[an error occurred while processing this directive] |
|
|
| Kernthemen | Suchen | Abonnieren | Leserforum |
|
Aus der Neuen Solidarität Nr. 30/2008 |
|
|
|
Von Lyndon LaRouche
Lyndon LaRouche veröffentlichte am 12. Juni 2008 den folgenden Beitrag zur Debatte über den künftigen Kurs der Wirtschaftspolitik in Rußland.
Die Zusammenarbeit zwischen Rußland, China und Indien ist gegenwärtig der Dreh- und Angelpunkt jeglichen Widerstands gegen den Londoner Vorstoß für weltweiten Faschismus in Form eines utopischen und offen imperialen „neuen Turmbaus zu Babel“. Ein Ausdruck hiervon ist die aktuelle Kampagne für eine imperialistische, ideologisch gegen den Westfälischen Frieden ausgerichtete Herrschaft in West- und Mitteleuropa, wie sie der frühere britische Premierminister Tony Blair vorgeschlagen hat. Dieser noch andauernde Vorstoß, über Machenschaften wie den Lissabon-Vertrag praktisch ganz Kontinental- und Mitteleuropa als britische Kolonie in Beschlag zu nehmen, findet sein Gegenstück in dem vorherrschenden maulwurfartigen, praktisch verräterischen Einfluß von Finanzkreisen um London auf maßgebliche Bereiche der amerikanischen Innenpolitik. Der britische Einfluß auf die amerikanische Presse und die reguläre und irreguläre Finanzierung amerikanischer Präsidentschaftswahlkämpfe haben heute ein solches Ausmaß erreicht, daß viele Wähler fassungslos wären, wenn man ihnen die Beweise dafür vorlegte, wie sehr ihre Wahlentscheidungen bisher von einer ausländischen Macht manipuliert wurden.
Die Reaktion hierauf in Rußland und bei seinen wichtigsten asiatischen Partnern läßt sich u.a. daran erkennen, daß sie eine asymmetrische Strategie der Selbstverteidigung gegen den gegenwärtigen britischen Imperialismus entwickeln - und die Regierungen dieser Länder wissen, daß es britischer Imperialismus ist. Die gegenwärtige imperiale Haltung der Briten wird ganz wesentliche Reaktionen Rußlands und seiner Partner auslösen. Diese Reaktionen sind für mich Anlaß zu wachsender Sorge darüber, welche große Rolle liberale Elemente immer noch in Rußlands eigener Wirtschaftspolitik spielen. Meine Sorge hinsichtlich dieser drei - Rußland, China und Indien - und anderer Nationen rührt daher, daß der gegenwärtige Einfluß der Freihandelsideologie in Rußland eine gefährliche Doppelbödigkeit schafft, die an sich eine zusätzliche Bedrohung der nationalen Interessen Rußlands ist - und somit auch unserer eigenen. Diese Bedrohung besteht weiter, auch wenn die anvisierten Opfer dieser Politik sich bemühen, diese Einflüsse fremder Interessen in Schach zu halten.
* * *
Die Angelegenheit, die ich diesem Publikum nun vorstelle, lenkt unsere Aufmerksamkeit auf den Kern der notwendigen Lösungen für die schwerste strategische Krise der gesamten Weltgeschichte der Neuzeit: die unaufhaltsam heranstürmende, größte Wirtschaftskrise seit der Europas im 14. Jahrhundert. Die weltweite hyperinflationäre Krise ist nun in die Abfolge ihrer letzten Phasen eingetreten.
Die Krise selbst wäre zu überwinden, aber sie läßt sich nicht lösen, solange man sich auf eine Reform des gegenwärtigen Weltfinanzsystems beschränkt. In der äußerst wichtigen Angelegenheit, die ich auf diesen Seiten einem internationalen Publikum zur Diskussion vorlege, werden wir uns mit der einzig möglichen Abhilfe für die Ursache dieser Krise befassen.
