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Von Lyndon LaRouche
In einer Diskussion mit Freunden bei einem Musikabend am 10. Mai 2015 äußerte sich Lyndon LaRouche ausführlich zu Fragen der Musik, seine Ausführungen wurden für den Abdruck leicht überarbeitet.
Nehmt Schuberts 9. Sinfonie, dirigiert von Furtwängler.1 Darin ist alles enthalten, was man in dieser Art braucht, und sie stammt aus einer Periode seines Lebens, wo er fest entschlossen war, seine Mission zu vermitteln.
Warum wählte er diese Schubert-Sinfonie? Warum tat er das? Wie er die Schubert-Sinfonie dirigierte, das war etwas absolut einzigartiges, kein anderer hat es seitdem richtig gemacht. Und nachdem die größten Musiker das gehört hatten, wußten sie, daß Furtwängler der einzige war, der sich diese Sinfonie wirklich richtig zueigen gemacht hatte.
Der entscheidende Punkt ist ein bestimmter Geisteszustand. Wer meint, daß er durch irgendeinen mathematischen Zaubertrick den Notentext in Musik verwandelt, der spinnt - verzeiht den Ausdruck. Denn so funktioniert es nicht! Bei den großen, den wirklich großen Kompositionen geht das nicht, das dürft ihr gar nicht erst versuchen.
Furtwänglers Aufführung ist wirklich klinisch absolut entscheidend. Dort ist alles höchste Spannung. Und die Spannung ist vollkommen kontrolliert. Wenn man Furtwänglers Version hören will, erleben will, und angemessen aufmerksam zuhören will, dann hört man sie nicht abschnittsweise an [sondern im ganzen].
Es ist eine Art religiöse Erfahrung. Es beginnt in der Eröffnung in gewissem Sinne mit einer moralischen Belehrung. Und dann entwickelt es sich - wie etwa im zweiten Satz - in einer ganz bestimmten Art und Weise, die fast magisch ist. Und die meisten Dirigenten kriegen das nicht hin. Sie verstümmeln es durch routinemäßigen Rhythmus. Sie sehen nicht, worin der Fortschritt im Verlauf des Satzes liegt. Sie sehen nicht die mutige Explosion, die Furtwängler durch sein Dirigieren an einem bestimmten Punkt bewirkt. Und dann das Finale mit seiner Wirkung - bumm, bumm, bumm! Das ist geladen! Das ist wirklich Schubert.
Ich kenne das Geheimnis hinter dieser Sache. Ich habe mich lange damit beschäftigt. Es ist etwas, was die Leute „religiös“ nennen. (Aber die meinen viel, wenn sie sagen, etwas sei „religiös“. Vielleicht sind sie in Wirklichkeit Satanisten.)
Wer wirklich etwas komponieren will, was es wert ist, aufgeführt zu werden, und wer das Werk in einer Weise aufführen will, die es nicht verstümmelt, die Absicht dahinter nicht verstümmelt, der muß seinem eigenen Leben einen Sinn geben. Der Unterschied ist der: Der Durchschnittsmensch denkt „ich werde geboren und ich sterbe“, und sie organisieren ihr Leben auf der Grundlage dieser Vorstellung: „Ich werde solange leben, bis ich sterbe.“ Und das ist für sie dann das Ende. Das ist ihr Ziel. Ihr Ziel ist es implizit, zu sterben, was im Grunde abartig ist. Sie meinen, alles Wertvolle, was sie tun, sei mit ihrem Tod zuende.
Aber das gilt nicht für Furtwängler. Es gilt nicht für die größten Komponisten und die größten Sänger. Nein! Das Ziel, eine Unsterblichkeit zu erreichen - das ist nicht mechanisch, das ist keine Routine, sondern der Ausführende erzeugt ein Bild, durch das der Mensch, der es hört, der es erlebt, eine Vorahnung der Unsterblichkeit hat. Worin liegt die Unsterblichkeit? Du wirst sterben - na und? Du wirst sterben. Ich habe länger gelebt als die meisten,2 und deshalb kann euch etwas darüber sagen.
