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Neue Solidarität
Nr. 30, 27. Juli 2017

Die Neue Seidenstraße bringt Hoffnung nach Mittel- und Osteuropa

Eine serbisch-chinesische Konferenz zur Neuen Seidenstraße in Belgrad befaßte sich mit der Perspektive der Seidenstraßen-Initiative. Elke Fimmen vom Schiller-Institut sprach über deren strategische Bedeutung für den Weltfrieden.

Am 12. und 13. Juni fand in Belgrad die Konferenz „Initiativen der Neuen Seidenstraße – Erfolge und Herausforderungen“ statt, organisiert vom Institut für Internationale Politik und Wirtschaft (IIPE) in Belgrad und dem Institut für Europäische Studien der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften (CASS). Vor der Konferenz unterzeichneten beide Institute ein Abkommen, mit das IIPE zum Regionalen Zentrum für die Organisation wissenschaftlicher Projekte im 16+1-Format zwischen den 16 Zentral- und Osteuropäischen Ländern (CEEC) und China wird.

Beim Staatsbesuch von Präsident Xi Jinping letztes Jahr im Juni war bereits eine gemeinsame Konferenz zum Thema Donauraum und Neue Seidenstraße in Belgrad organisiert worden. Dieses Jahr nahmen etwa 50 Redner aus zehn Ländern teil, darunter eine große chinesische Delegation vom CASS, der Chongqing Akademie für Sozialwissenschaften und vom Forschungszentrum für Fragen der Energieentwicklung. Während der Konferenz würdigten serbische Organisatoren und Sprecher die Arbeit des Schiller-Instituts und von Helga Zepp-LaRouche für die Neue Seidenstraße.

Eröffnet wurde die Konferenz vom Direktor des IIPE Branislav Dordevic, dem Staatssekretär im serbischen Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Technologische Entwicklung Vladimir Popovic, dem Präsidenten des Ausschusses für Auswärtige Fragen im serbischen Parlament Zarko Obradovic, dem chinesischen Botschafter in Serbien H.E. Li Manchang und vom Generalsekretär des 16+1 (CEEC)-Netzwerkes der Denkfabriken, Huang Ping, der auch das Institut für Europäische Fragen beim CASS leitet.

Botschafter Li hob in seiner Rede hervor, daß bisher die meisten der 16+1-Projekte in Serbien durchgeführt wurden – neben einer Reihe von Industrieprojekten wurde die erste von chinesischen Unternehmen gebaute Brücke in Europa in Belgrad errichtet; Serbien ist das erste Land, mit dem China in Europa Visafreiheit vereinbart hat; China kaufte das erste Stahlwerk in Europa in Serbien, und beim ersten gemeinsamen Hochgeschwindigkeits-Bahnprojekt in Europa, der Bahnstrecke Belgrad-Budapest, werden im November die Bauarbeiten beginnen. Der Botschafter beschrieb die OBOR-Seidenstraßen-Initiative Chinas als ein Haus, das China zur Verfügung gestellt hat, dessen weitere Ausgestaltung aber von allen Beteiligten abhängt.

Mehrere der chinesischen Redner sprachen die Probleme bei der Umsetzung der Seidenstraßen-Initiative in Europa direkt an: Der EU-Protektionismus gegen chinesische Investitionen, die Sanktionen gegen Rußland, die Lage in der Ukraine und das Flüchtlingsproblem, vor allem für die Balkanländer, standen ganz oben auf der Liste.

So sprach Prof. Zhao Chen, der die Abteilung für Internationale Beziehungen beim Europa-Institut/CASS leitet, im ersten Themenkomplex „Die Neue Seidenstraße – die chinesische Strategie der Weltentwicklung“ über BRI und Europäische Integration. Die EU, die aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit Investitionen chinesischer Staatsfirmen ablehne, sei mit ihren vielen „veralteten“ Regularien und einem extrem bürokratischen System selbst protektionistisch. Er schlug vor, Europa solle lieber das Potential der Kooperation sehen, denn wirtschaftliche Entwicklung durch Infrastruktur erhöhe die allgemeine Produktivität und Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaften. Westeuropa könne von diesem „Spillover-Effekt“ profitieren und die Wirtschaftsbeziehungen und den Absatz in den Märkten Ost- und Zentraleuropas ausbauen. Wettbewerb sei nicht immer schlecht, er könne zu besseren Resultaten führen und auch die EU zu Reformen zwingen. Die Seidenstraßen-Initiative biete Stabilität an, wirtschaftliche Verbesserungen würden dem Radikalismus den Boden entziehen, was auch wichtig bezüglich des Problems Terrorismus sei. Prof. Zhao Chen sagte, dies werde „kein einfacher Prozeß“, aber zeige den Weg „zu neuen Möglichkeiten in einer ungewissen Zeit.“