Dazu muß man zunächst erkennen, daß selbst unter hochrangigen, vermeintlich gutinformierten Kreisen in Bezug auf die Realwirtschaft (physische Wirtschaft) weithin eine Art strategisches und historisches Analphabetentum herrscht. Diese Unwissenheit merkt man besonders bei den allgemein verbreiteten Überzeugungen, die einem bestimmten Teil der zwischen 1945 und 1958 geborenen transatlantischen Generation aus der höheren Angestelltenschicht systematisch eingetrichtert wurden. Diese Überzeugungen, die sie und auch jüngere Generationen verinnerlicht haben, äußern sich in einer militanten Ignoranz der axiomartigen Grundannahmen, die heute meist ungeahnt als Relikte von Einflüssen lauern, die tief in die Seelen der Lebenden eingepflanzt wurden. Diese Überbleibsel spiegeln problematische Erfahrungen wider, die in der jüngeren Geschichte der heutigen Kulturen über Jahrhunderte oder noch länger, manchmal sogar seit dem Altertum, jeweils an die nachfolgenden Generationen weitergegeben wurden.
Diese Lage stellt uns vor zwei grundsätzliche Herausforderungen. Erstens ist da die Tatsache, daß eine mächtige politische Kraft, die gegenwärtig herrschende Finanzoligarchie, die einzige Möglichkeit wirklicher Abhilfe für diese Krise so vehement ablehnt, daß diese oligarchischen Interessen offenbar lieber mit ansähen, wie der ganze Planet (ihre eigene Nation eingeschlossen) zum Teufel geht, als diese einzig verfügbare Option zur Überwindung des nahenden allgemeinen finanziellen und monetären Zusammenbruchs der ganzen Weltwirtschaft zu akzeptieren. Zweitens ist da auch die Komplikation durch die weit verbreitete, schlichte Unkenntnis der Prinzipien der Wirtschaft, über die man nachdenken muß, wenn die Welt den gegenwärtig rasch heraufziehenden Schrecken entgehen soll - Dinge, die noch viel, viel schlimmer sind als die horrende verteuerten Benzin- und Heizölpreise, die zu erwarten sind, wenn man zuläßt, daß die gegenwärtige Politik unserer Regierungen fortgesetzt wird.
Um die Menschheit vor dieser rasch heraufziehenden Bedrohung einer allgemeinen Zusammenbruchskrise zu retten, die bald kreuz und quer den gesamten Planeten erfassen würde, müssen wir die gegenwärtig verbreiteten Meinungen über bestimmte relevante Ereignisse der Gegenwart ablegen. Dazu gehört sowohl die „Informationstheorie“ als auch die in letzter Zeit beliebte Gewohnheit, zu „googeln“, was heute oft als Ersatz für wirkliches Denken dient. Wir müssen sehen, daß die gesamte heute weltweit verbreitete europäische Zivilisation, mit ihren verschiedenen Intervallen innerer Entwicklungen und Zuckungen, von einem übergreifenden, einheitlichen dynamischen Prozeß bestimmt ist. Diesen globalen Prozeß müssen wir als einen Austausch zwischen jeweils souveränen Nationen mit souveränen Kulturen betrachten, und zwar in der folgenden, dynamischen Weise.
