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Neue Solidarität
Nr. 45, 4. November 2009

Verträge zwischen Rußland und China: Beginn eines neuen Kreditsystems?

Helga Zepp-LaRouche sprach bei ihrem Internetforum am 29. Oktober über das Thema „Neues Kreditsystem nach weltweitem Bankrottverfahren“. Die Welt stehe vor dramatischen Erschütterungen. Deshalb müsse sich eine Bewegung bilden, die durchsetzt, daß sich die deutsche Regierung den russisch-chinesischen Initiativen für den Wiederaufbau der Weltwirtschaft anschließt.

Die Bundesvorsitzende der Bürgerrechtsbewegung Solidarität Helga Zepp-LaRouche begann ihre Internetsendung am 29. Oktober mit der Feststellung, daß sich die Welt in einer dramatischen Lage befindet. Die Lage könne sich in zwei Richtungen entwickeln: Ein Festhalten an der Kasino-Wirtschaft werde sehr bald zu einem neuen „Megacrash“ führen, zu Massenpleiten, Massenentlassungen, zu Versorgungskrisen und zum Absturz in ein neues finsteres Zeitalter. Andererseits gebe es ein Potential, ein neues Weltfinanzsystem zu schaffen und durch Projekte wie die Eurasische Landbrücke die Weltwirtschaft wiederaufzubauen und eine neue, gerechte Weltordnung zu errichten.

Die Linie der neuen, schwarz-gelben Bundesregierung - „Wir haben alles überstanden“ - stehe leider in völligem Gegensatz zu dieser Realität. Derzeit sei nicht zu erwarten, daß die Regierung von sich aus ihren Kurs ändere, aber, so erklärte sie später im Verlauf der Diskussion, „die bevorstehenden dramatischen Ereignisse werden Frau Merkel sehr bald mit dieser Frage konfrontieren“.

Der Fortbestand der menschlichen Gattung hänge „am seidenen Faden“, aber die Fähigkeit Europas, auf diese Krise zu reagieren, sei durch Maastricht etc. stark eingeschränkt, auch wenn es immerhin Anzeichen dafür gebe, daß die Regierung Merkel sich der EU nicht ganz unterwerfen wolle.

Viel wichtiger sei eine „Entwicklung von dramatischer Bedeutung“, nämlich der Besuch des russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin in China, bei dem die beiden Staaten 12 langfristige Kooperationsverträge im Volumen von mehreren Hundert Milliarden Dollar abgeschlossen haben. Dabei geht es um die Entwicklung der Infrastruktur und Hochtechnologieprojekte bis hin zu einem gemeinsamen unbemannten Raumfahrtprojekt, also nicht bloß um die Ausbeutung von Rohstoffvorkommen, sondern um die Steigerung der Produktivität, genau wie es Lyndon LaRouche immer wieder angemahnt hatte.

Diese Verträge seien möglicherweise der Beginn einer neuen Weltwirtschaftsordnung, und beim Zustandekommen dieser Politik hätten ihr Ehemann Lyndon LaRouche und sie eine wichtige Rolle gespielt.

Dazu berichtete sie über die Konferenz des „World Public Forum Dialogue of Civilizations“, Anfang Oktober auf Rhodos (siehe Neue Solidarität 43/09). LaRouche habe dort in einem Vortrag ein gemeinsames Vorgehen der vier Mächte USA, Rußland, China und Indien gefordert, um das jetzige Weltwährungssystem durch ein Kreditsystem abzulösen, und sie selbst habe in ihrem Beitrag dargestellt, warum eine solche Initiative von Europa derzeit nicht zu erwarten sei. Insbesondere in Rußland wurde LaRouches Rede von den Medien und im Internet weithin aufgegriffen. Ein Interview mit LaRouche in der Zeitschrift Zavtra veranlaßte den prominenten Menschenrechtsaktivisten und Anwalt Viktor Kusin zu einem Offenen Brief an Präsident Medwedjew, den sie verlas, worin dieser den Präsidenten auffordert, auf LaRouches Ratschläge zu hören.

