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Aus der Neuen Solidarität Nr. 3/2007 |
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Die BüSo-Bundesvorsitzende Helga Zepp-LaRouche hat in ihrer Rede auf dem Bundesparteitag der Bürgerrechtsbewegung Solidarität am 17. Dezember in Frankfurt am Main eindringlich vor dem baldigen Ende des herrschenden Finanzsystems gewarnt und zum Aufbau einer neuen gerechten Weltwirtschaftsordnung aufgerufen.
Liebe BüSo-Mitglieder, sehr verehrte Gäste,
es ist sehr deutlich, daß die Welt an einem kritischen Punkt angelangt ist. Niemand weiß genau, wie die Zukunft aussehen wird, aber fest steht, daß eine ganze Geschichtsepoche an ihr Ende kommt. Wir stehen vor einer vollkommenen Neugestaltung der Welt. Jeder - selbst die Finanzpresse - weiß, daß das Finanzsystem wahrscheinlich nicht mehr als wenige Wochen überleben wird, daß wir vor Entwicklungen stehen, die entweder zu einem neuen dunklen Zeitalter oder eben zu einer positiven Entwicklung, einer neuen Renaissance führen.
Wir haben uns unser ganzes politisches Leben mit diesem Problem beschäftigt. Die jetzt ausgebrochene Systemkrise ist keineswegs auf das Finanzsystem beschränkt, sondern wir sind damit konfrontiert, daß alle Aspekte dieses Systems, seien es die politischen, die sozialen, die kulturellen Institutionen, zu kollabieren drohen. Das ganze Wertesystem, das im Augenblick herrscht, wird nicht weiterbestehen.
Es ist absolut nach wie vor möglich, daß diese Entwicklung in einem neuen dunklen Zeitalter endet. Jeder, der über die Welt nachdenkt, kennt diese Gefahren sehr gut, und ich möchte über einige dieser Gefahren sprechen.
Andererseits besteht nach wie vor die Möglichkeit, eine neue Renaissance in Gang zu setzen, worüber Lyndon LaRouche in seinem Papier „Die neue Politik“ geschrieben hat. Wir stehen am Anfang einer Entwicklung, in der ein völlig neues Paradigma möglich ist und sich die Welt von ihrem jetzigen Wertesystem abwendet: der Globalisierung, dem Egoismus, der Ellbogengesellschaft, der absoluten Brutalisierung, dem oligarchischen Prinzip, bei dem der Mensch für die Machthaber, für die 400 Topfirmen, für die „global player“, die ganze Kontinente abschreiben und die Menschen nur als Vieh betrachten, nichts mehr gilt.
Dieses Paradigma wird untergehen, diese Leute können nicht gewinnen. Wir brauchen ein anderes Paradigma, unter dem sich die Menschheit zum ersten Mal eine eigene Ordnung geben kann, wo der Mensch in seiner Würde, der Mensch als kreatives Individuum im Mittelpunkt steht. Denn das, was den Menschen von allen anderen Lebewesen unterscheidet, ist die menschliche Kreativität, die menschliche Fähigkeit, immer neue universelle Prinzipien zu entdecken, die Schöpfungsordnung besser kennen zu lernen, damit das, was den Menschen als Imago viva Dei auszeichnet, tatsächlich die Basis der Politik wird.
Das klingt für viele europäische oder deutsche Kulturpessimisten vielleicht sehr unwahrscheinlich, die immer sagen: „Man kann ja doch nichts machen“, „Wie soll das gehen?“, „Das sind doch Idealisten, die das sagen“. Aber ich bin absolut überzeugt davon, daß wir am Anfang einer neuen Epoche stehen. Das sieht man insbesondere an der LaRouche-Jugendbewegung, die im jüngsten Wahlkampf in Amerika von LaRouche genial mobilisiert wurde. Wenn man tatsächlich auf die Kreativität junger Leute setzt, die glaubhaft vermitteln können, daß der kreative Funke etwas ist, was dem Menschen Würde gibt, dann läßt sich auch ein politischer Masseneffekt erzeugen. Dadurch wurde in Amerika der Erdrutschsieg der Demokraten möglich.
Viele Leute mögen denken, das seien alles utopische Gedanken. Aber ich möchte den Blick einmal auf Nikolaus von Kues richten, auf das, was er in der Vorrede zur Concordantia Catholica 1433 gesagt hat. Er sei sich darüber bewußt, heißt es dort, daß er am Vorabend einer neuen Epoche der Menschheitsgeschichte stehe. Er verweist auf seine umfangreichen Quellenstudien, auf jahrhundertelang verschollene Originalschriften, die in den Arsenalen alter Klöster aufbewahrt wurden. Als Humanist in der Tradition der großen Humanisten Italiens - Petrarca und der Gelehrten von Padua - hatte sich Nikolaus von Kues intensiv mit der Idee beschäftigt, zu den Schriften der großen griechischen Denker zurückzukehren, und dadurch hat er das dunkle Zeitalter des 14. Jahrhunderts überwunden.
Man muß sich das einmal vorstellen: Platon war damals fast 1700 Jahre lang verschollen. Es gab zur Zeit Petrarcas niemanden, der in Deutschland oder in Europa Griechisch konnte. Petrarca hatte große Schwierigkeiten, einen Lehrer zu finden, der ihm Griechisch hätte beibringen können. Petrarca hat nicht wirklich Griechisch gelernt, aber er hat sein ganzes Leben lang darum gekämpft. Und daraus ist letztlich die Renaissance entstanden.
Die Concordantia Catholica, die Nikolaus von Kues als junger Mann geschrieben hat - er war, glaube ich, erst 29 Jahre alt -, war die erste Formulierung eines republikanischen Systems. Im dritten Buch der Concordantia Catholica wurde zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte die Idee einer Republik oder die Basis für ein republikanisches repräsentatives System formuliert, in dem der Einzelne durch Repräsentanten mitregieren kann.
Das war ein riesiger Durchbruch, ein einzigartiger Schritt hin zur Geburt des modernen Nationalstaates. Daraus entstand später die Amerikanische Revolution, die wesentliche Idee, die 1776 verwirklicht wurde.