Was schon bald geschehen muß, wenn ein Schrecken, der schlimmer wäre als das „neue finstere Zeitalter“ im Europa des 14. Jahrhunderts, verhindert werden soll, ist die Gründung eines ersten Organisationskomitees der Regierungen der Vereinigten Staaten, Rußlands, Chinas und Indiens,1 welches sich darauf einigt, welchen Prinzipien die gemeinsam durchgeführte Reform folgen muß. Dies dient dann als Katalysator einer allgemeinen, mehr oder weniger globalen Vereinbarung für eine Reform, die bestimmten Prinzipien der Zusammenarbeit zwischen der Mehrheit der Nationalstaaten der Welt verpflichtet ist. Diese Reform muß im wesentlichen eine globale sein, und sie muß so gestaltet sein, daß sie als Reformprozeß über das kommende halbe Jahrhundert fortgesetzt wird.2
Meine Empfehlung ist, daß die USA sich darauf vorbereiten, schon bald ihre Beteiligung an dieser Vier-Mächte-Initiative anzubieten. Diese Empfehlung wird einige überraschen, aber dies ist nichtsdestoweniger unverzichtbar, wenn die Zivilisation erhalten werden soll. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt scheint es zwar sehr unwahrscheinlich, daß das, was ich vorschlage, in naher Zukunft verwirklicht wird. Aber mein Vorteil ist dabei, daß ich klar kommen sehe, welche Schläge die heraneilende, globale wirtschaftliche Zusammenbruchskrise der US-Wirtschaft und ihrem politischen Prozeß demnächst versetzen wird, während die meisten anderen führenden Persönlichkeiten und Kreise dies nicht tun. Die gegenwärtige Geschichte bietet den Vereinigten Staaten keine andere realistische Option als die, die ich hier vorschlage, wenn sie die auf uns zustürmenden Phasen der laufenden Krise überstehen sollen.
In diesem Bericht befasse ich mich besonders mit den praktischen Schwierigkeiten, die auftreten werden, wenn beispielsweise die Regierung Rußlands eine solche Initiative erwägt. Aber das, was ich hier schreibe, ist auch allgemeiner von Relevanz für alle Parteien, darunter viele weitere neben den vier Ländern, die ich als Initialkomitee dieser Bemühungen für einen weltweiten Wirtschaftsaufschwung vorschlage.
Formulieren wir das allgemeine Argument für dieses Vorgehen der vier genannten führenden Nationen noch einmal wie folgt.
Wir müssen die gegenwärtig ablaufende Spanne der sich entfaltenden modernen Weltgeschichte als einen einheitlichen, kohärenten Entwicklungsprozeß zwischen Nationen untersuchen, die wir nichtsdestoweniger paradoxerweise zu Recht als jeweils im wesentlichen souverän betrachten müssen.
Ein Beispiel: Wir müssen entdecken, daß hinter dem, worin die große Mehrheit der gebildeten oder auch ungebildeten Meinungen gegenwärtig getrennte Faktoren der Entwicklung und sogar unterschiedliche Interessen sieht, praktisch doch eine Übereinstimmung herrscht. Hinsichtlich der vorgeschlagenen Rettungsmission für diesen Planeten müssen wir die Geschichte so betrachten, als wäre sie ein hochkomplexer lebender Organismus, dessen Organe mit einer eingebauten gemeinsamen Wirkungsrichtung interagieren, die sich als einheitliche Funktion des Organismus als Ganzem äußert. Diese Funktion ist nicht homöostatisch, sondern dynamisch in dem Sinne, wie Gottfried Leibniz und Bernhard Riemann den Begriff dynamisch verwenden. Wir sehen so die Geschichte der Neuzeit als einen kohärenten, gesetzmäßigen Prozeß aufeinanderfolgender, alternierender Bewegungen des Aufstiegs und Niedergangs von Zivilisationen, der den Prozeß der Entwicklung der Beziehungen zwischen den gegenwärtigen, einander scheinbar entgegengesetzten Gruppen jeweils souveräner Kulturen zusammenfaßt.
Betrachten wir, um diese Untersuchung zu beginnen, die besondere gegenwärtige „geopolitische“ Herausforderung, die dies für die Gestaltung der russischen Politik bedeutet.
Sehen wir uns nun den Fall Rußland an. Dabei berücksichtige man einige wesentliche Aspekte, die aus dem Erbe der Erfahrung der Sowjetunion herrühren.