Die Bedeutung liegt darin, was ihr für die Zukunft der Menschheit tut. Und ich kann euch sagen, was Furtwängler mit diesem Schubert getan hat, beruhte genau auf dieser Leidenschaft! Er wußte, daß seine Kultur mit ihm zuende ging - nicht sein Leben, sondern seine Kultur! Und er schuf Werke, die seine Signatur der Unsterblichkeit sein sollten. Und jeder Mensch, der wirklich versteht, was die Aufgabe eines Menschen ist, hat die gleiche Einstellung.
Der Sinn des Lebens ist nicht, so lange zu leben wie möglich. Der Sinn des Lebens ist, eine Zukunft für die Menschheit zu schaffen. So wie wir das jetzt in Bezug auf das galaktische Wassersystem tun:3 Das Prinzip des galaktischen Wassersystems ist jetzt die Grundlage, von der die Existenz der Vereinigten Staaten abhängt. Wenn man dieses Prinzip des galaktischen Wassersystems nicht anwendet, dann kann man die Vereinigten Staaten nicht mehr retten. Die Vereinigten Staaten werden sonst ein Trümmerhaufen, eine tote Kultur.
So ist der Sinn dieser Dinge, daß ihr eurer eigenen Unsterblichkeit den Weg bereitet. Keine Unsterblichkeit, von der man träumt, als der eigenen Zukunft, sondern die Erkenntnis, daß das, was man tut, eine Unsterblichkeit dieser Art fördert. Nichts anderes ist es, was wir tun.
Die Menschheit ist eine einzigartige Gattung! Es gibt nichts vergleichbares, keine Tierart, die ihr gleichkommt. Kein Tier kann so etwas hervorbringen wie die Menschheit. Die Menschheit ist ein einzigartiges Phänomen. Und das Charakteristikum der Menschheit ist ihre Kreativität! Deshalb sollte man sich in seinem Leben mit Dingen wie großer Musik umgeben. Denn diese Dinge verewigen die Existenz, indem sie verewigen, was man für die Menschheit tun kann.
Das ist es, was man mit einer guten Aufführung erreichen will. Denn die Unsterblichkeit schaut uns an und stellt uns Fragen. Hier reden wir jetzt über Musik, aber das ist der Grund für die Musik. Die Bedeutung liegt nicht in der Musik, sie liegt in der Seele der Menschheit.
Und Leute, die sich für sehr gute Musiker halten, liegen oft in Wirklichkeit falsch und sind arrogant. Sie denken, daß sie einem Maßstab gerecht werden, und wahrscheinlich werden sie auch einem bestimmten Maßstab gerecht. Aber das macht mich wütend, denn darum geht es nicht. Die großen Musiker, die die Fähigkeit dazu haben, werden die besten, notwendigen Resultate erreichen. Wir anderen müssen experimentieren und erkennen, was für uns geistig akzeptabel ist und was nicht. Wir sind begeistert, wenn wir die Wahrheit wissen. Die Wahrheit muß man nicht „aufführen“, man muß sie kennen.
Und ich habe festgestellt, daß die meisten Musiker, die sich für Experten halten, in Wirklichkeit Dummköpfe sind, weil sie gar nicht wissen, worin die Bedeutung ihres Lebens liegt. Sie wissen nicht, was der Sinn ihres Lebens ist; sie wissen nicht, was die Aufgabe ihrer Musik ist. Statt dessen bemühen sie sich, akzeptabel zu klingen. Aber es ist trotzdem Mist, weil keine Substanz darin ist.
Die Aufgabe der Musik ist eine möglichst vollkommene Einsicht in die Schönheit - und nicht, Schönheit zu produzieren. Beides gleichzeitig ist zuviel, das schafft man nicht. Man erzeugt also eine Leidenschaft, eine menschliche Leidenschaft. Und die macht die Musik, wenn man es richtig versteht, mit zum Wirkungsvollsten und Wichtigsten, was die Menschheit haben kann.
