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Aus der Neuen Solidarität Nr. 47/2007 |
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Die Forderungen der Lokführer sind absolut berechtigt - aber wir brauchen die große Lösung für das Gemeinwohl! - Ein Offener Brief der Bundesvorsitzenden der Bürgerrechtsbewegung Solidarität, Helga Zepp-LaRouche, an die streikenden Mitglieder der GDL.
Sehr geehrte Lokführer und Zugbegleiter,
In der Sache hat die GDL recht, und das ist auch der Grund für die anfängliche Sympathie seitens der großen Mehrheit der Bahnreisenden für die Lokführer. Wieso sollen sie, denen bei jeder Zugfahrt Hunderte von Menschenleben anvertraut sind, und deren Beruf viele Arten von Streß kennt, die man nur erahnen kann, wenn der Zug wieder einmal auf offener Strecke anhält, mit einem Nettolohn von 1500 abgespeist werden, wenn jeder kleine Börsenspekulant ein Vielfaches in die Tasche steckt? Und warum sollen sich die Zugbegleiter sich für 1400 Euro die fast täglichen Schimpfkanonaden der Bahnreisenden anhören - Bahnreisende, die eine viel schlechtere Meinung über die Bahn haben als früher, weil sie den Anschluß wegen Verspätung wieder einmal verpassen, nur weil das Bahn- Management aus Gründen der Profitmaximierung das System der Zugverbindungen so eng austariert hat, daß Verspätungen nicht aufgefangen werden können?
Aber trotz der uneingeschränkten Sympathie für die Lokführer und Zugbegleiter gibt es ein Problem. Auch wenn ihre Forderung angesichts gemachter Erfahrungen nach einem separaten Tarifvertrag und einer merklichen Lohnerhöhung verständlich sind, bleiben sie doch eine Einzelforderung. Das Problem besteht darin, daß das gesamte internationale Finanzsystem dabei ist, auseinanderzufliegen. Nicht verursacht, aber ausgelöst durch den Kollaps des US-Hypotheken- und Immobilienmarktes, befindet sich die ganze weltweite Casino-Wirtschaft in einem systemischen Kollaps.
Viele der Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften, die sogenannten Heuschrecken, sind gerade dabei bankrott zu gehen. Die Investmentbanken, und leider auch einige der öffentlichen Banken, die sich auf diese Hochrisiko-Geschäfte eingelassen haben, geben zögerlich ihre Verluste zu und fangen an Milliardenbeträge abzuschreiben. In Wirklichkeit sitzen diese Banken auf Billionen (Tausendenden von Milliarden) von wertlosen und inzwischen unverkäuflichen „Wertpapieren”, sogenannten SIVs (Structered Investment Vehicles). Die ausstehenden Zahlungsverpflichtungen übersteigen dabei das Bruttosozialprodukt der weltweiten Realwirtschaft um ein Vielfaches.
Die Fed, die amerikanische Zentralbank, hat den Geldhahn aufgedreht, um den Kollaps des Hypotheken- und Immobilienmarktes abzumildern - was zu einem historischen Tiefstand des Dollars und Inflation geführt hat. Das wiederum bedroht die Exporte Europas und Asiens. Um die Folgen des Dollarkollapses abzumildern, verzichtet die EZB darauf, die Zinsen anzuheben, was sie eigentlich gern tun würde, um die Inflation zu bekämpfen, und die Asiaten senken die Zinsraten (weil sie der Verfall des Dollars bedroht) und das treibt ebenfalls die Inflation hoch. Realität ist: Aus der Zwickmühle zwischen dem drohenden Kollaps der Casino-Blase und der Hyperinflation gibt es innerhalb des gegenwärtigen Systems keinen Ausweg.
Anfang August, als die IKB-Bank in Bedrängnis geriet, sagte Jochen Sanio, der Chef der deutschen Bankaufsichtsbehörde BaFin, daß wir uns in der schwersten Bankenkrise seit 1931 befänden. In Wahrheit ist die Lage viel schlimmer, weil es heute aufgrund der Globalisierung ein weltweites Problem ist. Der Vergleich ist aber trotzdem nützlich, weil es auch heute nur die Alternativen von damals gibt. Entweder die Regierungen reagieren wie damals, also von der Mueller-Regierung bis zu Bruening und Hjalmar Schacht und Hitler mit Sparpolitik - oder wir tun das, was Franklin D. Roosevelt in den USA getan hat, nämlich, die Depression durch einen New Deal zu überwinden.
Und hier liegt der Schlüssel für die GDL. Die älteste Gewerkschaft in Deutschland - und das ist die GDL, die 1867 gegründet wurde - muß sich zum Anwalt des Gemeinwohls für alle machen! Wer sonst, als die Gewerkschaften, soll sich in Deutschland für das Gemeinwohl einsetzen? Die im Bundestag vertretenen Parteien halten sich da eher bedeckt. Müntefering hat es einmal gewagt, das Wort von den Heuschrecken in den Mund zu nehmen - und danach nie wieder.