Kurze Zeit später schrieb Nikolaus von Kues sein Werk De Docta Ignorantia. Das war der Beginn der modernen Naturwissenschaft, die zu Kepler, Leibniz, Gauß, Riemann und LaRouche führte. Noch etwas später schrieb Nikolaus De Pace Fidei, die großartige These des ökumenischen Dialogs. Daraus entwickelte sich 1648 der Westfälische Friede und der Beginn des internationalen Völkerrechtes.
Aus all diesen Gedanken, zu denen Nikolaus den wichtigsten Beitrag geleistet hatte, wurde die italienische Renaissance, deren Höhepunkt das Konzil von Florenz war. Im Vorfeld hatte Nikolaus in Byzanz die Schriften der ersten Kirchenkonzile gefunden und konnte damit beweisen, daß das Filioque-Prinzip schon damals gültig war; das war die Basis, auf der die Einigung der Kirchen - der orthodoxen und der katholischen Kirche - möglich war.
Es waren nur wenige Leute, Nikolaus und einige andere - Bessarion, Plethon -, denen es gelang, das dunkle Zeitalter des 14. Jahrhunderts zu überwinden. Nikolaus wußte das. Dieser junge Mann von 29 Jahren hat damals gesagt: „Ich bin der Beginn einer neuen Epoche der Menschheit, und ich denke etwas, was noch nie vor mir gedacht worden ist.“ Er war sich darüber bewußt, daß seine Methode der Coincidentia Oppositorum ein vollkommen neuer Schritt in der Entwicklung der Wissensgeschichte der Menschheit war, womit die moderne Geschichte eingeleitet wurde. Vor allen Dingen die Berührung mit Platon bewirkte die geistige Explosion nach dem Konzil von Florenz.
Ich habe diesen Rückblick auf die Überwindung des dunklen Zeitalters des 14. Jahrhunderts und den Beginn der Renaissance in Italien bewußt gewählt. Denn daraus wird deutlich, daß Politik kein business as usual ist, wie man normalerweise denkt. Und mit genau dieser Einstellung hat die LaRouche-Jugendbewegung in Amerika (LYM) den Wahlkampf für den Kongreß geführt. Jungen Leuten, die das alte Paradigma ablehnen, die die „Werte“ der Globalisierung ablehnen, sondern Ideen verbreiten wollen, die auf die griechische Klassik, auf die italienische Renaissance, auf die deutsche Klassik, auf die große Tradition in der klassischen Musik Deutschlands von Bach bis Beethoven, auf Schiller und Shakespeare zurückgehen, ist es gelungen, den Götterfunken in den Menschen, mit denen sie gesprochen haben, anzuzünden.
Die universellen Ideen von Kepler, Werke wie Bachs „Jesu meine Freude“ u.ä. rufen in den Menschen das Renaissanceprinzip wach - immer dann, wenn es mit der Menschheitsgeschichte vorangeht. Wenn man die Universalgeschichte betrachtet, dann gab es jedoch immer nur kurze Perioden der Menschheit, in denen dieses Prinzip gewirkt hat: in der griechischen Klassik, in der italienischen Renaissance, in der Periode von 1750 bis etwa 1789, die die Voraussetzungen für die deutsche Klassik schuf, als selbst Friedrich Schiller davon überzeugt war, daß das Zeitalter der Vernunft anbrechen würde - eine Hoffnung, die sich dann durch das Scheitern der Französischen Revolution nicht erfüllte.
Das ist das, was jetzt wirkt, und ich glaube, es ist sehr, sehr wichtig, daß wir unsere eigene historische Leistung nicht als Tagespolitik oder als etwas Kleines sehen, sondern wir befinden uns inmitten der Geschichte, und von unserem Handeln, von unserem Einsatz, von unserer Mission für die Menschheit wird es abhängen, ob diese Epoche in einer Katastrophe endet oder ob wir wirklich die Menschheit aus dem Joch der Oligarchie befreien können.
Darum geht es, und darum ging es bei den Novemberwahlen in den USA, als selbst noch im September die Demokraten überzeugt waren, sie könnten nicht gewinnen. Wenn man im September 2006 gefragt hätte, ob es möglich sei, den Senat und das Repräsentantenhaus für die Demokraten zu gewinnen, dann wäre die absolute mehrheitliche Antwort gewesen: „Nein, die Republikaner haben die Institutionen so fest im Griff, es wird wahrscheinlich nicht gehen.“
Demokratenchef Howard Dean hat sich überhaupt nicht um die Kongreßwahlen gekümmert. Er hatte eine ganz andere Idee. Er wollte in 50 Bundesstaaten die Parteiinfrastruktur aufbauen, Büros, Bürokratie, aber er hatte keine Idee, daß man diese Wahlen gewinnen sollte.
Wie wurde dann dieser Erdrutschsieg möglich? Es begann mit einem genialen taktischen Schachzug von Lyndon LaRouche, der sagte: „Wir müssen die Jugend freisetzen, wir müssen die politische Kontrolle, die der Gegner über die Jugendlichen hat, zur Explosion bringen.“ Am Anfang haben viele nicht verstanden, warum LaRouche auf einmal soviel Schwergewicht auf die Kampagne gegen die Gestapo-Gedankenkontrolle an den Universitäten legte. Selbst die Jugendlichen sagten: „Vielleicht sollten wir lieber in den Wahlkreisen Tür-zu-Tür-Organizing machen.“
Aber als die Mitglieder der LYM zu ersten Veranstaltungen an der Universität Harvard gingen, stellten sie schnell fest, wie dieser ganze Apparat funktioniert. Und daraus entstand das Pamphlet „Is Goebbels on Your Campus?“ - „Ist Goebbels auf eurem Universitätsgelände?“
Wir stellten fest, daß der Apparat der Neocons, angeführt von Lynne Cheney, von John Train, von Leuten wie David Horowitz, dem Ayn-Rand-Institut usw., an den amerikanischen Universitäten eine Terrorherrschaft ausübt, sodaß sich die Studenten nicht mehr trauten, politisch zu sein. Ihnen wurde nahegelegt: „Du mußt dich auf dein Studium konzentrieren, ihr dürft die Politik von Bush und Cheney nicht kritisieren, denn wenn ihr z.B. den Krieg im Irak kritisiert, dann seid ihr antisemitisch, wenn ihr den Krieg im Libanon kritisiert, seid ihr antisemitisch!“ Das erzeugte eine Terrorherrschaft, die selbst die Professoren einschüchterte.