Bei der Musik geht es nicht um den Klang. Das ist ein Fehler. Wenn ein Musiker versucht, Musik als Klang zu machen, dann hat er verloren. Der praktische Musiker ist meiner Erfahrung nach kein Denker, sondern oft eher ein Verrenker. [LaRouche nutzt ein englisches Wortspiel: „thinker“ und „stinker“.] Das Problem ist, es fehlt das religiöse Motiv, im höchsten Sinne von Religion, in dem Sinne, daß man ein unsterbliches Wesen sein soll, das sterben wird. Und das unsterbliche Wesen, das sterben wird, muß in seinem Leben etwas weitergeben, was die Zukunft der Menschheit auf eine höhere Ebene hebt. Darum geht es im Prinzip bei dieser Angelegenheit.
Und das war im 20. Jahrhundert nicht sonderlich beliebt. Deshalb hat das 20. Jahrhundert die Menschen getötet, man tötete ihre Gehirne, ihren Geist, man tötete die Musik! Wie wurden denn aus den Musikern solche Kunstfurzer? Weil sie den Verfall des 20. Jahrhunderts durchlebten! Wie leben in einer verfallenden Kultur, und wer versucht, sich an eine verfallende Kultur anzupassen, der zerstört den Sinn der Musik! Und auch wenn man versucht, ein besserer Musiker zu sein, wird man scheitern.
Man braucht eine Leidenschaft für die Menschheit, und der Zweck der Musik ist es, euer Menschenbild zu bereichern, keine spezielle Aufführung. Ihr werdet feststellen, daß die größten Musiker Musik so komponieren und so aufführen. Sie spielen nicht Musik - das ist Unsinn, das ist Opportunismus, das ist die Billigversion. Ihr müßt eine Mission verkörpern, eine intellektuelle Mission. Und die hat keine Noten! Sondern die Noten entstehen, indem diese Leidenschaft sie euch diktiert. Das sind die großen Aufführungen.
Versucht nicht, praktische Musiker zu sein! Das ist Idiotie, das ist die falsche Herangehensweise. Natürlich solltet ihr in der Lage sein, eure Instrumente zu gebrauchen. Gut! Ihr seid in der Lage, eure Instrumente zu gebrauchen - aber was macht ihr dann? Noten spielen? Unsinn! Ihr baut eine Leidenschaft auf, die Musik bringt eine menschliche Leidenschaft hervor, wenn sie richtig verstanden wird. Das gehört zu den wirkungsvollsten und wichtigsten Dingen, die die Menschheit haben kann.
Aber man muß das wirklich in sich aufnehmen. Ihr haltet euch für schlau und ihr haltet euch für gute Techniker. Nun, Techniker können manchmal als Musiker durchgehen. Aber ohne Leidenschaft, ohne eine Passion, die unabhängig von den Noten ist - wie soll man da die Noten verstehen? Wie soll man die Noten entwickeln? Wo ist eure Leidenschaft? Steht die Leidenschaft auf dem Papier? Ist das bloß ein Haufen Noten auf Papier? Wahrscheinlich ist das eher ein Haufen Mist da auf dem Papier!
Man muß wirklich verstehen, was der Sinn der Sache ist! Die meisten Leute wandern inhaltsleer durch Papier, um in der Musik an sich eine Lösung, die Absicht der Komposition zu finden. Und darin liegt der Fehler! Man braucht eine wirkliche Leidenschaft, eine kämpferische Leidenschaft, zur Wahrheit der Menschheit zu gelangen. Die Musiker, die nicht mehr als gewöhnliche Musiker mit professionellen Fähigkeiten sind, die man heute oft sieht, sind meistens ziemlich langweilige Leute. Ihre Aufführungen sind langweilig. Routine. Mechanisch. Und sie verstecken ihre Inkompetenz hinter ihren technischen Fähigkeiten. Das ist ein großer Fehler! Man braucht die richtige Leidenschaft!
Deshalb sind die Sänger - die ausführenden Musiker, aber vor allem die Sänger - so wichtig. Der Sänger ist extrem wichtig, weil der Sänger ein besonderes Instrument hat. Der Geist steuert dieses Instrument, ohne es zu wissen. Das stimmt! Die größten Interpreten wissen nicht, was sie tun! Sie müssen es gar nicht! Denn sie merken, daß sie einem Maßstab des Urteils folgen, der sich auf eine höhere Autorität bezieht. Sie wollen etwas nicht tun, wenn sie überzeugt sind, daß es das nicht wert ist. Sie werden etwas nicht ändern, wenn sie überzeugt sind, daß es richtig ist! Was ist der Maßstab ihres Urteils? Der Maßstab ihres Urteils ist ihr Gefühl der Unsterblichkeit.
