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Aus der Neuen Solidarität Nr. 24/2008

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Bürger machen Umfrage zum Lissaboner Vertrag
Was geschieht in Europa?

Da die Parteien und die Medien gar nicht wissen wollen, wie die Bevölkerung zum Vertrag von Lissabon steht, haben einige Holländer auf eigene Faust eine Umfrage gestartet.

Genauer gesagt, was wird im Juni 2008 in meinem Land, den Niederlanden, geschehen? Es gibt eine starke Kampagne dafür, die enge Zusammenarbeit zwischen den Nationalstaaten Europas in ein zentral regiertes Vereinigtes Europa umzugestalten. Nach diesen Plänen würden die Niederlande, wie alle übrigen Nationen der Europäischen Union, alle Reste von Souveränität verlieren. Als Bürger der Niederlande kann ich sagen, daß mein Land eine lange Tradition hat, seine alten Rechte hochzuhalten, und in seiner langen Geschichte, wenn eine angemessene Führung vorhanden war, auch für diese Rechte gekämpft hat.

Den Römern gelang es nicht, uns völlig zu unterwerfen, als man uns noch Bataver nannte. Der große Poet und Historiker Friedrich Schiller hat in seiner berühmten „Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande von der spanischen Regierung“ den Versuch der Habsburger dokumentiert, uns unsere alten Rechte zu nehmen. Unter der fähigen Führung Willhelms des Schweigers schlug das Volk der Niederlande die Habsburger und gründete die Republik der Sieben Provinzen der Niederlande, während wir gleichzeitig eine große Goldene Renaissance erlebten. Unsere Revolte gegen die spanische Herrschaft demonstrierte, daß es Hoffnung gibt, wenn die Menschen sich für eine gerechte Sache zusammentun.

Infolge von Napoleons gescheitertem Abenteuer, der ebenfalls ein europäisches Empire errichten wollte, verloren die Niederlande im Wiener Kongreß ihre republikanische Form und wurden eine Monarchie; trotzdem behielten sie ihre Souveränität. Im letzten Jahrhundert schlugen die Nazis die Niederlande in ihrem Versuch, ein Imperium aufzubauen. Aber auch dieser Versuch wurde von einer Koalition souveräner Nationalstaaten unter der Führung der Vereinigten Staaten zunichte gemacht. Nach dem Krieg förderten die Niederlande zusammen mit anderen souveränen Nationalstaaten die europäische Zusammenarbeit, um jedes Wiederaufkommen der schrecklichen Kriege der Vergangenheit zu verhindern.

2005 waren die Niederlande, zusammen mit allen übrigen Nationen der EU, erneut vom Verlust ihrer Souveränität bedroht, als man den Versuch unternahm, die EU in einen Überstaat, ein ultramontanes Imperium des 21. Jahrhunderts zu verwandeln. Man entwarf eine Europäische Verfassung, und die Länder wurden aufgefordert, in einen Prozeß einzutreten, der aus einer engen Zusammenarbeit eine zentralisierte Regierung gemacht hätte.

Alle großen Parteien des niederländischen Parlaments, darunter der regierende Christlich-Demokratische Appell und die Partei der Arbeit, stimmten für die Verfassung. Nur die kleine sozialistische Partei und mehrere kleine christliche Parteien stimmten dagegen, In ihrem Gefühl überschwenglicher Siegesgewißheit beschlossen die regierenden Parteien, die die Verfassung unterstützten, ein Referendum darüber abzuhalten. Sie waren überzeugt, daß die Mehrheit für die Vereinigung Europas stimmen würde. Das gleiche geschah in Frankreich, wo der damalige Präsident Jacques Chirac in der Tradition Charles de Gaulles ebenfalls beschloß, ein Referendum durchzuführen.

In den Niederlanden wurden die Institutionen des Staats und der Medien vor dem Referendum allesamt dazu eingesetzt, eine Debatte über die Verfassung zu inszenieren. Es fanden direkte Debatten statt, in denen sich Befürworter und Gegner der Verfassung gegenüberstanden, aber zu ihrer Überraschung und zu ihrem Schrecken führten die Bürger die Debatte auch selbst. Vor Sälen, in denen 500 Menschen Platz hatten, fanden sich bis zu 2500 Bürger ein, um sich an der Diskussion zu beteiligen.

Sie hörten sich beide Seiten der Debatte an und nahmen dann ihr souveränes Recht wahr, indem sie ihre Stimme abgaben. Mehr als 60% stimmten mit „Nein“, in einigen Bezirken sogar mehr als 90%. Ähnlich lief es in Frankreich. Damit war der Vereinigungsprozeß gestoppt.

Deshalb gingen die Verfasser der Europäischen Verfassung wieder an die Arbeit, und sie beschlossen, ihren nächsten Versuch zur Errichtung eines ultramontanen europäischen Imperiums anders zu verpacken. Am 13. Dezember 2007 unterzeichneten die Staatsoberhäupter der 27 Mitgliedstaaten den Lissaboner Vertrag. Diesmal sollte es keine Volksabstimmungen darüber geben. Nur in Irland schrieb die dortige Verfassung zwingend eine Volksabstimmung über den Vertrag vor. In den übrigen 26 Mitgliedstaaten der EU argumentierten die sophistischen Paneuropäer, eine Volksabstimmung darüber sei „nicht notwendig“, da es sich bei dem „Vertrag“ nicht mehr um eine Verfassung handele. Aber etliche Mandatsträger und Rechtsexperten, die den Vertrag gelesen haben, geben zu, daß er zu 95% mit dem Verfassungsvertrag identisch ist.

