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Neue Solidarität
Nr. 33, 15. August 2012

Neugier statt Geldgier!
Die Kreativität des Menschen wird siegen!

Von Helga Zepp-LaRouche

Lassen wir uns von dem wunderbaren Mars-Rover "Curiosity" beflügeln und wieder jene kreative Neugier entwickeln, die den Menschen von jeher inspiriert hat, wenn es galt, anscheinend unüberwindbare Hindernisse zu überwinden.

Die bahnbrechende Landung des Mars-Rovers "Curiosity" (zu deutsch "Neugierde") hat weltweit eine Welle von Begeisterung und Kulturoptimismus ausgelöst, wie man sie seit den Zeiten des Apollo-Programms und der Landung des Menschen auf dem Mond vor 43 Jahren nicht mehr beobachten konnte. Auch wenn damit die akute Weltkriegsgefahr, die vom Nahen und Mittleren Osten ausgeht, ebenso wenig gebannt ist wie die drohende Gefahr eines Kollapses des Euros und des gesamten transatlantischen Finanzsystems, so liegt doch in diesem phantastischen Zeugnis menschlicher Erfindungs- und Ingenieurskunst die Hoffnung, daß die Menschheit in der Lage sein wird, Lösungen für diese existentiellen Probleme auf einer höheren Ebene der Vernunft zu finden. Und nicht zuletzt ist damit der Anfang vom Ende des grünen Irrwegs eingeläutet!

In der Tat findet derzeit eine Art ideologischer Nahkampf zwischen zwei fundamental entgegengesetzten Tendenzen statt: zwischen den Kräften, die die Lösung für die zivilisatorische Krise, in der wir uns befinden, in einer Rückkehr zu wissenschaftlichem und technologischen Fortschritt, zur produktiven Realwirtschaft, zum Gemeinwohl, zum souveränen Nationalstaat und zu klassischen Ideen in Wissenschaft und Kunst sehen, und denjenigen, die am System der maximalen Gier und Profitmaximierung, der Spekulation, den Privilegien der Machtelite, den imperialen supranationalen Strukturen und dem Vergnügen im Hier und Jetzt festhalten wollen.

Während es Aktivisten der LaRouche-Bewegung in der vorletzten Woche in Washington gelungen war, den Anstoß zu einer Abstimmung zu geben, daß der amerikanische Kongreß wegen der gleichzeitigen akuten Krisen nicht in die Sommerpause ging, hat nach Auskunft informierter Quellen am vergangenen Wochenende die Obama-Administration zu einem Schwindel gegriffen, um diese Abstimmung wieder rückgängig zu machen und den Kongreß doch noch in die Sommerpause zu entlassen. Laut dieser Quellen will das Weiße Haus im August freie Hand für eine Militärintervention gegen Syrien haben, um dort eine sogenannte Flugverbotszone einzurichten. Außenministerin Hillary Clinton erwähnte die Option einer solchen Flugverbotszone nach ihrem Treffen mit dem türkischen Außenminister in Ankara ebenso wie der Homeland-Security-Berater John Brennan am 8. August.

Die Einrichtung einer Flugverbotszone über Syrien bedeutete die Ausschaltung der syrischen Luftabwehr, der Radaranlagen und eines Teils der syrischen Luftwaffe - also Krieg und aller Wahrscheinlichkeit die totale Konfrontation mit Rußland und China.

Der russische Ministerpräsident Medwedew hatte in letzter Zeit wiederholt auf die sogenannte Putin-Doktrin verwiesen, die die Grundsätze der UN-Charter und der nationalen Souveränität schützen will, und gewarnt, daß militärische Interventionen unter dem Vorwand humanitärer Interventionen zum Einsatz von Nuklearwaffen führen könnten. Dabei wird immer deutlicher, was für eine Farce die sogenannte humanitäre Intervention des Westens in Syrien ist: Unterstützung von Al-Kaida, Salafisten und Wahabi-Anhänger, die kaltblütig Andersgläubige abmetzeln - und das mit Unterstützung der CIA!

Besorgte Stimmen in der Demokratischen Partei warnen bereits, daß Kriege dieser Art immer die Tendenz hätten, außer Kontrolle zu geraten und daß hierbei potentiell der Einsatz von thermonuklearen Waffen und eventuell der ganz große Krieg auf dem Spiel steht.

