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Aus der Neuen Solidarität Nr. 10/2008

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Damit Ihr Einkaufswagen wieder voll wird!

In vier Wahlkreisen kandidiert die französische Partei der LaRouche-Bewegung, Solidarité et Progrès, bei den Kantonalwahlen Anfang März.

Mit einem Plakat, das den Nagel auf den Kopf trifft, befassen sich die Kandidaten von Solidarité et Progrès in den französischen Kantonalwahlen am 9. März mit dem Thema, das jeden Franzosen dieser Tage am meisten umtreibt. Auf dem Poster ist ein Mann abgebildet, der einen prall gefüllten Einkaufswagen schiebt, und der Wahlspruch lautet: „Wir wissen, wie Ihr Einkaufswagen wieder voll wird: Preisstop gegen das teure Leben, Neues Bretton Woods gegen die Spekulanten!“ Wie sehr das der Wahrheit entspricht, sah man Ende Februar an einer Karikatur in der Le Monde, wo Präsident Nicolas Sarkozy wegen des hohen Eurokurses völlig außer sich ist, während eine kleine Maus als Normalverbraucher einen leeren Einkaufswagen vor sich her schiebt.

So gehen Helga und Lyndon LaRouches Freunde in Frankreich auf einfache Art und Weise gleich zur Wurzel des Problems. Als der Wahlkampf begann, veröffentlichte die Verbraucherzeitschrift 60 Millions de Consumers eine Untersuchung über den Anstieg der Nahrungsmittelpreise in Frankreich von November 2007 bis Januar 2008. Innerhalb dieser kurzen zwei Monate lag der Anstieg bei Milchprodukten zwischen 5 und 48%, Joghurt 17-40%, Nudeln 31-45 % und Schinken 10-44%!

Der enorme Anstieg der Lebenshaltungskosten in den letzten Monaten ist der Hauptgrund dafür, daß bei den Wahlen eine drastische Niederlage von Präsident Sarkozys Partei erwartet wird. Vor neun Monaten war Sarkozy mit soliden 54% gewählt worden, mittlerweile ist die Unterstützung in Umfragen auf 36% gefallen, allein im Februar noch einmal um 9%! Die Presse stürzte sich auf Sarkozys Affären und seine neue Frau Carla Bruni - eine Affäre, die ihn die Sympathien vieler älterer Mitbürger kostete, die zu seinen Hauptunterstützern gehörten -, aber insbesondere die Mittelklasse und die ärmeren 80% der Bevölkerung sind wütend auf ihn wegen der Inflation. Er hatte nämlich seinen Wahlkampf unter den Slogan gestellt: „Ich werde der Präsident sein, der die Kaufkraft der Bevölkerung wieder herstellt.“ Dort, wo er die größten Erwartungen geweckt und Wahlergebnisse um die 60% bekommen hatte, sind die Reaktionen jetzt am heftigsten.

Auf diese Situation hat sich Jacques Cheminades Partei Solidarité et Progrès seit Jahren vorbereitet. Auch wenn die Partei nur in vier Kantonen Kandidaten für die Wahl zum Generalrat (dem Parlament eines Départements) aufgestellt hat, sind Bekanntheitsgrad und Reaktionen doch sehr aussagekräftig für das Wachstumspotential der Partei in dieser Krise. So kamen am 26. Februar, einem Dienstag, 45 interessierte Bürger zu einer  Wahlveranstaltung in Lyon, wo der Kandidat Christophe Paquien und Jacques Cheminade, der zu seiner Unterstützung gekommen war, ihre Ziele darstellten.

Mein Wahlkreis ist die Welt

Bei seinem Wahlkampf in Rennes in der Bretagne stieß Alexandre Noury von der Jugendbewegung der Solidarité et Progrès (S&P) auf einen hohen Bekanntheitsgrad. Die Leute erkennen in ihm und seiner Mannschaft „die, die im letzten Sommer Recht hatten“, was die Wirtschafts- und Finanzkrise betrifft. So griff sich eine Frau ein Flugblatt und sagte: „O ja, das sind doch die, die ein Neues Bretton Woods wollen.“ Wie das Sprichwort schon sagt, Beharrlichkeit zahlt sich aus - die 100.000 Flugblätter und Zeitungen, die Solidarité et Progrès seit einem Jahr (u.a. im Wahlkampf zur Nationalversammlung im Juni 2007) in dieser Gegend verteilt hat, haben bei der Bevölkerung einen bleibenden Eindruck hinterlassen. So nimmt es auch nicht Wunder, daß nach einer Intervention mit Helga Zepp-LaRouches Aufruf für ein Neues Bretton Woods am nächsten Tag ein Generalratsmitglied an unseren Infostand auf dem Marktplatz kam, um den Aufruf zu unterzeichnen.

