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Die Kooperation zwischen Frankreich und China stand am 19. Oktober im Mittelpunkt eines Seminars des Schiller-Instituts in Lyon.
Das Schiller-Institut veranstaltete am 19. Oktober in Lyon gemeinsam mit dem Club China EM Lyon FOREVER, einer Absolventenvereinigung der renommierten Lyoner Wirtschaftshochschule Ecole de Management (EM), die auch eine Zweigstelle in Shanghai hat, ein Seminar über die Perspektiven der Seidenstraße. Das Seminar war Teil einer doppelten Offensive des Schiller-Instituts, die europäischen Länder und insbesondere Frankreich und Deutschland dazu zu bewegen, sich an Chinas Projekt der Neuen Seidenstraße zu beteiligen. Redner der Konferenz waren die Vorsitzende des Schiller-Instituts Helga Zepp-LaRouche, Professor Shi Ze vom China Institute of International Affairs, Christine Bierre, Chefredakteurin der Zeitung Nouvelle Solidarité und führendes Mitglied der Partei Solidarité et Progrès, sowie Jean Christoph Vautrin, der Präsident des Club China EM Lyon FOREVER.
Lyon ist die Endstation der Zugverbindung zwischen Europa und der chinesischen Millionenstadt Wuhan. Von dort werden dreimal in der Woche Silikate für die Reifenproduktion, elektronische Geräte, LED-Lampen und Sportkleidung geliefert, auf der Rückfahrt bringt die Bahn französische Weine, Kosmetik und Nahrungsmittel nach China. Der Zug durchquert auf der 11.300 km langen Reise sechs Länder, er wechselt acht Mal die Lokomotive und dreimal die Spurweite.
Als im April der erste Zug in Lyon eintraf, wurde er feierlich vom Vizepräsidenten der Metropole Lyon für internationale Beziehungen, Alain Galliano, begrüßt, in dessen Zuständigkeit diese Zugverbindung fällt. Galliano sollte ursprünglich auch bei dem Seminar reden, war jedoch leider wegen dringender beruflicher Verpflichtungen verhindert; trotzdem trug seine Unterstützung viel zum Erfolg des Seminars bei.
Helga Zepp-LaRouche hielt – wie zwei Tage später bei der Konferenz zum selben Thema in Deutschland in Essen – die Eröffnungsrede der Lyoner Konferenz. Gleich zu Beginn forderte sie die Zuhörer auf der richtigen Ebene heraus: „Was würde Charles de Gaulle heute tun, um das französische Volk vor den beispiellosen Gefahren auf der Welt, nämlich der Zwillingsgefahr einer möglichen Konfrontation zwischen Amerika und Rußland und der akuten Möglichkeit einer Kernschmelze des transatlantischen Finanzsystems, zu beschützen?“
Da von Menschen gemachte Politik an diesen Gefahren schuld sei, könne man sie auch überwinden, indem man einen radikal anderen politischen Kurs einschlägt. Sie stellte dann Lyndon LaRouches „Vier Kardinalgesetze“ (siehe Neue Solidarität 25/14) zur Lösung der Probleme vor, um ähnlich wie später in Essen die Entwicklung und Aussichten der Dynamik der Neuen Seidenstraße und Weltlandbrücke darzustellen.
Sie berichtete über Chinas atemberaubende wirtschaftliche Entwicklung, mit der in wenigen Jahrzehnten 700 Millionen Chinesen aus extremer Armut gehoben wurden, und betonte, es gehe bei der Neuen Seidenstraße nicht bloß um den Verkehr und Austausch von Waren, sondern auch um den Austausch von wissenschaftlichen Erkenntnissen, Technologien und Kultur, um die beteiligten Nationen zu transformieren. Dann beschrieb sie die Serie von Gipfeltreffen in Ostasien – das Treffen der G-20 in Hangzhou (China), das Ostasien-Wirtschaftsforum in Wladiwostok (Rußland) und das ASEAN-Treffen in Vientiane (Laos) –, bei denen innerhalb von sechs Wochen eine enorme Zahl von Wirtschaftsabkommen geschlossen wurden, und sie zählte die Finanzinstitutionen auf (NDB, AIIB etc.), die zur Verwirklichung dieses Aufbauprogramms gegründet wurden.
