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Aus der Neuen Solidarität Nr. 41/2007 |
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Helga Zepp-LaRouche ist die Gründerin des Schiller-Instituts und dessen Vorsitzende in Deutschland. Sie hielt die Hauptrede des zweiten Tags der internationalen Konferenz des Schiller-Instituts zum Thema „Die Eurasische Landbrücke wird Realität!“, die am 15.-16. September in Kiedrich stattfand.
Sehr verehrte Gäste, sie alle wissen, daß die Gefahr eines neuen Krieges über unseren Köpfen schwebt, und die Wirkung eines Zusammenbruchs des Weltfinanzsystems wäre wohl nicht weniger verheerend, wenn keine Abhilfe gefunden wird.
Nun, jeder weiß, daß das 20. Jahrhundert ein Jahrhundert großer Tragödien für die Welt war, und auch wenn wir in Westeuropa seit 62 Jahren keinen Krieg mehr hatten, sondern Frieden, kann man mit absoluter Klarheit sagen, daß es eine weitere Tragödie geben wird, wenn heute keine dramatische Änderung der Politik erfolgt. Die Idee, die von Jochen Sanio, dem Chef der deutschen Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin, zum Ausdruck gebracht wurde, daß wir uns derzeit in der schlimmsten Finanzkrise seit 1931 befinden, ist eine völlige Untertreibung des Problems, aber sie ist nützlich, weil sie die Menschen daran erinnert, daß nach 1931 1933 kam. In Deutschland hatten wir Hjalmar Schacht, aber zum Glück hatten wir in den Vereinigten Staaten FDR [Franklin Delano Roosevelt].
Aber wegen dieser großen wirtschaftlichen und finanziellen Krise besteht die Gefahr von Faschismus und Krieg. Wir alle sollten uns daran erinnern, daß Lyndon LaRouche 1971 eine berühmte Debatte mit einem Ökonomen namens Abba Lerner hatte, in der Lyn Abba Lerner dazu brachte, zu erklären: „Wenn die Menschen Hjalmar Schacht akzeptiert hätten, hätten wir Hitler nicht gebraucht.“ Und genau das ist das Problem.
Wir haben keinen neuen Hitler, er ist jedenfalls in Europa nirgendwo zu sehen. Aber es gibt Leute, die absolut entschlossen sind, daß das Ergebnis dieser globalen Finanzkrise eine Schachtsche Lösung sein soll. In anderen Worten, daß man eine dramatische Senkung des Lebensstandards der Bevölkerung betreibt. Bestimmte Oligarchen sprechen von einer Senkung des Lebensstandards um 30% oder 40%. Wenn man die Inflation der Lebensmittelpreise, die Kürzungen im Gesundheitssektor und ähnliche Dinge sieht, ist es recht einfach zu sehen, wie das gehen würde.
Nun, das Problem ist, daß das Finanzsystem desintegriert. Lassen Sie mich nur von der deutschen Regierung sprechen, aber jeder kann ja seine eigene Regierung einsetzen, wie er es für richtig hält. Die deutsche Regierung hat derzeit keine Pläne zum Überleben. Unsere Kanzlerin Merkel sagte im Januar, bei einer Konferenz der Bundesbank, daß es keine Orgie staatlicher Interventionen geben werde, um die Hedgefonds zu regulieren. Nun, ich bin normalerweise nicht für Orgien, aber in diesem Fall wäre das gar nicht schlecht! (Gelächter.)
Im Juni, beim Treffen der G-8, tat die deutsche Regierung etwas lobenswertes, sie war nämlich die einzige Regierung eines G-8-Landes, die Transparenz forderte. Das ist wenigstens etwas - es ist zwar ein impotenter Ansatz, weil man, selbst wenn man Transparenz hätte und wüßte, wie viele Billionen an unregulierten Geldern jeden Tag um die Welt geschickt werden, immer noch keinen Mechanismus hätte, es zu steuern. Und die deutsche Regierung ist vollkommen damit gescheitert, diese Transparenz zu erhalten, weil es keine einzige europäische Regierung gab, die sie unterstützte, und die britische und die amerikanische Regierung sich vehement dagegen wehrten, daß das auf die Tagesordnung kommt.
