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Neue Solidarität
Nr. 23, 3. Juni 2015

Neues von der Seidenstraße

China bietet Brasilien „Marshallplan ohne politische und ideologische Bedingungen“

Nach Gesprächen, die beide als strategisch und sehr produktiv beschrieben, unterzeichneten die brasilianische Präsidentin Dilma Rouseff und Chinas Ministerpräsident Li Keqiang am 19. Mai in Brasilia mehr als 30 Wirtschaftsverträge über chinesische Investitionen in Infrastruktur, Industrie und Landwirtschaft in Brasilien im Umfang von insgesamt 53 Mrd.$. Dazu gehört auch die Machbarkeitsstudie für die erste transkontinentale Eisenbahn zwischen Atlantik und Pazifik in Südamerika.

Im Gespräch sind weitere 20 Mrd.$ aus China für einen neuen bilateralen „Fonds für produktive Zusammenarbeit“ zur Förderung eines ehrgeizigen „Fahrplans für industrielle Entwicklungszusammenarbeit“. Die beiden Nationen sehen darin die Grundlage, um die Beziehungen über die Ebene von Rohstoffen und Handel zu heben. Der brasilianische Diplomat José Alfredo Graça Lima faßte es treffend so zusammen: „Es ist ein Marshallplan ohne politische und ideologische Bedingungen.“

Tatsächlich bietet dies Brasilia einen Ausweg aus dem Würgegriff der Wall Street und der Londoner City. Seit Dilma Rousseffs Wiederwahl im Oktober 2014 läuft ein politischer und ökonomischer Krieg gegen das Land, der die Wirtschaft fast zum Stillstand bringt, die größten Konzerne lähmt und sogar Diskussionen über ein Ende von Dilmas Präsidentschaft ausgelöst hat. Der an der Wallstreet-nahen Chicagoer Universität ausgebildete Finanzminister Joaquim Levy hat eine Kürzung des Staatshaushalts um 23 Mrd.$ durchgesetzt und beharrt auf Austerität wie in Griechenland, während er gleichzeitig versucht, Brasiliens Beteiligung an der BRICS-Bank aufzuhalten.

Doch mit Chinas Unterstützung können nun nicht nur entscheidende Infrastrukturprojekte in Angriff genommen werden, es sollen auch 7 Mrd.$ der 53 Mrd.$ in den staatlichen Ölkonzern Petrobras investiert werden, der das Hauptangriffsziel der Wallstreet-Attacke ist. Außerdem stimmte das Abgeordnetenhaus zwei Tage nach dem Abschluß des Wirtschaftspakets für die Regierungsvorlage zur Beteiligung an der Bank (NEB) und dem Devisenreservefonds (CRA) der BRICS.

Diese begeisternden produktiven Projekte stützten sich auf „immaterielle Werte“, sagte Präsidentin Dilma bei einem Essen zu Ehren von Li Keqiang und dessen Ehefrau. China, eine Jahrtausende alte, kulturell reiche Zivilisation, „hat koloniale Ausbeutung und das Trauma zweier Weltkriege überwunden, um seinen bedeutenden Platz im internationalen System zurückzugewinnen. Heute ist China ein Land, dessen Einbringung in die Welt auf Konzepten wie friedlicher Entwicklung, dem ,chinesischen Traum’ und Konfuzius’ Harmoniegedanken basiert - den Elementen der Stabilität für eine gerechtere und fairere Weltordnung... Die Freundschaft zwischen China und Brasilien stützt sich über alle konkreten Fortschritte hinaus, die wir gesehen haben, auf immaterielle Werte - darunter Gleichheit, gegenseitiges Vertrauen, Harmonie und Respekt vor der Vielfalt.“

Li setzte seine Südamerikareise mit erfolgreichen Besuchen in Kolumbien, Peru und Chile fort.

* * *

Glasjew: BRICS-Bank wird Entwicklung finanzieren, was IWF und Weltbank nicht tun

Auf dem 7. Akademischen Forum der BRICS-Gruppe am 22. Mai in Moskau sprach der Ökonom Sergej Glasjew, Berater des russischen Präsidenten für regionale Wirtschaftsintegration, und erklärte ironischerweise, die Neue Entwicklungsbank (NEB) der BRICS werde keine Konkurrenz zu IWF und Weltbank sein.

Wie RT berichtete, sagte Glasjew über die NEB, sie werde sich „den Herausforderungen stellen, die die westlichen Institutionen gegenwärtig ignorieren. Die BRICS-Entwicklungsinstitution habe den Zweck, ihren Mitgliedsländern zu helfen, was von Washington angeführte Institutionen, IWF und Weltbank, nicht mehr täten...“

Der IWF arbeite für Finanzspekulanten, indem er seine Kredite an Bedingungen knüpfe, die den Abbau von Beschränkungen für spekulative Kapitalströme erzwingen. „Das Volumen des spekulativen Kapitals hat sich wegen der Zunahme des Volumens der Emission globaler Währungen in den letzten fünf Jahren mehr als verdreifacht, aber diese Druckerpresse von Dollar, Euro, Pfund und Yen erreicht die BRICS-Länder nur in der Form von Spekulationswellen“, sagte Glasjew. Das destabilisiere die Volkswirtschaften.

Die BRICS-Länder bräuchten „kooperative Finanzinstitutionen, um langfristige Entwicklungsprogramme umzusetzen“, so Glasjew. „Weder der IWF noch die Weltbank tun das heute, aber für uns sind solche Finanzinstitutionen extrem wichtig, weil wir in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum leben, der Wettbewerbsvorteile kombinieren sollte.“

Auf dem Forum sprach auch der russische Vizeaußenminister Sergej Rjabkow, und chinesische Experten leiteten Sitzungen zur Weltfinanzarchitektur und zu Investitionsprioritäten.

Unterdessen gibt es bedeutende Fortschritte bei der Einrichtung eines weiteren entscheidenden Werkzeugs für Infrastrukturfinanzierung, der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB). Nach einem dreitägigen Treffen in Singapur vom 19.-21. Mai einigten sich die 57 Gründungsmitglieder der AIIB auf die Charta der Bank, die feierliche Unterzeichnung wird Ende Juni in Beijing stattfinden. Über den Inhalt wurden noch keine Einzelheiten bekannt, aber China und Indien werden die größten Anteilseigner sein. Die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua erinnerte daran, daß andere Finanzinstitutionen „einige strenge Maßstäbe“ haben und „sogar politische Bedingungen“ stellen, und daß China die AIIB gründete, um gerade das zu vermeiden.