Dieser Einfluß beruhe auf entsprechendem, jahrzehntelangem Einsatz LaRouches und seiner Bewegung. Sie beschrieb die zahlreichen Initiativen wie die Kampagne für das „Produktive Dreieck Paris-Berlin-Wien“ nach dem Fall der Mauer vor 20 Jahren, das bald zum Konzept der „Eurasischen Landbrücke“ weiterentwickelt wurde: die Idee, den eurasischen Kontinent mit Hochtechnologie-Infrastrukturkorridoren zu entwickeln, wofür sie und andere in Hunderten Konferenzen und Seminaren geworben haben. Diese Ideen stünden jetzt nicht zuletzt aufgrund der Krise auf der Tagesordnung. Putin habe ausdrücklich erklärt, daß diese Projekte nicht zurückgestellt werden dürften, man müsse vielmehr die Krise durch diese Projekte überwinden. Das, so Frau Zepp-LaRouche, sei auch für Deutschland überlebenswichtig, denn es könne sich an diesen langfristigen Aufbauprojekten beteiligen.

Die gegenwärtige Krise

Dieser Entwicklung stellte sie dann die Lage in den USA gegenüber. Präsident Obamas Ansehen sei schneller zusammengebrochen als das von irgendeinem anderen Präsidenten der letzten 50 Jahre, denn er habe sich als „gigantische Mogelpackung“ erwiesen. Nach seinen zahllosen Versprechungen herrsche nun „totale Enttäuschung“ in der amerikanischen Bevölkerung. Fünf Millionen hätten ihre Arbeit verloren, eine Million auch die Arbeitslosenunterstützung, drei Millionen ihre Eigenheime. Die Kommunen seien pleite und könnten nicht helfen. Nach dem Autosektor sei nun auch der Flugzeugbau von der Krise erfaßt. Gleichzeitig seien 23 Billionen Dollar in Bankenrettungspakete gesteckt worden, und nun versuche Obama, die Kosten durch die Gesundheitsreform wieder hereinzuholen. Diese Entwicklung habe in der Bevölkerung einen Massenstreikprozeß in Gang gesetzt.

Nun stehe das Platzen der nächsten Finanzblase bevor, der Blase der Gewerbeimmobilien.

Inzwischen hätten sogar einige Wirtschaftsberater Obamas LaRouches „Kollapsfunktion“ studiert und seien zu dem Schluß gekommen, daß man nur damit die gegenwärtige Systemkrise erklären könne.

Sie beschrieb dann die notwendigen Maßnahmen, angefangen mit einer Rückkehr zum sog. Glass-Steagall-Standard, der unter Präsident Roosevelt eingeführt wurde und der den Geschäftsbanken Spekulationen strikt untersagte. Dieser Standard sei 1999 von Larry Summers abgeschafft worden, der heute leider Obamas wichtigster Wirtschaftsberater sei. Inzwischen werde die Rückkehr zu Glass-Steagall von vielen gefordert, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven, etwa vom früheren Fed-Chef Paul Volcker, der kein neues System, sondern nur Ordnung im System herstellen wolle, oder vom britischen Zentralbankchef Mervyn King, der wisse, daß Großbritannien völlig bankrott ist und daß die Londoner City einen neuen Krach nicht überleben würde. Nicht zuletzt habe man in England Angst vor einem ähnlichen Massenstreik, wie er sich in den USA bereits entwickelt hat.

Die neue Bundesregierung habe bisher nur sehr wenig Konkretes gesagt, trotzdem sei klar, daß eine Sparpolitik bevorstehe, Gebührenerhöhungen, höhere Beiträge der Krankenkassen etc. Und im Gegensatz zu den Erklärungen prominenter Ärztevertreter sei kein Neuanfang in der Gesundheitspolitik zu erwarten, vielmehr werde sich die Drei-Klassen-Medizin weiter verschlimmern.

Sie verwies in diesem Zusammenhang auf die Schweinegrippe: Während die französische Regierung schon früh vor bis zu 45.000 Todesfällen durch diese Seuche gewarnt hatte, habe man dieses Thema in Deutschland während des Wahlkampfs ausgeklammert. Für viele Menschen gebe es keinen Impfstoff, in der 3. Welt sogar nur für 2% der Bevölkerung. Diese Politik - Alte nicht mehr zu behandeln und nicht genügend Impfstoff bereitzustellen - passe sehr gut zu der Ansicht des britischen Prinzen Philip, daß die Weltbevölkerung drastisch reduziert werden sollte. Sie forderte dagegen eine Rückkehr zum Gesundheitssystem, wie es vor den Reformen von Ehrenberg, Seehofer und Schmidt gewesen sei.