Elke Fimmen vom Schiller-Institut und der Nachrichtenagentur E.I.R. sprach in der ersten Sitzung über „Die strategische Wichtigkeit der Neuen Seidenstraße für den Weltfrieden“. Prof. Duzsko Dimitrijevic vom IIPE, der Hauptorganisator der Konferenz, hob in der Einführung ihrer Rede und beim Resümee am Abend des ersten Tages die Anwesenheit und Arbeit des „berühmten Institutes aus Deutschland“ hervor. Frau Fimmen ging in ihrem zehnminütigen Vortrag auf das äußerst erfolgreiche BRI-Forum in Beijing im Mai und die Vielzahl jüngster wirtschaftlicher und diplomatischer Initiativen ein. Sie zitierte Helga Zepp-LaRouche, die Präsidentin des Schiller-Instituts, die am BRI-Forum teilgenommen hatte, mit den Worten, dies sei ein „sehr harmonisches Ereignis“ gewesen, das vielen Teilnehmern, vor allem aus Entwicklungsländern, Hoffnung gegeben habe. Die BRI breche mit der Geopolitik und stelle zum erstenmal in der Geschichte ein neues „Win-Win“-Paradigma globaler Kooperation dar, dem sich alle anschließen könnten. Ihre Perspektive, daß sich die Neue Seidenstraße zur Weltlandbrücke entwickelt, konnten die Teilnehmer während der Rede auf der „Weltlandbrückenkarte“ mit den wichtigsten Seidenstraßen-Korridoren und weiteren geplanten Projekten sehen.

Frau Fimmen unterstrich die Bedeutung des Treffens zwischen den Präsidenten Putin und Trump beim Hamburger G20-Gipfel, die mehrmaligen Treffen zwischen Präsident Xi Jinping und Trump, die äußerst intensive chinesisch-russische Kooperation auf allen Ebenen, wie sie vor dem G20-Gipfel in Präsident Xi Jinpings Besuch in Moskau deutlich wurde, und die anderen Bereiche strategischer Kooperation (BRICS-Treffen in China, die Aufnahme Indiens und Pakistans in die SCO) als Beispiel für einen neuen Geist der Kooperation für die Erhaltung des Weltfriedens. Wenn Putin, Xi Jinping und Trump als Präsidenten der wichtigsten Nationen zusammenarbeiten können, gebe es eine strategische Chance, ein wirklich neues globales Paradigma für Frieden und Entwicklung aufzubauen und gemeinsam die großen Probleme der Menschheit wie Unterentwicklung, Hunger, Flüchtlingsströme und die unmittelbar drohende Gefahr eines Finanzcrashs anzupacken und zu lösen. In Europa begrüßten neben den CEE-Ländern immer mehr Nationen die Seidenstraßen-Projekte Chinas als Alternative zur zerstörerischen EU-Austeritätspolitik und Bankenrettung. Die Tatsache, daß Deutschland beim Staatsbesuch von Präsident Xi Jinping vor dem G-20-Gipfel angekündigt habe, mit China bei Projekten in Afrika zusammenzuarbeiten, beweise, daß kein Weg mehr an Chinas erfolgreicher Herangehensweise vorbeiführe. Deutschland, Europa und die USA müßten sich jetzt auf ihre eigenen besten Traditionen zurückbesinnen und ebenso wie China das Prinzip Entwicklung in den Mittelpunkt stellen.

Prof. Blagoje Babic, Mitglied des Komitees für Wirtschaftswissenschaften an der Serbischen Akademie für Wissenschaft und Kunst, sprach über die „Neue Seidenstraße – Antwort auf die Herausforderungen der chinesischen Wirtschaft“. Er bezeichnete Chinas Politik als neue Anwendung des „New Deals“, mit einer Industrie- und Investitionspolitik, die gleichzeitig neue Absatzmärkte außerhalb der eigenen Grenzen schafft. Zum Schluß drückte er seine Freude darüber aus, mit der Arbeit des Schiller-Instituts vertraut zu sein, dessen Präsidentin seit mehr als 26 Jahren die Idee der Neuen Seidenstraße entwickelt und dafür gekämpft hat – ein Konzept, das „zufälligerweise dem gleiche“, das China jetzt umsetzt.

