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Neue Solidarität
Nr. 8, 23. Februar 2017

Panik in der Finanzelite über das bevorstehende Ende des EU-Projektes

Seltsam: Bundeskanzlerin Angela Merkel und EZB-Präsident Mario Draghi sprachen am 9. Februar zweieinhalb Stunden miteinander, aber anschließend wurde über den Inhalt des Gesprächs keine einzige Zeile veröffentlicht. Man kann jedoch mit Sicherheit davon ausgehen, daß darüber gesprochen wurde, wie man auf den aus Washington erwarteten Tsunami reagiert. Daß US-Handelsminister Peter Navarro Draghis EZB Manipulation der Wechselkurse vorwarf, war nur ein Vorgeschmack. Ein weiteres Anzeichen ist der Rücktritt des Wall-Street-nahen Chefs der Bankenaufsicht in der Federal Reserve, Daniel Tarullo, und die Aussicht, daß Thomas Hoenig, ein entschiedener Unterstützer der Glass-Steagall-Bankentrennung, diesen Posten übernimmt.

Vor allem aber haben Äußerungen des möglichen neuen US-Botschafters bei der EU, Ted Malloch, in Brüssel und Frankfurt Panik ausgelöst. Angesicht der Tatsache, daß die Griechenlandkrise wieder akut ist und der Weltwährungsfonds (IWF) den Austeritätsansatz der EU kritisiert, hatte Malloch die Meinung geäußert, Griechenland hätte schon vor vier Jahren aus dem Euro austreten sollen. In einem Interview mit dem griechischen Fernsehsender Skai TV sagte Malloch am 8. Februar: „Ob die Eurozone überlebt, ist meiner Meinung eine Frage, die sehr wohl auf der Tagesordnung steht. Wir haben den Exit Großbritanniens, es gibt Wahlen in anderen europäischen Ländern, deshalb denke ich, daß das etwas ist, was sich im Lauf des nächsten Jahres oder in anderthalb Jahren entscheiden wird.“

Unabhängig davon, ob Malloch tatsächlich nominiert wird, äußert er die Meinung von vielen in Trumps Team und des Präsidenten selbst. Was passiert, wenn das Szenario mit dem unvermeidlichen Ende der „qualitativen Erleichterung“ (QE) und den steigenden Zinsen für italienische Staatsschulden real wird? 2011 war Italien noch isoliert, aber nun könnte es einen Freund in Washington haben.

Das ist der Alptraum der Eurokraten. Draghi muß daher Merkel bekniet haben, den deutschen Druck, die QE zu beenden, zu verringern, nachdem er selbst angekündigt hatte, die monatlichen Wertpapierkäufe von 60 auf 80 Mrd.€ anzuheben. (Im Januar kaufte er sogar 85 Mrd.€, wodurch der Wertpapierbesitz der EZB auf nominell 1,6 Bio.€ anwuchs.) Und Angela muß Mario ihre Unterstützung zugesichert haben, sofern die EZB sicherstellt, daß sich Rom der „EU-Disziplin“ unterwirft.

Die Panik ist besonders spürbar in der Londoner City, dem eigentlichen Nutznießer des Eurosystems. Die Financial Times (FT) beschwerte sich am 9. Februar, die italienische Position zu Trump stehe „im Gegensatz zu der robusteren Haltung Frankreichs und Deutschlands“. Die Londoner Zeitung berichtet über ein freundschaftliches Telefonat von Ministerpräsident Paolo Gentiloni mit Trump und führt zwei Gründe an, warum Rom sich von Paris und Berlin distanziert: Der amerikanisch-russische Dialog verspreche, den Mittelmeerraum zu stabilisieren, und Trumps Position gegenüber Europa verschaffe Italien einen Puffer in Bezug auf den Konflikt mit Brüssel über den Staatshaushalt.

In der FT heißt es, wenn Italien andere in der EU irritiere, könne es an den Rand gedrängt oder „bestraft“ werden. Wahrscheinlicher ist aber, daß die dinosaurierartige transatlantische Elite die Strafe dafür erhalten wird, daß sie sich weigert, sich weiterzuentwickeln.

eir