In dem Augenblick, wo wir das durch Interventionen vor allem an den Universitäten offensiv durchbrachen, als es um die entscheidenden Wahlbezirke ging, wo man die Demokraten zum Sieg bringen mußte, da brach eine ganze Explosion los, und plötzlich stellten sich auch die Professoren, die selber unter Druck gekommen waren, auf die Seite der Studenten.
Hinterher bestätigten uns Wahlanalytiker wie James Carville und andere Offizielle der Demokratischen Partei, daß die Mobilisierung hauptsächlich durch Tausende von Einzelgesprächen gelang. Man darf das nicht unterschätzen: Die Jugendlichen der LYM haben in den Universitäten, in den Wahlkreisen, wo es um die Entscheidungsschlacht ging, mit Tausenden von Leuten gesprochen. In Telefonaten haben sie über die Renaissanceidee gesprochen, über die Notwendigkeit, Amerika zu seiner wirklichen Tradition der Amerikanischen Revolution zurückzubringen, Amerika als Republik wieder zu verteidigen. Das hat dazu geführt, daß sich Leute, die in der Demokratischen Partei vollkommen passiv waren, plötzlich mobilisiert haben. Viele der Kandidaten, die von Howard Dean keinerlei Unterstützung bekamen, stellten ihren Wahlkampf auf eine neue Basis und sagten, ein Impeachment von Bush und Cheney sei wegen ihrer Verbrechen im Falle des Irakkrieges und anderer Situationen notwendig. So errangen die Demokraten plötzlich 29 zusätzliche Sitze im Repräsentantenhaus und gleichzeitig die Mehrheit im Senat und bei den Gouverneuren.
Die Demokraten, die diesen Wahlsieg errungen haben, haben jetzt ein Mandat ihrer Wähler für Impeachment. Sie sind Howard Dean oder der Demokratischen Parteispitze nicht mehr verpflichtet. Damit ist eine revolutionäre Situation im Kongreß entstanden, worüber in den europäischen Medien überhaupt nicht berichtet wurde.
Es gibt keine größere Diskrepanz zwischen der Berichterstattung in den europäischen Medien und dem, was wir durch unsere Intimkenntnis aus dem Kampf in Amerika selbst wissen: Es ist eine hochdramatische Situation entstanden. Bush, Cheney und die Neocons in der Administration stehen vor der größten strategischen Katastrophe in der amerikanischen Geschichte. Das ist nicht nur die Einschätzung Lyndon LaRouches, sondern der Mehrzahl der traditionellen Militärs in den USA, wovon General Odom nur der vielleicht am meisten zitierte ist. Die Lage im Irak ist vollkommen aus dem Ruder gelaufen, es herrscht Bürgerkrieg, die Situation in Afghanistan ist vollkommen außer Kontrolle. Wenn die USA aus dem Irak abziehen wollten, bräuchten sie dafür eine riesige logistische Verstärkung und die Unterstützung von Ländern wie dem Iran.
Aufgrund dieser Katastrophe hat bereits ein großer Teil des Establishments, und zwar von Republikanern wie Demokraten, den Vorschlag LaRouches von 2004, die LaRouche-Doktrin für Südwestasien, aufgegriffen - sein Konzept, daß nur unter Einbeziehung Syriens, des Iran und aller anderen Nachbarstaaten des Irak eine Lösung gefunden werden kann und daß zur Befriedung der Region der israelisch-palästinensische Konflikt gelöst und die Region wirtschaftlich entwickelt werden muß. Dieser Vorschlag liegt jetzt auf dem Tisch, das ist bereits amerikanische Politik.
Das alles ist ein Echo auf LaRouches Vorschlag, und der Druck wächst weiter, weil ein großer Teil des Spektrums der Institutionen, die den Baker-Hamilton-Vorschlag unterstützt, ganz genau weiß, daß Bush und Cheney mit der Gefahr eines Impeachments konfrontiert sind, was natürlich die Möglichkeit bedeutet, angeklagt zu werden und möglicherweise sogar ins Gefängnis zu kommen. Solange diese Leute jedoch im Amt sind, besteht nach wie vor die Gefahr eines Präventivschlages gegen den Iran, sei es durch die USA selber oder durch Israel. So hat sich sehr deutlich auch Daniel Ellsberg, der damals den Watergate-Skandal aufdeckte, vor etwa 10 Tagen in Stockholm geäußert. Die Gefahr existiert also noch. Aber der Baker-Hamilton-Vorschlag steht auf der Tagesordnung, und in gewisser Weise hat jetzt ein Wettlauf mit der Zeit begonnen. Anfang Januar wird der neue Kongreß ins Amt kommen, die Ausschüsse, die die Verbrechen der Bush-Cheney-Regierung untersuchen, sind in voller Aktion, um Beweise für das Impeachment zu sammeln.
Glauben Sie also Presseberichten nicht, wonach das Impeachment vom Tisch sei. Im Gegenteil, in der Demokratischen Partei findet derzeit ein Wechsel statt, der nirgendwo deutlicher wurde als bei der Nachwahl in San Antonio - in einem Wahlkreis, der 14 Jahre in den Händen der Republikaner war und es überhaupt keinen Anlaß gab, zu denken, diesen Sitz für die Demokraten gewinnen zu können. Doch die LYM mobilisierte dann 12 Tage lang an den dortigen Universitäten, und LaRouches Papier über die „Neue Politik“ wurde massenhaft verbreitet. Am letzten Tag des Wahlkampfes kam Expräsident Bill Clinton auf den Campus und sprach vor 2000 Studenten. Hinterher erklärte er in einem Konferenzgespräch der Demokratischen Partei mit offensichtlichem Bezug auf LaRouches Papier, das sei die „neue Politik“.