Und was ist der Sinn des Lebens aller Menschen? Ihr denkt, wir alle sollten einfach bloß da sein - geboren werden und sterben? Das ist nicht die Funktion des Menschen! Der Sinn des Lebens ist es, über dessen Ende hinauszureichen. Und etwas zur Menschheit beizutragen, was sie sonst nicht erreicht hätte. Jeder große Komponist arbeitet in der Musik auf dieser Grundlage und hat auf dieser Grundlage gearbeitet, das garantiere ich euch. Die anderen haben nur versucht, es vorzutäuschen. Sie versuchen, technische Erklärungen für das Komponieren zu finden! Das Technische gehört dazu, ja, aber man muß es richtig machen! Man muß über das Technische hinausgehen. Man muß zur Leidenschaft gelangen.
Und das ist auch das Problem in der Politik. Die Politiker sind Roßtäuscher! Sie sind alle Schwindler! Darin sind sie Profis. Schwindler!
Und wenn man sich im Bereich der Musik befindet oder im Bereich einer vergleichbaren Arbeit, dann folgt man einer Verpflichtung gegenüber etwas, was über den eigenen Willen hinauszugehen scheint. Das Ziel ist eine Wirkung, die scheinbar größer ist als unsere Fähigkeit, so etwas willentlich hervorzubringen.
Und das natürlichste ist dabei die Singstimme, die menschliche Singstimme. Selbst die Sprechstimme, wenn sie ausgebildet ist, hängt von einer kreativen Kraft ab. Und wenn man nun ein Gefühl der kreativen Kraft erzeugen muß, dann werden sämtliche Fähigkeiten als Musiker plötzlich ganz real. Wenn man dagegen versucht, ein technisch perfekter Musiker zu sein, dann ist das nicht so gut. Dann kommt keiner zur Aufführung, jedenfalls nicht lange, nicht zweimal, nicht mehrmals.
Die Leidenschaft! Man lebt nur eine begrenzte Zeit. Was gibt euch eine Bedeutung in der Zeit, bis ihr abtretet? Bringt ihr die Leidenschaft zum Ausdruck, die einer großen Komposition in der Musik angemessen ist? Das ist die Frage.
Musik ist ein sozialer Prozeß, kein individueller Prozeß. Das Individuum ist herausgefordert, aber der Erfolg ist sozialer Natur. Wenn die Leute das verstehen würden, dann wären sie bessere Musiker. Ihr braucht eine treibende Leidenschaft. Schon der Versuch, etwas Bekanntes aufzuführen, ist schwierig. Wie erinnert man sich daran? Nun, man erinnert sich nicht, das muß man gar nicht. Es sagt uns das von ganz allein. Es sagt uns, was die Noten sind. Es sagt uns, wie man es aufführen muß. Die Leidenschaft tut dies für uns.
Wie hat Furtwängler das bei Schuberts 9. Sinfonie gemacht? Wie macht er das? Wie arbeitet der Geist? Es ist die Leidenschaft! Sogenannte praktische Menschen sind nicht wirklich qualifiziert, sie sind bloß ausgebildet. Und mein Ziel ist es, diese vorgetäuschte Perfektion zu überwinden, um die wahre Kunst zu meistern. „Es muß schön sein“, so kann man es gut formulieren. Es ist ein Effekt, aber ein guter.
Die Musik liegt nicht in den Noten. Sie liegt in dem Motiv für die Musik. Denn was ist die Musik sonst? Sie ist dann nur eine Form von Lärm. Aber ihr wollt keinen Lärm machen. Ihr wollt den Geist der Menschen fesseln, nicht ihre Ohren. Man interpretiert die Dinge nicht als „gehörte Klänge“4, das ist der entscheidende Punkt.