Als Sowjetrußland unter der Führung W.I. Lenins als Staatsmacht gegründet wurde, entstand in dieser neuen Regierung ironischerweise der Wunsch, die agroindustrielle Wirtschaft eines nunmehr erklärtermaßen kommunistischen Rußlands wiederaufzubauen, indem man dem erfolgreichen Modell folgte, das in Rußland damals als das „amerikanische kapitalistische Modell“ galt. Quellen der damaligen Zeit vermelden bei verschiedenen Gelegenheiten, wie die „amerikanischen Methoden“ gelobt wurden, etwa in den ersten fünf Jahren dieser Regierung von Führungsleuten wie den beiden widerstrebend zusammenarbeitenden Rivalen W.I. Lenin und L.D. Trotzkij.3 Gemeint waren „die amerikanischen Methoden“, die Rußland in der großen agroindustriellen Stärke der Vereinigten Staaten in der Mobilisierung der US-Wirtschaft im Ersten Weltkrieg erlebt hatte. Prominente Führungsleute in Rußland hatten schon seit etwa 1876 gesehen, wie die agroindustrielle Macht Deutschlands durch Reformen in der Art des Amerikanischen Systems unter der Führung von Kanzler Otto von Bismarck einen Sprung nach vorne gemacht hatte.
Im gesamten Verlauf der sowjetischen Geschichte von 1917 bis 1989 drehten sich für die Patrioten dieser Nation eigentlich alle entscheidenden Fragen der nationalen Wirtschaftspolitik um die systemischen Unterschiede zwischen dem amerikanischen nationalistischen und dem britischen liberal-imperialistischen Wirtschaftsmodell. Was waren die Methoden, denen sich die ansonsten erklärten Anhänger von Karl Marx in der jungen Sowjetunion zuwenden konnten? Winston Churchill, der erklärte Satanist luziferische Aleister Crowley, der erklärte Faschist H.G. Wells und der erklärte radikal malthusianische Befürworter von Völkermord durch atomare und biologische Kriegsführung, Bertrand Russell, hatten damals ähnliche Motive und Vorlieben, die ihren Kreisen mehr oder weniger eigen sind, aber anständige Menschen würden diese Art der Ethik kaum als „moralische Skrupel“ bezeichnen.4
Es sollte für zeitgenössische Historiker offensichtlich sein, daß das russische politische und strategische Denken im allgemeinen dieses Paradox auch zu diesem späten Zeitpunkt noch nicht gelöst hat: Wie soll Rußland diesen noch heute anhaltenden historischen Konflikt in der englischsprachigen Welt zwischen der amerikanischen Verfassungstradition, wie sie Präsident Franklin Delano Roosevelt verkörpert, und dem System des Britischen Empire sehen? Diese Verwirrung, auf die man schon in der Vergangenheit in russischen Kreisen oft stieß, wird noch dadurch verstärkt, daß die „Wallstreet-Fraktion“ in Amerika ein Ausdruck der britisch-imperialen Tradition von Verrätern wie Aaron Burr ist, die noch heute sehr stark in den führenden Institutionen der USA wirkt.
Eine der Hauptursachen dieser Verwirrung, die man nicht nur in Rußland, sondern im europäischen Denken allgemein erlebt, besteht darin, daß die sozialistischen Bewegungen und andere Beobachter in dieser Hinsicht die Wahrheit über Karl Marx nicht sehen wollen: daß er eine intellektuell verwirrte Schachfigur des britischen Außenamts unter einem Schützling Jeremy Benthams war; Marx persönlich unterstand in seiner Londoner Zeit der Leitung von Benthams Erben und unmittelbarem Nachfolger Lord Palmerston.5
Ob es nun erklärte Marxisten sind oder die üblichen heutigen und früheren Antimarxisten in führenden politischen Kreisen, man will einfach nicht wahrhaben, daß Karl Marx faktisch ein Agent in Palmerstons Organisation des „Jungen Europa“ von Palmerstons Agenten wie Mazzini und anderen war, obwohl diese Tatsache umfassend dokumentiert ist. Unabhängig davon, ob dies Marx selbst nun bewußt war oder nicht, es ist gerade dieser Aspekt von Marx’ Leichtgläubigkeit, der für diese traurige Verwirrung sorgt. Das war und ist die große Verwirrung bei Kommunisten und Antisozialisten gleichermaßen in dieser Frage des eigentlichen, noch immer anhaltenden Konfliktes zwischen der britischen und der amerikanischen Volkswirtschaft und Geschichte. Das war die Wurzel der russischen (und auch vieler anderer) Konfusion in diesem Punkt, die sogar in führenden Kreisen und bis zum heutigen Tag herrscht.