Es kann gut sein, daß Howard Dean nicht mehr lange Chef der Demokratischen Partei sein wird; James Carville hat bereits seinen Rücktritt gefordert. Dann wäre der Weg frei, daß in den zuständigen Kongreßausschüssen über LaRouches Gesetzesvorlage, den „Economic Recovery Act“, d.h. die Notwendigkeit der Rettung und Umwandlung der Autoindustrie und ihres Maschinenbauteils, diskutiert wird. Das wäre nicht nur für Amerika wichtig, sondern das ist zugleich die einzige Chance für Deutschland, für Europa und für den Rest der Welt, denn nur, wenn die Demokraten in der Tradition von Franklin D. Roosevelt in den USA die Führung übernehmen, gibt es eine Chance, aus dieser Krise herauszukommen.
Neben dieser strategischen Krise muß natürlich auch die Tatsache betont werden, daß das gesamte Finanzsystem kracht, wie es selbst in der Finanzpresse von Leuten wie Ambrose Evans-Pritchard zugegeben wird, sei es im Daily Telegraph oder der Financial Times: In den letzten Wochen haben sich die Berichte über den bevorstehenden Krach überschlagen. Der Kollaps des Immobilien- und des Hypothekenmarktes in Amerika ist in vollem Gang. In Gegenden wie Loudoun County, wo die Immobilienblase massenhaft überteuerte Pappmaschehäuser, sogenannte „MacMansions“, hervorgebracht hat, ziehen die Leute einfach weg, weil sie wissen, daß sie den gezahlten Preis ihrer Häuser nie wieder sehen und die Banken die Häuser sowieso übernehmen werden.
Inzwischen ist eine Situation entstanden, wo die Federal Reserve eigentlich die Zinsen anheben müßte, um den massiven Abfluß von Kapital aus Amerika zu bremsen. Die amerikanischen Defizite wurden in der Vergangenheit nur dadurch kompensiert, daß täglich bis zu sieben Milliarden Dollar an Kapital in die USA geflossen sind, doch das ist seit einiger Zeit rückläufig, sodaß selbst amerikanische Investoren und natürlich auch europäische Investoren ihr Geld lieber in Asien und in Europa anlegen. Eine Zinserhöhung verbietet sich aber, weil dann der Immobilienmarkt sofort kollabieren würde. Somit befindet sich die Federal Reserve in einer Zwickmühle und ist eigentlich handlungsunfähig.
Gleichzeitig hat die wahnsinnige Welle von Firmenübernahmen durch Hedgefonds und private Beteiligungsgesellschaften im letzten Jahr, vor allem im Herbst, eine kritische Schuldenkrise erzeugt. Das Leistungsbilanzdefizit der USA liegt im Augenblick bei 860 Milliarden Dollar - eine neue Rekordhöhe. Der Derivatehandel weltweit hat im außerbörslichen Handel („over the counter“), dem Teil, der weder von Regierungen noch Zentralbanken kontrolliert wird, laut offiziellen Berichten ein Volumen von 370 Billionen Dollar erreicht. Wenn man sich das in Zahlen verdeutlicht, ist das 370 und dann zwölf Nullen dahinter - ein gigantischer Betrag, der jede Vorstellung übertrifft. Dazu kommen noch 120 Billionen Dollar, die offiziell an den Börsen gehandelt werden. Die Gesamtsumme der Derivate weltweit hat also eine halbe Billiarde Dollar an ausstehenden Kontrakten erreicht.
Eine Unterform davon, die sogenannten Kreditderivate, explodierten von 17 Billionen Dollar im Jahre 2005 auf 35 Billionen 2006. Das ist alles fiktives Kapital, eine riesige Blase. Erst am 17. Dezember hat die Risikoabteilung der Ratingagentur Standard & Poor's, eine Firma zur Bewertung von Finanztiteln, berichtet, daß Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften inzwischen um das Vierfache über dem Verschuldungsstand liegen, der noch als sicher bezeichnet werden könnte.
Daran wird deutlich, was Müntefering einmal mit den Heuschrecken gemeint hat. So wurde gerade der Autoverleiher Hertz von einer privaten Beteiligungsgesellschaft nach dem Prinzip „smash & grab“ aufgekauft. Das läuft wie bei einem brutalen Einbruch: Im Haus wird eine Fensterscheibe eingeschlagen, die Räuber gehen hinein, reißen alle Wertgegenstände an sich und ziehen weiter. Das gleiche ist mit Lone Star und vielen anderen passiert. Inzwischen sind da absolut wahnsinnige Summen im Spiel.
Die größte Beteiligungsgesellschaft ist derzeit die Carlyle-Gruppe, die insgesamt über ein Kapital von einer Billion Dollar verfügt, mit dem Übernahmen finanziert werden können. Der größte Hedgefonds ist Goldman Sachs mit 1,3 Billionen Dollar. Die Hauptsitze der Hedgefonds befinden sich zu 80% auf den Bahamas, sind also außerhalb jeder Kontrolle von Regierungen. Inzwischen sind Gruppen entstanden, wo jeweils 2-3 Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften zusammen agieren; Cerberus und Appaloosa z.B. haben sich zusammengetan und Delphi, den Zulieferer von General Motors, nach dem Prinzip des „smash & grab“ gekauft. Viele Menschen verlieren dabei ihre gesamte Existenz, aber das ist diesen Räubern völlig egal.
Standard & Poor's warnt nun in seinem Risikobericht, daß diese Dynamik nicht weitergehen könne und eine Welle von Bankrotten bevorstehe. Wir stehen vor einem Immobilienkrach in den USA, kombiniert mit einer Schuldenkrise der Hedgefonds und der Beteiligungsgesellschaften. Das ist die Endphase der Kasinoökonomie, die 1987 von Allan Greenspan mit den Derivaten in Gang gesetzt wurde. Derivate sind im Grunde nur die verrückteste Form dieser Spielsucht, einer hyperinflationären Form primitiver Akkumulation mit feindlichen Übernahmen, Fusionen und einer immer stärkeren Kartellisierung, bei der einige Leute superreich werden, aber die physische Produktion kaputtgeht. Kurzfristig mögen die Aktienkurse ansteigen, aber vom Standpunkt realen Werts ist das vollkommen wertlos.