Noch im Juli sagten Vertreter des deutschen Finanzministeriums bei öffentlichen Veranstaltungen, sie wollten Transparenz - aber der deutsche Finanzminister sieht in der Rolle der Hedgefonds im Wesentlichen etwas Positives.
Das geschah zu einer Zeit, als die deutsche Industrie, der Mittelstand, Sozialwohnungen - sogar Villen und Burgen - von den „Finanzheuschrecken“ brutal übernommen wurden. Und die deutsche Regierung tat nichts, um die deutsche Wirtschaft, das deutsche Gemeinwohl, das deutsche Volk vor diesen Angriffen zu schützen. Das muß sich ändern. Und wenn es keine andere Kraft macht in diesem Land außer unserer Organisation, dann werden wir die größte Mobilisierung machen, die es je gegeben hat, um eine ähnliche „Brandmauer“ zum Schutz der deutschen Industrie zu schaffen, wie wir es in den Vereinigten Staaten mit Lyns „Gesetz zum Schutz der Eigenheimbesitzer und Banken“ versuchen.
Statt einer Politik der Brandmauer, haben wir eine verrückte Medienkampagne gegen „chinesische“ und „russische“ Investitionen in Deutschland, die angeblich eine riesige Bedrohung seien! Niemand spricht von den britisch gesteuerten Hedgefonds, von denen mehr als 80% ihren Sitz auf den Kaimaninseln haben.
Wo liegt das Problem in der deutschen Politik? Nun, bei den amerikanischen Präsidentschaftskandidaten ist es klar, sie haben es veröffentlicht: Sie haben Millionen Dollars von den Hedgefonds für ihren Wahlkampf angenommen, und deshalb ist es sehr unwahrscheinlich, daß sie Gesetze oder Kampagnen gegen die Hedgefonds machen. Aber was ist das Problem in Deutschland? Kaufen die Hegdefonds auch deutsche, französische, italienische und skandinavische Politiker? Ich weiß es nicht! Es ist nicht klar. Vielleicht tun sie das. Aber ich denke, man kann mit Sicherheit sagen, daß unsere Gesellschaft sich in so großer Gefahr befindet, weil die Menschen nicht verstehen, was Lyndon LaRouche immer betont hat, auch gestern wieder: daß man die strategische Lage nicht verstehen kann, wenn man nicht sieht, daß der Schlüsselkonflikt der Welt heute der zwischen dem Britischen Empire und der Souveränität der Nationalstaaten ist.
Bis 1989 gab es ein Sprichwort, das lautete: Das bestgehütete offene Geheimnis der NATO ist, daß Deutschland ein besetztes Land ist. Man hatte Politiker, die den vorauseilenden Gehorsam eines besetzten Landes hatten, eine Selbstkontrolle, die auch ohne Befehle funktionierte. Aber man hätte gedacht, daß Deutschland mit der Wiedervereinigung das Recht erworben hätte, eine souveräne Nation zu sein.
Mit der friedlichen Revolution von 1989 hat Deutschland seine Souveränität erworben. Und es war eine friedliche Revolution, es war nicht bloß eine Wende, wie man es hinterher sophistisch nannte, um den friedlichen revolutionären Impuls, den diese Revolution bedeutete, auszumerzen. Es war eine friedliche Revolution.
Aber wenn man zurückschaut, dann sieht man, daß eine Menge falsch gelaufen ist. Die deutsche Regierung hatte keinen Eventualplan für den Fall der deutschen Wiedervereinigung, obwohl es dafür ein ganzes Ministerium gab, das Ministerium für innerdeutsche Angelegenheiten, das in der Nachkriegszeit keine andere Aufgabe hatte, als sich auf diesen Fall vorzubereiten. Aber als die Mauer fiel, wußten sie nicht, was sie tun sollten. Und als die deutsche Regierung 1997 endlich die Dokumente zur Wiedervereinigung veröffentlichte, gab sie zu, daß es keinen Eventualplan gab.