Seit dem „Mauerfall“ 1989, während der Amtszeit von US-Präsident George Bush senior,6 herrscht die verrückte, im Kern hyperinflationäre Politik und Praxis, die als Trend unter dem damaligen Vorsitzenden der US-Notenbank Federal Reserve, Alan Greenspan, eingeführt worden war - und dies unter Greenspans armseligem, konfusen Nachfolger Ben Bernanke noch in dem Augenblick, in dem diese Zeilen geschrieben werden. Auch die Regierung des russischen Präsidenten Boris Jelzin stand bis zur Zeit des Skandals um LTCM und die russischen Staatsanleihen im August und September 1998 und noch darüber hinaus unter dem Einfluß der von London vorgegebenen, ruinösen anglo-amerikanischen Linie Greenspans und seiner Nachfolger.
Trotz der bedeutenden späteren Verbesserungen der russischen Wirtschaftspolitik unter Präsident Wladimir Putins Regierung sind seit damals die wesentlichen Aspekte des Konfliktes zwischen Rußlands vitalen realwirtschaftlichen nationalen Interessen und dem ruinösen Einfluß des räuberischen britischen Monetarismus bis zum heutigen Tage konzeptionell ungelöst geblieben. Das gilt überwiegend auch für diejenigen in West- und Mitteleuropa, die Großbritanniens Rolle der amerikanischen Verfassungstradition vorziehen - Dummköpfe, die, wenn sie in führender Stellung sind, normalerweise Schachfiguren des britischen Geheimdienstes sind.
Schließlich wissen intelligente und gutinformierte Amerikaner inzwischen, daß der von der britischen Monarchie geadelte frühere US-Präsident George H.W. Bush und genauso sein verstorbener Vater Prescott Bush, der gemeinsam mit dem Briten Montagu Norman die Sache Adolf Hitlers unterstützte, zu der Art Sympathisanten des britischen Imperialismus gehörte, die sich damals wie heute praktisch oft wie britische Agenten verhalten haben.
Unterdessen haben meine Ehefrau und andere meiner Mitarbeiter nach den Ereignissen von 1989 meine Einsichten in die notwendige neue Richtung des russischen Denkens in diesen Fragen Anfang und Mitte der neunziger Jahre in relevanten Kreisen im Jelzin-Rußland nach Gorbatschow bekannt gemacht. Meine Sichtweise wurde von bemerkenswerten einflußreichen Intellektuellen vorgestellt, so dem brillanten und kreativen Physiker Pobisk Kusnezow, der dort zu den ersten prominenten Persönlichkeiten gehörte, die bestimmte wichtige Implikationen meiner Lehre über die Prinzipien der physischen Ökonomie im Gegensatz zu irgendwelchen der zahlreichen popularisierten Formen des Monetarismus verstanden.
So veranschaulicht beispielsweise eine Diskussionsrunde in Moskau im Jahr 1996, an der ich teilnahm, daß es schon zu der Zeit eine Gruppe beruflich und politisch angesehener russischer Ökonomen gab, die sich dort und an anderer Stelle mit mir trafen und bereit waren, in Bezug auf Reformen, die damals möglich gewesen wären, an die USA heranzutreten. Die Unterstützung für solche Reformen brach jedoch bald in sich zusammen, vor allem wegen des schädlichen Einflusses des damaligen US-Vizepräsidenten Al Gore im Kontext des Wahlkampfs für die Wiederwahl von Präsident Bill Clinton, der mit Jelzins eigenem Wahlkampf für seine Wiederwahl als russischer Präsident zusammenfiel.