Im Computer könnte man einfach den Entfernungsknopf betätigen, und die 490 Billionen Dollar an Derivaten wären spurlos verschwunden - virtuelles Geld, das nur in der Fiktion einiger weniger existiert. Leider ist der Kollaps der physischen Ökonomie die Folge, und deshalb muß bei der kommenden Reorganisation des Weltfinanzsystem der ganze Bereich der Derivate ersatzlos gestrichen werden. Wenn es nur Monopoly wäre, könnte man ja sagen: „Laß die Leute doch spekulieren!“ Aber leider lebt diese Spekulation von einem Kapitalstrom aus der realen Wirtschaft, und deshalb ist Spekulation dieser Art kein moralisch neutrales Phänomen, sondern ein Verbrechen.
Der Zustand Afrikas ist das Resultat dieser Globalisierungspraxis. Wenn heute jeden Monat Tausende von Menschen unter Lebensgefahr aus Afrika fliehen, in Booten die Kanarischen Inseln oder Italien zu erreichen versuchen, dann ist das eine Reflexion dieser Praxis.
Aber man braucht gar nicht nach Afrika zu schauen. Auch hier in Deutschland wächst die Zahl armer Leute immer mehr. Nach dem jüngsten Armutsbericht leben 14 Millionen Arme in Deutschland, und ein großer Teil davon sind Kinder. Unter dem gegenwärtigen System haben diese Leute keine Chance.
Deshalb kann man nur feststellen, daß die alte Politik, das Paradigma, das mit dem gegenwärtigen System der Globalisierung verbunden ist, absolut gescheitert ist. Wir brauchen eine Reorganisierung, und diese Reorganisierung kann nur von einer veränderten Lage in Amerika ausgehen.
Ich bin eine unbedingte Freundin Chinas, ich liebe Indien, ich habe mich mit all diesen Ländern mein ganzes Leben lang beschäftigt, aber wenn man sich in der Welt umschaut, so stellt man fest, daß es kein anderes Land gibt, von dem eine Lösung kommen kann. China wird für die Probleme der Weltsituation keine Lösung vorschlagen. Rußland denkt vielleicht an Rußland und hat auch Recht damit, aber es wird keine Vorschläge machen, die Europa, Afrika, Amerika retten könnten. Indien ist in einer schweren inneren Krise, weil die Regierung zu viele Kompromisse mit der Globalisierung gemacht hat. Die Bundesregierung nähert sich mit ihrer Politik der kleinen Schritte immer mehr dem Abgrund, und jeder weiß, was diese Politik bedeutet. Belgien, Holland, Frankreich, Italien sind in der Krise. Deshalb ist es so extrem wichtig, sich klarzumachen, daß eine Lösung nur aus der veränderten Lage in den USA kommen kann. Nur wenn die Demokratische Partei unter dem Einfluß LaRouches und der LYM eine Politik durchsetzt, wie sie Franklin D. Roosevelt mit dem New Deal und dem Bretton-Woods-Abkommen betrieben hat, kann es rechtzeitig eine Lösung geben.
In den USA muß die Tradition des Amerikanischen Systems, dem Friedrich List das britische System gegenübergestellt hat, wieder lebendig gemacht werden. Die meisten Europäer verstehen das nicht wirklich, aber ich habe über meinen Ehemann Lyndon LaRouche Amerika von einer ganz anderen Seite kennengelernt, und deshalb weiß ich, daß in Amerika die Idee einer Republik sehr lebendig ist und daß man diese Republik verteidigen muß. Dies ist die eigentliche Seele Amerikas - das Erbe von Benjamin Franklin, Alexander Hamilton, John Quincy Adams, Lincoln, Franklin D. Roosevelt, Martin Luther King und heute der LaRouche-Bewegung. Das ist das wichtigste, was die Welt heute entscheiden muß.
Ich will noch einige Probleme ansprechen, die wir hier in Deutschland haben. Es ist nur 17 Jahre her, daß es noch eine DDR und eine Bundesrepublik Deutschland gab, daß die Mauer fiel und die Wiedervereinigung errungen wurde. Ich erinnere mich noch sehr gut, daß ich damals, als wir für das „Produktive Dreieck“ gekämpft haben, oftmals in Reden gesagt habe: Wenn wir den Fehler machen würden, auf das bankrotte System des Kommunismus das ebenfalls bankrotte System der „Freien Marktwirtschaft“ aufzupfropfen, käme es in einigen Jahren zu einem noch viel größeren Kollaps - und genau das geschieht heute. Es war schon damals klar, daß sich das bankrotte System der „Freien Marktwirtschaft“ durch die primitive Akkumulation, die die internationalen Finanzoligarchen im früheren Comecon-Bereich betreiben wollten, noch ein paar Jahre halten würde, aber eben mit der Konsequenz, daß der Kollaps des Kommunismus im Vergleich mit der heutigen globalen Krise wirklich „peanuts“ war.
Der damalige Kahlschlag in den neuen Bundesländern wurde im wesentlichen durch die Treuhand betrieben - die Treuhand, die eigentlich gegründet worden war, um das Volkseigentum, das die DDR-Bevölkerung geschaffen hatte, zu retten. So stand es noch in der ersten Satzung der Treuhand. Doch schon unter der letzten DDR-Regierung von de Maiziere und dann vor allem im wiedervereinigten Deutschland unter der Regierung Kohl setze ein Kahlschlag ein, der im Rückblick der Beginn der Übernahme Deutschlands durch die Heuschrecken war. Denn das, was mit den volkseigenen Betrieben der DDR in den neuen Bundesländern passierte, war Privatisierung ohne jede Rücksicht auf die sozialen Konsequenzen - die Einführung des Heuschrecken-Prinzips, das wir jetzt in ganz Deutschland sehen. Heuschrecken, Hedgefonds, private Beteiligungsgesellschaften schlucken alles, was nicht niet- und nagelfest ist - von mittelständischen Unternehmen über Sozialwohnungen bis hin zu Villen und Schlössern.
Wir haben die ganze Zeit absolut richtig gelegen mit unseren Aufrufen zu den Montagsdemonstrationen, mit unserer Kampagne „In Sachsen muß die Wirtschaft wachsen“, wo wir genau diese Dinge angeprangert haben.
Aber Deutschland hat noch ein anderes Problem. Ich weiß, daß sich viele immer geärgert haben, wenn LaRouche das Problem der Babyboomer und das Paradigma, das für diese Krise verantwortlich ist, zur Sprache gebracht hat. In gewisser Weise muß man die Bevölkerung im Osten davon ausnehmen, denn sie wurden mit den „Werten“, die die Babyboomer- und 68er-Generation vertreten hat, erst nach 1989 konfrontiert. Das System der DDR war alles andere als gut, aber klassische Kunst, Bach, Chöre, Orchester und Schiller spielten eine viel größere Rolle.
