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Neue Solidarität
Nr. 8, 23. Februar 2017

US-Kriegspartei schürt den Krieg in der Ukraine

Von Rachel Douglas

Nach der Wahl Donald Trumps wird der Konflikt in der Donbaß-Region wieder aufgeheizt – unter dem Applaus der Rußlandfeinde im Westen.

„Wenn ich Michael Ledeen wäre“, sagte mir am 13. Februar ein europäischer Freund, „und ich wollte den Konflikt mit Rußland anheizen, dann würde ich dazu die Ukraine benutzen.“ Michael Ledeen ist ein berüchtigter amerikanischer Neokonservativer und geistiger Vater der Ideologie des „Universalfaschismus“, der sich gegenwärtig im Umfeld der Regierung Trump herumtreibt.

Ledeen ist vor allem für seine Obsession mit dem Feindbild Iran bekannt. Aber mein Freund hatte recht mit seiner Warnung vor der Gefahr einer Explosion in der Ukraine, einem Land mit 42 Millionen Einwohnern zwischen dem Schwarzen Meer und dem Südwesten Rußlands, am Ostrand des NATO-Raums, der in den letzten beiden Jahrzehnten stetig nach Mittel- und Osteuropa erweitert wurde.

Vor drei Jahren, am 22. Februar 2014, erreichte der „Euromaidan-Putsch“ gegen den gewählten Präsidenten des Landes, Viktor Janukowitsch, seinen Höhepunkt und Abschluß. Janukowitsch floh aus der Hauptstadt, als die sog. „Selbstverteidigungskräfte“ des Maidan sein Leben akut bedrohten. Sie hatten angekündigt, seine Residenz zu stürmen, wenn er nicht aufgebe, aber er wollte auch nicht das Militär einsetzen, um die Massendemonstrationen auf dem Maidan in der Kiewer Innenstadt niederzuschlagen, und ein Blutbad vermeiden. Als er sich auch im ostukrainischen Charkow und in seiner Heimatstadt Donezk nicht neu aufstellen konnte, bat er schließlich in Rußland um Asyl.

Der Maidan-Putsch baute auf dem Präzedenzfall der „Orangenen Revolution“ auf, als Maidan-Demonstrationen nach dem Modell der „Farbenrevolutionen“ des anglo-amerikanischen Finanziers George Soros und des professionellen Revolutionsmachers Gene Sharp1 Janukowitschs ersten Wahlsieg wegen angeblichen Wahlbetrugs streitig machten. Die Demonstrationen vom Dezember 2004 mündeten in eine Revolte, in der Janukowitsch den kürzeren zog. Doch die siegreichen Orangenen Revolutionäre verfielen nach wenigen Monaten in massive interne Machtkämpfe, und gleichzeitig versank die ukrainische Wirtschaft wegen der Deregulierung, Privatisierung und dem Kotau vor den Austeritätsforderungen des Weltwährungsfonds (IWF) immer tiefer in einer Krise. 2010 trat Janukowitsch erneut zur Präsidentschaftswahl an und gewann.

Aber auch danach wurde die öffentliche Meinung in der Ukraine von mehr als 2000 Nichtregierungsorganisationen (NGOs) beherrscht, die von der US-Regierung, der britischen Regierung, der EU und von George Soros’ Open-Society-Projekten bezahlt wurden. Die Staatssekretärin im US-Außenministerium Victoria Nuland prahlte einmal, die USA hätten alleine über die Kanäle des Außenministeriums dazu fünf Milliarden Dollar in die Ukraine gepumpt - ein Großteil davon, wie es der in der Ukraine geborene russische Ökonom Sergej Glasjew formulierte, „Fördergelder zum Aufbau einer intellektuellen Expertengemeinde, die sich gegen die Russische Föderation richtet und auf die Schaffung einer rußlandfeindlichen Haltung in der ukrainischen Gesellschaft zielt“.

