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Welternährungskrise. Weltweit hungern mehr als eine Milliarde Menschen. Aber schuld daran sind nicht Mißernten, sondern die Globalisierung.
„Die globale Wirtschaftskrise dominiert die Nachrichten und die Terminkalender der Regierungen. Billionen Dollars werden ausgegeben, um die wohlhabenden Volkswirtschaften zu erhalten. Aber wer rettet die Armen?“
Aus einem Flugblatt der FAO zum Welternährungstag am 16.10.2009
Der Zerfall des Weltwirtschaftssystems schreitet voran, und weit mehr als eine Milliarde Menschen hungern. Das ist der Grund dafür, daß die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) der Vereinten Nationen - oft gemeinsam mit anderen Organisationen - in diesem Jahr bereits mehr als ein halbes Dutzend Konferenzen veranstaltet hat, angefangen mit dem Gipfeltreffen zum Thema „Ernährungssicherheit für alle“ im Januar in Madrid.
In diesem Monat wird die Serie der hochrangigen Expertenforen fortgesetzt mit Konferenzen zu den Themen „Wie man die Welt im Jahr 2050 ernähren kann“, „Konferenz des Komitees für Weltsicherheit“ sowie dem „Welternährungstag“ in Vorbereitung eines Weltgipfels für Ernährungssicherheit, der vom 16.-18. November in Rom stattfinden wird.
Der Bericht Stand der Ernährungsunsicherheit auf der Welt - die Wirtschaftskrise, ihre Wirkung und die zu ziehenden Lehren, der am 14. Oktober von der FAO veröffentlicht wurde, ist bereits der 10. Bericht über den Welthunger seit dem Welternährungsgipfel von 1996. Er befaßt sich zwar nicht mit der destruktiven Wirkung der internationalen Spekulationsblase, der Notwendigkeit einer umfassenden Konkurssanierung und Einführung eines neuen Kreditsystems, aber der Bericht belegt indirekt die verheerenden Folgen der Globalisierung.
Es heißt dort: „Die gegenwärtige Krise ist keine neue Krise. Sie ist die plötzliche Verschlimmerung einer strukturellen Krise, die in den letzten Jahrzehnten Hunderten von Millionen von Menschen den Zugang zu einer ausreichenden Ernährung verwehrt hat... Die gegenwärtige Lage zeigt die dringende Notwendigkeit, gegen die strukturellen Ursachen des Hungers anzugehen.“ Der Hunger habe zwar im letzten Jahrzehnt zugenommen, aber, so wird dokumentiert, die explosionsartige Zunahme der Zahl der hungernden Menschen im vergangenen Jahr ist eine Folge der Wirtschaftskrise. Drei Faktoren werden aufgezeigt:
1. Die Krise trifft viele Teile der Welt gleichzeitig. Frühere Krisen waren meist auf einzelne Länder oder mehrere Länder in einer bestimmten Region beschränkt. Die traditionellen Mechanismen auf nationaler oder subnationaler Ebene greifen heute daher nicht.
2. Die gegenwärtige Wirtschaftskrise kam unmittelbar nach der massiven Steigerung der Nahrungsmittel- und Treibstoffpreise 2006-08. Ende 2008 lagen die Inlandspreise für Grundnahrungsmittel im Durchschnitt um 17% über den Preisen von 2006. Damals gaben die armen Menschen bereits rund 40% ihres Einkommens für Grundnahrungsmittel aus, die Preissteigerungen bedeuteten also eine deutliche Reduzierung der Kaufkraft.
3. Die Entwicklungsländer sind finanziell und wirtschaftlich stärker in die Weltwirtschaft integriert als noch vor 20 Jahren, sodaß sie auch anfälliger für Störungen der Weltmärkte geworden sind.
Der Bericht dokumentiert die steigende Abhängigkeit der armen Nationen vom Export von Waren und Dienstleistungen, von ausländischen Direktinvestitionen (FDI) und auch von Importen. Der Anteil des Exports von Waren und Dienstleistungen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Entwicklungsländer wuchs von 15% in den achtziger Jahren auf 27% 2007, ein Anstieg um 80%. Der Anteil der Geldüberweisungen von Gastarbeitern an ihre Familien im Heimatland am BIP wuchs von 2,3% in den achtziger Jahren auf 5% 2007, ein Wachstum um 117%, und der Anteil der FDI am BIP wuchs von 0,5% in den achtziger Jahren auf 5% 2007, eine Steigerung um 900%!
Obwohl die Globalisierung den ganzen Planeten infiziert hat, zeigt der Bericht, daß die Importabhängigkeit zwischen 1970 und 2003 in den am wenigsten entwickelten Ländern am stärksten zunahm, im Vergleich zu den Ländern mit höheren Einkommen. 2003 mußten die am wenigsten entwickelten Staaten z.B. 17% ihres Getreidebedarfs importieren, gegenüber 8% 1970, und 55% ihrer Speiseöle, gegenüber 9% 1970. 17 Nationen Afrikas mußten 30%-50% ihres Getreidebedarfs importieren.
Für Länder, die von Nahrungsmittelimporten abhängig sind, sind Exporteinnahmen, Geldüberweisungen, ausländische Hilfen und FDI von entscheidender Bedeutung. Man schätzt, daß die Geldüberweisungen 2009 um 5-8% zurückgehen werden, nachdem sie von 2005-07 um 15-20% gewachsen waren; die FDI in den Entwicklungsländern insgesamt werden 2009 um 32% schrumpfen, in den ärmsten 71 Staaten um schätzungsweise 25%. Das bedeutet, so der Bericht, daß möglicherweise Nahrungsmittel vorhanden sein werden, aber diese Nahrungsmittel werden für die armen Länder weniger erschwinglich sein.
Im vergangenen Monat publizierte die FAO einen Bericht, in dem es heißt, daß erstmals in der Geschichte der Menschheit mehr als eine Milliarde Menschen (1,02 Mrd.) unterernährt sind. Aber das ist nur eine Schätzung. Die FAO hat drei Szenarien verglichen, um die wahrscheinliche Wirkung der Wirtschaftskrise auf die Ernährungssicherheit der armen Nationen einzuschätzen. Es ist klar, daß ohne eine völlige und baldige Änderung der Politik diese Zahl von einer Milliarde hungernder Menschen sich als große Untertreibung erweisen wird. Wir haben es mit einer Desintegration der realen Wirtschaft zu tun, die von LaRouche schon am 26. Juli 2007 angekündigt worden war, einem neuen finsteren Zeitalter, für das es keine andere Lösung gibt als den „LaRoucheplan“.
Leni Rubinstein