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Neue Solidarität
Nr. 44, 28. Oktober 2009

Europa-Nachrichten

EU-Kommission: Die alten Menschen opfern, um den Banken zu helfen

Die Londoner Tageszeitung Financial Times ließ den Inhalt einer neuen Studie der Europäischen Kommission durchsickern, in welchem die EU-Mitgliedstaaten aufgefordert werden, „altersbezogene Ausgaben“ zurückzufahren. In dem Bericht heißt es, daß in zwölf Mitgliedstaaten die Sozialausgaben den Staatshaushalt aus dem Gleichgewicht brächten. Das ist offensichtlich gelogen, da die Haushalte wegen der Bankenrettungspakete außer Kontrolle geraten sind. In Wirklichkeit führt Großbritannien die Liste der „gefährdeten Länder“ an, da es nach Angaben des Berichts ein „Einkommensdefizit von 12,4% des Bruttosozialprodukts“ aufweist, d.h. es soll seine Haushaltsausgaben um einen ebenso großen Betrag kürzen.

Da Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen keine leichte Sache seien, müsse man „alternativ dazu die Sozialsysteme reformieren, um die vorausberechnete Zunahme bei altersbedingten Ausgaben zu bremsen.“ Die Rettungspakete, die den wahren Grund des Haushaltsdefizits darstellen, werden zwar genannt, aber nicht in Frage gestellt: „Die Kosten der Krise und die erwartete demographische Entwicklung verstärken sich gegenseitig und machen die Nachhaltigkeit der Staatsausgaben zu einer akuten Herausforderung.“

Großbritannien, Spanien und zehn weitere europäische Staaten stellen ein „langfristiges Risiko dar“, behauptet der EU-Bericht. Zehn Staaten, zu denen Frankreich, Deutschland, Italien und Polen gehören, stehen im mittleren Risikobereich. Fünf Staaten werden der Kategorie „niedriges Risiko“ zugeordnet: Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland und Schweden.

Dieselbe Linie - brutale Sparpolitik, nachhaltige „Reformen“ bei den Sozial- und Gesundheitsausgaben, aber kein Infragestellen der Finanzrettungspakete - vertritt auch der IWF-Chefökonom Olivier Blanchard.

Demographische Probleme können nur mit einer gesteigerten Produktivität und massivem Wirtschaftswachstums in der Realwirtschaft gelöst werden. Dafür aber braucht man ein Konkursverfahren des bankrotten Finanzsystems und ein neues, am Gemeinwohl orientiertes Kreditsystem. Das wollen diejenigen Propagandisten, die jetzt ständig das Mantra der „demographischen Entwicklung“ im Munde führen, aber genau nicht. Die verlogene Behauptung, man müsse wegen der “demographischen Entwicklung“ sparen, ist ein typisches Totschlagsargument, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Es bedeutet einfach: alte Leute kosten zuviel.

Vaclav Klaus spannt Lissabon-Befürworter auf die Folter

Bei seinem Treffen mit dem russischen Staatspräsidenten Dmitri Medwedjew am 14. Oktober in Moskau ließ der tschechische Präsident Vaclav Klaus verlauten, er beabsichtige nicht, den Lissaboner Vertrag bald zu unterzeichnen. „Die Forderungen, die ich zur Bedingung für die Unterschrift unter dieses Dokument erhoben habe, sind ernst zu nehmen“, wird Klaus von BFM.ru zitiert. Er und sein russischer Gegenüber hätten viel Zeit auf die Diskussion über den Lissaboner Vertrag verwendet. „Ich versuchte klarzumachen, warum wir, und nicht nur wir, Bedenken gegen eine Vertiefung der Integration in der EU haben“, sagte Klaus.

Klaus ist weiter gegen den Vertrag und erklärt, dieser würde Tschechiens nationale Souveränität beseitigen und die Freiheit in Europa gefährden. Um die Vertragsunterzeichnung zu verschieben, fordert er nun die Hinzufügung einer Fußnote über Eigentumsrechte in der Tschechischen Republik. Dies bedarf möglicherweise sogar einer Neuratifizierung des Vertrags.

Die Lissabon-Befürworter sind in helle Aufregung versetzt. Der Guardian und die Financial Times beschimpften Klaus als „Klimawandelleugner”, „euroskeptischen Populisten” und sogar als „Schürzenjäger“.

Ein tschechischer Experte für Verfassungsrecht informierte uns, Klaus habe in der Frage zwar alle Institutionen und Parteien außer den Kommunisten gegen sich, aber er habe die Unterstützung der Bevölkerung. Offenbar zögert er seine Unterschrift in Hoffnung auf einen Wahlsieg der britischen Konservativen im Frühjahr hinaus. Deren Vorsitzender David Cameron will sich im Falle eines Wahlsiegs für ein Referendum über den Lissaboner Vertrag einsetzen.

Der Experte warnte auch davor, von den Tschechen Klaus’ Amtsenthebung zu fordern. Dazu müßte er des Hochverrats angeklagt werden, aber umgekehrt argumentierten auch einige Tschechen, es wäre Hochverrat, wenn er den Vertrag unterzeichne. Ein Amtsenthebungsverfahren dauere von Natur aus lange, sei sehr anfechtbar, außerdem würde es das Land polarisieren.

Tremonti: Mobilität der Arbeit ist kein Wert an sich!

Der italienische Wirtschafts- und Finanzminister Giulio Tremonti ist erneut im Mittelpunkt der wirtschaftspolitischen Diskussion in Italien, seit er eine weitere heilige Kuh der Globalisierung geschlachtet hat: die Mobilität der Arbeitnehmer.

Tremonti sagte auf einer von der Mailändischen Volksbank (Banca Popolare di Milano) organisierten Veranstaltung: „Ich glaube nicht, daß Mobilität an sich ein Wert ist. Ich denke, daß in sozialen Strukturen wie den unsrigen ein fester Arbeitsplatz die Basis dafür bildet, auf der das eigene Lebensprojekt und die Familie organisiert sind. Seinen Job häufig zu wechseln, Unsicherheit und Flexibilität stellen für manch einen einen Wert an sich dar; ehrlich gesagt, für mich aber nicht.“

Weiter sagte Tremonti: „Die Krise hat uns gezeigt, daß es besser ist, eine staatliche Rente und eine Familie zu haben, statt einen an die Profite der Wall Street geknüpften Rentenfonds, und am Ende in einem Wohnwagen zu übernachten und kein Geld für die Ausbildung des Kindes zu haben.“ In seiner Rede griff Tremonti auch erneut die Frage des Kredits als ein durch die Verfassung geschütztes Gut auf.

Seine Äußerungen lösten Empörung in seiner eigenen Partei aus. Kabinettsminister Renato Brunetta sagte: „Dies ist eine Lösung aus dem vergangenen Jahrhundert“. Mitglieder der Opposition nannten seinen Vorschlag „lächerlich.“

Die im Publikum anwesenden Gewerkschaftsführer lobten Tremonti jedoch. Der Vorsitzende der italienischen Gewerkschaft UIL (Unione Italiana del Lavoro), Luigi Angeletti, sagte, daß Tremonti sich einen Mitgliedsausweis der UIL verdient habe. Ein konservativer Kommentator schrieb, Tremonti habe „Parmenides entdeckt und Heraklit fallengelassen“ - wohl deshalb, weil Heraklit das philosophische Konzept des beständigen Wandels im Universum zugeschrieben wird.