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Aus der Neuen Solidarität Nr. 9/2007

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Japans Zinserhöhung kann Kartenhaus zum Einsturz bringen

Von Helga Zepp-LaRouche

Die Anhebung der Zinsen in Japan und der dadurch drohende Anstieg des Yen-Kurses könnten die Hauptgeldquelle der internationalen Finanzspekulation, den Yen-carry-trade, schlagartig austrocknen lassen. Das würde eine ähnliche Kettenreaktion wie im Fall von LTCM auslösen - nur daß heute die Einsätze der Spekulanten 1000 mal größer sind.

Ungeachtet der Illusionen der genasführten Kleinanleger, die sich von den neuen Rekordzahlen der Börsen blenden lassen, und ungeachtet der Beschwörungen zahlloser Analysten, die Entscheidung der japanischen Zentralbank, die Zinsen von 0.25 auf 0.5 Prozent anzuheben, werde den sogenannten „carry-trade” nur unwesentlich beeinflussen, könnte diese Zinserhöhung eine dramatische Wirkung auf das Weltfinanzsystem haben und sogar einen systemischen Kollaps auslösen. „Denn es gibt nichts im globalen Finanzsystem, was nicht letztlich mit diesem Yen-carry-trade zusammenhängt“, so die Worte eines kontinentaleuropäischen Bankers.

Es gibt derzeit weltweit zwischen 500 und 600 Milliarden an ausstehenden Finanzanlagen, die mit Hilfe der billigen Yen-Kredite unter Ausnutzung des Zinsgefälles getätigt worden sind. Falls der Yen in der nächsten Zeit auf Grund der Zinserhöhung zu steigen beginnen sollte, wäre der Effekt weitaus größer als 0.25 Prozent, denn die Hauptnutznießer des carry-trade sind die Großbanken, Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften, deren Derivatgeschäfte letztlich zu einer weltweiten Verschachtelung aller Marktsegmente geführt haben. Die gigantische Blase dieser Kasinowirtschaft muß wachsen, d.h. sie muß Profite machen, und dazu braucht sie einen kontinuierlichen Zustrom von Liquidität. In dem Augenblick, wo diese Kapitalströme auf Grund veränderter Zinsraten und Wechselkurse dazu tendieren, in die umgekehrte Richtung zu fließen, können Panik und das eingebaute Klumpenrisiko zur Kernschmelze des Systems führen.

Eine weitverbreitete Fehlannahme besteht darin, daß sich hinter den „Heuschrecken”, die sich massiv an diesem carry-trade beteiligen und gegenwärtig u.a. in Deutschland von mittelständischen Betrieben bis zu Sozialwohnungen alles aufkaufen, was nicht niet- und nagelfest ist, irgendwie „die USA” und die „Wallstreet” verbergen. Das tun sie zwar auch, aber wie der Economist kürzlich in seiner Ausgabe vom 3. Februar in einem Artikel mit der Überschrift „Britannia Redux, ein Spezialbericht über Großbritannien” angab, brüstet sich London damit nunmehr, das wichtigste Finanzzentrum der Welt zu sein und so das britische Empire in der Form der Globalisierung neu zu beleben.

Und London ist nicht die Hauptstadt einer normalen Nation, sondern die des Commonwealth, zu denen u.a. die Cayman-Inseln, Bermudas und die Bahamas gehören. Nach Angaben der Finanzbehörde der Cayman Islands, der CIMA, sind 7481 der weltweit 9000 Hedgefonds auf den Cayman-Inseln, einer britischen Kronkolonie, registriert. Auf diesen sogenannten „off shore markets“ gibt es keinerlei Bankenaufsicht oder Regulierung durch Zentralbanken oder Regierungen. 1993 wurde hier das „Mutual Funds-Gesetz” verabschiedet, das die vereinfachte Gründung oder Registrierung von Hedgefonds in einem deregulierten System ermöglichen sollte. Ziel war es, die Cayman Islands, die schon seit dem Beginn der Blasenwirtschaft mit der Schaffung des Eurodollarmarktes ein Eldorado der unkontrollierten Kreditschöpfung waren, noch mehr zu einem Dreh- und Angelpunkt der „Finanzindustrie” zu machen.

Seit Mitte der 90er Jahre wurde den Hedgefonds empfohlen, sich ungeachtet des Schauplatzes ihrer Finanzoperationen auf den Cayman-Inseln registrieren zu lassen, wo sie außerhalb der nationalen Gesetze und Regulierungen operieren könnten. Auf diese Weise wurde der weitaus größte Teil der Heuschrecken in die Geometrie des britischen Systems gebracht. Im Laufe der Zeit verschmolzen die Banken, die zunächst die Hauptkreditgeber der Hedgefonds waren, immer mehr mit diesen Fonds, die jetzt mit ihren Übernahmen den Reichtum vieler Nationen ausbeuten und aussaugen.

Im Bericht der Consulting-Firma McKinsey &Co. vom Januar dieses Jahres steht, daß die Wall Street und die USA als Finanzzentrum gegenüber London ins Hintertreffen gerate. Und dabei geht es um wahnsinnige Größenordnungen: so berichtet die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), daß es derzeit 370 Billionen (370.000.000.000.000) Dollar an ausstehenden sogenannten „Over the Counter“(OTC)-Derivaten gibt. Der größte Anteil davon sind mit 262 Billionen Zinsratenderivate, von denen 34 Prozent in London gehandelt werden und 24 Prozent in New York und Chicago. Die drittgrößte Kategorie von Derivaten sind 38 Billionen an Währungsderivaten, von denen 49 Prozent in London und nur 16 Prozent in New York gehandelt werden. Und diese Blasen nehmen mit einem Affentempo zu, so wuchsen die Kapitaleinlagen der Hedgefonds 2006 um 63 (!) Prozent in London und um „nur” 13 Prozent in den USA.

