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Nach der Ermordung Alfred Herrhausens wurde die Deutsche Bank, die bis dahin als „Hausbank der deutschen Industrie“ galt, systematisch in eine Spekulationsbank anglo-amerikanischen Typs umgebaut - bis an den Punkt, wo sie heute „mit insgesamt 55 Billionen Euro an ausstehenden Derivatkontrakten und einem Leverage-Faktor von 40:1 selbst denjenigen von Lehman Brothers zum Zeitpunkt des Kollapses dieser Bank noch übertrifft und deshalb die gefährlichste Achillesferse des Systems darstellt“, wie Helga Zepp-LaRouche feststellte. Aber fast 120 Jahre lang, seit ihrer Gründung 1870 bis zum Mauerfall, spielte die Deutsche Bank eine ganz andere Rolle: sie war einer der ganz wesentlichen Motoren und Finanzierer des Aufbaus der deutschen Industrie.
Die Initiative zur Gründung der Deutschen Bank kam 1869 von dem Bankier Adelbert Delbrück, Chef des Bankhauses Delbrück, Leo & Co., der zunächst vergeblich versuchte, das Bankhaus Mendelssohn von seiner Idee zu überzeugen, „eine große Bank zu schaffen, hauptsächlich für den überseeischen Handel, die uns unabhängig von England machen soll“. Adelberts Vetter Rudolph von Delbrück war ein enger Vertrauter des preußischen Ministerpräsidenten und späteren Reichskanzlers Otto von Bismarck.
Mit Unterstützung des politisch aktiven Bankiers Ludwig Bamberger gelang es Delbrück schließlich, eine Reihe prominenter Bankiers und Unternehmer für die Gründung einer „Deutschen Bank“ zu gewinnen: Hermann Zwicker vom Bankhaus Gebr. Schickler, Berlin, Anton Adelssen vom Bankhaus Adelssen & Co., Berlin, Heinrich von Hardt von der Firma Hardt & Co., Berlin, New York, Victor Freiherr von Magnus vom Bankhaus F. Mart Magnus, Adolph vom Rath vom Bankhaus Deichmann & Co., Köln, Gustav Kutter als Vertreter des Bankhauses Gebrüder Sulzbach, Frankfurt, und Gustav Müller von der Württembergischen Vereinsbank, Stuttgart. Am 10. März 1870 wurde durch „allerhöchsten Erlaß Sr. Majestät des Königs von Preußen“ - der preußische Ministerpräsident Bismarck hatte das Verfahren vorangetrieben - das Gründungsstatut der Deutschen Bank genehmigt; dieser Tag gilt als offizielles Gründungsdatum der Aktiengesellschaft. Das Aktienkapital betrug fünf Millionen Taler (nach der Reichsgründung 1871: 15 Millionen Mark; heutiger Gegenwert ca. eine Milliarde Euro).
Geschäftszweck war „der Betrieb von Bankgeschäften aller Art, insbesondere Förderung und Erleichterung der Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und den übrigen europäischen Ländern sowie überseeischen Märkten“. Schon 1871 gründete die Deutsche Bank Filialen in Hamburg und Bremen, 1872 war sie auch in London, Shanghai und Yokohama vertreten und an Banken in Paris und New York City beteiligt. 1876 übernahm sie den Berliner Bankverein und die Deutsche Union Bank, 1886 gründete sie die Deutsche Überseeische Bank, 1889 die Deutsch-Asiatische Bank. 1914 galt sie als die größte Bank der Welt.
Neben der Außenhandelsfinanzierung gehörte die Emission von Aktien und Anleihen nicht nur für den Staat und kommunale Zwecke, sondern vor allem auch für Industrieunternehmen zum Kerngeschäft. Ab 1880 wuchs die Deutsche Bank dann immer mehr in ihre Rolle als „Hausbank der deutschen Industrie“ hinein. Schon seit 1874 war die Deutsche Bank das Kreditinstitut von Krupp. 1881 beteiligte sich die Deutsche Bank mit einem Betrag von 2,5 Mio. Mark an der Übernahme der „Aktien-Gesellschaft für Anilinfabrikation“ (AGFA). Weitere Großkunden waren Bayer (seit 1886) und BASF. Als Großaktionär hielt die Deutsche Bank Anteile der Unternehmen AEG (1887 hatte sie dessen Gründung finanziert) und Siemens & Halske. Des weiteren war die Deutsche Bank auf Anraten Werner von Siemens’ seit 1890 im Aufsichtsrat der Mannesmann-Röhrenwerke vertreten und hielt Mannesmann-Aktien im Wert von 3 Mio. Mark. Außerdem finanzierte das Institut die Umwandlung der Siemens-Schuckert-Werke in eine Aktiengesellschaft. Ab der Jahrhundertwende wuchsen dann auch die Beziehungen zur deutschen Montanindustrie, wie dem Bochumer Verein, dem Schalker Verein, der Harpener Bergbaugesellschaft und dem Essener Bergwerksverein König Wilhelm.
Auch im internationalen Geschäft war die Deutsche Bank sehr aktiv: 1883 beteiligte sie sich an der Northern Pacific Railroad Company in den Vereinigten Staaten, 1888 erhielt sie die Konzession für den Bau und Betrieb der Anatolischen Eisenbahn in der Türkei, 1898 beteiligte sie sich an der Schantung-Eisenbahn und an der Schantung-Bergbau-Gesellschaft. Die 1898 gegründete Deutsch-Überseeische Elektricitäts-Gesellschaft - ein gemeinsames Projekt von Deutscher Bank und der AEG - war schon 1909 das größte Stromversorgungsunternehmen Argentiniens.
1903 übernahm die Deutsche Bank die rumänische Erdölgesellschaft Steaua Romana und erhielt die Konzession für den Bau der Bagdadbahn, der u.a. von den Unternehmen Philipp Holzmann (Streckenbau), Krupp (Schienen), Krauss & Co., J.A. Maffei (Lokomotiven) und der Maschinenfabrik Esslingen ausgeführt wurde. 1926 war sie an der Gründung der Deutschen Lufthansa und an der Fusion der Daimler Motoren-Gesellschaft und der Benz & Cie. zur Daimler-Benz AG beteiligt.
Noch 1989 hielt die Deutsche Bank große Anteile an den Konzernen Daimler-Benz AG (28%), Philip Holzmann (30%), Karstadt (25%), Süddeutsche Zucker (23%) sowie über Zwischengesellschaften an der Metallgesellschaft (11%), Horten (19%), VEW (6%), Hutschenreuther (38%) und den Didier-Werken (16%).
Diese Industriebeteiligungen wurden dann aber in der Ära nach Herrhausens Ermordung immer weiter abgebaut und meistens ganz aufgegeben, und der Schwerpunkt des Geschäfts immer mehr in spekulative Finanzgeschäfte verlegt - und das rächt sich nun.
alh
Quellen