Nun, wir hatten ihn - ich habe es gestern schon erwähnt. Wir hatten das Programm des Produktiven Dreiecks. Wir hatten später die Eurasische Landbrücke. Und ich erwähne das nur, um es zu unterstreichen, denn wir haben heute schon wieder das gleiche Problem! Wir haben den Kollaps eines Systems, und es gibt keinen Eventualplan. 1990, als die Mauer fiel, und wir für das Produktive Dreieck warben, hielt ich persönlich viele Dutzende Reden, wenn nicht noch mehr, in denen ich sagte, daß man, wenn man dem bankrotten kommunistischen System ein genauso bankrottes Freihandelssystem überstülpte, den großen Kollaps zwar um einige Jahre verschieben könne, aber dann würde er mit noch viel größerer Wucht eintreten und eine noch viel größere Krise auslösen als sogar der Kollaps der Sowjetunion.
Und genau da sind wir heute: Wenn dieses Freihandelssystem zusammenbricht, wird dies weit, weit verheerender sein als der Kollaps der Sowjetunion.
Nun, es sind auch noch andere Dinge geschehen, an die wir denken sollten. Eines ist, daß am 30. November 1989 Alfred Herrhausen, der Chef der Deutschen Bank, von der - nichtexistenten - RAF, der sog. „dritten Generation“ der Baader-Meinhof-Bande, ermordet wurde, die, wie Sie wissen, eine völlig virtuelle Existenz hatte. Sie wurde nie gefunden, es wurde niemals jemand verhaftet. Und sie existierte nicht. Der Mann, der als Vorbild für den „Mr. X“ in dem Film JFK diente, erwähnte zurecht, daß der Mord an Herrhausen für Deutschland tatsächlich von genauso großer strategischer Bedeutung war wie der Mord an John F. Kennedy für die Vereinigten Staaten.
Nun, wenn man das Buch von John Perkins nimmt, einem Mann aus dem Establishment, die Bekenntnisse eines ,Economic Hit Man’, in denen er beschreibt, wie das oligarchische System funktionierte, indem es systematisch jene Leute eliminierte, die für das Gemeinwohl aufstanden, die den Mut hatten, zur Verteidigung von Entwicklung, Souveränität und nationalem Interesse einzustehen - wie man sie fast immer beseitigte, dann versteht man, warum das geschehen ist. Es geschah in aller Welt, es geschah mit afrikanischen Führern, es geschah in Lateinamerika, und an vielen anderen Orten.
[Der damalige deutsche Bundeskanzler] Kohl hat das, was unmittelbar nach dem Mord an Herrhausen, beim Gipfeltreffen der Europäischen Union im Dezember 1989 geschah, als die „dunkelsten Stunden“ seines Lebens bezeichnet. Denn die gesamte Führung der Europäischen Union wandte sich gegen ihn und zwang ihn, einer frühzeitigen Währungsunion ohne eine politische Union Europas zuzustimmen, während Kohl - der das damals auch gesagt hat - und vielen anderen, die dies auch sagten, uns eingeschlossen, klar war, daß dies nicht funktionieren konnte. Es konnte keine Währungsunion in Europa geben, wenn es keine politische Union gab.
Kohl machte einmal eine sehr ominöse Bemerkung, nämlich, daß er es akzeptieren mußte, weil das Akzeptieren des Euro und das Aufgeben der D-Mark eine Frage von Krieg und Frieden war. Nun, das ist sehr ominös: 1989, 1990, eine Frage von Krieg und Frieden? Das gleiche sagt Jacques Attali, der wichtigste Berater und die „graue Eminenz“ hinter [dem damaligen französischen Präsidenten] François Mitterrand, in seiner Biographie Mitterrands, wo er schreibt, Mitterrand habe Kohl mitgeteilt, wenn er die D-Mark als Gegenleistung für die Wiedervereinigung nicht aufgebe, dann werde er eine weitere Tripelallianz gegen Deutschland organisieren, und das werde zum Krieg führen.
