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Neue Solidarität
Nr. 48, 25. November 2009

Die „große Krise” ist schon da!

Deutschland. Die Daten über Auftragsbestände, Umsätze und Kurzarbeit im produzierenden Sektor zeigen, daß wir uns mitten in einer Zusammenbruchskrise der Realwirtschaft befinden.

Die „große Krise der Realwirtschaft“, die einige Politiker und Experten für 2010 erwarten (und einige andere gar schon für überwunden erklären), ist bereits da: es sind immer noch 1,4 Millionen Kurzarbeiter gemeldet, darunter sind etwa 1,2 Mio. Industriearbeiter, über die Hälfte davon allein im Bereich der Automobilindustrie und ihrer Zulieferer. In der Stahlproduktion und im Maschinenbau sind 20-25 Prozent auf Kurzarbeit. Die Kurzarbeiter machen schon fast ein Viertel sämtlicher Industriearbeiter aus - von denen hat Deutschland jetzt gerade noch 5 Mio. Vor einem Jahr waren es noch 250 000 mehr.

In der Bundesregierung denkt man an eine Verlängerung der Kurzarbeitsregelung, die nach der Heraufsetzung von 18 auf 24 Monate nun um weitere 6 oder 12 Monate erweitert werden soll. Einige Experten fordern sogar eine Regelung, mit der Betriebe Kurzarbeit für insgesamt 48 Monate beantragen können. Für den Steuerzahler, der die Kurzarbeitergelder bezahlt, macht es wenig Unterschied, ob jemand kurzarbeitet oder arbeitslos wird, denn der Betrag, der pro Kopf gezahlt wird, ist etwa der gleiche. Für die amtliche Statistik allerdings sieht es „besser“ aus, wenn nicht 5 Mio., sondern „nur“ 4 Mio. als arbeitslos registriert sind. Aber Kurzarbeiter sind auch ohne Arbeit, sie produzieren nämlich während der Kurzarbeit nicht. Immerhin bleibt ihnen das Los der Arbeitslosen erspart, die nach 12 Monaten Bezug von regulärem Arbeitslosengeld dann in die Armutszone von Hartz 4 abrutschen.

Der freie Markt bietet mitten in der tiefsten Weltwirtschaftskrise keine Aufträge, das spüren die Schiffbauer, bei denen 90% weniger Nachfrage nach Neubauten eingehen als noch vor einem Jahr. Das spüren auch die Arbeiter bei Siemens, wo in einigen Bereichen die Aufträge um 70% geschrumpft sind. Und natürlich spüren es die Automobilarbeiter, weil nach dem Auslaufen der Abwrackprämie die Neukäufe zurückgehen. Auch der „große russische“ Markt, auf dem Magna nach der gescheiterten Übernahme von Opel groß einsteigen wollte, liegt am Boden: Der PKW-Umsatz ist um fast 62% abgestürzt, der Absatz von LKWs um 70%. Da wird auch VW-Skoda mit seinem neuen Autowerk in Kaluga, das bereits Ende 2010 seine Produktion auf 100.000 Wagen hochfahren will und bei seiner Einweihung am 20.Oktober sogar vom russischen Premierminister Putin persönlich besucht wurde, erhebliche Probleme bekommen, weil die russischen Käufer fehlen.

In der Landwirtschaft droht nicht nur in der Milcherzeugung ein Kahlschlag, dem 2010 und 2011 möglicherweise 30% bis 50% aller Betriebe zum Opfer fallen; auch Schweinezüchter, Obst- und Gemüsebauern werden vom Anstieg der Betriebskosten bei gleichzeitigem Verfall der Erzeugerpreise getroffen, so daß auch dort eine „Marktbereinigung“ der Anzahl der produzierenden Betriebe um 20% zu befürchten ist. Die Krise der Landwirtschaft trifft auch die Hersteller von Landtechnik, deren Umsätze im Vergleich zu 2008 um 25%, in einigen Bereichen sogar um 35% zurückgegangen sind.

Ohne Eingreifen der Regierung, ohne einen deutschen „New Deal“ in der Tradition von Franklin Roosevelt oder in der Tradition des Wiederaufbaus nach dem Krieg wird Deutschland seine Stellung als führende Industrienation nicht halten können. Mit nur noch 5 Mio. Industriearbeitern produziert die deutsche Wirtschaft ohnehin weit unter ihrem Potential. Das zeigt sich ganz deutlich am riesigen Unterschied zwischen dem, was Nationen wie Rußland, Indien oder China gerne in Deutschland einkaufen würden - Kraftwerke, Maschinen, Nutzfahrzeuge, moderne Elektronik und Verkehrstechnik (wie den Transrapid) - und dem, was die Deutschen derzeit tatsächlich herstellen können. Die deutsche Industrie könnte Rußland gar nicht das an Maschinen liefern, was die russische Industrie zu ihrer Modernisierung benötigt, und sie könnte China so schnell gar nicht beliefern, würden die Chinesen morgen zehn Kraftwerke in Deutschland bestellen. Die Kapazitäten der Industrie müßten sichtbar erweitert werden, so daß Arbeitsplätze in einem Umfang neu geschaffen werden könnten, daß wieder Vollbeschäftigung erreicht wird.

Mit Blick auf die dunklen Aussichten des „freien Marktes“ in der bisher größten Krise der Weltwirtschaft schreckt die Industrie vor großen Neuinvestitionen zurück und fährt sogar die bisher geplanten Investitionen herunter - so wie der Agrartechnik-Hersteller Fendt, der den Bau eines neuen Werkes kürzlich abblasen mußte. Nur wenn über langfristige Abkommen zwischen Regierungen ein auch finanziell abgesicherter Rahmen geschaffen wird, in dem ein stetiger Ausbau der Investitionen, der Produktion und der Beschäftigung möglich ist, wird es zu einer sichtbaren Steigerung der industriellen Tätigkeit kommen.

Zur Absicherung des finanziellen Rahmens gehört als allererste Maßnahme, daß Preise von Rohstoffen wie von landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus den Händen von Spekulanten gerissen werden, so daß Industrie und Landwirte wieder vernünftig kalkulieren können. Und es gehört dazu ein neues Kreditsystem, das Kapital - zum Beispiel auch die Vorfinanzierung von Teilen zur Endmontage in der Industrie - mit langen Laufzeiten, langen Fristen für die Rückzahlung und niedrigen Zinsen bereitstellt.

Die Bundesregierung darf nicht wie das sprichwörtliche Kaninchen auf die Schlange starren und auf das warten, was das Jahr 2010 bringt, sondern sie muß jetzt handeln, damit es im nächsten Jahr zu dem befürchteten Desaster gar nicht erst kommt. Die Bundesregierung muß außerdem durch außerordentliche diplomatische Anstrengungen in den nächsten Tagen und Wochen deutlich machen, daß sie einen konstruktiven Beitrag liefern will zu dem Viermächteabkommen zum Wiederaufbau der Weltwirtschaft, das mit einer Vereinbarung zwischen USA, Rußland, China und Indien das System des Monetarismus endgültig auf den Müllhaufen der Geschichte wirft. Diese Länder erwarten von Deutschland, daß es beim Neustart der Wirtschaft mitmacht.

Rainer Apel

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