Dadurch habe sich der „Schwerpunkt der Weltpolitik ganz klar nach Asien verlagert“. Sie verurteilte die Mentalität der „Thukydides-Falle“, die in den oligarchischen Eliten des Westens vorherrscht, und kam dann wieder zurück auf den „Patrioten und Weltbürger“ de Gaulle: „Ich bin mir sicher, daß er die Idee der Überwindung der Armut durch die globale Ausweitung der Neuen Seidenstraße zu einer Weltlandbrücke von ganzem Herzen unterstützen würde.“ Schließlich zitierte sie aus der wunderbaren Rede an die deutsche Jugend, die de Gaulle 1962 in Ludwigsburg hielt: „Angetrieben von einer dunklen Kraft, aufgrund eines unbekannten Gesetzes, unterliegen die materiellen Dinge der Welt einer immer rascheren Umwandlung“, indem „die Gesamtergebnisse der wissenschaftlichen Entdeckungen und der maschinellen Entwicklung die physischen Lebensbedingungen der Menschen tief umwälzen“. Die Menschen sollten „danach streben, daß der Fortschritt ein gemeinsames Gut wird, sodaß er zur Förderung des Schönen, des Gerechten und Guten beiträgt“.
Zepp-LaRouche verwies auf die „tiefe Affinität“ zwischen dieser europäischen humanistischen Tradition und dem im Konfuzianismus entwickelten Konzept der Selbstvervollkommnung des Menschen. „Was ist heute unser Ziel? Reichen wir uns die Hand, um Afrika durch die Erweiterung der Seidenstraße zu industrialisieren, und sicherzustellen, daß alle Kinder auf dem Planeten Zugang zur universellen Bildung erhalten.“
Anschließend erklärte Prof. Shi Ze aus chinesischer Sicht die Ziele der Seidenstraßen-Initiative und was sie für Europa und speziell für Deutschland und Frankreich bedeutet. In seinen Antworten auf Fragen aus dem Publikum betonte er mehrfach, daß dieses Projekt auch für Europa nicht mehr bloß eine Idee ist, sondern sich bereits in der Realisierungsphase befindet. Die Europäer sollten nicht zu lange zögern, denn das Angebot werde nicht für alle Zeiten offen bleiben.
Das Projekt, so Shi Ze, sei nicht bloß eine Kopie der alten Seidenstraße. Die positiven Aspekte der alten Seidenstraße würden zwar übernommen, aber das Projekt diene in der heutigen Welt als eine Strategie für Zusammenarbeit und Frieden. China wolle ein neues Kapitel seiner Öffnung zur Welt schreiben. Die Seidenstraße verkörpere gleichzeitig „Öffnung und Inklusion, Souveränität und gegenseitiges Interesse“. Das dahinterstehende kulturelle Konzept sei das der „Harmonie in der Vielfalt“.
Er wolle einige Mißverständnisse über das Seidenstraßenprojekt ausräumen. Es sei kein Projekt, das China im Alleingang verwirklichen könne, vielmehr schaffe China damit eine offene Plattform, die dank der Mobilität des Kapitals der ganzen Welt nutzen werde. Die Idee sei nicht, daß China einseitig in den Rest der Welt hineingreift, sondern eine Kombination von Hinauswirken und Hereinwirken. Es sei auch keine geographische Strategie, kein „Landgürtel“ im üblichen Sinne, sondern eine inklusive internationale Entwicklungsplattform. Seit dem 1. August 2014 fahren wöchentlich 20 Containerzüge aus dem Inneren Chinas nach Europa. Im Vergleich zum Seehandel wird die Reise um 15 Tage verkürzt, was die Kosten reduziert und so Kapital für bessere Verwendungen freisetzt.