Das haben diese Leute gesagt. Wir können es nur zur Kenntnis nehmen. Und die Geschichte nahm ihren Lauf: Anstatt seine Souveränität zu gewinnen, verlor Deutschland seine eigene Währung und hat somit in gewissem Sinn weniger Souveränität als zuvor! Denn mit dem Maastricht-Abkommen spielt es keine Rolle mehr, ob man diese Regierung oder jene Koalition wählt, weil die Wirtschaftspolitik nicht von der deutschen Regierung gemacht wird. Sie wird im Wesentlichen in Brüssel gemacht, von der EZB und durch den Maastricht-Prozeß. Und mit Maastricht wurden Deutschland und alle die übrigen europäischen Regierungen, die dem im Wesentlichen zugestimmt haben, faktisch Kolonien des neuen Römischen Reiches, das ist das Britische Empire, und seiner amerikanischen Lakaien, den Neocons.
Nun, man muß Kanzler Gerhard Schröder zugute halten, daß Deutschland unter seiner Regierung einen gewissen Manövrierraum erhielt, vor allem, weil Schröder sich gegen den Irakkrieg wandte, und ich bin stolz darauf, daß es unser Wahlkampf der BüSo war, in dem wir von Februar bis August vor dem bevorstehenden Irakkrieg warnten, der dann, vier Monate vor der Wahl, Kanzler Schröder dazu veranlaßte, eine 180-Grad-Wende zu vollziehen und sich gegen den Krieg zu stellen. Damit gewann er die Wahl, und das wiederum hatte eine sehr wichtige Wirkung auf Präsident Chirac in Frankreich, der sich dann auch gegen den Krieg wandte.
Schröder tat auch in den Beziehungen zu Rußland etwas positives, was den Manövrierraum ebenfalls vergrößerte - nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa.
Aber leider ist das meiste davon mit der Großen Koalition und Kanzlerin Merkel vergangen. Denn Frau Merkel hatte nichts besseres zu tun, als beim Gipfeltreffen im Frühjahr in Samara Präsident Putin Belehrungen über Menschenrechte und ähnliche Dinge zu erteilen. Und dann hatte sie nichts besseres zu tun, als den Dalai Lama einzuladen, was die chinesischen Regierung sehr verärgerte. Ich habe nichts gegen den Dalai Lama, er kann tun, was er will. Frau Merkel kann ihn, in welcher Funktion auch immer, privat treffen, dagegen ist nichts zu sagen. Aber sie kann nicht so naiv sein, nicht zu verstehen, daß selbst eine milde Einladung an den Dalai Lama in diesem Kontext als Teil der Einkreisungspolitik erscheinen mußte, die die NATO und das ganze neokonservative Britische Empire gegenüber Rußland und gegenüber China verfolgt.
Deshalb muß man Schröder, auch wenn er viele Fehler gemacht hat, mit der Agenda 2010, Hartz IV und all diesen Dingen, seine jüngsten Erklärungen zugute halten, in denen er die Europäische Union verurteilte, weil sie unnötigerweise Spannungen mit Rußland herbeiführt und eine imperiale Politik verfolgt.
Nachdem ich diese Tatsachen angeführt habe, möchte ich hier sehr deutlich machen, daß Deutschlands einzige Chance, die bevorstehenden Stürme als Land zu überstehen, die ist, sich in dieser Politik nicht mit der Europäischen Union, sondern mit den veränderten Vereinigten Staaten in einer strategischen Partnerschaft mit Rußland, China und Indien zu verbünden. Und ich meine damit nicht die Vereinigten Staaten als Anhängsel des Britischen Empire, in dem die Rolle der Vereinigten Staaten im Wesentlichen darauf beschränkt ist, dem britischen Gehirn als Muskel zu dienen - eine Politik der Subversion Amerikas als Republik, die auf die bösartige Politik von H.G. Wells, Bertrand Russell, Samuel Huntington und ähnlich übelgesinnter Geister zurückgeht. Ich meine vielmehr die Tradition des Amerikanischen Systems im Gegensatz zum Britischen System, wie es von Friedrich List definiert wurde, als er mehrere Jahre in den Vereinigten Staaten verbrachte: Das Amerikanische System der politischen Ökonomie, wie es von Alexander Hamilton repräsentiert wurde, die Idee, daß der Staat für das Gemeinwohl eintreten muß, und daß alle Gesetze der Wirtschaft in dieser Tradition stehen müssen, in vollkommenem Gegensatz zum Britischen System der Wirtschaftspolitik des unkontrollierten Freihandels.