Christophe Paquien, ebenfalls Mitglied der Jugendbewegung von S&P, der in La Guillotière bei Lyon kandidiert, hat einen ähnlichen Dialog mit einigen seiner politischen Gegner begonnen. Kaum hatte Christophe seine Kampagne zur „Kaufkraft“ begonnen, schon veröffentlichte seine Gegenkandidatin von der Sozialistischen Partei auf ihrer Webseite einen Kommentar zur notwendigen Erhöhung der Kaufkraft. „Nun gut“, meinte Christophe, „es ist nicht das Gelbe vom Ei, aber zumindest fängt sie an, sich um das Problem zu kümmern.“ Er vermißte in ihrer Stellungnahme die internationale Dimension, die zwei führende Politiker der Sozialistischen Partei, Michel Rocard und Pierre Larroutouru, mit ihrer Unterstützung für ein Neues Bretton Woods bereits ernst nehmen.

Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß in einem anderen Wahlkreis in Lyon ein Generalrat der Sozialistischen Partei seine Unterschrift unter Zepp-LaRouches Bretton-Woods-Aufruf gesetzt hat.

Wahlkampf als Guerillakrieg

In Frankreich sind im Wahlkampf die Sonntagsmärkte begehrte Stellen, wo sich die Kandidaten auf der Suche nach dem günstigsten Standort zur Erlangung der Aufmerksamkeit der Bürger gegenseitig Konkurrenz machen und sich dabei fast auf die Zehen treten. Wie uns aber ein Aktivist einer sehr großen alten Partei erzählte, wollen heute bei dem herrschenden politischen Chaos „die Menschen gar nicht mehr anhalten und diskutieren“. Doch ein S&P-Mitglied berichtete überglücklich: „Eine Runde polemischer und attraktiver Lieder unseres Chores reichte aus, daß die Aktivisten des früheren Justizministers Dominique Perben von der UMP ihre Sachen packten und uns ihren Platz überließen.“ Die S&P-Mitglieder waren selbst überrascht, welch durchschlagende Wirkung Schönheit haben kann.

Auch Straßentheater erweist sich als sehr geeignet, den denkenden Teil der Bevölkerung zu erreichen. In Evry bei Paris und Vandoeuvre bei Nancy (Lothringen), wo für die S&P Van Than N’Guyen und Gerard Chenu zum Generalrat kandidieren, verteilten sie falsche „Euroscheine“ mit dem Porträt von EZB-Präsident Jean Claude Trichet, um die Hyperinflation zu simulieren und die Politik der EZB anzugreifen. In Rennes hatte der S&P-Kandidat Karotten, Kartoffeln und Zwiebeln auf seinem Infotisch und ein Schild, auf dem stand: „15 Euro das Kilo, die Karotten sind gekocht“ - ein Wortspiel, das im Französischen soviel bedeutet wie: „Es steht schlecht um die Dinge.“

In Lyon und in Rennes wurde zu den Klängen von Chopins Trauermarsch ein großer Sarg durch die Straßen getragen, um die „Beerdigung des Finanzsystems von 1971-2008“ zu symbolisieren. Es ist wohl klar, daß die von uns dazu mitgelieferten Erklärungen nichts mit denen jener sogenannter Experten zu tun hatten, die hier und da im Radio behaupten: „Das ist alles nur eine vorübergehende wirtschaftliche Abschwächung.“

Von Tür zu Tür

Die beste Weise, die Menschen zu erreichen, ist jedoch an ihrer eigenen Wohnungstür, weil sie sich dort natürlicher geben als auf der Straße. Und da wir uns im Wahlkampf befinden, sind sie im allgemeinen ganz glücklich, zu sehen, daß wenigstens jetzt Leben in ihren Ort kommt. Es ist auch die rechte Gelegenheit zur Überreichung des Stimmzettels, denn so hat man eine Chance, daß ihn die Leute am Wahltag tatsächlich benutzen und nicht in der Hosentasche zusammenknüllen.1