Das Hauptproblem in Deutschland ist die Frage des Paradigmawandels, der zu der jetzigen Situation geführt hat. Man muß verstehen, daß diese untergehende Ära das Resultat einer oligarchischen Politik war - angefangen mit der Frankfurter Schule nach dem Zweiten Weltkrieg, die ganz bewußt die klassische Kultur attackierte, mit Adorno, der behauptete, der Idealismus und Humanismus der deutschen Klassik führe notwendig zum Faschismus, und den anderen Vertretern der Frankfurter Schule, die damals eine gesamte Generation von Studenten, die sogenannten „68er“, gehirngewaschen haben. Dadurch ist heute eine ganze Generation weitgehend von den eigenen Wurzeln abgeschnitten.
Ich möchte das Problem noch von einem anderen Blickpunkt betrachten. Im Rahmen des Amerikanischen Systems sind in den USA die Senatoren und Kongreßabgeordneten ihren Wählern gegenüber viel direkter verantwortlich. In Amerika kann jeder Wähler zu seinem Abgeordneten im Kongreß gehen und sagen: „Ich habe dich gewählt, jetzt stehe mir Rede und Antwort. Warum machst du die Politik nicht, für die ich dich gewählt habe?“
In Deutschland geht das nicht. Man kann nicht einfach in den Bundestag gehen und sagen: „Herr oder Frau Abgeordnete, ich habe Sie wegen des folgenden Wahlversprechens gewählt.“ Im Gegenteil ist es so, wie sich Herr Müntefering einmal ausgedrückt hat. Es sei „unfair“, wenn Politiker kurz nach den Wahlen daran erinnert würden, was sie im Wahlkampf versprochen hätten.
Das hat LaRouche zu recht als das holländisch-britische parlamentarische System angeprangert, das wir in Deutschland sehr gut kennen. Abgeordnete in Deutschland sind nur auf dem Papier der Wahrheit oder allgemeinen Prinzipien verpflichtet, sondern sie unterliegen dem Fraktionszwang. Abgeordnete, mit denen wir ab und zu sprechen, sagen gewöhnlich: „Ich stimme Ihnen im Prinzip völlig zu, aber ich muß jetzt wieder zurück in die Fraktion. Leider kann ich all das, was wir jetzt besprochen haben, nicht erwähnen, sonst werde ich nicht wieder aufgestellt.“
Solange Deutschland dieses System, die Europäische Zentralbank, den Stabilitätspakt, Maastricht und die EU in ihrer jetzigen Form akzeptiert, wird Europa nicht zu verteidigen sein. Das wird ein ganz akutes Thema werden, denn Deutschland hat am 1. Januar die Präsidentschaft in der EU übernommen. Leider hat Frau Merkel bereits angekündigt, sie wolle die Neugestaltung der europäischen Verfassung zum wichtigsten Thema machen - einer Verfassung, die selbst vom Karlsruher Verfassungsgericht schon als Makulatur bezeichnet wurde und die nach den Ablehnungen in Frankreich und Holland keine Grundlage mehr hat.
Wir brauchen eine andere Verfassung, ein anderes System. Deshalb ist das wichtigste, was die BüSo sich vorgenommen hat: nämlich in der kommenden neuen Ära die Prinzipien zu verwirklichen, die in der Amerikanischen Revolution ausgedrückt, in Europa aber nie wirklich durchgesetzt wurden. In der Präambel der amerikanischen Verfassung wird ganz eindeutig festgestellt, daß eine Regierung nur dann legitim ist, wenn sie dem Gemeinwohl der Bevölkerung verpflichtet ist und wenn sie nicht nur für die gegenwärtige, sondern für alle zukünftigen Generationen die absolute Souveränität garantiert. Und in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 heißt es, daß jeder Mensch das unveräußerliche Recht auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit hat. Glückseligkeit bedeutet hier - im Unterschied zur Hobbesschen Idee des Eigentums - das Recht auf Entwicklung aller im Menschen angelegten Fähigkeiten, das Recht auf Entfaltung seiner kognitiven Identität und das Recht auf ein erfülltes Leben im Dienste der Menschheit.
Dieser Begriff der Glückseligkeit klingt auch im 1. Artikel des Grundgesetzes an: Die Würde des Menschen ist unantastbar; und in gewisser Weise auch in Artikel 20 des Grundgesetzes, daß Deutschland ein sozialer Staat ist und die Bevölkerung ein Recht auf Widerstand hat, wenn versucht wird, den Charakter Deutschlands als Sozialstaat anzutasten.
Aber Deutschland ist nicht wirklich souverän. Wir haben nicht das Recht, über die eigene Kreditschöpfung und die Wirtschaftspolitik zu entscheiden. Solange wir Maastricht, die EZB, den Stabilitätspakt etc. akzeptieren, kontrollieren wir nicht wirklich unsere eigene Regierung, ganz egal, ob sie so oder so aussieht.
Es bleibt der rote Faden in dem, wofür ich mich einsetze, daß die Amerikanische Revolution eine Wasserscheide in der Geschichte war, und alle großen Geister Europas - Friedrich Schiller, Wilhelm von Humboldt und viele andere - haben damals in der Hoffnung auf Amerika geblickt, daß es möglich sein würde, eine solche Republik auch in Europa zu verwirklichen. Jeder dachte, daß das damals in Frankreich gelingen könnte, was anfangs auch durchaus realistisch schien - zumindestens als 1789 die Verfassungsgebende Versammlung unter der Führung Baillys beschloß, solange zu tagen, bis eine an dem amerikanischen Modell orientierte Verfassung erarbeitet wäre. Aber jeder weiß, wie das zunichte gemacht wurde: durch die Jakobinerherrschaft, durch den Sturm auf die Bastille, durch die Selbstkrönung Napoleons als Kaiser und seine Pervertierung der Idee, die aus der Französischen Revolution eigentlich hätte hervorgehen sollen.
