigenständigen Denken, zum wissenschaftlichen Denken, dann wird die Kultur nicht zu retten sein.

Ich denke, daß es möglich ist. Was dazu notwenig ist, ist vor allem eins: eine leidenschaftliche Liebe zur Menschheit. Ich glaube, wenn wir die mobilisieren können, dann können wir auch Liebe zu Deutschland mobilisieren, und die brauchen wir ganz besonders.

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