Und da stehen wir heute. Und die Frage wird sein: Können wir uns, unsere Länder, dafür gewinnen, im Eigeninteresse des 21. Jahrhunderts zu handeln? Können wir uns selbst eine Ordnung für die kommenden 50 Jahre geben, die es uns als Zivilisation ermöglicht, zu überleben? Nun, ich bin absolut der Meinung, daß Europa das nur tun kann, wenn wir ein Europa der Vaterländer sind, wie es de Gaulle nannte, und daß in diesem Sinne die Vaterländer Europas eine Rolle in Eurasien spielen müssen.
Nun, wir wollen Entwicklung in Eurasien, aber nicht mit der Europäischen Union als großer Imperialmacht, wie es Robert Cooper, der frühere Assistent Javier Solanas, beschrieb, daß die Europäische Union die größte Imperialmacht der Geschichte sein werde.
Wir müssen vielmehr zur Idee von Leibniz zurückkehren, der sagte, Europa habe die Mission, die Welt zu entwickeln. Frankreich, sagte er, habe die Mission, Afrika zu entwickeln, Deutschland solle den Osten entwickeln. Nun, in der modernen Welt ist das offensichtlich nicht darauf beschränkt, und ich möchte das nur als Metapher verwenden, was bedeutet, daß Europa seine sehr reiche Tradition der letzten 3000 Jahre nutzen muß, in denen es mehr wissenschaftliche Entdeckungen und mehr Wissen und mehr große Erkenntnisse in der Kunst erzeugt hat, als viele andere Regionen der Welt; daß wir diese Erbschaft nutzen müssen, um es zum Guten der gemeinsamen Entwicklung der Menschheit zu nutzen.
Das muß unsere Identität werden. Und ich bin absolut überzeugt, daß der große Denker des 15. Jahrhunderts, Nikolaus von Kues, der Begründer des modernen Nationalstaats und der modernen Naturwissenschaft, völlig recht hatte, als er sagte, daß die Konkordanz im Makrokosmos nur durch die größtmögliche Entwicklung der Mikrokosmen erreicht werden kann, und wenn jeder Mikrokosmos es als sein Eigeninteresse betrachtet, daß sich die übrigen Mikrokosmen in der bestmöglichen Weise entwickeln. Nun, wenn man das auf Nationen anwendet, dann liegt es absolut im Eigeninteresse jeder Nation, die maximale Entwicklung aller übrigen Nationen zu fördern, und umgekehrt, und dies als ihr Eigeninteresse zu betrachten.
Wie Sie wahrscheinlich bereits erkannt haben, war das das Prinzip des Westfälischen Friedens. Und ich bin fest davon überzeugt, daß es die Ideen von Nikolaus von Kues waren, welche die Grundlage für dieses monumentale Werk des Westfälischen Friedens gelegt haben, mit dem das internationale Recht, das Völkerrecht, begann - auf dem die Washingtoner Regierung derzeit herumtrampelt, das wir jedoch aufrecht erhalten müssen. Denn es war ein großer zivilisatorischer Durchbruch, ein internationales Recht zu haben, das die Angelegenheiten der Nationen regelte.
Und ich glaube auch, daß Nikolaus von Kues in einer anderen Frage recht hatte. Er sagte nämlich, man können Probleme nicht durch Nebenordnungen lösen, sondern müsse Kohärenz in die Beziehungen bringen, und man brauche eine Kohärenz zwischen der kosmischen Ordnung, den Gesetzen des Makrokosmos, und der politischen Ordnung und der Wirtschaftsordnung.
