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Neue Solidarität
Nr. 16, 15. April 2009

Londoner G20-Desaster mobilisiert Widerstand gegen Obamas Berater

Obamas Wirtschaftsberater - allen voran der Direktor des nationalen Wirtschaftsrates Larry Summers - geraten zunehmend ins Kreuzfeuer der Kritik wegen des Umgangs mit der Finanzkrise, insbesondere mit den riesigen Rettungspaketen für die Banken. Sogar im Kongreß werden erste Schritte unternommen, um „größere Transparenz“ durchzusetzen.

Nachdem führende Kreise im Umfeld der US-Regierung angefangen haben, ihren Schock über die verrückten Beschlüsse des Gipfeltreffens der G20 in London und das Verhalten von Präsident Obama auf diesem Gipfel zu überwinden, mehren sich die Angriffe auf den Personenkreis im Umfeld Obamas, der für das Versagen verantwortlich ist. Ein Teil dieser Angriffe konzentriert sich auf den Chef des Nationalen Wirtschaftsrates, Lawrence Summers, ins Visier kam aber auch eine ganze Gruppe von Ökonomen im Umfeld von Summers, die starken Einfluß auf Obama ausübt. Gleichzeitig mehren sich die Forderungen prominenter Persönlichkeiten nach einer genauen Untersuchung der Ursachen für den Finanzkrach und betrügerischer Machenschaften in diesem Zusammenhang.

Die aktuelle Ausgabe des Magazins Time berichtet über die Existenz eines Zirkels äußerst eigenartiger „Ökonomen“, die sich um Präsident Obama geschart haben. Dazu gehören laut Time langjährige Obama-Berater wie Cass Sunstein, Richard Thaler, Dan Ariely und Daniel Kahneman, die einen engen Kreis um den Präsidenten gebildet hätten. Bekannte, kompetentere Ökonomen, die ursprünglich als Berater ins Weiße Haus gebracht worden waren, seien von ihnen herausgedrängt worden.

Die neuen Berater werden laut Time als „behaviorist economists“ („Verhaltensökonomen“) bezeichnet, d.h. sie wenden die Ergebnisse der Verhaltensforschung und -manipulation auf wirtschaftliche Zusammenhänge an. Sie sind Anhänger des britischen philosophischen Radikalismus von John Locke, Bernard de Mandeville, Adam Smith und Jeremy Bentham, die alle argumentierten, der Mensch sei nichts anderes als ein Tier mit irrationalem Verhalten, gesteuert durch Lust und Schmerz. Der menschliche freie Wille und besonders die menschliche Kreativität sind ihnen zufolge völlig zweitrangig und immer schwächer als die (manipulierbaren) „Triebe“. Man kann unschwer erkennen, daß der katastrophale Finanz- und Wirtschaftskollaps, mit dem wir es heute zu tun haben, durch das Ausleben und Bestärken ebendieses verrückten Menschenbildes verursacht wurde!

Time beschwert sich: „Wir haben einen Präsidenten gewählt, keinen Lebensberater...“ Politiker, die den Menschen „das Recht, Stubenhocker zu sein“, nicht gönnten, könnten sich unbeliebt machen. Es sei „ein bißchen gruselig“, wenn Politiker das private Verhalten der Bürger manipulierten, um „Veränderung zu erzeugen“. (Wir werden in der kommenden Ausgabe ausführlicher über diesen dubiosen Beraterkreis berichten.)

Summers unter Druck

Auch der Druck auf Präsident Obamas Chefwirtschaftsberater Summers wächst. Der bekannte PBS-Fernsehjournalist und ehemalige Pressesprecher des Weißen Hauses, Bill Moyers, schrieb in einem Kommentar zur Frage, wer am Finanzkrach schuld sei, die Berichte über Gesetzesübertretungen und Schwindel an der Wall Street „führen uns zu Larry Summers“. Er vergleicht Summers mit verräterischen Beratern der Herrscher im alten China, die den angreifenden Feinden dreimal den Weg durch die „unüberwindbare“ chinesische Mauer zeigten. „Wenn man die Geschichten über Summers und die Wall Street liest, erkennt man: Dieser Mann war ganz berauscht von dem exotischen Hexengebräu aus Derivaten und anderen Taschenspielertricks, die uns überhaupt erst in dieses Schlamassel gebracht haben. Und jetzt entscheidet er, welche Informationen und Analysen über den laufenden Kollaps bis zum Präsidenten vordringen.“

Moyers fragt: „Wenn der Präsident fragt: ‚Larry, wer ist Schuld an dieser Misere?‘ - wird er dann seine alten Freunde und Gönner nennen?“ Summers werde sich nach seiner Zeit im Weißen Haus höchstwahrscheinlich wieder nach seinem alten Job umsehen. „Wird er mit dem System der lukrativen Großzügigkeit, das ihn zum deregulierenden Finanzminister machte, hart ins Gericht gehen?“

In seiner Sendung Bill Moyers Journal erteilte Moyers auch William K. Black das Wort, der als Beamter der Finanzaufsicht an der Untersuchung der Sparkassenkrise der achtziger Jahre beteiligt war. Black hatte damals mehreren Abgeordneten des Kongresses - den sog. „Keating Five“ - vorgeworfen, den betroffenen Sparkassen Vergünstigungen gewährt zu haben. Nun machte er einige erfrischend offene Bemerkungen über die jüngsten Bankrettungsaktionen unter den Präsidenten Bush und Obama.