Wir haben in dieser Kampagne zum ersten Mal den Großteil der Aktivitäten durch „an die Türen klopfen“ bestritten. Dabei ergaben sich sehr viele interessante Kontakte. So unterschrieb in Evry ein ehemaliger stellvertretender Bürgermeister auf der Stelle unseren Bretton-Woods-Aufruf. Er hatte früher schon Jacques Cheminades Präsidentschaftsprogramm gegen die „Kräfte des Finanzfaschismus“ bekommen. In Vandoeuvre bei Nancy war die Sekretärin einer Stadtverwaltung sehr froh, uns zu treffen, weil sie fast unwillkürlich Leserin von Nouvelle Solidarité geworden war. Der Bürgermeister des Dorfes, in dem sie arbeitet, hatte sich vor der letzten Präsidentschaftswahl angewöhnt, die Kommentare von Jacques Cheminade zu lesen. Mit der Zeit war sie dann selbst Abonnentin geworden.

Statt von Haustür zu Haustür kann man auch von Geschäft zu Geschäft gehen. Die Ladenbesitzer diskutieren gerne. Der Leiter eines Kebab-Restaurants in La Guillotière (Lyon), selbst ein sehr politischer Mensch, lud den Kandidaten ein, am Abend zurückzukommen und mit seinen Gästen zu diskutieren. In Rennes haben wir die Wiederentdeckung der sozialen Tugenden von Bars gemacht, wo einige Bewohner des Wahlkreises Diskussionen, die sie am Abend vorher an ihrer Haustür begonnen hatten, fortführen. Diese Art Wahlkampf fordert eine gewisse Standhaftigkeit von unserem Kandidaten Alexandre Noury; zum Glück ist er ziemlich sportlich...

Unsere Aktivisten-Gesangschöre singen auch an den Eingängen von Schulgebäuden, um dort die Eltern der Kinder zu treffen. Die stärksten Reaktionen kommen dabei allerdings von den Kindern selbst. Sie verlangen zwar eine hohe Qualität des Gesangs, sind dafür aber auch besonders begeistert von dessen Schönheit und von der Gemeinschaftsleistung.

Mein Wahlkreis ist die Welt

Obwohl im allgemeinen weniger beachtet - Kantonalwahlen sind auch Wahlen, und die Départements, die für Grundschulen, Kanalisation, Wasserversorgung, städtisches Leben und Sozialhilfe verantwortlich sind, sind Teil des politischen Gesamtkörpers, der den französischen Bürger repräsentiert. Wer nicht bloß beleidigt, irritiert oder wütend über die Machtlosigkeit dieser Institutionen in dieser Zeit eines „sterbenden Regimes“ sein will, der sollte dafür sorgen, daß sein nächster Vertreter im Generalrat jemand ist, der nach allen Richtungen zu kämpfen bereit ist und der über die lokalen Interessen hinaus das Gemeinwohl im Auge hat.

Bertrand Buisson, LYM Paris


Anmerkung

1. In Frankreich gibt es keinen vom Staat gedruckten Stimmzettel (außer bei Stadtratswahlen gibt es übrigens nur Direktkandidaten, keine Listen), sondern die Kandidaten müssen selbst Zettel mit ihrem Namen drucken lassen, was natürlich mit entsprechenden Unkosten verbunden ist. Auch ein kurzes Grundsatzprogramm (profession de foi) in Form eines DIN-A4-Blattes muß der Kandidat auf eigene Kosten drucken. Der Staat übernimmt nur die unentgeltliche Verschickung der Stimmzettel und Kurzvorstellungen aller Kandidaten an die Wähler, aber natürlich nur so viele, wie er vom jeweiligen Kandidaten bekommen hat. Bei den Wahlen zur Nationalversammlung mit vielen Millionen Wahlberechtigten ist der von den Parteien aufzubringende Betrag entsprechend sehr hoch, aber auch kleinere Wahlen gehen schon ins Geld. Und wenn sie sich schon in Unkosten stürzen, möchten die Kandidaten den Wählern Stimmzettel und Wahlaussage lieber zwei- oder dreimal zukommen zu lassen, als nur einmal durch den Staat. Es gibt zwar eine Kostenerstattung, aber erst ab einem Wahlergebnis von fünf Prozent.

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Schändliche Ratifizierung und kurze Lebenserwartung
- Neue Solidarität Nr. 9/2008
Nein zum Betrug des Europäischen Vertrags!
- Neue Solidarität Nr. 45/2007
Internetseite von Jacques Cheminade
- in französischer Sprache
Internetseite der Solidarité et Progrès
- in französischer Sprache

 

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