Professor Shi Ze äußerte die Hoffnung, daß der „Juncker-Plan“ der EU, der Investitionen von 315 Mrd. Euro vorsieht, mit dem Projekt der Neuen Seidenstraße verbunden werden könne. Das Ziel sei, die Eisenbahnnetze, Flughäfen, Straßen, Seehäfen, Öl- und Gaspipelines, Strom- und Telekommunikationsverbindungen zwischen Europa und China zu modernisieren.
Chinas Rolle habe sich in jüngster Zeit verändert, China sei nicht mehr bloß eine Handelsmacht, sondern ein Investor. Das schaffe ein enormes Potential für die Zusammenarbeit zwischen Europa und China. Großbritannien, Frankreich, Deutschland und andere wünschten eine finanzielle Kooperation mit China. Schon jetzt gebe es 700 Mrd. Yuan an Swaps zwischen den Europäern und den Chinesen.
Shi Ze betonte besonders die enge Partnerschaft zwischen China und Frankreich, seit Präsident de Gaulle 1964, ein Jahrzehnt früher als andere westliche Länder, die diplomatischen Beziehungen zu Beijing aufnahm. China habe ein besonderes Interesse an Gemeinschaftsprojekten mit Frankreich in anderen Ländern. Shi Ze betonte mehrfach, es sei ungemein wichtig, gemeinsam in Afrika in Infrastruktur, Energie, Verkehr usw. zu investieren, so wie dies in einer französisch-chinesischen Erklärung von 2015 gefordert wird.
Christine Bierre, Chefredakteurin der Zeitung Nouvelle Solidarité und führendes Mitglied von Jacques Cheminades Partei Solidarité et Progrès, erläuterte dann den Stand der Beziehungen zwischen beiden Ländern. Paradoxerweise mache Präsident Hollande gegenüber China offenbar eine viel bessere Politik als im eigenen Land. Als privilegierter Verbündeter Chinas seit 1964 - dank de Gaulle - teile Frankreich wichtige Hochtechnologie im Austausch für Aufträge im Rahmen der rasanten Wirtschaftsentwicklung Chinas.
So werden in China Airbus-Maschinen montiert, und die beiden Länder arbeiten seit 30 Jahren bei der Kernenergie eng zusammen. Am 30. Juni 2015 schlossen sie ein Abkommen über den gemeinsamen Bau von Reaktoren in Drittländern, nach dem Modell von Hinkley Point in Großbritannien. Zudem gibt es eine intensive Zusammenarbeit im Kampf gegen Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung, was gegenwärtig eine von Chinas Prioritäten ist.
Bierre schlug vor, im Geist von Gottfried Leibniz’ großer eurasischer Strategie aus dem 17. Jahrhundert zukünftig vier weitere Stränge der Kooperation zu stärken: Raumfahrt, neue Kernkraftgenerationen (Fusion, Kugelhaufenreaktor, Thorium-Salzschmelze-Reaktor, Spaltungs-Fusions-Hybridreaktor), Modernisierung der Bahnverbindungen sowie Gemeinschaftsprojekte in Afrika. All dies mache eine Rückkehr Frankreichs zu einer klaren Industrieorientierung für die Zukunft erforderlich.
Aber über einzelne Projekte hinaus sei der größte Gewinn für Frankreich bei der Kooperation mit China, daß es wieder seinen eigenen „Traum“ finden kann. Im Bündnis mit China könne Frankreich seine eigenen Ideale und die Entschlossenheit zu ihrer Verwirklichung wiederfinden. Wie Chinas Premierminister Li Keqiang am 2. Juli 2015 in einer Rede in Toulouse gesagt hatte: Wenn die beiden großen Nationen zusammenarbeiten, dann werde „eins und eins mehr als zwei“ ergeben. Dann werde eine vergleichbare Energie freiwerden wie bei einer Kernfusion – für friedliche Ziele und für die Sache des Weltfriedens.
Zum Abschluß stellte der Präsident des Club China EM (Ecole de Management) Lyon FOREVER, Jean-Christophe Vautrian, die vielfältigen Aktivitäten seiner Absolventenvereinigung vor, die regelmäßig Konferenzen und andere Veranstaltungen über chinesische Wirtschaftspolitik, Geschichte und Kultur organisiert.
cbi