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Neue Solidarität
Nr. 33, 18. August 2010

Hochwasserkatastrophe ist Folge
von Infrastrukturmängeln

Überschwemmungen. Die Staudamm- und Deichbrüche in Polen zeigen, daß nicht genug in die Infrastruktur investiert wurde.

Die Hochwasserkatastrophe an Spree, Neiße und Weichsel hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig eine gut funktionierende Infrastruktur für das Wohlergehen eines Landes ist - auch wenn man dies manchmal erst dann wahrnimmt, wenn sie gerade gebraucht würde.

So war es auch in diesem Fall: Nachdem die Staumauer am polnischen Fluß Witka bei Radomierzyce (ehem. Radmeritz) - wenige Kilometer entfernt von der deutschen Grenzstadt Görlitz - gebrochen war, stieg der Wasserstand der Neiße dort innerhalb weniger Stunden auf mehr als 7 m, wo 1,70 m normal sind. In Bad Muskau rollte die Welle über die Deiche und flutete das Weltkulturerbe, den historischen Fürst-Pückler-Park. Hätte die Neiße sich nicht schon oberhalb von Görlitz den Weg in den ehemaligen Tagebau bei Berzdorf gebahnt und den dort entstehenden See aufgefüllt, wäre die Flutwelle, die sich durch die flußabwärts gelegenen Gebiete wälzte, noch höher und der Schaden damit auch noch weit größer gewesen.

Aber der Bruch der Staumauer an der Witka ist nur ein Beispiel, in den letzten Monaten gab es mehrere solche Fälle. Schon im Mai waren in Polen bei einem Hochwasser 22 Menschen ums Leben gekommen. Erst vor zwei Wochen war bei Zastow Polanow ein Deich an der Weichsel gebrochen, 20 Dörfer waren überflutet worden - nun brach der nur provisorisch geflickte Deich ein zweites Mal. Auch in Slupiec zwischen Krakau und Tarnobrzeg brach ein Deich, 3000 Menschen mußten evakuiert werden. Bei Plock wurden vor zwei Wochen Deiche zerstört; auch hier geht man davon aus, daß die Flickstellen dem neuerlichen Hochwasser nicht standhalten werden.

Die geborstene Staumauer bei Radomierzyce war 1962 gebaut und wohl auch instandgehalten worden, aber es fehlte ein Entlastungskanal, um die 30 Millionen m³ Wasser, die innerhalb von drei Stunden in den Stausee flossen, geordnet abzuführen, und ein System von Rückhaltebecken an den Zuläufen, die im Fall starker Regenfälle den Abfluß bremsen.

Ist die Infrastruktur jedoch in Ordnung, so hält sie auch großen Belastungen stand - wie etwa die Staumauer an der Spree in Bautzen, wo der Stausee aufgrund der großen Wassermengen ebenfalls überlief, aber eben nicht brach. In dieser Hinsicht profitierte Sachsen davon, daß nach der Hochwasserkatastrophe von 2002 viele Anlagen, die damals repariert werden mußten, bei dieser Gelegenheit auch modernisiert wurden.

Die Rolle des Staates

Nur Dummköpfe oder Scharlatane werden für diese Katastrophen eine „Klimaänderung“ verantwortlich machen. Die Aufgabe der Regierungen ist es, dafür zu sorgen, daß die Infrastruktur so ausgelegt ist, daß sie es erlaubt, mit den zu erwartenden Ereignissen umzugehen. Wenn man sich nur auf „Jahrhundert-Hochwasser“ vorbereitet, dann werden bei einem „Jahrtausend-Hochwasser“, mit dem man eben rechnen muß, entsprechende Schäden anfallen. Und je mehr schützenswerte Werte in unserer Gesellschaft existieren, desto mehr muß sie auch dafür aufwenden, um sie zu schützen: Wird eine Wiese überschwemmt, ist der Schaden natürlich geringer als bei einer Fabrik für Eisenbahnwaggons.

Aber solche Schutzmaßnahmen sind offensichtlich eine Gemeinschaftsaufgabe, die der Staat in die Hand nehmen muß. Und da liegt das Problem: Heute wird nicht mehr anhand der Aufgaben festgelegt, wieviel Geld der Staat braucht, sondern man macht den „Markt“ und die „Wettbewerbsfähigkeit“ zum Kriterium, wieviel Geld der Staat ausgeben darf. Und wenn er dann nicht alle Aufgaben erfüllen kann, dann werden sie eben nicht erfüllt. Wenn die Bürger Glück haben, ist bei dieser Philosophie noch Geld für die Instandhaltung der Infrastruktur vorhanden, aber für den Ausbau und die Anpassung an einen steigenden Bedarf meist nicht mehr.

Und so kamen die Polen nach 45 Jahren Kommunismus vom Regen in die Traufe. Hatten sie gehofft, daß es nach dem Sturz von Jaruzelski & Co. endlich vorwärts gehen würde, wurden sie nun Opfer Auflagen des Weltwährungsfonds und der Haushaltspolitik der EU. Das Ergebnis sieht man in den brechenden Dämmen an Witka und Weichsel, und vielem anderen mehr. Die Ironie ist: Hätte man das Geld für eine umfassende Entwicklung der Infrastruktur ausgegeben, hätten die Regierungen heute auch viel mehr Geld in den Kassen.