Trotz der Wende zum Besseren unter Präsident Wladimir Putin blieb der latente Einfluß der Briten bestehen, auch wenn er als sichtbarer Faktor in der Gestaltung der russischen Politik schrumpfte. Er ist als lähmender Einfluß weiter vorhanden, trotz der Bemühungen des nunmehr ehemaligen Präsidenten Putin um eine Politik, mit der man nicht nur Rußlands Wirtschaft dauerhaft wiederaufbauen kann, sondern sich auch die Verwirklichung der dringend benötigten, Bretton-Woods-artigen Reform des Weltfinanzsystems zum Ziel setzen kann.
Zugegeben, unter den Bedingungen, wie sie in dem Moment, wo dieser Bericht verfaßt wird, in der amerikanischen Regierung herrschen, mag die Hoffnung auf eine solche Reform der amerikanischen Politik weithergeholt erscheinen. Ich bin nicht so pessimistisch. Schockartige Entwicklungen sind bereits im Gange, und dies sind Zeiten, in denen viele scheinbar unmögliche Veränderungen wahrscheinlich werden.
Das ist die wahre Geschichte mit ihren nationalen und internationalen Komplikationen für die Gestaltung der Politik bis heute. Rußland muß sich von den gefährlichen Widersprüchen in seinen Bemühungen, die realwirtschaftlichen nationalen Interessen gegen die immer noch gefährlichen Reste des Einflusses der Monetaristen im eigenen Land auszubalancieren, selbst befreien. Dieses Problem muß angepackt werden, wenn Rußlands Regierung in die Lage versetzt werden soll, seine unverzichtbarer Rolle als Partner unter den vier Mächten - USA, Rußland, China und Indien - zu spielen, die gemeinsam den Kern bilden müssen, um den sich die Mehrheit der menschlichen Gattung sammeln muß, damit wir unseren nun unmittelbar bedrohten Planeten retten.
Ich beschränke meine Diskussion in dieser Veröffentlichung auf Gedanken zur grundsätzlichen Natur der problematischen Aspekte der öffentlich erklärten Innenpolitik Rußlands, so wie ich sie mit Gewißheit sehen und erkennen kann.
Ich betone, daß ich dieses spezifische Thema heute unter den Umständen einer sich beschleunigenden allgemeinen Krise des gegenwärtigen Weltwährungs- und -finanzsystems aufgreife. Warum das so wichtig ist, läßt sich am besten zeigen, wenn man meine hier vorgestellten Vorschläge nur in Hinsicht darauf betrachtet, welche besondere Rolle einer Zusammenarbeit zwischen den USA auf der einen Seite und Rußland, China und Indien auf der anderen zukäme, wenn der Planet sich von der Zusammenbruchskrise des Weltwährungssystems erholen soll.
Dieses Handeln ist dringend notwendig, wie ich in den folgenden Kapiteln dieses Berichtes betonen werde.
Anmerkungen
1. Und, aus strategischen Gründen, schon früh im weiteren Verlauf dieses Prozesses, Japan, Korea und die Mongolei.
2. Ein Zyklus von 50 Jahren mag für manche eine lange Zeit sein, wenn auch nicht für einen alten Mann von 85 Jahren. Um eine Weltkrise des gegenwärtigen Typs anzugehen, hat ein Mann von 85 Jahren gerade die richtige Perspektive.
3. Der Begriff der „primitiven sozialistischen Akkumulation“, den der sowjetische Ökonom Preobraschenskij in den frühen zwanziger Jahren einführte, war ein Produkt der gleichen provokativen, historischen Ironie. Preobraschenskij reflektierte damals Rosa Luxemburgs ziemlich einsichtsvolle Betrachtung des Imperialismus als eines Systems internationaler Anleihen, welcher sich später der amerikanische Gelehrte Herbert Feis in seinen Studien anschloß.
