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Innerhalb der US-Regierung tobt eine Debatte um eine Neuorientierung der Afghanistanpolitik, seit der lange erwartete Bericht des US-Kommandeurs in Afghanistan, Gen. Stanley McChrystal, mit der indirekten Forderung nach einer massiven Erhöhung der Truppenstärke und einer neuen Doktrin zur „Aufstandsbekämpfung“ an die Presse durchgesickert ist. Vizepräsident Joe Biden ist in der Öffentlichkeit der wichtigste Widersacher einer solchen Politik; er sagte am 17. September im Fernsehsender CNN, jede Erhöhung der Truppenstärke wäre derzeit „verfrüht“.
Lyndon LaRouche erklärte, Biden handle wahrscheinlich im Auftrag von Präsident Barack Obama, der wisse, daß eine Ausweitung des Krieges in Afghanistan bei den Amerikanern sehr unbeliebt wäre und deshalb seine Präsidentschaft gefährden könne. Offenbar schicke er nun seinen Vizepräsidenten vor in die Hitze der politischen Gefechte.
Man muß allerdings fragen: Wer steckt hinter der verrückten Strategie, die eine politische Lösung mit Zusammenarbeit in der Region, insbesondere mit dem Iran, verhindert? Man kommt der Antwort näher, wenn man die Rolle bestimmter britischer und neokonservativer, aus der Regierung G.W. Bush übernommener Kreise betrachtet.
Ganz oben auf der Liste steht Sir Sherard Cowper-Coles, der seit Februar 2009 britischer Sondergesandter für Afghanistan und Pakistan ist. Diese Position wurde neu geschaffen, um die Rolle der Briten in der Afghanistanmission (AFPAK) zu stärken, als Obama Richard Holbrooke zum US-Sondergesandten ernannte. Sir Sherard ist ein hochrangiger Vertreter der Sykes-Picot-Tradition, er hat als Botschafter in Israel und Saudi-Arabien gedient. 2007 wurde er britischer Botschafter in Afghanistan, wo einer seiner engen Vertrauten, Michael Semple, zusammen mit einem anderen Briten, Mervyn Patterson, wegen eines Spionageskandals ausgewiesen wurde. Der afghanische Präsident Hamid Karzai beschuldigte die beiden MI-6-Agenten, die im Apparat der UN und der EU arbeiteten, mit den Taliban zu verhandeln und sie finanziell zu unterstützen.
Ein französischer Regierungsmitarbeiter ließ an die Zeitung Canard Enchaîné durchsickern, Cowper-Coles wolle einen „Neuanfang“ in Afghanistan, wozu gehöre, die Regierung Karzai zu stürzen und die Taliban wieder in die Staatsgewalt einzubinden. Cowper-Coles behauptet, der Aufstand werde von „ausländischen Kräften“ geschürt, und befürwortet eine „weiche“ Ausweitung der Besatzung im Namen von „Entwicklung“ und Aufstandsbekämpfung - eine Politik, die Jahrzehnte dauern könnte.
Zu erwähnen ist weiter der australische Armeeoberst Davie Kilcullen, der im Stab von Gen. David Petraeus und von McChrystal sitzt. Der Neocon Paul Wolfowitz hatte Kilcullen 2004 nach Washington geholt, damit er für die Verteidigungsplanung Quadrennial Defense Review des damaligen US-Verteidigungsministers Donald Rumsfeld den Abschnitt über „irreguläre Kriegführung“ verfaßte. 2006-07 arbeitete er mit an einem Handbuch der US-Armee zur Aufstandsbekämpfung.
Zu McChrystals Beratern gehört auch Frederick Kagan von der neokonservativen Denkfabrik American Enterprise Institute (AEI), einer der Berater, die für Präsident G.W. Bush Anfang 2008 die Truppenverstärkung im Irak („surge“) planten. In Holbrookes Stab sitzt die britische Diplomatin Jane Marriott, Mitglied des Order of the British Empire (OBE). Marriott war 2007-08 Vizechefin der britischen Afghanistanpolitik, bevor sie zum Zentralkommando der US-Streitkräfte (CENTCOM) entsandt wurde.
sas