Die Vorschläge von 1990

Als die Mauer fiel, legten Lyndon LaRouche und seine Mitarbeiter unter dem Titel „Das Produktive Dreieck Paris-Berlin-Wien - Lokomotive der Weltwirtschaft“ umfassende Pläne für einen Wirtschaftsaufbau in Mittel- und Osteuropa vor, die wir in der Neuen Solidarität in zahllosen Beiträgen vorgestellt haben. Teil dieses Programms war der Ausbau der Wasserstraßen - vorgestellt in dem Aufsatz „Binnenschiffahrtswege für das 21. Jahrhundert“ (Neue Solidarität 43/1990). Darin heißt es:

„II. Polen

Polens Wasserstraßen sind bis auf wenige Ausnahmen vollkommen unterentwickelt. Sie sind aber eine unerläßliche Voraussetzung zur Entwicklung nicht nur Polens, sondern auch der Westukraine und Weißrußlands und für den Anschluß Rußlands an die europäische Wirtschaft. Besonders die Ost-West-Verbindungen werden an Bedeutung gewinnen.

A. Ausbau der Oder

Die Oder ist traditionell die wichtigste Verbindung zum oberschlesischen Industrierevier, dem ,Ruhrgebiet des Ostens’. Tatsächlich ist Oberschlesien als Industrieregion älter als das Ruhrgebiet. Viele Oberschlesier wurden zum Aufbau des Ruhrgebiets angeworben. So wurde die Oder schon frühzeitig schiffbar gemacht, aber eben zu einer Zeit, als die Schiffe viel kleiner waren als heute. Vom Schiffshebewerk Niederfinow an, welches den Oder-Havel-Kanal an die Oder anschließt, müßte die Oder stromaufwärts ausgebaut werden bis Ostrau in der CSFR [heute Tschechische Republik]. Warthe, Odra, Klodnitz und March bilden die Anschlüsse nach Osten und Süden.

B. Zwischen Oder und Weichsel: Bromberg...

Die bisherige Verlängerung des Mittellandkanals nach Warschau verläuft entlang Warthe und Netze, und ein Kanal bei Bromberg schließt die Lücke zur Weichsel. Diese Strecke muß auf Europaklasse erweitert werden. So könnten Ostpolen und die Hafenstadt Danzig an den Westen angeschlossen werden. Die Danziger Werften fänden Arbeit nicht nur im See-, sondern auch im Binnenschiffsbau.

C. Lodz ...

Eine zweite Verbindung zwischen Oder und Weichsel verknüpft Warschau mit Lodz, Posen und Breslau. Der Kanal wäre entlang dem Warschau-Berliner Urstromtal zu bauen, in dem heute die Odra, die mittlere Warthe, Ner und Bzura fließen. Lodz, welches knapp südlich dieser Strecke liegt, könnte durch einen Stichkanal angebunden werden, Posen, knapp nördlich, liegt an der Warthe, die bis zum Ner ausgebaut werden sollte. Der Kanal hätte aufgrund der anliegenden Städte wohl noch größere Bedeutung als der weiter nördlich gelegene bei Bromberg. Außerdem erschließt er Zentralpolen, eine bisher noch landwirtschaftlich orientierte Region.

D ... und Oberschlesien

Das Oberschlesische Revier ist durch einen Stichkanal entlang der Klodnitz bereits mit der Oder verbunden. Dieser wäre auszubauen und bis Krakau zu verlängern, um die Verbindung zur Weichsel herzustellen. Damit wäre die Wirtschaftskraft dieser Region auch Ostpolen zugänglich, und umgekehrt könnte Oberschlesien - die am weitesten östlich gelegene Industrieregion Mitteleuropas - die am meisten von der Entwicklung Osteuropas und der [inzwischen ehemaligen] Sowjetunion profitierende werden.

E. Ausbau der Weichsel

Dies setzt natürlich voraus, daß die Weichsel ausgebaut wird... Die Weichsel kann nach Osten Anschluß über Narew, Memel und Dwina ins Baltikum und nach Nordrußland, über Pripjet und Dnjepr nach Kiew und Moskau und über San und Dnjestr in die Westukraine und ans Schwarze Meer bekommen...

Das polnische Wasserstraßennetz braucht also in der Dichte dem deutschen nicht nachzustehen; mit der Anbindung der Strecken nach Osten würde der Lebensstandard steigen. Ostpolen könnte auf diesen Wegen Nahrungsmittel exportieren, und in der Gegenrichtung könnten Maschinen und andere Investitionsgüter, zunächst zur Modernisierung der Landwirtschaft und zunehmend auch für andere Bereiche, geliefert werden. So könnte nach der Landwirtschaft und den Städtegründungen nun die Industrialisierung als dritte große ökonomische Revolution von Westen her Polen erfassen.“

Ergänzend zu diesen Plänen gibt es das Projekt, Oberschlesien durch den Elbe-Oder-Donau-Kanal mit dem Donauraum zu verbinden.

Hochwasserschutz als Nebenwirkung

Eine solche Schiffbarmachung setzt natürlich voraus, daß entsprechende Einrichtungen geschaffen werden, die für eine verläßliche Wassertiefe sorgen. Dazu gehören nicht zuletzt Stauanlagen an den Zuläufen, die in regenreichen Zeiten Wasser zurückhalten, um in regenarmen Zeiten den Wasserspiegel zu erhöhen - wie dies z.B. der Edersee in Nordhessen in Bezug auf die Weser tut. (Mancher meint heute vielleicht, dieser See wäre für den Tourismus gebaut worden, tatsächlich diente er vor allem dazu, die Schiffahrt auf der oberen Weser zu ermöglichen.)

Ein solches System würde ganz nebenbei auch für den Hochwasserschutz sorgen. Hätte man diese Pläne von vor 20 Jahren umgesetzt oder wenigstens energisch angegangen, wären inzwischen etliche Anlagen entstanden, die im gegebenen Fall die Bevölkerung vor den Folgen der starken Regenfälle geschützt hätten.

Alexander Hartmann

Lesen Sie hierzu bitte auch:
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