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Aus der Neuen Solidarität Nr. 10/2007

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Schockwelle erschüttert das globale Finanzsystem

Die Spannungen auf den Weltfinanzmärkten haben sich in der vergangenen Woche entladen und eine Schockwelle ausgelöst, die das gesamte Weltfinanzsystem erschüttert. Die Kettenreaktion wird sich fortsetzen, bis das gesamte Finanzsystem am Boden liegt - oder die Regierungen in einem „Roosevelt-Reflex“ ein neues, geordnetes Finanzsystem errichten.

In der vergangenen Woche lautete die Schlagzeile unseres Leitartikels: "Japans Zinserhöhung kann das Kartenhaus zum Einsturz bringen". Unter Hinweis auf den Yen-Carry-Trade als Grundlage der gewaltigen Spekulationsblase der Hedgefonds warnte darin die Vorsitzende der Bürgerrechtsbewegung Solidarität, Helga Zepp-LaRouche: „In dem Augenblick, wo diese Kapitalströme aufgrund veränderter Wechselkurse dazu tendieren, in die umgekehrte Richtung zu fließen, können Panik und das eingebaute Klumpenrisiko zur Kernschmelze des Systems führen.“ Genau dies könne die Zinserhöhung in Japan auslösen.

Kaum kam diese Ausgabe vom Drucker, erschütterte ein gewaltiges finanzielles Erdbeben die Welt: Scheinbar ausgehend von Shanghai, wo der Aktienmarkt am Dienstag um fast 9% abstürzte, wanderte die Verkaufswelle rund um den Globus und löste dort Abstürze zwischen 2 und 6% aus, in vielen Fällen den größten seit dem 11. September 2001.

Die Sprecher der Finanzwelt gaben die Linie aus, das alles sei bloß eine „Korrektur“ und weiter nichts Schlimmes geschehen, doch bei genauerem Hinsehen ergibt sich ein anderes Bild. Einerseits ist der Finanzmarkt Shanghai so klein, daß ein Absturz um 10% an sich kein weltbewegendes Ereignis ist. Aber tatsächlich hat sich nach der japanischen Zinserhöhung einiges geändert. Ein Finanzberater, der zu den weltweit besten Kennern des Yen-Carry-Trade gehört, sagte dazu: „Der 27. Februar wird als ein sehr wichtiger Tag betrachtet werden. Ob das zu einem gewaltigen, schnellen Finanzkollaps führen wird, oder ob er sich über anderthalb Jahre hinzieht wie bei der Asienkrise 1998 - heute könnte der Beginn einer finanziellen Implosion sein.“ Die Struktur des Carry Trades mache es unmöglich, das wahre Ausmaß dieser Geschäfte an der Leistungsbilanz abzulesen. Er schätze alleine das Volumen des Yen-Carry-Trades auf eine Billion Dollar. Und wenn sich die Kurse der Carry-Trade-Währungen plötzlich ändern, müßten die Händler ihre Positionen abwickeln, was dann weitere plötzliche Veränderungen an anderer Stelle nach sich ziehe. Und genau dieser Prozeß kommt jetzt in Gang.

Am 1. März stiegen die Carry-Trade-Währungen - das ist neben dem Yen vor allem der Schweizer Franken - deutlich gegenüber Pfund, Euro und Dollar, aber auch den Währungen der Länder, in die die Carry-Trade-Gelder geflossen waren. Dabei wurde auch die wichtige Marke von 155 Yen zum Euro unterschritten. Der Dollar-Yen-Kurs sank über Nacht von 118,56 auf 117,04. Gegenüber dem südafrikanischen Rand stieg der Yen um 2,9%, gegenüber der türkischen Lira um 2,7%  und gegenüber der isländischen Krona um 2,2%.

Aber auch diese Krise ist vermutlich selbst bereits eine Folgewirkung des Platzens einer weiteren spekulativen Finanzblase - die des Marktes der amerikanischen Wohnimmobilien und der damit verbundenen Hypotheken, insbesondere der minderwertigen („subprime“) Hypotheken. In den letzten Wochen kam es fast täglich zu Pleiten von Firmen, die auf die Vergabe von Hypotheken an Kunden mit geringer Bonität spezialisiert waren. Das Wall Street Journal schrieb dazu am 27. Februar: „Das Schlimmste steht den Hypothekengläubigern vielleicht noch bevor, und das könnte die Nervosität der Investoren vermehren.“ Wenn die Haushalte mit Subprime-Hypotheken weiter Probleme hätten, diese Schulden zurückzuzahlen, müßten die Hypothekengeber höhere Rückstellungen für Verluste aus faulen Krediten machen, was die Gewinne schmälere, und dies wiederum könne ein Sinken der Aktienkurse und eine Einschränkung der Kreditvergabe auslösen. Durch diese vom amerikanischen Subprime-Markt ausgehende Kreditverknappung entsteht eine Spannung in den globalisierten Finanzmärkten, die sich dann am schwächsten Punkt entlädt - z.B. in Schanghai, wo die Behörden am Tag vor dem Absturz schärfere Regulierungsmaßnahmen in Kraft gesetzt hatten, die dann einige Investoren zum Abzug veranlaßten.