In Deutschland wurde die größte Annäherung an die Idee einer Republik in den Freiheitskriegen errungen. Die Freiheitskriege, die weitgehend aus den deutschen Geschichtsbüchern verschwunden sind, waren nicht nur ein Krieg gegen die Fremdherrschaft und das Joch Napoleons, sondern sie waren eine wirkliche Verfassungsbewegung. Die preußischen Reformer - Scharnhorst, Gneisenau, vom Stein, von Humboldt - waren Anführer einer Bewegung, die die Zersplitterung Deutschlands in 300 Fürstentümer und Grafschaften überwinden wollte, ausgedrückt durch den Volksaufstand, zu dem die preußischen Reformer in ganz Deutschland aufgerufen hatten, und durch die Erhebung der deutschen Bevölkerung für die Idee eines republikanischen Nationalstaates.
Als vom Stein und von Humboldt 1814 als Vertreter Deutschlands beim Wiener Kongreß waren, benutzten sie Schriften, die sie selber schon im Rußlandfeldzug gegen Napoleon ausgearbeitet hatten. Sie waren fest entschlossen, daß am Ende des Wiener Kongresses ein deutscher Verfassungsstaat stehen sollte. Durch eine Verschwörung aller Oligarchen Europas, von Talleyrand, Castlereagh und Metternich bis zu Zar Alexander und dem preußischen König, wurden diese Pläne zunichtegemacht, sodaß der Wiener Kongreß im Mai 1815 zuendeging, ohne daß die Frage einer deutschen Verfassung und eines einheitlichen deutschen Staates überhaupt auf die Tagesordnung gesetzt worden wäre. Die Heilige Allianz, die dann stattdessen folgte, war ein riesengroßer Rückschritt. Alle Reformen, die die preußischen Reformer durchgesetzt hatten, wurden rückgängig gemacht. Man kehrte zum Status quo ante zurück, und damit manifestierte und konsolidierte sich die oligarchische Mentalität in Deutschland.
Einer, der das hervorragend beschrieben hat, war Heinrich Heine. Er prangerte den Mief des „deutschen Michels“, den Mief des deutschen Biedermeiers an, der die Realität des Metternichschen Polizei- und Spitzelsystems ausblendet und sich lieber in das eigene Wohnzimmer zurückzieht. Die typische Handlung der deutschen Hausfrau sei es, das Kissen in der Ecke des Sofas exakt in der Mitte zu teilen und die Spitzengardinen blütenweiß zu halten. Diese Mentalität hat die Deutschen zu politischer Impotenz verdammt, die bis heute anhält. Das ist das größte Problem, das wir in Deutschland haben.
Durch unglückliche Umstände waren mein Mann und ich einmal bei Johannes und Gloria von Thurn und Taxis eingeladen. Wir hatten vorher wohl nicht richtig eingeschätzt, was da auf uns zukommen würde. Ich werde es nie vergessen, wie nach dem Dinner ein Diener in grüner spanischer Livree aus dem 17. Jahrhundert von „Ihrer Durchlaucht“ Fürstin Gloria in der dritten Person angesprochen wurde: „Aus welchem Dorf kommt er?“, und der Diener in der dritten Person antwortete: „Er kommt aus Niederhanskofen“ - oder was auch immer für einem bayrischen Ort. Da ist mir zum ersten Mal klar geworden, was dieses oligarchische Prinzip ist: Viele Leute in Deutschland akzeptieren, daß es einen Adel gibt, der - wie Joseph de Maistre in seinem Schreiben an einen russischen Adeligen sehr deutlich beschrieben hat - von Geburt aus gottgegebene Rechte und Privilegien hat, die ihnen das Recht geben, über andere Leute zu herrschen. Das ist das Problem in Deutschland. Das ist das Hauptproblem, das wir lösen müssen. Da in Europa und Deutschland nie eine republikanische Revolution wie in Amerika stattgefunden hat, besteht die Gefahr, daß die Bevölkerung gar nicht merkt, wie heute der alte Feudalismus nahtlos durch einen neuen Feudalismus ersetzt werden soll.
Der neue Feudalismus bedeutet Privatisierung. Es wird dabei einfach das Etikett weggelassen, so daß es gar keinen Unterschied mehr macht, ob man es mit einem Fürsten Metternich oder einem Herr Kornblum, ehemaliger US-Botschafter in Deutschland, oder anderen Leuten zu tun hat. Auf einer Konferenz im Jahre 2001 haben Herr Kornblum und der US-Bankier Felix Rohatyn erklärt, man brauche ein neues System ohne souveräne Nationalstaaten; an deren Stelle müßte ein Management von etwa 400 „global players“, also Topkonzernen, multinationalen Konglomeraten von Megafirmen und Superkartellen treten, deren Führungsspitze laut Kornblum eine „global corporate identity“ annehmen müßte, d.h. eine Identität als „Weltmanager“, die über Hedgefonds, Beteiligungsgesellschaften, Kartelle bestimmen und Entscheidungen treffen, die eigentlich den nationale Regierungen zustehen. Das ist die eigentliche Idee des Feudalismus. Deswegen ist es so gefährlich, wenn die Bevölkerung in Deutschland dafür keine Antenne hat und nicht versteht, daß der Kampf für Artikel 1 des Grundgesetzes, „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, und Artikel 20, „Deutschland ein sozialer Staat“, die Voraussetzung dafür ist, das oligarchische Prinzip aus Europa zu vertreiben und das Äquivalent der Amerikanischen Revolution zu erkämpfen.
Es gibt in Europa eine latente revolutionäre Situation, die sich weiter verstärken wird, z.B. herrscht unter den Bürgermeistern in Frankreich, die wir jetzt zu gewinnen versuchen, um die notwendige Anzahl von Unterstützungsunterschriften für Jacques Cheminades Präsidentschaftskampagne zusammenzubekommen, eine revolutionäre Situation.