Was man hören sollte, ist die brillante Musik der unhörbaren Aufführung. Man muß sie gar nicht hören, weil man davon gefangen ist. Sie ergreift uns. Und das ist es, was jeder tun muß, der ein guter Musiker sein will. Ihr wollt euch wie gute Musiker verhalten? Dann müßt ihr von dem gefangen sein, was ihr aufzuführen glaubt, während ihr in Wirklichkeit bloß das Opfer seid. Euer Geist ist ein Instrument, euer Körper und eure Seele sind ein Instrument der Musik. Es ist nicht die Musik, die das bewirkt, der Körper und die Seele tun das. Die Musik ist bloß eine Nebensache.
Und wenn es anders ist, dann funktioniert es nicht. Man kann nächtelang komponieren, ein ganzes Jahr lang, und wird es doch nicht schaffen. Aber wenn man die Seele dazu hat, dann wird es viel leichter. Und wie macht man das? Indem man es sich selbst beibringt? Nicht wirklich. Du mußt danach streben, dir beizubringen, wie du das, was dich inspiriert, hervorbringen kannst.
All der gewöhnliche praktische Kram ist Mist. Wenn du es gut spielen kannst, dann ist das gut. Aber versucht nicht, es vorzutäuschen! Laßt euch gehen. Folgt der Bedeutung des ganzen. Und die Bedeutung ist nicht „Interpretation“, sondern die Bedeutung ist etwas, was dich ergreift, mit gewaltiger Kraft.
Alles Singen sollte im besten Fall eine Spiegelung der geistigen Absicht sein. Wenn es das nicht ist, dann lohnt es sich nicht. Man kann schöne Klänge erzeugen - manche tun das -, aber das überzeugt mich nicht. Warum überzeugt es mich nicht? Weil ich weiß, daß es nur vorgetäuscht ist.
Wir reden jetzt über das, wofür sich Ben einsetzt: das galaktische Prinzip.5 Zufällig ist das galaktische Prinzip überhaupt erst die Grundlage für die Existenz der Menschheit! Und nicht nur der Menschheit, sondern auch vieler anderer Dinge, die nebenbei als Trümmer in diesem galaktischen System herumfliegen. Alles steht auf dieser Grundlage. Kepler hat das immer zum Ausdruck gebracht. Nikolaus von Kues hat das gleich schon vorausgesehen. Das ist die Menschheit! Das ist die Wahrheit unserer Existenz. Der praktische Kram ist Mist! Er steht einem im Weg. Der Gestank in unserer Nase hindert uns daran, die Dinge klar zu erkennen. Und das sollte eigentlich jeder wissen können.
Der Mensch ist kein Tier. Der Mensch ist kein Hund, keine Katze, nichts davon. Die Menschheit ist ein Geschöpf ganz besonderer Art, was man aber durch den Tastsinn usw. nicht feststellen kann. Und genau darum dreht sich das galaktische Prinzip. All der praktische Kram, den man euch beibringt, ist Unsinn! Und das 20. Jahrhundert ist größtenteils ein Herumkriechen im Mist, wie es das sonst nie in der Geschichte der Menschheit gab!
Jeder, der es wirklich ehrlich mit der Musik meint und darin etwas Kompetenz hat, weiß das. Man kann es nicht basteln. Man kann es nicht „machen“. Man muß es geschehen lassen. Du bekommst einen Vorschlag, eine Äußerung. Und wenn du die Idee verstanden hast, dann läßt du dich gehen. Und das erste Experiment damit ist etwas schief, weil du nicht aufrichtig bist. Du versuchst, etwas zurechtzubasteln. Aber du läßt dich nicht von dem Gegenstand ergreifen.
Nun, die Menschen lassen sich im Namen der Musik und anderer Dinge von allem möglichen einfangen, aber das ist nicht sehr gut. Man muß es wirklich verstehen, man muß ein Gefühl dafür erzeugen, was die Gesetze der Menschheit sind oder sein sollten. Und man muß einen Weg finden, wie man ein solches Gesetz zum Ausdruck bringen kann. Das ist das Entscheidende. Man findet es nicht, bloß indem man sagt: „Ich mache das jetzt einfach.“
Ich habe immer den Mist gehaßt, dem ich auf allen Ebenen der Ausbildung ausgesetzt war, das hat mich entscheidend geprägt. Ich habe keinen Mist mitgemacht, nie. Ich habe niemals an ein „System“ geglaubt. Und ich lag damit immer richtig, insbesondere in meinen späteren Jahren.