Der strategische Hintergrund

Dabei spielt aber auch ein anderer wichtiger Aspekt eine Rolle, der gemeinhin übersehen wird, nämlich, daß der Krach und seine Folgen unter bestimmten Umständen selbst zum Mittel der Politik werden. Angesichts des politischen Umschwungs in den Vereinigten Staaten nach der Kongreßwahl im vergangenen November sei der Augenblick der Wahrheit gekommen, erklärte der amerikanische Ökonom und Politiker Lyndon LaRouche: Wer werde die nun entstehende Weltordnung beherrschen - republikanische Tendenzen, wie sie in der Geschichte mit dem Amerikanischen System der Politischen Ökonomie verbunden sind, oder die britisch-holländische Finanzoligarchie?

Die anglo-holländische Fraktion sei in sich gespalten. Eine Gruppe setze darauf, dem Finanzsystem den Boden wegzuziehen, um die USA und alle Nationalstaaten schnell zu zerstören. Die andere Gruppe fürchte, in einer solchen schweren Krise könne es einen „Roosevelt-Reflex“ und eine Hinwendung zu dirigistischer Wirtschaftspolitik des Amerikanischen Systems geben, und sie ziehe es daher vor, das System abgestuft und kontrolliert aufzulösen.

Auch in Japan gebe es historisch bedingt zwei Grundtendenzen. Die eine sei das industrielle Japan, das um die Bedeutung qualifizierter Arbeitskräfte wisse und daher seine Wirtschafts- und Handelsbeziehungen auf die eurasischen Mächte, allen voran Rußland, China und Indien, umorientieren möchte, weil die USA, England und Kontinentaleuropa immer tiefer in die Krise rutschen. Die andere Fraktion sei auf das imperiale System ausgerichtet, das seit dem 17. Jh. unter anglo-holländischem Einfluß stehe. Bestimmte Kreise der Industriefraktion hätten erkannt, daß der Yen-Carry-Trade, der das anglo-holländische System aufrechterhalte, Japan als industrielle Wirtschaft zerstöre. Daher rühre die Entscheidung für eine Erhöhung der Zinsen - wenn auch eine graduelle, um den Schock möglich gering zu halten.

Die Krise richtet sich gegen den Dollar

Im Januar (Neue Solidarität Nr.4/2007) warnten wir unter der Überschrift „Sterling-Absturz als Waffe der Bankiers?“: „Wie schon 1967-71 könnte ein bewußt herbeigeführter Absturz der britischen Währung erst den US-Dollar und dann das Finanzsystem in die Knie zwingen.“ Tatsächlich äußerten in der vergangenen Woche mehrfach Vertreter der Bank von England öffentlich, sie „erwarteten“ eine Abwertung des Pfund Sterling auf den Devisenmärkten. Das ist das beste Mittel, einen solchen Wertverlust auch tatsächlich herbeizuführen, welcher sich dann auch sehr schnell auf den Dollar auswirken würde.

Gleichzeitig mehren sich Berichte, daß Zentralbanken ihre Währungsreserven „zu Lasten des Dollars diversifizieren“, wie es die FAZ am 28. Februar formulierte. Da dies aber, offen ausgeführt, sofort Turbulenzen auf den Devisenmärkten auslösen würde, legten „immer mehr Länder  staatliche Investmentfonds auf“. Diese Gelder würden dann nicht mehr zu den Währungsreserven gezählt und „vorrangig nach Renditegesichtspunkten“ angelegt. „Die großen Dollaraufkäufer verschaffen sich somit einer nach dem anderen Flexibilität, sich im Zweifelsfall vom Dollar abzuwenden. In der Tendenz schwächt dies den Dollar und seine aktuelle Vormachtstellung.“

In seinem Internetforum vom 11. Januar hatte LaRouche gewarnt, man dürfe nicht zulassen, daß der Dollar abstürze, da es sonst zum völligen Zusammenbruch der Finanzwirtschaft, des Welthandels und der Produktion käme - und damit zu einer Krise der Zivilisation wie im 14. Jahrhundert.

Daher müßten die Regierungen sofortige Maßnahmen zur Umstrukturierung des Finanzsystems ergreifen, um die Finanzblasen in geordneter Weise aus der Welt zu schaffen und wieder ein System geregelter Wechselkurse herzustellen. Die Krise auf den Finanzmärkten unterstreicht, wie dringend eine solche Neuordnung des Finanzsystems ist. Derzeit stehen die weltweiten Finanzströme weitgehend unter der Kontrolle der anglo-holländischen Finanzinteressen hinter den meist in britischen Kronkolonien angesiedelten Hedgefonds, deren finanzielle Macht sie nach Belieben gegen andere Währungen einsetzen. Die Nationen müssen - in dem von der Finanzoligarchie befürchteten „Roosevelt-Reflex“ - wieder die Kontrolle über die Finanzmärkte übernehmen und den spekulativen Fonds das Handwerk legen. Vielleicht ist es gerade das jetzt sichtbar werdende Ausmaß der Krise, was entsprechenden Maßnahmen politisch den Weg bereitet.

Alexander Hartmann

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Was der amerikanische Kongreß lernen muß: Die verlorene Kunst des Investitionshaushaltes, 4. Teil
- Neue Solidarität Nr. 10/2007
Japans Zinserhöhung kann Kartenhaus zum Einsturz bringen
- Neue Solidarität Nr. 9/2007

 

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