Dr. Jasminka Simic, Redakteurin und Journalistin beim staatlichen serbischen Fernsehen RTS Serbia gab einen Überblick über die interregionale Vernetzung durch die Seidenstraßenpolitik und Investitionen in die physische Infrastruktur und hob Chinas Betonung auf Zukunfts- und Hochtechnologien, um die Wirtschaft, um die Wirtschaft voranzubringen, hervor. Sie plädierte dafür, die Bevölkerung viel mehr in dieses Projekt einzubinden und dazu Runde Tische zu organisieren, und forderte auch die Medien auf, viel aktiver zu werden.

Die deutsche Raumfahrtjournalistin Jacqueline Myrrhe (Go Taikonaut), die kürzlich bei der Münchner Gedenkkonferenz für den deutsch-amerikanischen Raumfahrtpionier Dr. Krafft-Ehricke gesprochen hatte, hielt in Belgrad einen Vortrag über Chinas Raumfahrtprogramm und die „Weltraum-Seidenstraße“ zur Unterstützung des globalen Fortschritts – eine ganz neue Perspektive für viele Teilnehmer, die viel Anklang fand.

Edita Stojic Karanovic vom Internationalen Wissenschaftsforum „Donau – Fluß der Kooperation“ sprach über die „Neue Seidenstraße und die regionale Kooperation der Länder des Westbalkans“ und das Morava-Vardar-Axios-Kanalprojekt. Dieses ist ein integraler Bestandteil, um das volle Potential des Transportkorridors Ägäis-Belgrad-Budapest zu entwickeln, an dem China, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn arbeiten.

Anastas Vangeli, Doktorand an der Graduate School for Social Research der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau, wies in seiner Rede über die chinesische Politik aus der Sicht der CEE-Länder darauf hin, daß die chinesische Perspektive, allen Ländern in verschiedener Form die Mitarbeit an der Seidenstraße anzubieten, den sehr unterschiedlichen Ländern Ost- und Mitteleuropas die einzige realistische Chance gebe, historische Feindschaften und Gegensätze zu überkommen und gemeinsam eine tragfähige und konstruktive Zukunft aufzubauen.

Eine grundsätzliche Reflektion darüber, daß es bei der Seidenstraßen-Initiative nicht nur um simple Transportlinien von A nach B geht oder gar um PR-Projekte, entwickelte sich in der Diskussion am zweiten Konferenztag um die Frage „Profitabilität“ der Seidenstraßen-Zugverbindungen nach Ost- und Westeuropa. Dr. Jedrzej Czerep von der Kardinal-Wyszynski-Universität in Warschau berichtete, daß die besseren Verkehrsverbindungen und Exportchancen in Polen bereits deutlich zur Steigerung der Produktion in verschiedenen Sektoren (Mineralwasser, Obst, Milchprodukte) und insgesamt zu einem höheren Frachtvolumen von Polen nach China geführt haben. Züge in Richtung China fahren jetzt also keineswegs mehr fast leer zurück, wie dies zu Anfang der Fall war.

Die vielen interessanten Beiträge aus Serbien, Bosnien-Herzegowina, Polen, Bulgarien, Rumänien, Rußland, USA, Deutschland und natürlich auch China werden in Kürze vom IIPE in Buchform veröffentlicht und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Bei dieser Konferenz zeigte sich einmal mehr, wie verfehlt die EU-Politik der letzten 25 Jahre insbesondere in den durch geopolitische Kriege, Zerstörung der Industrie und Verarmung geprägten Balkanländern ist. Die Menschen haben einfach genug von leeren Versprechungen und doktrinären Floskeln über Demokratie, Marktwirtschaft, Reformen – ob es der „Berliner Prozeß“ oder andere bürokratische EU-Formate sind. Chinas Politik für wirtschaftliche Kooperation, Entwicklung von Infrastruktur und Hilfe bei der Reindustrialisierung im Rahmen der Seidenstraßen-Initiative ist hingegen real, nicht an politische Bedingungen gebunden und bietet eine Zukunft – nicht nur für ein Land wie Serbien, sondern für die gesamte Region und weit darüber hinaus.

Daß in der chinesischen Sprache in den Worten für Krise und Chance jeweils ein und dasselbe Schriftzeichen enthalten ist, läßt hoffen, daß auch Deutschland in dieser Phase der weltstrategischen Veränderung die Zeichen der Zeit erkennt und Teil der Lösung wird.

Elke und Klaus Fimmen