Wenn wir das beispielsweise auf die moderne Politik anwenden, dann bedeutet das, die Interessen der anderen zu berücksichtigen. Wir werden gleich einiges über die Gefahr eines neuen Krieges gegen den Irak hören. Nun, wenn wir eine Lösung dieses Problems haben wollen, dann müssen wir die Interessen, die Sicherheit und die wirtschaftlichen Interessen des Iran wie die aller anderen Länder berücksichtigen! Wir können keine anderen Standards in der Politik haben.
Nun, die Eurasische Landbrücke ist wirklich eine wunderbare Sache, denn wenn man es richtig durchdenkt, dann wollen wir eine Wirtschaftsordnung, die eine wirtschaftliche Entwicklung erlaubt, nicht nur von Eurasien, sondern durch ihre Verlängerung auch in Lateinamerika und in Afrika. Wir wollen etwas auf den Tisch bringen, das man nur als die „gemeinsamen Ziele der Menschheit“ bezeichnen kann. Das ist eine Frage, über die wir meiner Meinung nach viel diskutieren sollten, nicht nur auf dieser Konferenz, sondern auf politischen Foren. Es ist die alte Frage, die schon in den Federalist Papers der jungen amerikanischen Republik aufgeworfen wurde, nämlich die Frage: Kann sich eine Gesellschaft selbst regieren? Können wir uns, als Menschheit, eine Ordnung geben, die es uns erlaubt, in Frieden zu leben, und den Fortschritt aller ermöglicht? Es ist die gleiche Frage, die von Friedrich Schiller in seiner wunderschönen Abhandlung über „Die Gesetzgebung des Lykurgus und Solon“ aufgeworfen wurde, in der der weise Gesetzgeber Solon gefragt wird, „Was ist der Zweck der Gesellschaft“, und Solon antwortet: „Es ist Fortschreitung“, Verbesserung, die moralische Vervollkommnung des Menschen.
Das ist einer der Gründe, warum wir uns für die Infrastruktur einsetzen. Ein junger Mann fragte gestern, wer als erster die Idee hatte, einen Tunnel unter der Beringstraße zu bauen, und warum? Warum soll man solche Dinge bauen? Und ich dachte: das ist eine schöne Frage, denn gerade solche Infrastrukturprojekte haben eine zivilisierende Wirkung! Zum Glück haben die Dänen dieses alte Prinzip erkannt, daß es, wenn man Brücken, Autobahnen, Eisenbahnen, Magnetbahnen baut, eine Wirkung auf die Menschen hat: Es verändert die Menschen und macht sie rationaler.
Und genau das müssen wir tun. Denn die Welt ist derzeit in einem schrecklichen Zustand. Nicht nur das Finanzsystem ist in einem schrecklichen Zustand, wir sind vielmehr als Zivilisation moralisch bankrott. Und ich möchte an das erinnern, was Krafft Ehricke - einer der Männer, welche die Rakete für das Mondlandungsprogramm entwickelten - in den letzten Monaten sagte, bevor er - leider viel zu früh - an Krebs starb. Er sagte, daß wir die Raumfahrt brauchen, nicht nur weil wir das Universum erforschen und herausfinden müssen, wie seine Gesetze wirken, was wir besser tun können, wenn wir da draußen sind, sondern auch wegen des „extraterrestrischen Imperativs“.
Und damit meinte er, daß die Menschheit in dem Moment, wenn sie ernsthaft daran geht, den Weltraum zu erforschen, rationaler werden muß. Denn man kann nicht einfach aus einem Raumschiff aussteigen, wenn man einen Wutanfall hat! Es ist ungesund, das zu tun. Und deshalb gibt es einen gewissen Zwang, rational zu sein.
Krafft Ehricke sagte auch, daß nicht die Technologie das Problem ist, denn Technologien kann man immer zu guten wie zu bösen Zwecken nutzen. Relevant ist vielmehr die Frage des Menschen und seines moralischen Zustands. Und deshalb unterstützte er am Ende seines Lebens voll und ganz die Idee des Schiller-Instituts, daß mit der Technologie die ästhetische Erziehung des Menschen einhergehen muß, weil der Mensch ansonsten keine Fähigkeiten hat.