Im allgemeinen degenerieren die Menschen immer weiter, auch heute noch. Das 20. Jahrhundert und danach war eine Periode des Niedergangs der Menschheit. Und deshalb beschäftigen wir uns mit der Musik des 18. Jahrhunderts und des 19. Jahrhunderts. Das Problem ist, daß wir keine Beziehung mehr zur Musik des 18. und des 19. Jahrhunderts haben. Wir meinen, wir hätten es. Wir meinen, wir könnten das projizieren, aber wir denken nicht mehr so! Wir glauben nicht mehr so! Wir haben keine Leidenschaft mehr in diese Richtung!
Wie also können wir Musik machen? Man gibt sich Mühe, sich selbst zu imitieren, seine eigene Absicht zu imitieren. Aber die Schöpfung ist anders. Und wir sind jetzt an einem Punkt, in einer großartigen Periode, vor allem durch das, was Ben getan hat, indem er diese Frage des galaktischen Systems aufgeworfen hat. Die Idee des galaktischen Systems ist nichts neues, sie ist alt. Kepler hatte bereits ein gutes Verständnis in dieser Hinsicht. Aber das Problem ist, daß das 20. Jahrhundert von Anfang an ein Prozeß der Degeneration der Menschheit war. Wer Tag für Tag im 20. Jahrhundert war, der wurde schlimmer und schlimmer. Es war der allgemeine Trend der Gesellschaft.
Seht es euch an! Seht es in Bezug auf die Physik, die Naturwissenschaft. Genau dieses Jahr, 1900, definiert eine Degeneration, einen immer schnelleren Niedergang in allem, was die Wissenschaft und die Musik und die Kultur und alles Übrige betrifft. Das einzig Anständige, was beispielsweise in der Musik produziert wurde, waren Dinge, die sozusagen aus dem 19. Jahrhundert herübergeschwappt sind. In der Wissenschaft ist es das gleiche.
Der entscheidende Punkt ist: Wer nicht erkennt, daß das 20. Jahrhundert und inzwischen das 21. Jahrhundert wie eine feindliche Macht ist, der kann nicht wirklich verstehen, was die Aufgabe der großen Musikwerke ist, weil er zu sehr durch die Maßstäbe des 20. und des 21. Jahrhunderts gebunden ist.
Deshalb muß man tatsächlich aus der Bühne des Lebens heraustreten und in einen Bereich eintreten, in dem man sich wirklich gehen lassen kann und die Dinge zum Ausdruck bringt, die man wissen sollte. Wirklich! Dazu braucht man einen Musiker, einen Musiker der neueren Zeit, der all den Unsinn, der im allgemeinen produziert wird, überstehen kann. Es geht darum, sich gehen zu lassen. Laßt euch gehen, tut es einfach!
Und dann hört es euch an und übt eine heimliche Selbstkritik und fragt euch: „Wer hat mich dazu gebracht, es so zu machen? Was ist daran falsch?“ Und versucht nicht, zu überlegen, wie man es flicken kann. Ihr müßt euch fragen: „Was war falsch an dem Gesamtkonzept dieser Aufführung?“ Nicht, was an dem oder jenen Teil falsch war. Die sogenannten „schönen Stellen“ sind Unsinn. Das funktioniert nicht, weil es nicht ehrlich ist.
Das wesentliche dabei ist die Liebe. Musik ist Liebe. Das Prinzip der Musik ist Liebe, die Liebe der Menschheit zur Menschheit - dem, was die Menschheit sein könnte. Und man will etwas Schönes tun, in Begriffen, wie es uns die menschliche Natur sagt. Und wenn es nicht schön ist, dann läßt man es lieber bleiben. Wir wollen nichts Häßliches! Und das Charakteristikum des 20. Jahrhunderts war häßliche Musik. Es war von Anfang an häßliche Musik. Und die Musik wurde immer häßlicher und häßlicher. Überall, auf allen Straßen. Selbst in der Sprache. Im Schreiben. Im Geruch! Bei dem, was an andere gerichtet ist, wie auch bei dem, was man von außen aufnimmt.