Der erste Schritt ist es, die leidige Debatte um die Privatisierung der Bundesbahn zu beenden. Es ist einfach nicht akzeptabel, daß z.B. in Sachsen-Anhalt 54 Prozent (!) der Bahnstrecken stillgelegt werden. In einigen der neuen Bundesländer sollen jetzt bereits ganze Gemeinden „stillgelegt” werden, weil es sich angeblich nicht mehr lohnt, Elektrizitäts-, Wasser-, Abwasserleitungen etc. aufrecht zu erhalten. Wenn wir so weitermachen, wird der Kölner Dom bald in der Mongolei als Fossil einer untergegangen Zivilisation ausgestellt.
Rußland dagegen plant, 22.000 km neue Eisenbahnlinien zu bauen, davon 1500 Kilometer für Hochgeschwindigkeitszüge. China wird in den nächsten fünf Jahren 19.800 km neue Eisenbahnstrecken bauen, 15.000 km Strecke modernisieren und durch Schnellbahnen mit mehr als 300 km/h Geschwindigkeit ersetzen. Erinnern wir uns daran, daß „Commander Wu“ nur 22 Monate brauchte, um den Transrapid von Pudong nach Schanghai zu bauen!
Wir haben in Deutschland den Transrapid entwickelt, aber wir sind offensichtlich nicht in der Lage, ihn hier zu bauen. Das muß sich ändern! China, die Golfstaaten, Lateinamerika, selbst das kleine Dänemark, alle wollen den Transrapid. Und wir?
Wir brauchen in Deutschland keine Hedgefonds und keine Privatisierung der Bahn, um den Transrapid zu bauen. Der Staat hat gemäß den Grundgesetz-Artikeln 1, 20, 56 und 115 und nach dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz von 1967 das Recht und die Pflicht, dem gegenwärtigen wirtschaftlichen Ungleichgewicht entgegenzusteuern und selbst durch produktive Kreditschöpfung in Projekte wie den Transrapid zu investieren!
In Wirklichkeit ist die Krise des Weltfinanzsystems viel schlimmer als 1931, aber wenn schon von 1931 die Rede ist, dann sollten wir uns daran erinnern, daß es damals auch in Deutschland eine Diskussion um eine Art von „New Deal” gab. Im September 1931 gab es in Berlin im Haus der Reichsbank eine Geheimkonferenz der Friedrich-List-Gesellschaft, auf der der Ökonom Dr. Wilhelm Lautenbach den nach ihm benannten Plan vorlegte, durch produktive Kreditschöpfung wieder zur Vollbeschäftigung zu kommen (www.solidaritaet.com/neuesol/2003/1/zepp-lar2.htm).
Im Dezember 1931 wurde von Gewerkschaftsseite ein ähnlicher Plan vorgelegt, der nach seinen Urhebern Woytinsky, Tarnow und Baade benannte „WTB-Plan“, der dann vom Allgmeinen Deutschen Gewerkschaftsbund unterstützt, von der SPD aber abgelehnt wurde. In Amerika hingegen setzte Roosevelt nach 1933 erfolgreich die gleiche Politik mit dem New Deal durch und führte sein Land aus der Depression heraus. Wäre der Lautenbach/WTB-Plan 1931 in Deutschland umgesetzt worden, wären die sozialen Bedingungen überwunden worden, die zwei Jahre später Hitlers Machtergreifung ermöglichten.
Noch einmal: Die Forderungen der GDL sind absolut berechtigt. Aber in der gegenwärtigen Weltfinanz- und -wirtschaftskrise können die Probleme nur gelöst werden, wenn wir die Wirtschaftspolitik radikal ändern: Weg von der Spekulation, hin zur Produktion. Wir brauchen eine neue Finanzarchitektur, ein Neues Bretton Woods und einen New Deal.
Wenn die GDL sich jetzt zum Anwalt des Gemeinwohls macht, kann sie eine historische Aufgabe für ganz Deutschland übernehmen!
Ihre Helga Zepp-LaRouche, Bundesvorsitzende der BüSo
Lesen Sie hierzu bitte auch: Die Lehren von 1923 - Neue Solidarität Nr. 44/2007 Patrioten aufgepaßt! Was verstanden werden muß - Neue Solidarität Nr. 44/2007 „Es ist Zeit, Pelosi zum Rückzug zu bewegen!“ - Neue Solidarität Nr. 44/2007 Dritter Weltkrieg oder neue Weltwirtschaftsordnung? - Neue Solidarität Nr. 43/2007 Goldman Sachs-„Superfonds“ stellt Weichen für Hyperinflation - Neue Solidarität Nr. 43/2007 Anatomie eines Finanz-Tsunamis - Neue Solidarität Nr. 42/2007 Stellungnahmen und Reden der BüSo-Vorsitzenden - Internetseite der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo) |
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