Beispiel Landwirtschaft

Es zeige sich immer mehr, daß die Regierungen nur noch ausführende Organe der Banken seien. Als Beispiel hierfür ging sie auf die Lage der Landwirtschaft ein. Manche Bauern hätten die Illusion, sie könnten die Höfe ihrer ruinierten Nachbarn aufkaufen und dann die Krise durch Vergrößerung ihres Betriebes überleben. Aber der eigentliche Gegner der Bauern sei die Globalisierung, die zu einer Industrialisierung der Landwirtschaft durch Kartelle geführt habe. Die Bauern würden gezwungen, die Bedingungen der Kartelle zu akzeptieren.

Diese Kartelle arbeiteten darauf hin, die völlige Kontrolle über den Agrarsektor zu erringen, von der Aussaat über die Verarbeitung bis zum Lebensmittelhandel, indem sie ein undurchsichtiges Firmengeflecht aufbauen. Dies illustrierte sie am Beispiel des Cargill-Monsanto-Komplexes.

Die Parole der EU sei offenbar „Alle Macht den Kartellen und Zwischenhändlern“, das Ziel die Profitmaximierung der Kartelle auf Kosten der Landwirte und der Endverbraucher. Die Landwirte müßten verstehen, daß es nicht nur um ihre eigene Existenz gehe, sondern um die Versorgung der Bevölkerung. „Wenn ein Absturz in ein neues finsteres Zeitalter verhindert werden soll, brauchen wir einen Systemwechsel. Wir müssen den LaRouche-Plan auf die Tagesordnung setzen.“

Dazu sei ein Bündnis der vier Mächte USA, Rußland, China und Indien notwendig, denn durch ihre Kontrolle über die Märkte für Nahrungsmittel, Energie, Rohstoffe etc. seien die Kartelle inzwischen mächtiger als einzelne Regierungen. Nur diese vier Nationen gemeinsam seien stark genug, eine Lösung auch gegen diese Interessen durchzusetzen.

Eine Notkonferenz dieser Mächte müsse beschließen, den finanziellen Giftmüll zu entsorgen, den Glass-Steagall-Standard wieder einzuführen und einen Wiederaufbau der Weltwirtschaft in Gang zu setzen.

Dazu brauche man ein Kreditsystem nach dem Vorbild der US-Verfassung: Nur souveräne Regierungen dürfen Kredit schöpfen, der dann für Hochtechnologien und Aufbauprojekte verwendet werden müsse, und „das Abkommen zwischen Rußland und China kann der Beginn eines solchen neuen Kreditsystems sein“. Deshalb sei die gegenwärtige Krise nicht nur die potentiell größte Krise in der Geschichte der Menschheit, sondern auch eine große Chance.

Mangel an Staatsbürgern

In der anschließenden Diskussion befaßten sich etliche der Fragen mit der Rolle Deutschlands in einer solchen Aufbaupolitik. Frau Zepp-LaRouche ging mehrfach darauf ein, daß vor allem ein anderes Denken notwendig sei, um die Krise zu überwinden: „Es gibt keine Abkürzungen auf dem Weg aus der Systemkrise. Jetzt droht sogar ein noch viel größerer Absturz. Wenn wir ernsthaft aus der Krise herauskommen wollen, dann muß alles, was mit der Globalisierung verbunden ist, in die Mülltonne.“

Das neue Kreditsystem müsse vor allem auf die Ausbildung der kreativen Fähigkeiten des Individuums hin ausgerichtet sein. Der Staat müsse alles tun, um seine Bürger auf die bestmögliche Weise zu entwickeln. „Ein entwickelter Mensch hat besseres zu tun, als den Profit zu maximieren und sein Leben dem schnöden Mammon zu opfern. Die Menschen werden erkennen, daß die Globalisierung ein Irrweg war.“ Die Weltordnung müsse in Übereinstimmung mit der Schöpfungsordnung gebracht werden.

In einer anderen Antwort sagte sie: „Erstmals in der Geschichte sitzen wir alle in einem Boot. Wenn ein Teil der Welt untergeht, gehen wir anderen alle mit unter.“ Deshalb brauche man jetzt eine breite Diskussion über diese Frage. Die Massenmedien seien in dieser Richtung nicht hilfreich, daher seien nun die Bürger gefordert. In ihrem Schlußwort sagte sie: „Ich möchte Sie wirklich bitten, sich zu aktivieren. Wir haben einen Mangel an Staatsbürgern.“ Es stehe eine Zeit dramatischer Erschütterungen bevor. „Wir müssen eine neue Elite zusammenbringen, die nicht dem Mammon frönt, sondern sich dem Gemeinwohl widmet.“

Den Mitschnitt des Forums finden Sie auf der Internetseite der BüSo unter http://bueso.de/node/8091.

Alexander Hartmann

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