Aber was das wirkliche Ausmaß der Finanzaktivitäten der Heuschrecken, die weltweit wertvolle industrielle Kapazitäten und andere Spekulationsobjekte für ihren Profit aussaugen und dann ruiniert zurücklassen, wirklich ist, weiß niemand, keine Regierung und keine Zentralbank. Denn es gibt nicht einmal die von Finanzminister Steinbrück vielbeschworene Transparenz dieser Aktivitäten. Und wenn man das enorme Volumen der Beute dieser „Räuber und Plünderer” (Zitat eines Sprechers der britischen Gewerkschaft GBM) in Rechnung stellt, wundert es auch nicht, warum sich gerade Großbritannien und die USA bisher allen Versuchen der Reregulierung dieser aggressiven Monster widersetzt haben.

Als Franz Müntefering im Sommer 2005 einmal den Begriff „Heuschrecken” für die Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften in den Mund nahm, wurde er absurderweise von der internationalen Finanzpresse sogleich des Antisemitismus bezichtigt, die seitdem die Legende konstruiert, Deutschland sei durch diese Äußerungen und die wiederholten Forderungen nach Transparenz oder gar Reregulierung nicht wiedergutzumachender Schaden entstanden. In Wirklichkeit handelt es sich dabei um eine unverhüllte Einschüchterungskampagne der internationalen Finanzkreise, die John Perkins in seinem lesenswerten Buch Bekenntnisse eines Economic Hitman beschreibt.

Tatsache ist, daß die völlig gesetzlose Piraterie der Heuschrecken nicht nur dem Volkseigentum enormen Schaden zufügt, sondern die von grenzenloser Gier der Spekulanten getriebene Risikofreudigkeit stellt die derzeit größte Gefahr für das Weltfinanzsystem dar. Das System enorm gestiegener Volumen der carry trades, hinter dem wiederum der Aufstieg der Hedgefonds steht, kann jeden Moment detonieren. Denn die Heuschrecken nutzen kaltblütig die Tatsache aus, daß die Höhe der Leitzinsen nicht mit Angebot und Nachfrage nach kurzfristigem Kapital schwankt, sondern von den Notenbanken fixiert wird. Während Japan bis zu der minimalen Zinserhöhung dem Druck aus Washington und London nachgegeben hat, seit Jahren faktisch eine Nullzinspolitik beizubehalten, damit mit der Spekulationsspirale der carry trades ungehemmt Liquidität in die verschiedenen Blasen pumpen konnte, zeigten jetzt acht Mitglieder des Vorstands der japanischen Zentralbank mehr Interesse für die Stabilität des Yen als für die potentielle Kettenreaktion, die diese Zinserhöhung auslösen kann.

Als im September 1998 als Folge des russischen Staatsbankrotts im August der damals größte Hedgefonds LTCM bankrott zu gehen drohte, drohte der GAU, die Kernschmelze des Weltfinanzsystems, wie die BIZ in ihrem nachfolgenden Jahresbericht zugab. Nur weil die sechzehn größten Banken der Welt damals gemeinsam über Nacht eine gigantische Rettungsaktion für LTCM von über vier Milliarden Dollar organisierten, um Derivate im Wert von über 100 Milliarden Dollar zu stabilisieren, konnte ein Systemkrach abgewendet werden.

Seitdem ist die Anzahl der Hedgefonds und das Volumen ihrer Raubzüge um ein vielfaches angewachsen. Das globale Finanzsystem mit seinen total überschuldeten Banken ist heute ein Minenfeld, auf dem buchstäblich Tausende von Minen losgehen und einen Megakollaps auslösen können. So wäre z.B. ein neuer Krieg gegen den Iran der sichere Todesstoß für das Finanzsystem, der die Welt ins Chaos stürzen würde, und es ist nicht auszuschließen, daß ein Teil der Finanzoligarchie genau hierin ihre einzige Chance sieht, die Kontrolle zu behalten und zu verhindern, daß sich andere, am Gemeinwohl orientierte Kräfte durchsetzen..

Es gibt nur einen Ausweg: Ausgehend von einer von Cheney und Bush befreiten US- Regierung muß gemeinsam mit Rußland, China und Indien eine Neuorganisation der globalen Finanzarchitektur in der Tradition Franklin D. Roosevelts auf die Tagesordnung gesetzt werden, wie es Lyndon LaRouche vorgeschlagen hat, und wie es derzeit im amerikanischen Kongreß diskutiert wird. Hedgefonds, Beteiligungsgesellschaften und ihre virtuellen Vermögen haben in diesem neuen System nichts mehr zu suchen. Das Beste, was die Nationen Europas in ihrem eigenen Interesse tun können, ist, sich auf ihre Mitarbeit in diesem Neuen Bretton Woods vorzubereiten.

Lesen Sie hierzu bitte auch:
„Heuschrecken“ auf dem Rückzug?
- Neue Solidarität Nr. 9/2007
Stellungnahmen der BüSo-Vorsitzenden Helga Zepp-LaRouche
- Internetseite der Bürgerrechtsbewegung Solidarität

 

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