Das ist das Problem. Die Menschheit neigt zu den falschen Maßstäben bei der Wahrheit. Das fängt mit der Vorstellung an, der Mensch sei ein Tier. Da fangen die ganzen Schwierigkeiten schon an. Und eigentlich ist der einzige Weg, wie man an die Musik herangehen kann, auf der Grundlage von Liebe - der Liebe zur Menschheit und zu dem, was die Menschheit aus Liebe zur Menschheit tun kann.
Denn die Zukunft ist: Wir werden alle sterben. Welche Leidenschaft ist dann die richtige für die Menschheit? Worin liegt die Bedeutung des menschlichen Lebens, wenn wir sowieso alle sterben? Ist es irgendeine Tatsache? Eigentlich nicht. Es liegt darin, der Menschheit größere, wirkungsvollere Fähigkeiten zu verschaffen, indem man die Menschheit von ihrer eigenen Korruption befreit. Man holt die Menschheit in die Freiheit von Korrumpierung. Und alle praktischen Maßnahmen, womit man sich eine Qualität von Kunst zurechtbastelt oder sie anerkennt, sind Mist, weil sie nicht ehrlich sind. Sie widersprechen einem Prinzip dieser Sache.
Und das ist wahr. Man sieht es im Schauspiel, man sieht es auf den musikalischen Bühnen, man sieht es in Aufführungen aller Art. Schönheit ist Kreativität als solche. Sie ist auch der Maßstab dafür, was Kreativität ist. Wenn ihr euch eine Komposition vornehmt, ist das etwas Heiliges! Wenn ihr das wirklich wollt, dann ist es eine heilige Aufgabe. Ein Gefühl der Unsterblichkeit des Menschen. Auch wenn die Menschen sterblich sind, können sie, wenn sie gut leben, eine schöne Erinnerung hinterlassen - und das geschieht heutzutage selten.
Wir sind heute in einer der größten Perioden, dem emotionalsten Teil der menschlichen Geschichte, den es je gab. Wir leben am Abgrund der Gefahr der unmittelbaren Vernichtung der menschlichen Gattung durch die Kräfte, die der Mensch heute beherrscht. Woher findet man die Leidenschaft, die uns Maßnahmen ergreifen läßt, um die Menschheit vor dieser Zerstörung zu bewahren, die die Menschheit sich selbst, der Gesellschaft eingebrockt hat? Das ist die Musik, das ist die Kunst. Es ist das Gefühl der Unsterblichkeit, daß diese Menschen, die gestorben sind, nicht umsonst gelebt haben. Sie beschlossen, ihr Leben der Zukunft der Menschheit zu widmen.
Das Schöne an der Existenz der Menschheit liegt immer jenseits der Existenz der Menschheit. Wir können die Instrumente werden, die die Schönheit der Menschheit entfesseln. Alle großen Komponisten und ausführenden Musiker arbeiten auf dieser Grundlage. Wer es nicht tut, ist ein Scharlatan, er macht nur Mist. Ich habe eine Menge davon kennengelernt.
Nehmt Schuberts 9. Sinfonie. Die Aufführung unter [Furtwänglers] Leitung ist ein einheitliches Stück, es gibt keine Unterbrechungen im Prozeß der Aufführung dieser Komposition. Wer es in Abschnitte unterteilt, macht sich selbst zum Esel. Denn die Idee ist, daß man durch den Übergang von einer Phase zur nächsten Phase gefesselt wird. Es ist eine Phasenbeziehung. Es ist keine Zusammenstellung von Teilen einer Komposition, sondern der Ablauf eines voranschreitenden Prozesses. Das kommt natürlich von Schubert.
Man muß Schubert also auf diese Art und Weise verstehen. Man muß sich Schuberts wichtige Werke betrachten, sie alle haben eine gewisse Kohärenz. Und genau das erfaßt Furtwängler mit seinem Dirigieren der Aufführung von Schuberts 9. Es ist eine absolut vollkommene Komposition, die ohne Unterbrechung von einer Phase zur nächsten und wieder zur nächsten übergeht. Und wenn es auf diese Weise aufgeführt wird, dann fesselt es das Publikum - wenn das Publikum einfühlsam ist - in einer einzigartigen Art und Weise.