In die gleiche Kategorie der Konfrontation gehört auch die bewußte Fehlinformation über ein angeblich bald fertiggestelltes iranisches Nuklearwaffenprogramm, die vom israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu und seinem Verteidigungsminister Barak bereits zum Anlaß konkreter Planungen für einen Militärschlag gegen die angeblichen iranischen Nuklearwaffenanlagen genommen wird, obwohl diese Informationen vom amerikanischen Generalstab und dem Nationalen Sicherheitsrat eindeutig als falsch bezeichnet wurden.

Warten bis zur Panik?

Gleichzeitig intensiviert sich auch der Kampf zwischen den beiden oben genannten Tendenzen in Bezug auf den Zusammenbruch des transatlantischen Finanzsystems. Die Befürworter des jetzigen Systems der - wie im Fall des Liborskandals und der HSBC- Drogengeldwäsche notfalls auch kriminellen - Hochrisikospekulation verfolgen dabei ganz offensichtlich die Linie, die beim jüngsten Treffen des Bilderberg-Gruppe in Dulles (Virginia) ausgegeben wurde: Man müsse nur warten, bis die Panik über den drohenden Finanzkrach einen absoluten Höhepunkt erreicht, real oder durch Medienkampagnen erzeugt, um dann alle Szenarios für Rettungspakete, Bankenunion, Eurobonds, Schuldenvergemeinschaftung, Vereinigte Staaten von Europa usw. durchsetzen zu können.

So forderte ausgerechnet der Autor der Lügen, die zum Irakkrieg führten, Toni Blair, in einem Gespräch mit der Wochenzeitung Die Zeit "größere Entschiedenheit bei der Euro-Rettung" in Form von EZB-Chef Draghis (hyperinflationärem) Vorschlag, daß die Europäische Zentralbank Staatsanleihen Griechenlands, Spaniens und Italiens in großem Stil kaufen solle, und einen "gewaltigen politischen Umbau der EU".

Kurioserweise trat fast zeitgleich der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel mit dem Vorschlag an die Öffentlichkeit, jetzt müsse das Thema der Vereinigten Staaten von Europa ebenso wie die Frage der Vergemeinschaftung der Schulden bei gleichzeitiger verstärkter Haushaltskontrolle auf die Tagesordnung gesetzt werden. Wo ein solches "europäisches Volk" herkommen soll, das in diesen "Vereinigten Staaten von Europa" leben würde, dazu sagte Gabriel allerdings nichts. Vielleicht deswegen, weil ein solches "europäisches Volk" gar nicht existiert.

Die Bild-Zeitung vermutete in dem Gabriel-Vorschlag die heimliche Vorbereitung auf eine kommende Große Koalition, da Bundesfinanzminister Schäuble und Parlamentspräsident Lammert (beide CDU) vor einiger Zeit bereits ähnliche Vorschläge gemacht hätten. Eine Umfrage des Stern eine Woche zuvor hatte allerdings ergeben, daß 74% aller Bundesbürger gegen die Idee der Vereinten Nationen von Europa seien; die maximal verbleibenden 26% dürften also weder für eine große Koalition noch für eine SPD-Mehrheit reichen.

Aber wie wir in den vergangenen fünf Jahren erleben durften, haben die Politiker offenbar seit langem die Kunst der Arithmetik verlernt, wenn es darum geht, die Interessen der Banken durchzusetzen.

Ins gleiche Horn stieß auch Thomas Kirchner in der Süddeutschen Zeitung mit seiner Warnung, daß "der Angriff" auf die Eurozone unmittelbar bevorstehe. Er zitiert den US-Experten Fred Bergsten, wonach die Situation vergleichbar sei mit derjenigen, die man früher als militärischen Angriff auf das eigene Territorium bezeichnet habe, nur um dann verschiedene Szenarios zu entwickeln, wie man den Widerstand der Bevölkerung gegen die Idee der Vereinigten Staaten von Europa aushebeln könne. Ganz im Geiste der Bilderberger und Carl Schmitt sagt Kirchner eine plötzliche große Krise voraus, die die Gelassenheit der Deutschen beenden werde.