4. Man darf nie so naiv sein, zu meinen, die Briten Churchill und Bertrand Russell hätten moralisch „aufrichtig“ gehandelt, als sie einen „vorbeugenden atomaren Angriff“ auf die Sowjetunion vorschlugen, wie Russell dies im September 1946 öffentlich tat. Russell hat seine eigentliche Absicht später öffentlich zugegeben: „Als ich das erste politische Bewußtsein entwickelte, stritten Gladstone und Disraeli noch inmitten der viktorianischen Grundfesten gegeneinander, das britische Empire schien unumstößlich, eine Bedrohung der britischen Vorherrschaft zur See war undenkbar... Einem alten Mann mit einer solchen Vergangenheit fällt es schwer, sich in einer Welt... amerikanischer Überlegenheit zuhause zu fühlen.“ (Bertrand Russell, Wissenschaft wandelt das Leben, München 1953) Russells wie Churchills Absicht war es, das Werk der Regierung von US-Präsident Franklin Delano Roosevelts, in dem sie eine Bedrohung für das Empire sahen, von den Seiten her anzugreifen und letztendlich zunichte zu machen.
5. Marx schrieb einmal einen Aufsatz, worin er behauptete, er habe den Mann, der in jener Zeit der Strippenzieher war, Lord Palmerston, als „russischen Spion“ enttarnt. Man kann sich fragen, wer ihm wohl den Auftrag dazu gegeben hatte!
6. Im Februar 1983 warnte ich, die Sowjetunion werde „wahrscheinlich innerhalb von etwa fünf Jahren“ wirtschaftlich zusammenbrechen, falls Präsident Reagan eine bestimmte Zusammenarbeit vorschlage - von der ich erwartete, daß Reagan sie vorschlagen würde - und die Sowjetunion diese ablehne. Später, im Frühjahr jenes Jahres, nachdem der Präsident die Strategische Verteidigungsinitiative SDI vorgeschlagen hatte und Gespräche darüber rundheraus abgelehnt worden waren, wiederholte ich diese Prognose öffentlich. An dieser Prognose hielt ich fest, bis hin zu meiner öffentlichen Warnung am 12. Oktober 1988 vor einem von Polen ausgehenden kettenreaktionsartigen Zusammenbruch des Comecon-Systems. Meine erste wichtige langfristige Prognose hatte ich schon 1960-61 entwickelt und öffentlich verbreitet, als ich warnte, wenn keine Maßnahmen ergriffen würden, um den Ende der fünfziger Jahre etablierten Trend zu wenden, müsse man mit einer Serie von Währungskrisen rechnen, und ungefähr Ende der sechziger Jahre oder Anfang der siebziger Jahre drohe dann der Zusammenbruch des damaligen Währungssystems. Ich machte mehrere solche Prognosen, und irrte mich in keiner einzigen. Dieser Erfolg war eine Frage der Methode, wohingegen professionelle statistische Prognostiker grundsätzlich inkompetente Methoden nach Art der Berechnung von Handicaps beim Pferderennen verwenden. Vorhersagen, ob an einem bestimmten Datum bestimmte Ereignisse eintreten oder nicht, sind immer Produkte inkompetenter Methoden.
Lesen Sie hierzu bitte auch: I. Eine einzigartige Chance für wirtschaftliche Erholung - Neue Solidarität Nr. 30/2008 II. Was ist wirtschaftlicher Wert? - Neue Solidarität Nr. 30/2008 III. Die Wissenschaft der physischen Ökonomie - Neue Solidarität Nr. 30/2008 IV. Das Entwicklungsprogramm - Neue Solidarität Nr. 30/2008 V. Phädon: Was ist Unsterblichkeit? - Neue Solidarität Nr. 30/2008 |
|
| Kernthemen | Suchen | Abonnieren | Leserforum |