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Neue Solidarität
Nr. 45, 4. November 2009

Letten wehren sich gegen EU und Banken

Sparpolitik. In Brüssel protestierten Mitglieder der lettischen Partei PCTVL gegen die brutale Sparpolitik, die dem Land von der EU und vom IWF aufgezwungen wird.

Der anmaßende Druck von IWF und EU auf die lettische Regierung, ihren öffentlichen Haushalt als Bedingung für einen 7,5 Mrd. Euro „Beistandskredit“ um bis zur Hälfte zu schrumpfen, wird von der Bevölkerung Lettlands mit Empörung zurückgewiesen. Es kommt tagtäglich zu Protesten gegen die Auswirkungen auch der schon bisher beschlossenen Kürzungen.

50 Letten reisten sogar nach Brüssel, um dort am 7. Oktober mit Umhängern mit der Aufschrift „Rettet die Menschen, nicht die Banken“ gegen die inakzeptablen Kürzungen im sozialen Sicherheitsnetz in Lettland zur protestieren, die der IWF, die EU und die schwedische Regierung von den Letten verlangen. Weitere Plakate zeigten eine Henkerschlinge, die die EU den Letten überreicht, und eine lange Reihe von Grabsteinen jeweils mit der Aufschrift (in englischer Sprache) „Opfer der EU-Politik in Lettland“, einem großen Kreuz und verschiedenen Namen auf den Grabsteinen: „Gesundheitssystem“, „Bildung“, „Sozialversicherung“, „Unternehmen“ und „Beschäftigung“.

Unter den Demonstranten war auch ein führender Arzt des Ersten Krankenhauses von Riga, das bis Jahresende zusammen mit 16 weiteren - die Hälfte aller Krankenhäuser des Landes - von der Regierung geschlossen werden soll. Nach dem ursprünglichen Plan sollte dies über einen Zeitraum von fünf Jahren geschehen, aber aufgrund des neuen, vom IWF mit der Regierung ausgehandelten Budgets soll dies nun schon in sechs Monaten durchgeführt werden. Was bezahlt wird, sind die Ansprüche der Finanzspekulanten. Zu den Demonstranten gehörten etliche Gewerkschafter, im Kampf auch gegen ihre eigenen Gewerkschaftsführer, da diese die Kürzungen unterstützen.

Organisator der Demonstration war die lettische Partei PCTVL, um einen Antrag einer Gruppe von Abgeordneten des Europäischen Parlaments zu unterstützen, in dem das Parlament aufgefordert wird, eine Erklärung zum Schutz der sozialen Recht im Kampf gegen die Wirtschaftskrise“ zu unterstützen. Diese Erklärung beruft sich auf die Sozialklausel des EU-Vertrages, die Charta der Grundrechte, den globalen Arbeitsplatzpakt der Internationalen Arbeitsorganisation ILO usw. und fährt dann fort:

„A. in Erwägung, daß die von den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen bei der Bekämpfung der Wirtschaftskrise auf soziale Ausgewogenheit sowie auf eine entscheidende und meßbare Verringerung der Armut und der sozialen Ausgrenzung ausgerichtet sein sollten,

B. in Erwägung, daß die Zahl der europäischen Bürger, die aufgrund der Krise von Armut bedroht sind, zunimmt,

1. fordern wir die Mitgliedstaaten auf, bei der Bekämpfung der Wirtschaftskrise einen angemessenen Schutz der sozialen Rechte aufrechtzuerhalten;

2. fordern wir die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, zu gewährleisten, daß jegliche finanzielle Unterstützung und andere Stabilisierungsinstrumente sozialverträglich gestaltet werden;

3. fordern wir die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die sozialen Auswirkungen aller Maßnahmen gegen die Krise regelmäßig zu bewerten und dem Parlament darüber Bericht zu erstatten;

4. beauftragt das Europaparlament seinen Präsidenten, diese Erklärung mit den Namen der Unterzeichner dem Rat und der Kommission sowie den Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.“

Eine Delegation der LaRouche-Bewegung informierte die Organisatoren der Demonstration in einem Treffen über LaRouches Vorschlag zur Lösung der weltweiten Krise durch ein Vier-Mächte-Bündnis und forderte sie auf, nun als nächsten Schritt ein Gesetz nach dem Vorbild von LaRouches „Gesetz zum Schutz der Eigenheimbesitzer und Banken“ (HBPA) für Lettland zu fordern. Dieser Vorschlag ist in Lettland völlig unbekannt. Das Land steht als eines der schwächsten Länder mit nur 2 Mio. Einwohnern unter hartem Druck. Wenn Lettland zerstört wird, wäre dies ein Exempel, daß ganz Osteuropa erneut einer Schocktherapie und einem Völkermord unterzogen wird - diesmal unter der Aufsicht der EU und des IWF.

Der Ansatz des HBPA würde zunächst die 20% der Bevölkerung schützen, die Hypotheken in ausländischen Währungen aufgenommen haben. Es würde auch die ärmsten Bürger - vor allem Senioren - schützen, deren winzige Renten um 10% gekürzt und zu 70% besteuert werden, wenn sie arbeiten, und für die deshalb eine Einheitssteuer auf Grundbesitz eine existentielle Bedrohung wäre.

Die Herangehensweise des HBPA würde jedenfalls auf den erbitterten Widerstand der schwedischen Banken und der schwedischen Regierung stoßen. Deshalb wurde den Letten geraten, sich auf einen Gesetzesvorschlag im schwedischen Parlament zu berufen („,Banker i kris’, SOU 2000:66“), der LaRouches HBPA ähnelt und eine Reorganisation der Banken vorsieht, ohne den Steuerzahler zu belasten. Dieser Vorschlag ist das Ergebnis einer parlamentarischen Untersuchung der Erfahrungen mit der schwedischen Bankenkrise von 1990-1994. Aber in der gegenwärtigen Bankenkrise legte die schwedische Regierung diesen immer noch gültigen Vorschlag beiseite und ging wieder daran, für das äußerst kostspielige Modell der neunziger Jahre zu werben, die Bankenrettungspolitik durch sog. „Bad Banks“, was international als das „schwedische Modell“ angepriesen wurde.

Da alle Parteien des schwedischen Parlaments in diesem Untersuchungsausschuß diesen HBPA-artigen Ansatz unterstützten, und auch die schwedische Regierung sich offiziell nicht davon distanziert hat, könnten die Letten es sofort gegen die schwedischen Banken in Lettland anwenden und sie einer Konkurssanierung unter der Aufsicht des Staates unterziehen. Auf diese Weise würden die Banken reorganisiert, und sie könnten dann auch gleich dazu verwendet werden, Regierungskredite in den Wiederaufbau der schwer geschädigten Realwirtschaft zu leiten. Gleichzeitig würde der schwedischen Regierung die Möglichkeit gegeben, ihr eigenes Gesetz umzusetzen, um den Industrien und der Bevölkerung des Landes wieder Arbeit zu geben.

Ulf Sandmark

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Lettland wehrt sich gegen die Heuschrecken
- Neue Solidarität 21/2009