Nehmt diese Aufführung und andere Aufnahmen dieser Sinfonie, und vergleicht sie miteinander. Was ist das Einzigartige an dem, was Furtwängler tat? Was ist der Plan, was ist das Schema? Wo sind die Phasen? Die Kunst liegt in der Idee der perfekten Komposition, die Schubert geschaffen hat, ohne Unterbrechung, ohne Brüche. Und das Publikum wird in einem kontinuierlichen Prozeß von einem Geisteszustand zum nächsten und dann wieder zum nächsten geführt.
Denkt nur an das Finale und wie man in das Finale hineinkommt. Man durchläuft diesen ganzen Prozeß unter seiner Leitung, den ganzen Prozeß bis zu seinem Abschluß. Und die Trompeten erschallten! Die Trompeten erschallten und wurden gehört. Warum werden sie gehört?
Was Furtwängler in diesem Fall getan hat, war keine Übertreibung. Es war etwas Wahres. Und Furtwängler hatte die Geisteskraft dazu. Es war nicht das Orchester, das das geschafft hat, es war er!
Wenn man ihm bei seinem Dirigieren zuschaut, dann weiß man ganz genau, was er dirigiert. Er ist unaufhaltsam. Seine Idee der Komposition ist es, eine Idee voranzutreiben und diese Idee durch eine Evolution zu treiben bis zu einem Abschluß. Und das müssen auch wir tun, wenn wir die Menschheit erfolgreich vor dem Mist retten wollen, der uns jetzt bedroht. Man muß sich vom Praktischen lösen, und man muß auf die Ebene des Genialen hinaufsteigen. Sonst schafft man es nicht.
Ihr wollt etwas tun, ihr wollt die Menschheit bewegen. Ihr wollt keine gewöhnlichen Dinge tun. Ihr wollt die Menschen nicht „unterhalten“. Ihr wollt die Menschen überzeugen, Menschen zu werden - was manchmal ein schwieriges Unterfangen ist.
Aus der Sicht des Laien ist eine gute Aufführung etwas Magisches. Und die besten Hörer in der Geschichte, im 20. Jahrhundert, dachten beispielsweise, es sei etwas Magisches. Die intelligentesten musikalischen Hörer in jener Zeit dachten alle, es sei etwas Magisches. Aber es ist keine Magie! Es ist genial, aber nicht magisch!
Ihr wollt Menschen überzeugen, die Wechselfälle des Alltags hinter sich zu lassen und die höhere Ebene zu sehen. Was macht das Leben gut? Was macht es gut, zu leben? Seid keine Musiker, seid Genies!
Anmerkung
1. LaRouche spricht hier von der Aufnahme der 9. Sinfonie von Franz Schubert mit den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Wilhelm Furtwängler. Die Aufnahme ist bei Deutsche Grammophon noch erhältlich und auch auf YouTube unter https://www.youtube.com/watch?v=xvcJz2FDxpU verfügbar.
2. Lyndon LaRouche wurde 1922 geboren, ist also heute 92 Jahre alt.
3. Vgl. z.B. „Wie man durch Wettersteuerung Dürren ein Ende setzen kann“, Neue Solidarität 21/2015; „Wasserkrise in Kalifornien: Wir haben die Lösungen“, „Wasserressourcen schaffen: China als Vorbild für die Welt“ und „Katastrophale Dürre in Brasilien ist Folge jahrzehntelanger Versäumnisse“, Neue Solidarität 18/2015.
4. „Gehört sind Klänge süß, doch ungehört noch süßer...“ John Keats, Ode auf eine griechische Urne, http://gutenberg.spiegel.de/buch/john-keats-gedichte-4555/12.
5. Siehe Benjamin Deniston, „Ein Memorandum für den nächsten US-Präsidenten: Neue Perspektiven für die kalifornische Wasserkrise“, Neue Solidarität 17/2015.