Die – im voraus geplante – neue Dimension des Euromaidan waren extrem gewalttätige Provokationen und letztendlich ein gewaltsamer Regierungssturz. Janukowitschs Entscheidung vom November 2013, die Unterzeichnung des Assoziationsabkommens mit der Europäischen Union auszusetzen, nachdem er erkannt hatte, daß das Abkommen der ukrainischen Wirtschaft schaden würde, diente als Vorwand für den Putsch. Die Maidan-Aktivisten strömten in die Kiewer Innenstadt und verkündeten, nicht wieder zu gehen, bis diese Entscheidung zurückgenommen und Janukowitsch zurückgetreten sei. Viele Demonstranten auf dem Maidan kamen mit EU-Flaggen und in der Hoffnung auf ein besseres Leben, aber die paramilitärischen Gruppen, die immer wieder die Gewalt eskalierten und jeden Vorstoß zu einer Übergangsvereinbarung zur Beilegung des Konflikts sabotierten, marschierten unter der rot-schwarzen Flagge der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) - der Mitte des 20. Jahrhunderts von Stepan Bandera gegründeten faschistischen Bewegung. Die OUN kollaborierte im Zweiten Weltkrieg mit den Nazis und organisierte „ethnische Säuberungen“ mit Massenmorden an Polen und Juden. Diese Nazigruppen nannten sich „Rechter Sektor“; Formierung und Aufbau dieser Gruppen in der Zeit zwischen 1991 und 2013 geschahen in direkter Fortsetzung der Finanzierung von Banderas Anhängern während des Kalten Krieges durch den britischen MI6 und den Dulles-Flügel der amerikanischen CIA.2

Als das durch den Putsch an die Macht gebrachte Regime kurz darauf beschloß, der in weiten Teilen der Ukraine verbreiteten russischen Sprache den Status als zweite Amtssprache zu entziehen, und der Rechte Sektor auf der Krim und im Donbaß, der Industrieregion im Osten des Landes, Angriffe verübte, löste das eine folgenschwere Kette von Ereignissen aus. Mitte März 2014 erklärte die Krim ihre Unabhängigkeit von der Ukraine und entschied, sich der Russischen Föderation anzuschließen. Im Donbaß wurden die autonomen Volksrepubliken Donezk (DPR) und Lugansk LPR) ausgerufen, die den Putsch in Kiew nicht anerkannten und die großen Städte und einen großen Teil des Territoriums der beiden Provinzen beanspruchten. Im darauf folgenden Bürgerkrieg kamen Zehntausende ums Leben, da Kiew Militäreinheiten und Bataillone des Rechten Sektors in den Donbaß schickte, um den Aufstand der Milizen niederzuschlagen.

Eingefrorener Konflikt wird wieder angeheizt

Bei Verhandlungen zwischen den Regierungen von Frankreich, Deutschland, Rußland und der Ukraine in der weißrussischen Hauptstadt wurde im Februar 2015 das „Minsk-II-Abkommen“ über einen Waffenstillstand und eine zukünftige politische Lösung in der Region vereinbart. Die schweren Waffen wurden von der „Kontaktlinie“ zwischen den jeweiligen Streitkräften abgezogen. Seither wird der Waffenstillstand von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) überwacht.

Das Minsker Abkommens wurde jedoch recht unterschiedlich ausgelegt, vor allem die vorgesehenen Verfassungsänderungen in der Ukraine für eine weitgehende Autonomie für die DPR und die LPR. Die radikalen Nationalisten im ukrainischen Parlament, zu denen auch führende Vertreter des Rechten Sektors gehören, haben die Verfassungsänderungen bisher verhindert. Trotzdem waren die Kämpfe in den letzten beiden Jahren abgeklungen, es gab nicht mehr so große Verluste in der Zivilbevölkerung. Der Konflikt im Donbaß wurde zu einem der „eingefrorenen Konflikte“ in Mittel- und Osteuropa.

Als jedoch der neugewählte US-Präsident Donald Trump im Dezember 2016 seine Absicht deutlich machte, die Beziehungen zu Rußland zu normalisieren, wurde der Donbaß-Konflikt auf Initiative Kiews wieder aufgeheizt. Selbst Maidan-freundliche Analysten berichteten, wie die Kyiv Post am 26. Januar: „Ukrainische Streitkräfte inszenierten eine ,schleichende Offensive’, wie man es heute nennt, um die Kontrolle über Territorien in der ,grauen Zone’ – dem Niemandsland, das die Streitkräfte der Separatisten und der Regierung in den östlichen Regionen Donezk und Lugansk voneinander trennt – zurückzugewinnen.“

Am 28. Januar brachen dann Kämpfe um die kleine Industriestadt Awdijiwka nördlich von Donezk aus. Analysten des von der US-Regierung finanzierten Senders Radio Free Europe/Radio Liberty räumten ein: „Kiew-freundliche Truppen haben blutige Kämpfe mit ihren Feinden ausgelöst.“ Der stellv. Leiter der Beobachtermission der OSZE in der Ukraine, Alexander Hug, berichtete, Kiewer Truppen hätten „offen und ungestraft“ großkalibrige Artillerie in Position gebracht, „darunter Feldhaubitzen, Kampfpanzer und Stalinorgeln, die nach dem Minsker Abkommen verboten sind“.