Heilsamer Schock

Daß wir unmittelbar vor der Desintegration des Euros und des transatlantischen Finanzsystems stehen, ist unbestritten. Doch der Schock könnte auch ein heilsamer sein: Die Chancen stehen gut, daß sich die internationalen Kräfte durchsetzen, die für eine Wiedereinführung des Trennbankengesetzes, also des Glass-Steagall-Gesetzes exakt in der Tradition von Franklin D. Roosevelt eintreten. Eine wachsende Gruppierung im amerikanischen Kongreß gehört ebenso dazu wie in der Demokratischen Partei, der es vielleicht gelingt, die Forderung nach Glass Steagall in die Wahlplattform aufzunehmen, und in der Republikanischen Partei, für die das Direktoriumsmitglied des US-Einlagensicherungsfonds (FDIC), Thomas Hoenig, der Bezugspunkt ist.

Die LaRouche-Plattform zur Rettung der USA, in der die Kombination von Glass Steagall, Kreditsystem und großen Infrastrukturprogrammen wie NAWAPA als absolute Vorbedingung einer Lösung gefordert wird, wird auf jeden Fall eine zentrale Rolle bei der großen Demonstration amerikanischer Gewerkschaften am 11. August in Philadelphia spielen. Diese Kundgebung, zu der 20.000 Teilnehmer erwartet werden, ist eine bewußte Gegenveranstaltung zu dem Parteikonvent der Demokratischen Partei, der Anfang September in der Bankerstadt Charlotte in North Carolina stattfindet, weil sich der größte Teil der US-Gewerkschafter von Präsident Obama nicht repräsentiert fühlt und diesen im Wahlkampf weder personell noch finanziell unterstützen wollen.

Die Gesamtlage in den USA ist so dramatisch und die Begeisterung für die beiden Präsidentschaftskandidaten Obama und Romney so gering, daß es im August durchaus zu weiteren dramatischen Entwicklungen und in der Folge zu sogenannten "offenen Parteitagen" kommen könnte, bei denen sich neue Kandidaten zur Wahl stellen.

Charakteristisch für den neuen Wind ist ebenfalls ein auf der Webseite der Deutschen Welle erschienener Artikel des Wirtschaftshistorikers Hans-Joachim Voth von der Universität Barcelona, worin dieser das nahezu kriminelle intellektuelle Versagen der Politiker attackiert, die seit dem Ausbruch der Krise 2007 nicht eine einzige Lektion gelernt hätten und angesichts der von ihnen nicht verstandenen Komplexitäten des Finanzsektors stets nur Rat bei dessen Experten suchten. Professor Voth schilderte dann im Detail, wie es in den USA zur Aufhebung des Glass-Steagall-Gesetzes kam und warum sich heute führende Banker wie Sandy Weill für dessen Wiedereinführung einsetzen.

Wie der eingangs erwähnte ideologische Nahkampf ausgehen wird, ist nicht entschieden. Es kann über Syrien und Iran zum Dritten Weltkrieg kommen, und die Menschheit könnte ausgelöscht werden, wenn wir beim jetzigen die Welt dominierenden Paradigma von Gier, Monetarismus, imperialer Machtsucht und grüner Verblendung bleiben.

Es ist aber auch möglich, daß wir mit der Wiedereinführung des Glass-Steagall-Standards, der Wiedererlangung der Souveränität über die eigene Wirtschafts- und Währungspolitik, einem geordneten Austritt aus dem Euro und der Einführung einer Neuen D-Mark, einem Kreditsystem und einem wirtschaftlichen Aufbauprogramm für die Welt eine neue, positive Phase der Geschichte einleiten.

Lassen wir uns von dem wunderbaren Mars-Rover "Curiosity" beflügeln und wieder jene kreative Neugier entwickeln, die den Menschen von jeher inspiriert hat, wenn es galt, anscheinend unüberwindbare Hindernisse zu übersteigen und in neue Gefilde menschlichen Wissens vorzudringen. Verabschieden wir uns von dem Paradigma der Grünen, der Bankenrettungspakete, von der Schreckensvorstellung eines europäischen Monsterstaats im Interesse der Oligarchie, und beginnen ein neues Paradigma des wissenschaftlichen und kulturellen Fortschritts und der Neugierde. Werden wir wieder menschlicher!

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