Wie konnte dieser Schwindel gelingen? Die Gründerin des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, erklärte es so: „Der Lissaboner Vertrag soll heimlich durchgesetzt werden, mit einem Minimum an Aufsehen.“ Diesmal nutzt man die staatlichen Institutionen und die Medien, um eine ehrliche öffentliche Debatte über den Vertrag zu verhindern.

Eine Bürgerinitiative

In den Niederlanden wurden die Staatsmacht und die Macht der Medien, wie in den übrigen Mitgliedstaaten, dazu genutzt, nicht nur die Forderung nach einem Referendum zu unterdrücken, sondern auch eine offene Debatte. Diesmal wurden keine Vortragssäle gemietet, und die Regierungsparteien sind entschlossen, den Gesetzesantrag der Sozialisten, in dem diese drittgrößte Partei des Landes ein Referendum über den Vertrag fordert, abzuschmettern. Den Bürgern, die 2006 für die Partei der Arbeit stimmten, hatte man versprochen, daß es eine solche Volksabstimmung geben würde, und dementsprechend war die Empörung groß, als die Partei in die Regierung eintrat und versprach, kein Referendum zu erzwingen. Ähnlich ging die Labour-Partei in Großbritannien vor. Die Massenmedien schwiegen zu diesem Thema, um die Bevölkerung unwissend zu lassen.

Und da keines der großen Umfrageinstitute von der Regierung oder irgend jemandem sonst beauftragt wurde, der sie hätte bezahlen können, stellte sich der Verfasser mit Unterstützung zweier weiterer privater Bürger - seinen Eltern, die zum Teil beruflich in der Demoskopie gearbeitet hatten - dieser Herausforderung. Wir mußten improvisieren. Die Umfrage wurde in der ersten Aprilhälfte im zentralen Teil der Niederlande durchgeführt. Wir befragten 89 Personen. Natürlich beanspruchen wir für diese Umfrage nicht, daß sie repräsentativ wäre, aber es ist auch nicht gesagt, daß das Ergebnis viel anders ausschauen würde, hätten wir 1000 oder 10000 Menschen befragt.

Die erste Frage lautete: „Kennen Sie den Lissaboner Vertrag?“ 64% antworteten: „Nein!“ Offenbar hatte sich die Strategie der Heimlichkeit und der Medienblockade gelohnt, und der Mangel einer öffentlichen Debatte trug bittere Früchte.

Die zweite Frage lautete: „Wünschen Sie eine Volksabstimmung über den Lissaboner Vertrag?“ 49% antworteten „Nein“, 40% waren dafür, die übrigen waren sich nicht sicher oder unentschlossen. Aber auch bei dieser Zahl darf man davon ausgehen, daß das Ergebnis dem von 2005 ähneln würde, wenn die Befragten Gelegenheit gehabt hätten, sich über den Vertrag zu informieren.

Die dritte Frage lautete: „Unter bestimmten Umständen würde die Todesstrafe in Europa wieder eingeführt werden - können Sie damit leben?“ 67% waren dagegen, 24% dafür, 9% konnten sich nicht entscheiden. Traditionell wird die Idee der Todesstrafe von den meisten Europäern abgelehnt. Die nächste Frage lautete: „Können Sie damit leben, daß wichtige Fragen für die Zukunft des niederländischen Volkes künftig in Brüssel entschieden werden?“ 44% haben in dieser wichtigen Frage bereits vor der zentralisierten europäischen Regierung kapituliert, aber ebenso würden 44% die Souveränität über ihr Land lieber behalten, 12% waren unentschlossen.

Unsere Umfrage deutet darauf hin, daß eine Mehrheit der Bevölkerung den Vertrag nicht unterstützt. Angesichts der Tatsache, daß 2005 eine absolute Mehrheit von 60% der Bevölkerung gegen die Verfassung stimmte, kann man wohl annehmen, daß sich diese Zahlen, wenn eine ähnliche öffentliche Debatte über den Vertrag stattfinden würde, deutlich zuungunsten des Vertrages ändern würden. Und genau aus diesem Grunde nutzen die Unterstützer der EU jetzt die Macht des Staates und der Medien, um eine solche Willensbildung der Bevölkerung zu verhindern.

Das Parlament der Niederlande wird am 5. Juni über die Ratifizierung des Lissaboner Vertrages abstimmen. Bis jetzt wurde nicht einmal dieses Datum bekannt gemacht! Es ist zu erwarten, daß die Niederlande sich den übrigen Nationen anschließen werden, die vor dem Vereinigungsplan kapituliert haben. Die letzte Verteidigungslinie ist das irische Referendum am 12. Juni. Aber auch dann wird es weiterhin Widerstandsnester geben, die den Kampf gegen das Europäische Imperium auf der juristischen Ebene fortsetzen werden. Wir werden Sie darüber auf dem Laufenden halten.

Vyron Lymberopoulos

Lesen Sie hierzu bitte auch:
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