Beim Rechten Sektor und seinen Ablegern ist es immer schwer zu sagen, wer sie zu ihren Aktionen anstiftet. Aber ein Blick nach London und Washington zeigt schnell, wer sie anfeuert.

Drei US-Senatoren, die als Falken berüchtigten Republikaner John McCain und Lindsey Graham sowie die Demokratin Amy Klobuchar, verbrachten den Silvestertag bei den Kiewer Truppen nahe der Frontlinie zur DPR. Sie besuchten auch die baltischen Staaten, wo die NATO ihre Truppen aufmarschieren läßt. Am 2. Februar schickte Senator McCain einen Brief an Präsident Trump, in dem er „Moskau und seine Stellvertreter“ für die Eskalation im Donbaß verantwortlich macht und verlangt, daß die USA Kiew Kriegswaffen liefern sollen.

Der ukrainische Präsident Poroschenko gab am 1. Februar vollmundige Erklärungen über seine Absicht ab, ein Referendum über einen Beitritt der Ukraine zur NATO abzuhalten. Premierminister Wolodymyr Groysman besuchte am 9. Februar das NATO-Hauptquartier in Brüssel, um mit der stellv. NATO-Generalsekretärin Rose Gottemoeller, ehemals Außenstaatssekretärin unter Präsident Obama, zusammenzutreffen.

Auch atlantische Denkfabriken meldeten sich aufgescheucht zu Wort, es gab eine Welle von Warnungen, Trump könnte zu einem „Geschäft auf Kosten der Ukraine“ bereit sein. James Sherr vom britischen Chatham House schlug Alarm gegen einen „vorauseilenden Kompromiß“ über die Ukraine. Der Putin-kritische Analyst Pavel Felgengauer jammerte in einem Beitrag des Eurasian Daily Monitor der neokonservativen Jamestown Foundation: „Wenn Trump die Ukraine ausliefert, wird er Rußland wieder groß machen.“ Adrian Karatnycky vom Atlantic Council warf Trump vor, er bereite sich darauf vor, die Ukraine durch das Aufheben der Sanktionen gegen Rußland zu verraten, während von Rußland unterstützte Streitkräfte bei Awdijiwka eine „brutale Offensive“ gestartet hätten.

Rußlands Außenminister Sergej Lawrow widmete am 12. Februar fast die Hälfte eines Interviews zur Hauptsendezeit im russischen Sender NTV einer sorgfältigen, abgemessenen Bewertung der Ukrainelage. Zu den jüngsten Eskalationen sagte Lawrow: „Der einzige Vorteil, den ich in dieser Lage sehe, in die wir mit viel Blutvergießen und nach vielen Monaten oder sogar Jahren der Experimente gekommen sind, ist der, daß der Westen endlich anfängt zu verstehen, was es mit der ukrainischen Regierung auf sich hat, und was ihre Versicherungen, sie sei bereit, die Minsker Vereinbarungen einzuhalten, wert sind.“ Lawrow hob hervor, daß die amerikanischen Vertreter, die für die Ukraine zuständig sein werden, noch nicht ernannt wurden. Er werde jedoch mit dem neuen US-Außenminister Rex Tillerson neben anderen wichtigen Themen auch über die Ukraine reden, sobald sie zusammentreffen.

Die ukrainische Ökonomin Dr. Natalja Witrenko, die von Anfang an das Maidan-Regime bekämpft hat, schrieb Trump unmittelbar nach dessen Wahlsieg in einem Offenen Brief:


Anmerkung

1. Siehe Rachel Douglas, „Botschafter McFaul und die Demokratie à la Oxford“, Neue Solidarität 7/2012. Darin wird dokumentiert, wie Sharp das Drehbuch für die „Farbenrevolutionen“ ausarbeitete, als er ein Jahrzehnt lang an der Universität Oxford wirkte. Dafür erhielt er Geldmittel des US-Verteidigungsministeriums, das darin völlig richtig eine Form der irregulären Kriegsführung sah.

2. Diese Ereignisse sowie die Dokumentation ihrer Vorplanung sind dargestellt in „Westliche Mächte unterstützen Putsch von Neonazis in der Ukraine“, Neue Solidarität 7/2014, und „Ukraine 2014: Gewalttätiger Umsturz, faschistische Axiome und offene Neonazis“, Neue Solidarität 22/2014.