Der Betrug sei von den Vorständen und Aufsichtsräten der betreffenden Banken ausgegangen. „Man macht das so, daß man wirklich faule Kredite ausgibt, weil dafür besser bezahlt wird. Dann wächst man wirklich schnell - mit anderen Worten, eine Finanzpyramide. Und das dritte, was man tut, nennen wir Leverage [Hebelwirkung oder Fremdfinanzierung]. Das bedeutet, daß man eine Menge Geld aufnimmt, und die Kombination bedeutet, daß man in den ersten Jahren garantiert Rekordprofite macht. Das macht sie reich, dank der Bonuszahlungen, die mit der modernen Art der Managerbezahlung eingeführt wurden. Und es stellt sicher, daß es später zu einer Katastrophe kommt... Unser ganzes Finanzsystem ist zu einer Finanzpyramide geworden.“ Genau dies hatte Helga Zepp-LaRouche schon bei der Rüsselsheimer Konferenz des Schiller-Instituts festgestellt (siehe Neue Solidarität 11/2009).

Forderung nach „Transparenz“

Wer ist schuld an der Misere? Diese Frage wird nun zunehmend auch aus dem US-Kongreß gestellt, meist in der Form, daß „größere Transparenz“ gefordert wird. Aber inzwischen werden sogar erste konkrete Schritte zur Herstellung dieser Transparenz unternommen.

Der Kongreßausschuß, der zur Überwachung des TARP-Programms geschaffen wurde und monatlich Bericht erstattet, schockierte die Finanzwelt in seinem April-Bericht mit der Feststellung: „Bei allen erfolgreichen Bemühungen um die Überwindung von Bankenkrisen wurden gescheiterte Manager gefeuert und der Prozeß der Bewertung der Bankbilanzen unter Kontrolle gebracht... Reorganisation und Subventionierung ohne eine wirksame Neubewertung der Buchwerte funktionieren nicht, da sie sehr leicht dazu führen können, daß geschwächte Banken auf Dauer erhalten bleiben oder die Regierung bedeutende Subventionen an private Parteien zahlt... Die Geschichte liefert kein Beispiel, bei dem die Subventionierung der bestehenden Besitzer und Manager eine wirksame Neubewertung der Buchwerte herbeiführte...“

Der 151seitige Bericht stellt offen die Frage, ob es der beste Weg sei, gescheiterte Banken zu subventionieren. Eine Liquidation von Banken schaffe „schnelle Klarheit“ für die Märkte, und es bestehe die geringste Wahrscheinlichkeit, „die Geduld der Steuerzahler überzustrapazieren“. Die Vorsitzende des Ausschusses, Prof. Elizabeth Warren von der juristischen Fakultät der Harvard-Universität, sagte gegenüber Bloomberg, das Finanzministerium müsse „in Hinsicht darauf, wie es das Geld des Steuerzahlers ausgibt, transparenter werden“.

Senator Byron Dorgan aus Nord-Dakota erhob am 13. April in einem Interview mit Newsweek erneut die Forderung nach einer Untersuchung im Stile der Pecora-Kommission der dreißiger Jahre. Man müsse die Trennung zwischen den Banken und den Wertpapiermaklern wenigstens teilweise wieder herstellen. Dorgan hatte schon 1999 nachdrücklich vor der (von Larry Summers betriebenen) Aufhebung des Glass-Steagall-Gesetzes gewarnt. Auf die Frage, ob eine „wirkliche Reform“ vorgenommen werden könne, solange Summers im Amt sei, antwortete Dorgan: „Ich habe dem Präsidenten meinen Rat über Finanzberater gegeben. Mehr will ich dazu jetzt nicht sagen...“

Größere Transparenz forderte auch der unabhängige Senator Bernie Sanders aus Vermont, und zwar von der Federal Reserve bezüglich der rund 2,2 Billionen Dollar an Steuergeldern, die sie an Banken weitergeleitet hat. Sanders hatte schon am 2. März einen Entwurf für ein „Gesetz über die Transparenz der Federal Reserve“ eingebracht. Es würde die Notenbank zwingen, die Namen sämtlicher Einrichtungen zu veröffentlichen, denen sie Geld gibt, um welche Form der Unterstützung es sich handelte, wann und wieviel Geld gegeben wurde, wie es zurückzuzahlen ist und welches die Gründe für die Hilfen waren.

Nachdem Fed-Chef Ben Bernanke in seiner Aussage vor dem Kongreß jeder klaren Aussage ausgewichen war, sah sich nun selbst der Mann der Wall Street im Senat, Sen. Chris Dodd, gezwungen, die Fed in einem Antrag, der mit 96:2 Stimmen verabschiedet wurde, zu „größerer Transparenz“ aufzufordern, ohne jedoch konkreter darauf einzugehen, wie dies zu geschehen habe. Daraufhin machte Sanders gleich Nägel mit Köpfen: Er brachte einen Änderungsantrag zum Haushaltsgesetz ein, der die Federal Reserve ausdrücklich verpflichtet, alle Details über derartige Auszahlungen bekannt zu geben, „u.a. die Identität der Einrichtung, der das Board Unterstützung gewährte, den Wert oder die Summe der finanziellen Unterstützung, und was diese Einrichtung mit dem Geld tut“. Dieser Zusatz wurde mit 59:39 Stimmen verabschiedet und liegt jetzt dem Vermittlungsausschuß vor.

Die LaRouche-Bewegung wird weiter mobilisieren, um sicherzustellen, daß diesen ersten, noch zaghaften Schritten eine umfassende Aufklärung der Machenschaften folgt, um den Widerstand gegen die Neuordnung des Finanzsystems zu brechen - nicht nur in den Vereinigten Staaten.

Alexander Hartmann

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