In Deutschland ist die Lage schwieriger. Lenin hat einmal zu recht gesagt, daß die Deutschen, wenn sie eine Revolution machen und einen Bahnhof besetzen wollen, erst einmal eine Bahnsteigkarte lösen. Aber ich bin überzeugt, daß sich mit den kommenden Erschütterungen auch in Deutschland das Blatt wenden wird. Tatsächlich hat die Diskreditierung der Eliten in Politik, Management und Kultur einen Tiefpunkt erreicht, der kaum noch zu unterbieten ist. Die normale Bevölkerung hält mittlerweile von den Politikern überhaupt nichts mehr. Manager sind verhaßt, die sich Millionen in die Tasche stopfen, während gleichzeitig Tausende Mitarbeiter entlassen werden, oder Herr Welteke, der frühere Zentralbankchef, der sich seine Pension erhöhen will. Das gleiche gilt für die Kulturelite, wie wir es jetzt am Fall Günther Grass gesehen haben. Noch nie hat sich die Masse der Bevölkerung so wenig mit dem bestehenden System identifiziert wie heute.
Deswegen ist die Intervention mit unserer Konzeption der „Neuen Politik“ so vordringlich. Wir brauchen auch in Deutschland wieder jenen kreativen Götterfunken, den die LaRouche-Jugendbewegung in Amerika mit ihrer Intervention in die Demokratische Partei geweckt hat.
Wir müssen uns darauf einstellen, daß der Finanzkrach in ganz kurzer Zeit Dimensionen annehmen wird, wie sie sich der normale Mensch nicht vorstellen kann. Wenn dann aber vom amerikanischen Kongreß die neue Politik in Form des „Economic Recovery Act“ und die Politik Franklin D. Roosevelts für einen New Deal, d.h. staatliche Kreditschöpfung, und ein neues Bretton Woods auf die Tagesordnung gesetzt wird, ist der Zeitpunkt gekommen, wo wir auch in Deutschland das BüSo-Programm durchsetzen müssen, wenn dieses Land eine Chance haben soll.
Wir haben das bereits im letzten Bundestagswahlkampf zum Thema gemacht und die Souveränität über unsere eigene Währung gefordert. Der Euro funktioniert nicht - die Ausweitung des Euro auf weitere Länder ist bereits ad acta gelegt worden: Polen will ihn nicht, Tschechien und Ungarn wollen ihn nicht. Spätestens, wenn der Euro ganz auseinanderfliegt, wird die Hoheit über unsere eigene Währung wieder zum Thema werden. Das mag dann D-Mark oder wie auch immer heißen; entscheidend ist, wir müssen unsere eigene Währungshoheit zurückbekommen. Und ausgehend von der Reorganisation in Amerika brauchen wir in Deutschland das Programm eines New Deal. Wir brauchen mindestens 200 Milliarden Euro oder das Äquivalent von 400 Mrd. DM an staatlichen Krediten - ganz gleich, ob diese von der Kreditanstalt für Wiederaufbau, von einer Nationalbank oder einer nationalisierten Bundesbank zur Verfügung gestellt werden. Ohne ein solches Programm hat Deutschland keine Zukunft.
Diese Politik muß mit der Vision einer Integration Eurasiens verbunden werden. 50 Jahre in die Zukunft zu blicken, das ist nicht nur für Deutschland, sondern für den gesamten eurasischen Kontinent wichtig. Ich habe schon öfter gesagt, daß Bush und Cheney wahrscheinlich einmal dafür ausgezeichnet werden, den Prozeß der eurasischen Integration ungeheuer beschleunigt zu haben, wie er sonst in 40 oder 50 Jahre nicht möglich gewesen wäre. Denn in Reaktion auf den Anspruch des anglo-amerikanischen Unilateralismus hat eine Entwicklung zur eurasischen Landbrücke eingesetzt, bei der die eurasischen Staaten zusammenrücken und umfangreiche wirtschaftliche Kooperation begonnen haben.
Aber es gibt nicht nur eine Zusammenarbeit von China, Indien, Rußland, der Shanghai Cooperation Organization und Iran, sondern auch in Lateinamerika sind Länder wie Argentinien, Chile, Brasilien, Ekuador, Venezuela und wahrscheinlich sehr bald auch Mexiko fest entschlossen, die Idee der lateinamerikanischen Integration zu verwirklichen, wie sie Lyndon LaRouche 1982 mit dem damaligen mexikanischen Präsidenten Lopez Portillo entwickelt hat. Es gibt bereits eine umfangreiche Kooperation zwischen Eurasien - vor allem Rußland und China - und Lateinamerika. China ist sehr in Afrika engagiert. Es beginnt also etwas, was wir die ganze Zeit vorgeschlagen haben: Die eurasische Landbrücke muß das Kernstück einer neuen Weltwirtschaftsordnung und der Motor für eine Rekonstruktion der Weltwirtschaft und vor allem für die Entwicklung Afrikas werden.
Dieses Programm ist unser Lebenswerk. Dafür kämpfen wir, seitdem wir uns dieser von Lyndon LaRouche gegründeten Organisation angeschlossen haben. Wir konnten den ungerechten Zustand der Welt nicht ertragen, als wir junge Leute waren, und genau das motiviert die Mitglieder der LaRouche-Jugendbewegung heute; sie wollen ihr Leben dafür einsetzen, den ungerechten Zustand dieser oligarchisch dominierten Welt zu beseitigen. Wir sind entschlossen, dem gerecht zu werden, was LaRouche in seinem Buch über die nächsten 50 Jahre unseres Planeten als Testfall bezeichnet hat, nämlich die Armut und den Hunger auf diesem Planeten zu überwinden.
Selbst in Deutschland ist Armut unter Kindern ein wachsendes Phänomen; das muß beseitigt werden. Wir werden eine neue gerechte Weltordnung erkämpfen und dafür das Prinzip anwenden, daß die Kreativität junger Leute in anderen den Götterfunken in Gang setzt, sodaß dieser zu einem Masseneffekt wird. Das bedeutet, den Auftrag Friedrich Schillers zu erfüllen, der davon sprach, daß der große Augenblick ein großes Geschlecht finden muß. Wir dürfen nicht wieder erlauben, daß eine Sternstunde der Menschheit, die historische Chance, die im Zusammenbruch des alten Systems liegt, ein kleines Geschlecht findet, sondern wir müssen uns unserer großen Denker und Dichter würdig erweisen und diese Chance zu einem positiven Ende führen.
Vielen Dank.
Lesen Sie hierzu bitte auch:
„Wir brauchen junge Leute, die eine Zukunft der Zivilisation fordern“ Neue Politik auch für Deutschland! |
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