Und deshalb stimme ich in dieser Frage der ästhetischen Erziehung, die ein Teil unserer Bemühungen sein muß, absolut mit Lessing überein, und mit Schiller. Deshalb hatte Schiller vollkommen recht, als er nach dem Kollaps der Französischen Revolution sagte, „Ein großer Moment hat ein kleines Geschlecht gefunden“, und deshalb sei die Entwicklung des Empfindungsvermögens, die Bildung des subjektiven und intellektuell-emotionalen Apparats des Menschen, die wichtigste Aufgabe seiner Welt. Und das ist heute noch viel mehr der Fall.
Lessing und Schiller wußten und schrieben, daß das Schlimmste für die kulturelle Entwicklung der Bevölkerung alles ist, was eine Massenwirkung hat: alles, was in Tausenden und Abertausenden von Menschen geschieht. Und wenn man sich die populäre Kultur von heute ansieht, dann ist das genau das. In Popkonzerten haben wir dionysische Massen in orgiastischen Bewegungen; bei Fußballspielen, bei der Fußballweltmeisterschaft im vergangenen Jahr in Deutschland waren Tausende und Hunderttausende von Menschen in orgiastischer Bewegung. Die Seifenopern - Vorabendserien im Fernsehen: Bedenken Sie nur, daß Millionen Menschen jeden Tag Seifenopern anschauen! Anstatt ihren Geist zu gebrauchen, leben sie jeden Tag das Leben von jemand anderem! Bedenken Sie, daß Hunderte von Millionen Jugendlichen jeden Tag Videospiele spielen.
Deshalb sage ich, daß die Massenkultur der Feind ist, und es ist meiner Meinung nach sehr wichtig, daß wir dem die Arbeit der LaRouche-Jugendbewegung gegenüberstellen, die wirklich der alten Idee Wilhelm von Humboldts entspricht, nämlich, daß man als Ziel der Bildung eine Entwicklung des Charakters braucht, und der Schönheit der Seele, und nicht diese Massenaktivitäten.
Nun, warum hat Lyndon LaRouche die Arbeit des Chores so sehr betont? Sie haben jetzt, gestern und heute, zwei Beispiele gesehen, wie dies funktioniert. Das ist in gewissem Sinne ein Beispiel für einen sokratischen Dialog!
Ich stelle dem die Talkshows gegenüber: In einer Talkshow hat man schwatzende Köpfe - jemand sagte: „Der Baum ist grün.“ Dann sagt der nächste, „Ja, die Grünen tun viel gegen die globale Erwärmung.“ Und dann sagt der Dritte: „Ja, ich wärme meine Suppe auf.“ So nimmt man aus jedem Satz etwas und geht damit zum nächsten Thema über, und es gibt keine Kohärenz, die Leute schwatzen einfach weiter.
Im Gegensatz zur Klassischen Methode. Bei ihr hat man eine poetische Idee, oder eine musikalische Idee, und dann erschöpft man sie, indem man sie ausführt und weiterentwickelt, bis sie abgeschlossen ist. Und in einem Chor, wenn er gut funktioniert - Sie wissen ja, daß die Mitglieder des Chors der LaRouche-Jugendbewegung versuchen, daran zu arbeiten, das Prinzip des pythagoräischen Kommas zu verwirklichen, bei dem man nicht nur die eigenen Noten singt, sondern mit den übrigen Stimmen interagiert, und den bestmöglichen Weg sucht, wie man das Chorstück so aufführen kann, wie es der Komponist beabsichtigte. Und das ist die Form des sokratischen Dialogs, denn man muß die übrigen Stimmen berücksichtigen, man muß an der gleichen musikalischen Idee arbeiten. Und das ist chorisches Denken, im Gegensatz zu diesem anderen Zeug.
Ich denke also, daß wir in gewissem Sinne wirklich in einer sehr guten Lage sind, denn wir haben wirklich das Potential, eine neue Renaissance zu machen. Wir haben studiert, aus welchen Gründen Kulturen kollabieren. Wir haben die Imperien studiert, das Römische Reich; wir haben den Kollaps des Mittelalters im 14. Jahrhundert studiert, und wir haben studiert, wie die Menschheit solche Gefahren überwinden kann, indem sie zu den besten Traditionen der Zivilisation zurückkehrt. Denn die italienische Renaissance war nur möglich, weil die Menschen zu den griechischen Klassikern zurückkehrten. Die deutsche klassische Periode konnte nur eintreten, weil wir auf die Ideen der italienischen Renaissance und der griechischen Klassiker zurückgriffen.
Was wir deshalb tun müssen, ist also die Eurasische Landbrücke, eine Allianz souveräner Nationalstaaten für die gemeinsamen Ziele der Menschheit, mit der Idee einer kulturellen Renaissance zu verbinden, indem wir uns auf die besten, höchsten Traditionen konzentrieren, auf die höchsten Kulturen aller Kulturen und auf eine Form des Dialogs zwischen ihnen.
Ich bin Optimistin - ich bin sogar eine unheilbare Optimistin -, weil ich an die Natur des Menschen glaube: das das Wesen des Menschen gut ist, und daß Leibniz recht damit hatte, daß ein großes Übel ein noch größere Gut und eine noch größere Kraft zum Guten im Menschen hervorbringt. Und deshalb glaube ich, daß wir, wenn wir das fortsetzen, was wir tun, das Schiller-Institut über diese Konferenz hinaus in ein Forum verwandeln werden, in dem eine rationale Diskussion über die Frage, wie die Welt organisiert und umstrukturiert werden sollte, möglich ist. Und ich möchte die Internetseite des Schiller-Instituts in ein Forum für solche Papiere verwandeln - denn wir haben viel mehr Papiere erhalten, als wir auf dieser Konferenz präsentieren können -, um damit ein Forum zu schaffen für die Diskussion über den Wiederaufbau der Welt nach dem Zusammenbruch des jetzigen Systems.
Und ich glaube, daß die derzeitige Lage, in der es Oligarchien gibt, in der es Geldgier gibt und Milliardäre - ich glaube sogar, es gibt schon den ersten Billionär; daß man all das schon sehr bald als die „Kinderkrankheiten“ der Menschheit betrachten wird. Und man wird den Oligarchismus mit Masern, Windpocken, Mumps usw. vergleichen, gegen die man, wenn man sie einmal hatte, Antikörper bildet, sodaß das Immunsystem stark genug wird, und diese Dinge eine Frage der Vergangenheit sind, wenn man erwachsen wird.
Ich denke, wir haben den Tiger am Schwanz gepackt, denn wir haben die Methode, eine Renaissance zu schaffen! Die LaRouche-Jugendbewegung ist der beste Ausdruck dafür, und deshalb möchte ich nur sagen: Gehen wir mit Optimismus in die kommende Zeit. Packen wir eine rationale Frage über eine neue Weltwirtschaftsordnung auf den Tisch, seien wir ein Vorbild für das, was die Regierungen tun sollten, und zwingen wir sie, es zu tun!
Lesen Sie hierzu bitte auch: Die Eurasische Landbrücke wird Realität! - Neue Solidarität Nr. 39/2007 Die gegenwärtige Weltfinanzkrise - Neue Solidarität Nr. 39/2007 „Eine neue Welt“ - Neue Solidarität Nr. 39/2007 Über Fragen von Ideen und Politik - Neue Solidarität Nr. 39/2007 Landbrücken-Konferenz verabschiedet „Kiedrich-Resolution“ - Neue Solidarität Nr. 39/2007 Aufruf zum Abschluß der Konferenz: Bauen wir eine gerechte Weltordnung! - Neue Solidarität Nr. 39/2007 Das Landbrückenprojekt und die politische Großwetterlage in Rußland - Neue Solidarität Nr. 40/2007 Kombinierter Transport zwischen Eurasien und Nordamerika - Neue Solidarität Nr. 40/2007 Aufruf des Ad-Hoc-Komitees für ein Neues Bretton Woods - Neue Solidarität Nr. 34/2007 Stellungnahmen und Reden der BüSo-Vorsitzenden - Internetseite der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo) |
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